Titel: Miscellen.
Fundstelle: Band 116, Jahrgang 1850, Nr. , S. 400
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Miscellen. Miscellen. Das Zündnadelgewehr, die Spitzkugel- und die Kugelbüchse. Die durch alle Zeitungen bestätigte Nachricht, daß die preußische Regierung die Anfertigung der Zündnadelgewehre, deren Erfinder der königlich preußische Commissionsrath Nicolaus Dreyse ist, einstweilen eingestellt hat, weil der derzeitige Mechanismus derselben sich in vielfacher Beziehung als mangelhaft herausstellt, ruft in diesem Augenblicke in den deutschen und außerdeutschen Staaten einen nicht geringen Grad der Verwunderung hervor. Die geheimnißvolle Zurückhaltung der Erfindung von Seiten der Regierung, der Nationalstolz des preußischen Volks in Bezug auf seine Militärverhältnisse, endlich die fabelhaften Gerüchte, welche nach dem sächsischen und badischen Aufstande über die Schußgeschwindigkeit und Tragweite dieser Waffe in Umlauf waren, machten es dem Sachverständigen fast unmöglich, das Fehlerhafte der Erfindung ausans Licht und zur allgemeinen Verbreitung zu bringen, und es ist wahrlich keine Hyperbel, wenn wir behaupten, daß das Volk mit eiserner Ausdauer noch Jahre lang auf der eingebildeten Ueberzeugung der Unübertrefflichkeit der Waffe beharrt haben würde, wenn es die preußische Regierung nicht selbst vorgezogen hätte, ihrem hoffnungsvollen Zöglinge ein entschiedenes Mißtrauensvotum zu geben. Das Ziel der leider nie zu verhindernden Schlachten ist stets die schnelle und wo möglich unblutigste Herbeiführung der Kampfesunfähigkeit der Gegenpartei; diesem Plane gemäß muß der zweckmäßigste Vernichtungsapparat der seyn, der außer der Garantie und eigenen Sicherheit den Vortheil der größtmöglichen Schnelligkeit und Weitwirksamkeit mit sich führt. Artillerie und Cavallerie können unter gewissen Bedingungen allerdings diesen Zweck erreichen in der Regel ist jedoch das massenhafte Wirken der Infanterie, vorzugsweise das der Linientruppen, das, was den Ausschlag gibt. Bekanntlich war die Hauptwaffe dieser Truppengattung in allen europäischen Staaten bis jetzt die Muskete, deren sicherwirkende Tragweite aufanf 500 Schritt Entfernung und die Instandsetzung zum Schuß auf 3/4 Minute anberaumt wird. Dem Militärstaate Preußen war jedoch der Ruhm und scheinbare Vortheil vorbehalten, diese Waffe so zu vervollkommnen, daß die Tragweite 1100 bis 1200 Schritt und die Schnelligkeit des Schusses das Sechsfache in einer Minute betrug. Es bedarf wohl kaum einer näheren Erklärung des Uebergewichts, welches eine derartig bewaffnete Linientruppmasse gegen eine andere gleichgroße, jedoch mit der schlichten Muskete ausgerüstete auf ebenem ungeschützten Terrain haben muß. Abgesehen von der Entmuthigung, welche die letztere Schaar schon vor Beginn und während des Gefechts ergreifen müßte, würde die Hälfte der Mannschaft in die Flucht gejagt und sein geschlossener Körper schon gänzlich zerstört seyn, ehe sie nur zur Schußweite gedrungen wäre, von einem Bajonnettangriff könnte natürlich nie eine Rede seyn. Glücklicherweise haben aber die Gefechte in Baden bewiesen, daß das Zündnadelgewehr keineswegs ein so unfehlbar mörderisches Gewehr ist als man glaubte, und das gesammte Europa, vor allen aber die Preußen, müssen den Freischaaren und den Badener Truppen für den Muth und die Ausdauer, mit der sie nicht allein den Alexandrinern Stand hielten, sondern ihnen auch bewiesen, daß die sogenannten veralteten Schußwaffen mit den ihrigen concurriren, ja sie sogar übertreffen können, großen Dank sagen. Stellen wir deßhalb zuerst die Vortheile der Zündnadelflinte zusammen. Die mechanische Composition ist schon so mannichfaltig bekannt, daß eine ausführliche Beschreibung derselben hier überflüssig erscheint. Für den ganz Uneingeweihten genüge einstweilen, daß die Muskete – am ehemaligen Zündloch abgesägt – nach dem Kolben zu, über den Hals desselben, durch einen