Titel: Ueber telegraphische Leitungen und Apparate; von Werner Siemens.
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. V., S. 24
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V. Ueber telegraphische Leitungen und Apparate; von Werner Siemens. Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1850, Nr. 4. Siemens, über telegraphische Leitungen und Apparate. Die Störungen und gänzlichen Unterbrechungen des Dienstes, die bei den elektrischen Telegraphen, namentlich auf längeren Linien, bisher so häufig eintraten, finden größtentheils ihren Grund in Schwankungen der Stärke und Dauer der die telegraphischen Apparate in Bewegung setzenden elektrischen Ströme, die durch die langen, störenden Einflüssen aller Art preisgegebenen Leitungsdrähte veranlaßt werden. Es boten sich zwei Wege um diese Störungen zu beseitigen und der elektrischen Telegraphie dadurch den Grad von Sicherheit, Schnelligkeit und steter Schlagfertigkeit zu geben, deren sie bedarf, wenn sie die allgemeine Verbreitung und Anwendung gewinnen und die Dienste leisten soll, welche man bisher vergeblich von ihr erwartete. Der erste Weg besteht darin, die Leitung zu vervollkommnen und sie den störenden Einflüssen aller Art, denen sie ausgesetzt ist, möglichst zu entziehen; der zweite dagegen darin, den telegraphischen Apparaten eine derartige Einrichtung zu geben, daß sie einen möglichst großen Grad von Ungleichmäßigkeit der sie bewegenden Ströme ertragen können, ohne dadurch in Unordnung zu kommen. Gegenstand dieses ersten Aufsatzes ist der erste, die Leitungen betreffende Theil der Aufgabe. Ich werde zuerst versuchen die Gründe der Störungen, welche man bei den, mit alleiniger Ausnahme der neueren preußischen Telegraphenanlagen, bisher ausschließlich angewendeten überirdischen Leitungen so häufig zu beobachten Gelegenheit hat, in kurzer Uebersicht zusammen zu stellen und zugleich die Mittel anführen, die neuerdings mit einigem Erfolg zu ihrer Beseitigung in Anwendung gekommen sind. Die unvollkommene Isolation der Leitungsdrähte war bis auf neuere Zeit ein hauptsächliches Hinderniß einer sicheren und directen telegraphischen Verbindung der Endpunkte langer Linien. Bei feuchter Witterung bilden die den Draht tragenden Pfosten eine leitende Verbindung desselben mit dem Erdboden. Bilden mithin Draht und Erde den Schließungskreis einer Säule, so tritt jeder feuchte Pfosten als Nebenschließung derselben auf, und bewirkt eine Verstärkung des Stromes in dem der Säule näher liegenden und eine Schwächung desselben in dem entfernteren Theile des Leitungsdrahts. Die hierdurch bewirkte, bei schlecht isolirten Leitungen schon bei wenig Meilen langen Linien oft sehr beträchtliche Ungleichheit der Stromstärke an den beiden Enden des Leitungsdrahtes und in den dort eingeschalteten Spiralen der Elektromagnete, würde wenig schädlich seyn, wenn sie constant bliebe. Da sie aber durchaus abhängig von der Witterung an den verschiedenen Punkten der Leitung, mithin stets veränderlich ist, so veranlaßt sie stete Störungen der Angaben und des regelmäßigen Ganges der telegraphischen Apparate. Bei rotirenden Telegraphen sucht man diese veränderliche Ungleichheit der Stromstärke in den Spiraldrähten der correspondirenden Apparate durch Vertheilung der wirkenden Säule zu vermindern. Wenn dieser Zweck hierdurch auch theilweise erreicht wird, so entsteht dadurch dagegen der für alle bisherigen Telegraphen noch größere Uebelstand, daß die Unterbrechung der Kette an einem Ende der Leitung nicht die vollständige Unterbrechung des Stromes in dem Spiraldrahte des am anderen Ende derselben befindlichen Telegraphen zur Folge hat, da der dort befindliche Theil der Säule durch die vorhandenen Nebenschließungen geschlossen bleibt. Die früher