Titel: Ueber ein neues Stückpulver, mit Blutlaugensalz als Basis; von Hrn. Augendre.
Fundstelle: Band 115, Jahrgang 1850, Nr. LXXVII., S. 380
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LXXVII. Ueber ein neues Stückpulver, mit Blutlaugensalz als Basis; von Hrn. Augendre. Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr. 1426. Augendre, über ein neues Stückpulver mit Blutlaugensalz als Basis. Folgende Substanzen liefern bei ihrer Vermengung in dem angegebenen Verhältniß den höchsten Nutzeffect und zugleich den geringsten Rückstand: krystallisirtes gelbes Blutlaugensalz (eisenblausaures    Kali) gepulvert 1 Gewichtstheil weißer Zucker, gepulvert 2 chlorsaures Kali, gepulvert 2 Von diesen drei Substanzen wird jede für sich fein gepulvert, worauf man sie von Hand mit einander vermengt. Will man bloß eine Probe mit einigen Grammen machen, so kann man die Masse trocken in einem Achatmörser mengen. Man hat sogar von der stärksten Reibung nichts zu fürchten. Um eine größere Masse zu mengen und zu verdichten, befeuchtet man sie mit 2 bis 3 Procent Wasser und stampft sie in einem Mörser aus Bronze mit Keule von Holz oder umgekehrt. Uebrigens braucht die Vermengung nicht so innig zu seyn wie für das gewöhnliche Pulver: ein viertelstündiges Stampfen ist im Kleinen hinreichend. Der Teig wird auf gewöhnliche Art gekörnt und an der Luft getrocknet. Dieses Pulver, sowohl in größeren Körnern als auch als Mehlpulver, entzündet sich mit der größten Leichtigkeit durch die Berührung eines glühenden oder (mit Flamme) brennenden Körpers. Es erzeugt dabei eine größere Flamme als das gewöhnliche Pulver und hinterläßt wenig Rückstand. So wie es aus dem Mörser (Stampftrog) genommen wird, entzündet es sich vollkommen, daher man nicht zu besorgen hat die Explosion möchte bei diesem Pulver versagen. Es muß wohl trocken seyn, damit ein heftiger Schlag, Eisen auf Eisen, es zur Detonation bringen kann. Die Reibung zwischen zwei polirten Körpern bringt die Detonation niemals hervor; ebensowenig ein Schlag mit Holz auf Holz oder Holz auf Metall. Die Vortheile dieses Pulvers sind: 1) daß es nur aus Substanzen von vollkommen bestimmter und fixer Zusammensetzung besteht, daher man bei einem einmal angenommenen Satz auf eine stets gleiche Stärke (treibende Kraft) zählen kann; 2) daß diese Substanzen in Berührung mit trockener oder feuchter Luft keine Veränderung erleiden, so daß man sie beliebig lange aufbewahren kann, was mit der Kohle für das gewöhnliche Pulver nicht geschehen könnte; 3) da die Fabrication dieses Pulvers weniger Zeit erfordert, so könnte man nöthigenfalls eine Festung mit den einzelnen Bestandtheilen desselben in feingepulvertem Zustande verproviantiren und das Stückpulver zur Zeit des Bedarfs darstellen, wodurch man die Gefahren der großen Pulvermagazine vermeiden würde; 4) da die Triebkraft desselben sehr beträchtlich ist, so reicht die Ladung der Pulverwagen für eine größere Anzahl von Schüssen aus, man könnte ferner den Haubitzgranaten, Bomben etc. einen kleineren Durchmesser und eine größere Dicke geben; 5) da das Mehlpulver dieselbe Stärke wie das gekörnte hat, so könnte man dieses Stückpulver unter gewissen Umständen auf die Art bereiten, daß man lediglich jeden einzelnen Bestandtheil desselben (durch Ventilatoren) in ein unfühlbares Pulver verwandelt und sie trocken in eine lederne Trommel gibt, welche sich langsam um ihre Achse dreht. Ich bemerke noch, daß das mit Blutlaugensalz bereitete Pulver durchaus nicht giftig ist; es wirkt, wenn man es einnimmt, bloß als leichtes Abführungsmittel. Seine Nachtheile sind: 1) daß es die eisernen Gewehre oxydirt, wegen seines Gehalts an chlorsaurem Kali, daher seine Anwendbarkeit auf bronzene Geschütze und hohle Projectile beschränkt bleiben dürfte; 2) daß es sich leichter entzündet als das gewöhnliche Pulver, obwohl bei weitem nicht so leicht wie die bisher mit chlorsaurem Kali versuchten Pulversorten. Schließlich will ich eines mir zugestoßenen Unfalls erwähnen, weil sich aus demselben zwei wichtige Folgerungen ergeben. Ich bediente mich seit einiger Zeit auf der Jagd des neuen Pulvers, welches ich in einem Pulverhorn eingeschlossen hatte. Da ich später meinen Satz abändern wollte, so schüttete ich das rückständige Pulver auf ein Blatt weißen Papiers, in der Absicht es zu mengen. Ich bemerkte inmitten meines Pulvers, welches weiß ist, einige schwarze Körner von gewöhnlichem Pulver, worauf ich aber vorläufig keine Rücksicht nahm. Ich begann in einem Porzellanmörser eine andere Portion Blutlaugensalz-Pulver zu zerreiben, welches nicht in das Pulverhorn gebracht worden war, und meine Operation ging sehr gut von statten, wie gewöhnlich; ich schüttete dann in den Mörser, welchen ich in der Höhe der Brust hielt, den Inhalt meines Pulverhorns, welcher 60 Gramme (2 Unzen) betragen mochte. Ich hatte aber kaum die Keule zweimal im Mörser herumgedreht, als eine Explosion ähnlich einem Kanonenschuß erfolgte und mich rückwärts zu Boden warf. Der Porzellanmörser wurde jedoch nicht zerbrochen. Ich verlor meine Augenwimpern und Augenbrauen und wußte zwei Tage nicht ob ich die Augen verloren habe oder nicht, weil ich sie am Licht nicht mehr öffnen konnte. Diese Thatsache zeigt deutlich den Unterschied zwischen den Gemengen von chlorsaurem Kali mit Kohle oder Schwefel, und dem Blutlaugensalz-Pulver. Im ersteren Fall sind die brennbaren Körper im freien Zustande, und die geringste Reibung entzündet das Gemenge; im zweiten Fall sind sie in chemisch gebundenem Zustande, welcher nur durch eine gewisse Kraft aufgehoben werden kann. Man muß daher bei der Bereitung des Blutlaugensalz-Pulvers sehr darauf achten daß in das Gemenge kein Stückchen Kohle oder Schwefel kommt; auch muß man sich wohl hüten dieses Pulver mit gewöhnlichem Pulver zu mengen, unter allen Umständen wo eine Reibung vorauszusehen ist.