Titel: | Ueber die Bereitung der feineren Eisen- und Stahlsorten für Flintenläufe, Säbelklingen und Eisenbahnachsen; von W. Greener in Birmingham. |
Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XXVII., S. 135 |
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XXVII.
Ueber die Bereitung der feineren Eisen-
und Stahlsorten für Flintenläufe, Säbelklingen und Eisenbahnachsen; von W. Greener in
Birmingham.
Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Oct. 1849,
S. 306.
Greener, über die Bereitung der feineren Eisen- und
Stahlsorten.
Für keinen Industriezweig bestrebte man sich mehr, die feineren Eisensorten zu
verbessern, als zur Fabrication der Gewehrläufe, welche früher aus alten Hufnägeln
verfertigt wurden, jetzt aber aus gewalztem Stahl erzeugt, sogar größere Sicherheit
darbieten. Man wird natürlich fragen, warum letzteres Verfahren, wenn es so
vortheilhaft ist, nicht auch auf andere Fabricationszweige angewandt wurde, wo
Menschenleben noch größerer Gefahr ausgesetzt sind, als bei einem Gewehrlauf. Die
erste Neuerung an dem alten Verfahren der Gewehrlauffabrication, nämlich ihrer
Verfertigung bloß aus alten Hufnägeln, nahm der verstorbene Hr. Adams in Wednesbury vor, welcher vor zwanzig Jahren das
sogenannte Damascener-Eisen einführte, welches aus abwechselnden Lagen von
Stahl und Eisen besteht, die zu Stäben ausgestreckt, dann durch Drehung mit einander
verflochten und hierauf zu Läufen zusammengeschweißt werden. Dieses Verfahren war
von bestem Erfolge sowohl in Bezug auf Schönheit, als auf Stärke; letztere war um 50
Procent größer als bei dem Eisen aus Hufnägeln.
Die nächste Verbesserung war, daß man den Stahl mit den Hufeisennägeln, nämlich 1 Th.
von ersterem auf 2 Thle. der letztern inniger vereinigte, indem man alten
abgenützten Stahl in Stücke zerschnitt, mit den Hufnägeln sorgfältig vermengte und
sie reinigte, dann zu einem Deul zusammenschweißte und walzte. Das Fasernsystem
schien hier ein besseres zu seyn, denn die Mischung war durchaus von gleicher
Zähigkeit, obgleich die Composition weniger Stahl enthielt. Wegen der Schwierigkeit,
alte Hufnägel von hinreichender Güte zu erhalten, weil das ursprüngliche Eisen mit
der Zeit schlechter wurde, mußte man die Fabrication dieser Sorte fast ganz aufgeben,
oder die Qualität derselben ist, wo sie noch erzeugt wird, so gering, daß sie kaum
den dritten Rang einnimmt.
Die nächste und wichtigste Verbesserung war die Fabrication von Gewehrläufen bloß aus
altem, abgenütztem Stahl, wozu meistens alte Kutschenfedern gesucht werden; indem
man diese in Stücke zerschlägt, vollkommen reinigt, und dann im Gebläseofen
zusammenschweißt, erhält man ein Product, welches an Zähigkeit, Zartheit und
Dichtigkeit alles früher erzeugte faserige Metall übertrifft. Seine Festigkeit in
einer Kettenprobirmaschine ermittelt, verhält sich wie 8 zu 2 1/2 zu der des alten
Hufnägelgemisches. Die vollkommene Sicherheit der daraus verfertigten Läufe ist
bewundernswürdig; wenn sie gut gearbeitet sind konnte man sie mit keinem bisher
versuchten Schießpulver zersprengen.
In der letzten Zeit hat Hr. Greener über diesen Gegenstand
Versuche im großen Maaßstabe angestellt; er nimmt Stücke Gußstahl vom zartesten Nro.