kleinern, theilweise ausgeschnittenen Cylinder a so verlängert ist, daß er durch einen zweiten, genau schließenden, zum Zurückziehen mit einem Griffel versehenen Cylinder b gedeckt oder größtentheils entblößt werden kann. Will ich den Cylinder a, um die Patrone durch seinen Ausschnitt in den Lauf zu bringen, entblößen, so muß ich den Cylinder b vermittelst des erwähnten Griffels mit Anwendung einiger Gewalt zurückziehen, und um wiederum zu schließen, ihn aufwärts drängen. Der längere Cylinder b enthält nur in seinem hinteren, vom Cylinder a nicht in Anspruch genommenen Raume, den mit dem Drücker unter dem Bügel in genauer Verbindung stehenden Stoßapparat – den Hauptmechanismus. Diesen mit mathematischer Genauigkeit zu erklären, würde hier zu sehr aufhalten; es wird ausreichen, wenn wir beiläufig erwähnen, daß das Hauptmovens des Stoßapparates eine spiralförmig gewundene Feder ist, an deren oberem, der Patrone zugekehrten Ende eine scharf zugespitzte stählerne Nadel sich befindet, welche, nachdem die Feder durch den ebenfalls im Cylinder b angebrachten Aufziehungsapparat erst in die contrahirte, durch Berührung des Drückers aber in die extendirte Lage gebracht worden ist, plötzlich mit lebhafter Gewalt durch die Pulverkammer der Patrone in deren sogenannten Zündspiegel gedrängt wird, und dort die Explosion des Schusses veranlaßt. Gehen wir von dem mechanischen zu dem pyrotechnischen Theile der Patrone über. Wir haben hier außer über das Agens, das Pulver, und über das Projectil, die Kugel, noch über einen der drei Hauptkörper, den Pfropfen, zu handeln, einen bei der Zündnadelstinte deßhalb unentbehrlichen Theil, weil er in seinem Innern nicht allein den sonst von außen herbeigeführten Entzündungsstoff selbst enthält, sondern auch weil er in seinem ganzen Baue so gestaltet ist, daß er wesentlich die Wirksamkeit der Treibkraft unterstützt. Dieser Pfropf, hier Zündspiegel genannt – Spiegel ist der technische Ausdruck für den Pfropf schwerer Geschütze, und Zündspiegel der für den der Congreve'schen Raketen, die bekanntlich nach der neuesten Construction des österreichischen Gen.-Feldmarschalls Augustin ebenfalls durch die Spiralfeder und Nadel entzündet werden – besteht nämlich wesentlich aus einem 1/2 bis 3/4 Zoll hohen und nach dem Verhältniß des Kalibers in der Länge zu bestimmenden Streifen dünner, wenig geleimter Pappe, die vermittelst einer einfachen Vorrichtung, vom Centrum aus nach der Peripherie so gewickelt und am Ende zugekleistert wird, daß er einen kurzen Cylinder bildet, der genau an die Wände des Gewehrs im Lichten paßt. Ist er vollkommen getrocknet, so wird er im Höhendurchmesser dem Drucke einer Presse unterworfen, der ihn vermöge des convexen Stempels und der gleichen Unterlage auf beiden Seiten so aushöhlt, daß seine untere Hälfte zur Aufnahme der Zündmasse, und die obere zur Bergung des Projectils – hier der nach der Basis segmentförmig gegossenen Spitzkugel – passend gemacht wird, und dennoch in der Mitte noch eine feste Scheidewand concentrirter Pappe übrig läßt. Ein derartig fabricirter Pfropf hat nun den Vortheil, daß er, aufgebläht und aufgerollt durch die vereinten Explosionen der lebhaft kräftigen Zündmassen und des Pulvers, diesen innerhalb des Laufes nicht nur einen viel entschiedenern Widerstand entgegensetzt, und so die Triebkraft erhöht, sondern auch durch seine Reibung an der Wand den schmutzigen Niederschlag des vorhergegangenen Schusses mit sich herausreißt. Was nun die Zündmasse, diesen bis auf unsere Zeit so geheim gehaltenen Hauptbestandtheil der Congreve'schen Raketen und der Nadelstinten betrifft, so ist ihre chemische Composition in den Laboratorien der Regierungen und einzelner Privatpersonen aus dem Grunde verschieden, weil Jedes aus deren Geheimhaltung noch so viel als möglich Nutzen zu schöpfen sucht. Die chemische Analyse einerseits und mannichfaltige Versuche andererseits haben jedoch