benutzten Isolationsmittel, durch welche man den Draht von den feuchten Stangen zu isoliren suchte, wie Glas- oder Porzellanringe, durch welche er gezogen wurde, Umwickeln des Drahts an den Berührungsstellen mit Kautschuk etc., Anbringung eines schützenden Daches auf den Stangen, konnten nur unvollkommene Dienste leisten, da die leitende Verbindung des Drahts mit der Erde bei Regenwetter über das naßwerdende Isolationsmittel hinweg hergestellt war. Die neuerdings angewandten Trichter von Glas, Porzellan oder Steingut erfüllen dagegen den Zweck der Isolation in sehr vollkommenem Grade. Bei der von mir im Winter des vorigen Jahres ausgeführten 42 Meilen langen überirdischen Leitung zwischen Eisenach und Frankfurt a. M. über Kassel, wurden oben geschlossene Porzellantrichter angewendet, die auf eiserne Stangen so aufgekittet wurden, daß die Glocke nach unten gerichtet war. Die eiserne Stange wurde an das obere Ende der hölzernen Pfosten geschraubt und der Draht an der äußeren Fläche des Trichters durch Umwinden um den oberen dünnen Theil desselben befestigt. Die innere Fläche des Trichters bildet hier die stets trocken bleibende isolirende Schicht zwischen dem Draht und der Stange. Die Isolation dieser Leitung war selbst bei dem ungünstigsten Wetter (feuchtem Schneefall) noch so vollständig, daß bei dem benutzten wenig empfindlichen Galvanometer mit einfacher Nadel kein Strom wahrzunehmen war, wenn an dem einen Ende der Leitung eine Säule von acht Daniell'schen Elementen und das Galvanometer zwischen Leitungsdraht und Erde eingeschaltet und das andere Ende des Leitungsdrahts isolirt war. Je vollkommener aber die Isolation überirdischer Leitungen hergestellt ist, desto störender treten die Einflüsse der atmosphärischen Elektricität auf. Diese Erscheinung erklärt sich dadurch, daß bei unvollkommen isolirten Leitungen die dem Drahte durch die geladenen ihn umgebenden Luftschichten, oder durch die vertheilende Wirkung der sich demselben nähernden oder von ihm entfernenden Wolken mitgetheilten Ladungen sich durch die vorhandenen Nebenschließungen ausgleichen können, ohne ihren Weg durch die Spiralen der Magnete der an den Enden der telegraphischen Leitung befindlichen Instrumente zu nehmen, daß ferner diese Ladungs- und Entladungsströme bei unvollkommen isolirten Leitungen auch wahrend der Unterbrechung der Kette an einem oder an beiden Enden der Leitung ihren Fortgang haben, während bei vollkommener Isolirung sich während der Unterbrechung freie Elektricität im Drahte ansammelt, welche darauf beim Schließen der Kette ihren Weg durch die Magnetspiralen zur Erde nimmt und hierdurch den regelmäßigen Strom der Säule am einen Ende schwächt, am anderen dagegen verstärkt. In gebirgigen Gegenden ist namentlich die freie Elektricität der Luft eine Quelle steter Störungen. Bei der oben erwähnten Leitung zwischen Eisenach und Kassel, welche der Eisenbahn folgend aus dem Werra- ins Fulda-Thal übergeht, deren Wasserscheide gleichzeitig die Wasserscheide für die dortige Gegend bildet, zeigt ein ohne Batterie in die Leitung eingeschaltetes Galvanometer fast zu jeder Zeit ziemlich heftige Ströme von veränderlicher Stärke und Richtung an, die im Sommer während der Mittagszeit häufig so heftig und veränderlich werden, daß der Dienst der Linie auf mehrere Stunden dadurch unterbrochen wird. Sind beide Enden des Leitungsdrahts isolirt, so zeigt er immer eine beträchtliche Ladung freier Elektricität. Diese Ladungen werden noch bedeutend starker, wenn an einer Stelle der Leitung Negen oder Schnee fällt. Namentlich im letzteren Falle ist die Ladung des Drahts so stark, daß man demselben Funken von 1 bis 2 Millimeter Länge entziehen kann, die dann in schneller Reihenfolge hinter einander überspringen