3 in der Scala der Carbonisirung (Vereinigung mit Kohlenstoff); nachdem sie in
flache Stäbe ausgewalzt sind, werden sie in kleine Stücke zerschlagen, gut gemengt
und, wie oben, im Gebläseofen zusammengeschweißt, dann zu runden Stangen ausgewalzt,
wieder zusammengeschweißt, abermals ausgewalzt, und hierauf in Gewehrläufe
verwandelt, indem man sie behufs des Damasts spiralförmig verflechtet oder nicht.
Läufe aus solchem Stahl (den er gewalzten Stahl nennt) sind in der That vollkommen
sicher; um sich davon zu überzeugen, wurden beide Enden eines leichten Flintenlaufes
mit Schwanzschrauben versehen, dann 8 Drachmen (drei gewöhnliche Ladungen)
Schießpulver hineingebracht, die Schwanzschraube wieder angebracht und das Pulver
durch eine Oeffnung von der gewöhnlichen Größe der Zündlöcher abgefeuert; die
Dichtigkeit und Zähigkeit des Metalls waren so groß, daß es der ungeheuren Kraft
dieser großen Pulverladung widerstehen konnte, indem die Gase aus dem Zündloch wie
der Dampf aus einem Sicherheitsventil entwichen.
Das beschriebene Verfahren ist die Verbesserung des Faserngefüges mit erhöhter
Dichtigkeit des Metalls. Der ungleiche Kohlenstoffgehalt der Metalle bildet bei so
ungeheurer Ausdehnung ungleiche Fasern ohne alle krystallinische Structur des
Metalls – letztere muß bei Flintenläufen oder andern Gegenständen, welche
starken Schlägen, Explosionen oder Stößen ausgesetzt werden, stets von nachtheiligem
Einfluß seyn.
Die Säbelklingen sind ein anderer Fabricationszweig, für welchen sich diese
Verbesserung vorzüglich eignet. Hr. Greener ist
vollkommen überzeugt,
daß die Araber auf ähnliche Weise ihre fein gehärteten Damascenerklingen erzeugen
– nämlich durch Anwendung von zweierlei Stahl mit verschiedenem
Kohlenstoffgehalt, innigstes Vermischen und methodisches Verflechten derselben in
vielen wunderlichen Richtungen. Er glaubt, daß sie nicht durch Erhitzen und
nachheriges Eintauchen der Klingen in eine abkühlende Flüssigkeit, wie wir, härten.
Wenn wir eine Damascenerklinge mit einer Säure behandeln, so ist das gewalzte Gefüge
ganz sichtbar; würde die Klinge erhitzt und eingetaucht, so müßte Krystallisation
eintreten und jenes Gefüge für immer verschwinden. Er wollte damit den Vorzügen
unseres Verfahrens, die Säbel zu härten, nicht zu nahe treten, sondern nur der
Thatsache erwähnen, daß in Europa noch keine den Damascenern an Zähigkeit
gleichkommenden Waffen erzeugt wurden.
Der Regierungs-Inspector der kleinen Waffen erklärte unlängst vor einem
Comité des Hauses der Gemeinen, „daß die in Birmingham fabricirten
Säbel sich nicht zum Gebrauch in der Armee eignen.“ Hr. Greener überzeugte sich, daß das Härten mittelst
Krystallisirens des Stahls (d.h. das Härten auf gewöhnliche Weise) bei weitem nicht
das beste Verfahren sey. Er fand daß die Damascenerklinge in ihrem faserigen, oder
durch Hämmern gehärteten Zustande, um 100 Procent schwerer bricht, als die beste
englische Klinge; man Härte sie aber auf unsere Weise, und sie wird keine größere
Zähigkeit darbieten als die englische Klinge. Die Damastzeichnung wird dadurch
zerstört, daß sich der Kohlenstoff gleichmäßig verbreitet; sie wird dann durch
Säuren nicht mehr zum Vorschein gebracht, sondern ist völlig verschwunden.