nachgewiesen, daß bestimmte Theile von Knallsilber, Salpeter. Antimon, Kali. Schwefel und leichter Kohle die Hauptsubstanzen sind.Die Zündmasse der preußischen Zündspiegel besteht lediglich aus chlorsaurem Kali und Schwefelantimon. Wegen der furchtbaren Wirksamkeit und Ungeheuern Empfindlichkeit des Knallsilbers kann die Masse nur in geringen Quantitäten unter Anwendung der größten Vorsichtsmaßregeln – unter Verhütung von Stößen, Druck, Erwärmung, Sonnenstrahlen, Feuer – und auch dann nur auf feuchtem Wege bereitet und eingepreßt werden. Die Patrone besteht endlich aus dünnerem ungeleimten Papier, als insgemein sonst dazu verwendet wird, und unterscheidet sich von den gewöhnlichen dadurch, daß sie nicht gerollt, sondern daß sowohl die Längenkante des um die Hülse gerollten, länglich viereckig geschnittenen Papieres einige Linien breit über einander, als auch das zur Aufnahme des Pulvers bestimmte Ende etwas eingeschlagen und mit einem Papierboden verklebt wird. Auf das Pulver wird dann der Zündspiegel, auf diesen wiederum die Spitzkugel gesetzt und der Schluß der Patrone um seine Längenachse gewunden, knapp an der Kugel zugebunden, und der Papierüberrest abgeschnitten. Vortheilhaft ist es, wenn man ihre Wände und ihren Boden noch mit etwas Talg schlüpfrig macht. Fassen wir nun die Vortheile der Zündnadelflinte, um sie mit anderen Gewehren zu vergleichen, zusammen, so finden wir, daß sie jene übertrifft: 1) durch die Geschwindigkeit des Ladens, indem bei ihr der Zeitaufwand, der durch die wiederholten Wendungen des Gewehrs, das Abbeißen der Patrone oder Abmessen des Pulvers, die Lade- oder Setzstockhülfe und das Zündhütchenaufsetzen erfordert wird, wegfällt; 2) durch die aus dem oben beschriebenen Verfahren hervorgehende Ersparung an Kraft und Blutaufregung; 3) durch die aus letztbenanntem Grunde hervorgehende Zielsicherheit; 4) durch die Tragweite; 5) durch die Reinlichkeit des Rohrs; 6) durch die der Visirung stets parallel bleibende Lage beim Laden, mithin leichteres Wiederauffinden derselben; 7) durch die Bequemlichkeit der beim Vorpostengefecht oft vorkommenden Knie-, Stütz- und Bauchfeuerungslagen und des darauf beruhenden Ladens; 8) durch die bei gedeckten Lagen – hinter Bäumen, Brustschanzen – garantirte Sicherheit des beim Laden anderer Gewehre bloßgestellten rechten Armes und Beines. Richten wir nun unsere Blicke auf die Schattenseite der Erfindung. Der erste Mangel, der sich herausstellt, betrifft die Spiralfeder. Die. Erfahrung hat nämlich gelehrt, daß sich dieselbe bei angestrengter Thätigkeit ungemein schnell und manchmal unerwartet plötzlich abnutzt, während eine kurz vorhergegangene Revision ihr vielleicht noch lange Ausdauer zusprach. Nun trägt zwar der Schütze jederzeit eine Reservefeder bei sich und vermag auch, da es keine große Geschicklichkeit verlangt, den Mechanismus selbst wieder in Stand zu setzen, doch geht immer hiermit der Zeitaufwand von wenigstens einer guten Viertelstunde verloren, und trotzdem ist keine gründliche Hülfe gewonnen, weil die Ausdauer der neuen Feder ebenfalls keine vollkommen garantirte ist. Ein weiterer Uebelstand ist der, daß die Spitze der an der Spiralfeder befestigten stählernen Nadel den Papierboden der Patrone oftmals nicht durchbohrt, sey es, daß sie durch irgend eine Falte oder durch das oftmals ungleich mäßige Gewebe des Papiers daran gehindert wird, oder daß sie, was meistentheils die wahre Ursache ist, durch die Kohlenniederschläge des Pulvers auf wenigstens 1/8 Zoll Länge mit einer dichten Kruste überzogen, zum Eindringen untauglich gemacht wird. Schon nach wenigen Schüssen würde dieser Umstand unfehlbar eintreten, wenn nicht ein Tempo beim Laden, welches das Reinigen der Spitze vermittelst der Finger der rechten Hand und etwas Speichel anbefiehlt, diesem Fehler vorzubeugen suchte. Leider läßt sich aber dieser Handgriff bei hitzigen Gefechten nicht so ruhig und zweckmäßig