und jedesmal den Anker des Elektromagnets zur Anziehung bringen. Noch intensiver sind die in den Drähten durch Gewitterwolken erzeugten Ströme. In den Sommermonaten hört in der Regel bei längeren Linien der regelmäßige Gang der correspondirenden Apparate schon auf, wenn sich Gewitterwolken am Himmel zeigen. Auch diese Erscheinungen sind in bergigen Gegenden viel heftiger wie in der Ebene. Besonders auffallend stark sind die bei Entladungen der Wolken auch in kurzen Leitungen sich zeigenden Ströme. Dieselben scheinen nicht durch Freiwerden der durch die Wolken im Draht durch Vertheilung angesammelten Elektricität erklärt werden zu können, da selbst dann, wenn das Gewitter schon mehrere Meilen weit von der Drahtleitung entfernt ist, noch bei jedem Blitze ein sehr heftiger Strom sich zeigt. Es scheint ein Theil des durch die Entladung im Erdboden selbst hervorgerufenen Stromes seinen Weg durch den schneller leitenden Draht zu nehmen. Bei einer längeren überirdischen Leitung vergeht fast kein Sommer, ohne daß der Blitz in sie einschlägt, die Instrumente beschädigt und die Leitung theilweise zerstört. Bei der oben erwähnten überirdischen Leitung ist mit gutem Erfolge die Verbreitung des in den Leitungsdraht einschlagenden Blitzes dadurch verhindert, daß von Zeit zu Zeit und namentlich in der Nähe der Endpunkte der Leitung Metallstücke, welche durch die Höhlung der Trichter vor dem Naßwerden geschützt sind, möglichst nahe einander gegenüber gestellt wurden. Das eine derselben ward mit dem Leitungsdraht, das andere mit dem Erdboden leitend verbunden. Diese Anordnung bietet der elektrischen Entladung einen kürzeren Weg zur Erde von geringem Widerstande und leitet dadurch den am Draht fortlaufenden Blitz zur Erde ab. Sind die einander genäherten Metallmassen groß und der Abstand von einander möglichst klein, so dienen sie auch zur Entladung der durch Vertheilung dem Drahte mitgetheilten schwachen Ladungen. Dadurch wird der nachtheilige Einfluß derselben auf den Gang der Apparate vermindert, doch entsteht durch die häufig in schneller Reihenfolge zwischen zwei Punkten überspringenden Funken leicht eine leitende Verbindung der beiden Metallmassen. Es ist daher rathsam, bei überirdischen Linien im Freien von Zeit zu Zeit Blitzableiter in oben beschriebener Art, jedoch mit etwas größerem Abstände der beiden Metallmassen von einander, anzubringen, um heftige Schläge abzuleiten, und dagegen in den Zimmern große Metallplatten mit möglichst geringem Abstande von einander zu placiren, um die schwachen Ladungen des Drahtes unschädlich zu machen. Hr. Professor Meißner in Braunschweig, unter dessen Leitung die dortigen Telegraphen-Anlagen ausgeführt sind, hat dieß Mittel ebenfalls mit großem Erfolg in Anwendung gebracht und häusig beobachtet, daß der Gang der in Gebrauch befindlichen Telegraphen ungehindert blieb, während der enge Zwischenraum zwischen den angewendeten Platten durch fortwährend übergehende Funken hell erleuchtet erschien. Wenn sich auch durch die beschriebenen Vorkehrungen der störende Einfluß der atmosphärischen Elektricität beträchtlich vermindern läßt, so läßt er sich doch nie ganz beseitigen. Namentlich werden Gewitter stets vorübergehende Unterbrechungen des Dienstes bei überirdischen Leitungen mit sich führen. Der größte und nicht zu beseitigende Uebelstand der überirdischen Leitungen besteht aber in der allen äußeren zerstörenden Einflüssen völlig preisgegebenen Lage derselben. Bei der oft erwähnten Linie von Eisenach bis Frankfurt a. M. fand längere Zeit fast täglich eine Unterbrechung der Leitung durch Muthwillen, Diebstahl, Zufall oder durch Naturereignisse statt, und nur durch ein starkes, auf der ganzen Linie vertheiltes Wärtercorps ist es möglich geworden, eine