Titel: Ueber Hrn. de Lignac's Milchconserve; von Prof. Payen.
Fundstelle: Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XVI., S. 71
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XVI. Ueber Hrn. de Lignac's MilchconserveMan vergl. darüber polytechn. Journal Bd. CXIII S. 454.; von Prof. Payen. Aus dem Moniteur industrielle, 1849, Nr. 1397. Payen, über de Lignac's Milchconserve. Der Werth der Milch könnte sehr erhöht werden und würde gestatten eine größere Anzahl von Arbeitern zum Betrieb der Landwirthschaft zu halten, wenn man, wie z.B. durch die Fabrication verschiedener Käsearten und die Butterbereitung, das Volum Milch vermindern und ihre Producte haltbar und versenkbar machen würde. Eine derartige Aufgabe stellte sich Hr. de Lignac, indem er die Aufbewahrung der Milch wohlfeiler und sicherer zu machen versuchte. Er hoffte so die Lage des Landmanns zu verbessern, der seinen Erlös für eine gleiche Menge Milch an manchen Orten nur auf die Hälfte oder gar das Drittel bringen kann von dem des Viehhalters, welcher an Landstraßen wohnt oder Industriezweige betreibt, die auf der Milch beruhen. Hr. de Lignac befand sich in solcher ungünstigen Lage, und bestrebte sich deßhalb, die Milch aufbewahrbar zu machen, ohne daß sie dabei einen ihrer nähern Bestandtheile einbüßt. Es waren ihm damals die Vorarbeiten der HHrn. Gay-Lussac, Braconnot und Appert wohl bekannt. Mehrere Abänderungen des Braconnot'schen Verfahrens lieferten Conserven in Form eines Teigs oder von Täfelchen, die der Veränderung wenig unterworfen waren; allein durch das angewandte Verfahren ging ein Theil der Bestandtheile der Milch (Milchzucker, auflösliche Salze und stickstoffhaltige Substanz) verloren; auch war es zu complicirt, indem man nämlich Salzsäure benutzt, um ein Coagulum (Geronnenes) zu erhalten, und dann kohlensaures Natron anwendet, um die ausgewaschene Masse (das Geronnene) wieder aufzulösen. Hr. Villeneuve, ein Marineofficier zu Bordeaux, hatte bessern Erfolg, indem er die vorher mit Zucker versetzte Milch höchst sorgfältig eindickte; allein sein Verfahren war im Großen nicht leicht auszuführen. Einige wandten dasselbe an, ohne sich jedoch dem Ziele so weit zu nähern, wie er; ein Theil der Butter schied sich während der zu langsamen und in zu tiefen Gefäßen vorgenommenen Eindickung ab. Das Appert'sche Verfahren, bei Milch angewandt, welche reich an festen Bestandtheilen ist, wie man sie durch gebrochenes Melken als letzte Antheile erhält, gibt manchmal gute Resultate; mit der Länge der Zeit aber, und vorzüglich beim Transport, scheidet sich ein Antheil der Butter von der Milch ab. Hr. Robinet bereitete wirklich unter günstigen Umständen einen sehr guten Milchsyrup; allein es war dieß mehr ein Präparat des Laboratoriums als ein Product der Industrie. Auf folgende Weise umgeht Hr. de Lignac die Uebelstände der andern Verfahrungsweisen. Das Erste ist, daß man sich sehr gute Milch verschaffe; man erhält sie vom Frühling an bis zum Herbst, zu den Jahreszeiten, wo die Kühe im Freien auf fruchtbaren Wiesen mit mannichfaltigen Gewachsen weiden; denn offenbar ertheilen andere Fütterungsweisen, die den Winter über im Stall stattfinden, der Milch eine andere Beschaffenheit. Durch Rüben, Kartoffeln, Kohl, in zu großen Mengen, erhält sie einen unangenehmen Geschmack; manche Oelkuchen ertheilen der Fettsubstanz der Milch einen eigenen Charakter und die Butter wird so zu sagen ölig. Es versteht sich, daß