ausführen, als es in der Regel bei Exercitien geschieht, denn die Hand und überhaupt die ganze Person entbehrt dann nicht allein der dazu erforderlichen Ruhe und Sicherheit sondern sie ist auch der Verwundung und Verbrennung – denn die Nadel wird nach und nach sehr heiß – wiederholt ausgesetzt; des Umstandes endlich gar nicht zu gedenken, daß der Speichel, besonders an heißen Tagen, mit der Länge auch ausbleibt. Jeder Soldat erhält insgemein vor dem Beginn des Treffens 6 Dutzend Patronen, von denen ungefähr 4 Dutzend aufgebunden in der Patrontasche, 2 Dutzend eingepackt in dem Tornister verwahrt werden. – Der mit der Büchse bewaffnete Jäger hat hier den Vortheil, daß er außerdem noch Kugeln und Pulver bei sich führt. – Rechnet man nun auf die Minute bei jeder Zündnadelflinte 6 Schuß, so ergibt sich, daß sie der Soldat in 1 1/2 Stunden bequem verschossen haben kann. Hier kann nun leicht, besonders wenn man sich auf ungünstigem Terrain schlägt oder der Feind Granaten und Congrevesche Raketen wirft, der dritte Nachtheil eintreten, daß er, von den auf Stundenweite oder ganz und gar zurückgebliebenen Pulverwagen ohne Proviant gelassen, sich mitten im Gefecht zurückziehen, oder, wenn dieses unmöglich gemacht seyn sollte, ganz allein aufs Bajonnett verlassen müßte. Da zur Zündnadelflinte in der preußischen Armee die Muskete, ein 10 bis 11 Pfund schweres Gewehr verwendet worden ist, so muß viertens die Sicherheit des weiten Schusses hier um so mehr in Zweifel gezogen werden, well ein so schweres Gewehr an und für sich schon eher als eine Büchse, bei einiger körperlicher Strapaze aber unbedingt den Wanker – das sogenannte Schwanken des Rohrs – mit sich bringen muß. Deßhalb wird jeder weite, von einem unsichern oder ermatteten Schützen auf einen einzelnen Gegenstand oder kleinere Menschengruppen abgefeuerte Schuß nichts als eine Privatverschwendung seyn, weil die geringste Abweichung auf so bedeutende Entfernungen gar nicht nach Zollen, sondern nach Ellen zu berechnen ist. Fünftens verlangt die Verfertigung der Patrone nicht nur mehr Zeit als alle anderen, sondern sie kann auch ganz zur Unmöglichkeit gemacht werden, wenn die Maschinen und Stoffe zur Pfropffabrication abgeschnitten oder sonst nicht zu erhalten sind. Sechstens ist sie beim Verfertigen und Laden sehr leicht dem Zerbrechen unterworfen. Siebentens ist der Transport derselben bei weitem gefährlicher. Jede in einen mit ihnen gefüllten Pulverwagen einschlagende Kanonenkugel würde ihre Explosion zur Folge haben. Diese mannichfaltigen Schwächen der neuen Erfindung waren es also, die schon früher in den Sachverständigen lebhafte Zweifel an der Dauerhaftigkeit derselben hervorriefen und sie zu dem Ausspruche drängten, daß die Construction der Keil- oder Spitzkugelgewehre den Vorzug verdiene. Ihre Erfindung verdanken wir den Russen, ihnen gebührt der doppelte Dank, daß sie uns zu allererst sowohl von dem Vorurtheile befreiten, daß ein zwischen dem Pulver und dem Projectil befindlicher leerer Raum das Zersprengen des Rohrs zur Folge haben müsse, als auch mit der hierauf beruhenden allgemeinen und wirksamen Entzündung des Pulvers und mit der zur Luftdurchschneidung zweckmäßigen, aber nach den Gesetzen der Menschlichkeit so grausamen Keilkugelform bekannt machten. Sie wiesen darauf hin, daß die veraltete Ladung der Büchse, bei der Hammer, Setzstock und Talgpflaster benutzt werden, die Fehler habe, daß das Pulver unzweckmäßig und unverhältnißmäßig zusammengedrängt und dadurch theilweise aus seiner natürlichen Gestalt zu Mehl verwandelt werde; daß die stattfindende Explosion schon deßhalb keine so wirksame, hauptsächlich aber darum nicht werden könne, weil in einem so zusammengedrängten Pulverlager nicht genug Raum zur Entwickelung der Gase gegeben sey, mithin eine nicht unbedeutende Zahl der Pulverkörner unverbrannt gleichzeitig mit herausgerissen werde. Von diesem Umstande kann man sich deutlich