Betrachtet man sie unter der Loupe, so überzeugt man sich, daß, was jetzt eine bloße
Krystallmasse ist, früher eine System von Fasern von der niedlichsten und schönsten
Anordnung war. Die Eigenschaft aller krystallinischen Gefüge aber, durch die
wiederholten Wirkungen der Vibration ihre Zartheit zu verlieren und sich zu trennen,
ist allen Physikern bekannt. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß Klingen, welche
aus verschiedenen Stahlsorten bestehen, durch Verdichtung ihrer Fasern gehärtet
(getempert) werden müssen, was durch wiederholtes Walzen, Hämmern, oder viele andere
Operationen bewerkstelligt werden kann, die uns bei unserem so vervollkommneten
Maschinenwesen zu Gebote stehen. Auf diesem Wege können wir jeden Soldaten mit einem
ebenso guten, wenn auch nicht so kostspieligen Säbel, wie die Damascener
bewaffnen.
Schließlich noch einiges über die heutzutage nicht minder wichtige Construction der
Eisenbahnachsen. Die Erfahrung lehrt, daß man durch Vereinigung von 1 Drittheil Stahl mit 2 Drittheilen
Eisen die Stärke der Masse verdoppelt; warum soll diese Verbesserung nicht auch für
Eisenbahnachsen und andere Maschinentheile, von welchen oft die Sicherheit mehrerer
Hundert Menschen abhängt, angewandt werden?
Hr. Greener vermuthet, daß die bei Eisenbahnachsen,
nachdem sie einige Tausend Meilen zurückgelegt haben, rasch eintretende
Krystallisation der galvanischen Elektricität zuzuschreiben sey; es werden dabei
Achsen von dem faserigsten, homogensten Eisen in vollkommen krystallinischen Zustand
übergeführt, welcher sich auf einige Zolle über ihren Zapfen hinaus erstreckt. Hr.
Greener unterzog nämlich verschiedenartige Drähte,
von gewöhnlichem Eisendrahte an, bis zum Draht aus seinem gewalzten Stahl, einem
starken und zwei Stunden andauernden elektrischen Strom, welcher wirklich die Faser
der schlechtem Eisensorten in krystallinischen Zustand überführte – deren
Zähigkeit nun ganz vernichtet war, so daß sie mit der Sprödigkeit des Glases
brachen.Man vergleiche über den Einfluß des elektrischen Stroms auf kupferne Ketten, polytechn. Journal Bd. CXIV S. 358. Dagegen wurde der stark faserige Zustand sowohl des Gemisches von Stahl und
Eisen, als des faserigen Stahls nicht in demselben Verhältniß verändert, selbst
nicht, nachdem der elektrische Strom die doppelte Zeit hindurchgegangen war. Er
schließt daraus, daß Mischungen von Stahl und Eisen nicht nur die Dauerhaftigkeit
und Sicherheit der Achsen erhöhen, sondern wohl auch den Verbrauch an
Schmiermaterial verringern würden.
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Hr. Stephenson, als Vorsitzender der Versammlung der
Civilingenieure, bemerkte über Vorstehendes, daß wenn der elektrische Strom auch die
Natur des Eisens verändern könne, es doch keineswegs erwiesen sey, daß die
Eisenbahnachsen diesem elektrischen Einfluß wirklich unterworfen seyen. Ferner
zweifle er, daß wenn ein Stück Eisen vorher vollkommen faserig war, die Erzitterung
je sein Gefüge verändere. Die Balanciers der Cornwallis'schen Dampfmaschinen z.B.
seyen einem sehr starken Drucke ausgesetzt und doch würden sie nie krystallinisch;
die Verbindungsstange einer Locomotive sey ebenfalls einer großen Vibration und
starkem Druck ausgesetzt, da sie bei einer Geschwindigkeit von 40 (engl.) Meilen per
Stunde in der Secunde 8 Schwingungen macht; er habe aber die Abnützung einer solchen Stange drei Jahre
lang beobachtet und es sey im Gefüge des Eisens keine Veränderung wahrzunehmen
gewesen. Er müsse daher die Richtigkeit der Annahme des Hrn. Greener bezweifeln.