das Conservirungs-Verfahren, weit entfernt diese Fehler zu vermindern, sie nur vergrößern könnte. Die zu präparirende Portion Milch soll ziemlich gleichzeitig gemolken worden seyn, damit sie wenigst möglich Zeit hatte eine freiwillige Veränderung zu erleiden. Das Gefäß, in welchem die Eindickung vorgenommen wird, hat einen flachen Boden, damit die Flüssigkeit nur eine dünne, überall gleiche, nicht über 2–3 Centimeter (9–13 Linien) betragende Schicht bildet. Die Erhitzung geschieht durch den in der doppelten Hülle circulirenden Dampf, so daß die Temperatur der Milch 80° R. nie übersteigt. Man läßt in jedem Liter Milch vorher 75 bis 80 Gramme (in 2 Pfd. Milch 4 bis 4 1/2 Loth) weißen Zucker zergehen; dieser wirkt fäulnißwidrig und zugleich geschmackverbessernd, und wird der Milch bei der Bereitung von Nahrungsmitteln ohnedieß beinahe immer zugesetzt. Die gezuckerte Flüssigkeit muß sehr rasch abgedampft werden, was durch ununterbrochenes Umrühren mit einer Spatel bewerkstelligt wird, wodurch man die Bildung von Häutchen verhindert, welche sich später nicht mehr einrühren ließen. Wenn die Milch auf etwa ein Fünftel ihres ursprünglichen Volums eingedickt ist, gießt man sie in cylindrische Büchsen von Weißblech von 1 oder 1/2 Liter Rauminhalt, die man nach der Appert'schen Methode behandelt. Hr. de Lignac verbesserte die Verschließung dieser Büchsen bedeutend durch Anlöthen eines zinnernen Bandes, welches man rundherum abschneiden kann, so daß sich die Büchse ohne alle Schwierigkeit öffnen läßt. Die so bereitete Conserve wurde schon im Großen eingeführt; man bediente sich ihrer mit gutem Erfolg auf französischen und englischen Schiffen. Sie ist halbdurchsichtig, von teigartiger Consistenz und besitzt den gewöhnlichen Geruch gesottener Milch; in lauwarmem Wasser zerrührt sie sich leicht und wird dann undurchsichtiger und milchig; in ihrem vierfachen Volum Flußwasser aufgeweicht, hat sie die mittlere Zusammensetzung der normalen Milch. Man kann diese, gewissermaßen regenerirte, Milch auf 80° R. erhitzen und kochen lassen, ohne daß eine Veränderung damit vorgeht. Mit Thee, Kaffee, Chocolade vermischt, kann man sie von solchen mit gewöhnlicher gezuckerter und gesottener Milch bereiteten Getränken kaum unterscheiden. Vierzehn Tage lang gaben dieselben Versuche mit einer angebrochenen Büchse gleiche Resultate; läßt man die Büchse 8–10 Tage offen, ohne etwas herauszunehmen, so wird die Oberfläche der teigartigen Substanz gelblich und kann einen sehr schwach ranzigen Geruch annehmen; man braucht aber nur eine dünne Schicht davon abzunehmen, um die wenige Substanz, welche eine Veränderung erlitt, zu entfernen. Das nach de Lignac's Verfahren erhaltene Product besitzt also die Eigenschaften eines Nahrungsmittels, welches lange aufbewahrt und zur Verproviantirung der Schiffe verwendet werden kann. Sollte, wie zu vermuthen, der Verbrauch desselben sich ausdehnen, so könnte das Verfahren ohne Zweifel noch verbessert werden, z.B. durch Anwendung eines mechanischen Rührapparats und Verdampfung bei niederer Temperatur im luftverdünnten Raume. Die Mittheilung des Hrn. de Lignac schien uns Interesse zu gewähren wegen des Absatzes, welchen sie für die landwirthschaftlichen Producte ermöglicht; sie liefert ein neues Beispiel, wie vortheilhaft es ist mit der Landwirthschaft Industriezweige zu verbinden; endlich ist sie auch von Wichtigkeit hinsichtlich der gesunden Ernährung der Schiffsmannschaft.