überzeugen, wenn man über eine Schneefläche oder über ein Tischtuch schießt; ist der Schuß derb eingekeilt gewesen, so wird man stets unverbrannte Pulverkörner wieder finden. Ferner machten sie darauf aufmerksam, daß das Fett des Pflasters, besonders wenn dieses in einem erwärmten Rohre längere Zeit dem Pulver aufsitze, ebenfalls das vorbenannte Resultat erzeuge. Endlich bewiesen sie noch, daß die Spitzkugel besser als die runde den Schwerpunkt in der Mitte behalte, weil sie stets vollkommen massiv und nicht wie diese oftmals im Innern mit hohlen Stellen versehen sey. Da alle diese Einwürfe auf augenscheinlicher Wahrheit beruhten, da ferner eine zweckmäßige Verbesserung geboten war. und außerdem die Verwandlung der Gewehre, besonders der mit Patentkammern versehenen, in spitzkugelnschießende sich leicht bewerkstelligen ließ, so verbreitete sich die Erfindung sehr schnell. Von schwedischen Castelljägern damit bekannt gemacht, führten sie zuerst die Franzosen bei den Chasseurs d'Algérie und Vincennes ein, sie vervollkommneten sie sogar noch dadurch, daß sie das Rohr zur Aufnahme einer bedeutenden Gradladung tauglich machten und noch mit einem 4 Zoll hohen verschiebbaren Klappvisir zu weiten Schüssen versahen. Fast gleichzeitig mit ihnen bemächtigten sich die Belgier dieser Erfindung, die sie wieder in so fern zu vereinfachen suchten, als sie den nach ihrer Ansicht überflüssigen, oft sogar schädlichen Dorn, auf dem die Kugel aufsitzt, von dem sie aber zu der Zeit noch nicht wußten daß er, um nicht aus der Diagonale gedrängt zu werden, aus dauerhaft gehärtetem Eisen bereitet werden muß, ganz weg und die Kugel einzig und allein auf den hervorstehenden Kranz der Patentkammer aufsitzen ließen; eine Erfindung, von der sie jedoch schnell abließen, als sie die nachtheilige Wirkung für die Züge, in die sich das Blei zu sehr eindrängt, erkannten. Den Belgiern schlossen sich versuchsweise die Engländer, die in früheren Jahren schon oblonge Kugeln ohne besondern Nutzen eingeführt hatten, und die Preußen an; jetzt wird endlich auch in Sachsen diese Waffe eingeführt. Da ein geübter Soldat, besonders wenn die Gradmessung am Pulverhorn angebracht ist, mit ihr in 2 Minuten 5 wohlgezielte Schüsse absenden, außerdem ohne große Beschwerde 100 Kugeln mit sich führen kann; da ferner das Gewehr keinen überraschenden Fehlern im Mechanismus und die Verfertigung der Ammunition keinen Schwierigkeiten unterworfen ist, endlich vermöge seiner Vervollkommnung weiter trägt als die Büchse, – so wird es wohl binnen kurzem allgemein an deren Stelle beim Militär eingeführt seyn. Nicht unerwähnt darf hier gelassen werden, daß die Dänen in den vorjährigen Kriegen unterhalb der Spitzkugel noch einen umwickelten Bleicylinder mit einluden. Ein technischer Vortheil wird hiermit nicht erzielt, wohl aber eine den Kriegsgesetzen Hohn sprechende Grausamkeit. Lassen wir ihnen diese Ehre, sie stellen sich dadurch nur mit jenen barbarischen Nationen auf eine Stufe, bei denen es sich nur um den Mord handelt, die dadurch ihre Feinde vernichten, daß sie die Kugeln vergiften, oder das Schwanzstück derselben mit Draht an die Patrone binden, oder endlich, was ganz mit der Gebrauchsweise der Dänen übereinstimmt, segmentförmig abgeschnittene und mit diesen glatten Flächen übereinander gedrehte Kugeln beim Kampfe anwenden. Dann ist es keine Schlacht, sondern ein Schlachten zu nennen. (Böttger's polytechnisches Notizblatt 1850. Nr. 10.) Nieten mittelst Maschinen ist dauerhafter als mit Hammer und Schellen. Nieten, welche im glühenden Zustande auf Nietenmaschinen durch Hebeldruck gepreßt worden sind, zeigen in der Textur des Eisens keine Veränderung während von der Hand erzeugte spitzförmige oder geschellte Nieten nach ihrem Erkalten einen krystallinischen körnigen Bruch zeigen. Wenn die Niete zu kalt geschellt wird so wird der Bruch sogar zinkähnlich. Karl Kohn, CivilingenieurCivilingeneur. (Notizenblatt des österr. Ingenieur-Vereines, 1850 Nr. 4.) Schmiedeisen, durch Wasserstoffgasflamme erhitzt, wird spröde. Wenn reines Eisen durch eine Wasserstoffgasflamme glühend gemacht wird, oder während des Glühens mit diesem Gase in Berührung kommt, so wird es spröde, und läßt das Feinstrecken oder Feinziehen, wenn nämlich dieses Eisen zu dünnen Drähten oder Blechen verarbeitet wird, nicht mehr in dem Grade zu, als es nach Behandlung mit reiner Holzkohle gestattet. Künstliche Magnete aus solchem Material verlieren ihre magnetische Kraft bedeutend früher als jedes andere Eisen. – Daher erklärt es sich, warum gewisse Sorten von Schmiedkohle, welche wegen ihrer fremdartigen Bestandtheile, besonders wenn sie beim Brennen mit Wasser benetzt werden müssen, viel Wasserstoffgas erzeugen, zu gewissen Arbeiten, z.B. zum Sensenschmieden, durchaus nicht taugen. (A. a. O.) Schweißen großer Metallstücke. Große Metallstücke, namentlich von Glockenmetall, die ihrer Dimensionen wegen nicht mehr gelöthet werden können, lassen sich auf folgende Art zusammenschweißen: In dunkelrothglühendem Zustande werden die zu verbindenden Metallstücke, nachdem ihre Ränder vorher gehörig desoxydirt wurden, zusammengehalten, durch schwache, aber schnell aufeinander folgende Schläge mit Holzschlegeln bringt man selbe zu einer intensiven Weißglühhitze, die hinreicht um das Metallkorn zu schmelzen und die zusammengehaltenen Ränder so innig miteinander zu verbinden, daß eine zerbrochene Glocke, die auf die beschriebene Weise hergestellt wurde, ihren früheren Klang wieder erhält. Angegebenes Verfahren wurde schon öfters in Anwendung gebracht. (A. a. O.) Fortpflanzung der Elektricität, selbst durch eine unterbrochene Kette. Werden die beiden Enden einer unterbrochenen Leitung einander so weit genähert, daß die Entfernung beider nur 0₀₀₁ Zoll beträgt (dieß kann auf einem Mikrometertisch unter dem Mikroskop ausgeführt werden), so zeigt ein Multiplicator eine eben so große Ablenkung der Magnetnadel, als wenn die Kette gar nicht unterbrochen wäre. (A. a. O.) Froment's elektrischer Telegraph. Prof. Pouillet hat der französischen Akademie der Wissenschaften einen Telegraph des Hrn. Froment vorgezeigt; dieser Apparat ist einer von denjenigen welche die Telegraphen-Verwaltung vor einigen Monaten diesem geschickten Künstler bestellte: er zeichnet sich dadurch aus, daß er die Depesche nicht in Buchstaben, sondern in Zeichen schreibt mittelst eines Bleistifts welcher sich beim Schreiben schärft, weil er sich während seiner Hin- und Herbewegung zu gleicher Zeit um sich selbst dreht; der Bleistift wird direct und ohne Zwischenmittel durch die Armatur des Elektromagnets bewegt und kann drei bis vier Tausend einfache Schwingungen in der Minute vollbringen. Das erste derartige Modell wurde von Hrn. Froment schon vor mehreren Jahren nach den Angaben des Hrn. Pouillet angefertigt, welcher es für seine öffentlichen Vorlesungen am Conservatorium der Künste und Gewerbe bestellt hatte. (Comptes rendus, Mai 1850, Nr. 18.) Mit Gutta-percha überzogene Kupferdrähte zu galvanischen Telegraphenleitungen, von Emil Müller in Hamburg. Der k. k. Sectionsrath Hr. v. Steinheil bemerkt in seiner Beschreibung der galvanischen Telegraphen Deutschlands (polytechn. Journal Bd. CXV S. 189) „daß die mit Gutta-percha isolirten Kupferdrähte für den Telegraph von Hamburg nach Cuxhafen von Emil Müller in Hamburg geliefert wurden, die Arbeit jedoch sehr mangelhaft ist. so daß die Isolirung große Schwierigkeiten machte.“ Die Umpressung dieser Drähte wurde aber nicht von Hrn. Emil Müller, sondern von den Fabrikanten H. Rost und Comp. in Hamburg beschafft. Die k. bayer. Eisenbahn-Commission bezeugt in einem Schreiben dd. München 25 April 1850 – welches der Redaction des polytechn. Journals mitgetheilt wurde – dem Handels-Etablissement Emil Müller in Hamburg auf gestelltes Ansuchen, daß die von demselben zu unterirdischen galvanischen Telegraphen-Leitungen in den Straßen der Städte bezogenen mit vulcanisirter Gutta-percha umpreßten Kupferdrähte an Qualität ganz entsprechend geliefert wurden, und daß bis daher an denselben irgend ein Mangel bezüglich der Isolirung nicht vorgekommen ist. Vergleichung der Fahrenheit'schen Thermometerscala mit der Celsius'schen; von Hrn. d'Abbadie. Gewöhnlich setzt man die Angaben des Fahrenheit'schen Thermometers in Celsius'sche Grade nach folgender Formel um: C = ((F – 32°) × 100)/180, worin C und F die Celsius'schen und Fahrenheit'schen Grade bezeichnen. Diese Formel beruht auf der Annahme daß 212° F. genau 100° C. entsprechen. Dieß ist aber nicht der Fall; denn in Frankreich bezeichnet man mit 100° C. den Punkt wo das Quecksilber eines vollkommen calibrirten Thermometers im Dampf von kochendem Wasser stehen bleibt, wenn die Höhe des Barometers, auf 0° Temperatur reducirt, 760 Millimeter beträgt. In England bestimmt man hingegen den Siedepunkt des Wassers, 212° Fahrenheit, bei dem Druck von 30 Zollen, welche 761,9862 Millimetern entsprechen. Diese Differenz ist zwar klein, aber doch merklich bei einem guten Normal-Thermometer, welcher bei einem Druck von 761,9862 Millimetern nicht 100 Celsius'sche Grade, sondern 100°,0727 C anzeigen wird. Außer dieser Correction muß man aber noch eine andere vornehmen, welche 1/10 von jener erreicht und von der Differenz in der Intensität der Schwere zu Paris und London abhängt, da in diesen beiden Städten die guten französischen und englischen Thermometer verfertigt werden. Wenn man mit G die Schwere für Paris und mit g diejenige für London bezeichnet, so erhält man, indem man G und g von den beobachteten Längen des Pendels abzieht, Logarithmus G/g = 1,9998797. Man wird folglich 759,785 Millimeter für die Höhe des Barometers bei 0° in London erhalten, wenn ein in Paris graduirter Thermometer in ersterer Stadt die scheinbare Temperatur von 100 Celsius'schen Graden anzeigt. Die Differenz ist gleich 0,215 Millimeter und entspricht 0°,0079 Celsius. Da man diese zwei Correctionen in demselben Sinne anzuwenden hat, so muß der in Paris rectificirte Thermometer 100°,08066 Celsius anzeigen, wenn der in London verfertigte englische Normalthermometer 212° Fahrenheit anzeigt. Man muß daher obige Formel abändern und schreiben C = ((F – 32°) × 100,08066)/180. Diese Correction ist allerdings unbedeutend; aber bei genauen Beobachtungen liest man den Thermometer auf weniger als 0°,08 Celsius ab, und es ist zu wünschen daß zu einem Beobachtungsfehler niemals noch ein kleiner Theoriefehler kommt. (Comptes rendus, Mai 1850, Nr. 18.) Babinet's barometrische Formel. Hr. Babinet hat die Formel von Laplace auf eine Weise abgeändert, wobei man die Logarithmen nicht anzuwenden braucht. Die Formel von Laplace ist: Z = 18393m (log. Hlog. h) [(1 + 2 (T + t))/1000]. Für Höhen welche geringer als 1000 Meter sind (und selbst für Höhen welche viel größer sind, wenn man nur annähernde Resultate braucht), verwandelt man sie in folgende: Z = 16000m (Hh)/(H + h) [(1 + (2T + t))/1000]. Wenn man z.B. hätte: Hh = 10mm, H + h = 1500mm, T + t = 25° C. so würde man finden Z = 16000 10/1500 (1,05) = 112m für größere Höhen kann man eine Zwischenstation annehmen. Reisende, welche in Berechnungen nicht geübt sind, vernachlässigen deßhalb oft die Höhe der Orte anzugeben, welche sie durchwanderten. Da nun dieselbe so leicht und mit großer Genauigkeit bloß mittelst eines Barometers zu bestimmen ist, so empfehlen wir den Reisenden obige Formel wegen ihrer außerordentlichen Einfachheit. (Journal de Pharmacie, Mai 1850, S. 367.) Vorkommen von Jod in Süßwasserpflanzen. Hr. Ad. Chatin hat das Vorkommen von Jod in der Kresse (Nasturtium officinale), worauf zuerst Müller (Lindley, the vegetable Kingdom, S. 363) aufmerksam machte, nicht nur bestätigt, sondern diesen Stoff in einer Reihe von Süßwasserpflanzen entdeckt, nämlich in Nasturtium amphibum, Conferva crispata, Chara foetida, Fontinalis antipyretica, Typha (Rohrkolben) angustifolia und minima, Scirpus lacustris (Binse), Arundo phragmites (Schilfrohr), Acorus Calamus (Calmus), Sagittaria, Nymphaea (Wasserlilie), Potamogeton crispum und pectinatum, im Wasserpfeffer, Veronica Beccabunga (Bachbunge), Phellandrium aquaticum (Wasserfenchel), Gratiola, Ranunculus aquaticus, Symphytum (Beinwell, consoude), im Alant. Man sieht, daß diese mehr oder weniger Jod enthaltenden Pflanzen weder den Cruciferen (mehrere derselben lieferten bei der Untersuchung kein Jod), noch sonst gewissen Pflanzenfamilien angehören; nur sind sie alle Wasserpflanzen und zwar enthalten die in fließendem Wasser lebenden mehr Jod und diesen zunächst diejenigen in stehenden Wasser, dessen größere Oberfläche vom Wind stark bewegt wird. Das Jod befindet sich nicht im Gewebe, sondern an Alkali gebunden im Safte der Pflanze. Dieses Jod kann nicht von Salzlagern oder Mineralquellen herrühren, sonst würde es nur in den Pflanzen größerer Flüsse zu finden seyn; es muß vielmehr, als ein beständiger Begleiter der salzsauren Salze, zugleich mit diesen von den Wässern ausgewaschen werden. Die eigenthümliche Wirkung mehrerer der genannten Pflanzen gegen Skropheln und Tuberkeln ist dem Jod zuzuschreiben. – Die Analyse dieser Pflanzen geschah auf folgende Weise. Man äscherte die Pflanze vorsichtig ein, laugte die Asche mit kochendem Wasser aus und setzte zur Aufsuchung des Jods mittelst Stärkekleisters, ein Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure oder Kalisalpeter mit Schwefelsäure zu. Als Gegenprobe wurden jedesmal die Flüssigkeiten entfärbt und das Jod durch Erhitzen verflüchtigt. Je nach ihrem Jodgehalt gaben die Pflanzen entweder sogleich oder erst nach einer gewissen Zeit eine intensive violette Färbung, oder sie gaben eine violettpurpurrothe Färbung entweder unmittelbar, oder ebenfalls nach mehr oder weniger langem Warten. – Man muß bei diesen Versuchen einige Vorsichtsmaßregeln anwenden, z.B. dem Verlust eines Theils des Jods dadurch begegnen daß man die einzuäschernde Pflanze mit Aetzkalilösung befeuchtet, wodurch aber die Asche auch zu schmelzbar werden kann; bekanntlich verschwindet auch die Reaction auf Jod in zu heißen oder zu concentrirten Lösungen leicht, während sie in zu verdünnten Flüssigkeiten sich nicht einstellt etc. (Comptes rendus, März 1850. Nr. 10.) Harmalaroth. Das Göbel'sche Verfahren zur Darstellung des Harmalafarbstoffes ist noch ein Geheimniß, das indessen von der russischen Regierung gekauft werden wird, um es zu veröffentlichen. Man kann die Harmalasamen leicht in einen rothen Farbstoff umändern, wenn man sie, gepulvert, in einer verschlossenen Flasche mit Alkohol stark anfeuchtet und dann ruhig stehen läßt. Nach Verlauf einer Woche hat das Pulver eine rothe Farbe angenommen, die durch weiteren Zusatz von Alkohol lebhafter und reiner wird. Durch zweiwöchentliches Stehen und Anwendung von 1/2 Thlr. 80proct. Alkohol hat Fritzsche (Journal für prakt. Chemie Bd. XLIII S. 155) ein sehr vollkommenes Product erhalten. Diese Darstellungsmethode gründet sich auf eine alte Vorschrift, worin statt Alkohol eine Auflösung von Salpeter und Salmiak in Kornbranntwein empfohlen wird. Das Göbel'sche Verfahren muß davon verschieden seyn, weil nach ihm der Farbstoff schon in Zeit von 1/4 Stunde fertig seyn soll. Bei der Bildung des rothen Farbstoffs findet keine Oxydation statt, da derselbe auch in verschlossenen Gefäßen entsteht Der rothe Farbstoff wird aus seinen Auflösungen in Säuren durch Alkalien als flockiger, amorpher Niederschlag erhalten, der das Filter verstopft und in Wasser nur sehr wenig löslich ist. Beim Trocknen verliert er seine schön purpurrothe Farbe und wird dunkelfarbig, grün schillernd. Hierbei scheint er schon eine Veränderung erlitten zu haben. (Annalen der Chemie u. Pharmacie, Bd. LXXII S. 319.)