ziemliche Regelmäßigkeit des Dienstes durch schnelle Reparatur der vorhandenen Beschädigungen zu erhalten. Diese Unsicherheit des Dienstes der Telegraphen mit überirdischen Leitungen rief daher schon seit längerer Zeit das allgemeine Bestreben hervor, die Drähte, mit einer isolirenden Masse bekleidet, unter dem Boden fortzuführen. Die ausgedehntesten Versuche in diesem Sinne sind bekanntlich von Jacobi (Poggendorff's Annalen Bd. LVIII S. 409) angestellt. Derselbe versuchte zuerst den Draht durch Glasröhren, die mit Kautschuk verbunden wurden, zu isoliren; doch die Röhren zerbrachen und die Verbindung zeigte sich als undicht. Ebenso schlug ein zweiter Versuch, welcher in Bekleidung des Drahtes in seiner ganzen Länge mit Kautschuk bestand, gänzlich fehl, weil die Leitung mit der Zeit die anfänglich vorhandene Isolation größtentheils verlor. Kautschuk ist auch schon deßwegen als Isolationsmittel bei Kupferdraht nicht anwendbar, weil dasselbe bei längerer Berührung mit dem Kupfer sich zersetzt und eine leitende Verbindung mit demselben bildet. Die in Preußen zur Anstellung von Versuchen und zu Ermittelungen über elektrische Telegraphen früher bestehende Commission wiederholte unter einigen Modificationen die Jacobi'schen Versuche, ohne ein besseres Resultat zu erzielen. In England und Amerika hat man sich häufig eiserner oder bleierner Röhren bedient, um die eingeschlossenen übersponnenen Drähte vor dem Zutritt der Feuchtigkeit zu schützen. Die großen Kosten dieses Verfahrens, sowie die mit der vollkommenen Dichtung dieser Röhren verbundenen Schwierigkeiten machten es natürlich nur für ganz kurze Leitungen durch Flüsse etc. anwendbar. Es zeigte sich ferner, daß die den Draht eng umschließenden Bleiröhren häufig nach Verlauf einiger Zeit mit demselben in Berührung kamen. Wahrscheinlich war die ungleiche Ausdehnung von Blei und Kupfer, bei Temperaturveränderung, die Veranlassung dieser Erscheinung. Es schien in der That, als seyen die Schwierigkeiten, welche sich der Isolation der ganzen Oberfläche der Drähte entgegenstellten, ohne übermäßige Kosten nicht zu lösen, als ein bisher nicht bekanntes Material, die Gutta-percha, auftauchte. Ich erhielt die ersten Proben dieser Masse im Herbste 1846, während ich gerade ebenfalls mit Versuchen über unterirdische Leitungen beschäftigt war, und dehnte dieselben sogleich auf dasselbe aus. Es ergab sich, daß auch die dünnsten Blättchen der entwässerten Masse eine für den vorliegenden Zweck hinreichende Isolationsfähigkeit besaßen. Da nun ferner durch die Eigenschaft der Gutta-percha, bei mäßiger Erwärmung plastisch zu werden und an einander zu kleben, auch die Schwierigkeit der dichten Verbindung der einzelnen Theile der Umhüllung beseitigt erschien, so gewann ich bald die Ueberzeugung, daß dieß Material zur Lösung des vorliegenden technischen Problems geeignet sey. Ich setzte mich daher mit dem Hrn. Pruckner, Mitbesitzer der hiesigen Gutta-percha- und Gummiwaaren-Fabrik von L. Fonrobert und Pruckner, in Verbindung und stellte in Gemeinschaft mit demselben weitere Versuche an. Das günstige Resultat derselben veranlaßte mich bei der schon genannten Commission die Anstellung umfassender Versuche in diesem Sinne zu beantragen. Sie ging darauf ein und beauftragte mich mit der Leitung der Arbeiten zur Ausführung einer Versuchsleitung von einer Meile Länge. Im Herbst 1847 war dieselbe vollendet. Die Isolation des Drahtes erwies sich, trotz der noch mangelhaften Methode, welche zur Bekleidung desselben mit der Gutta-percha angewendet war, schon so ausreichend, daß die Verlängerung der Leitung bis auf die Länge von 2½ Meilen (von Berlin bis Groß-Beeren) beschlossen ward. Im Frühjahr 1848 war auch diese Arbeit vollendet, und die Leitung ward nun zur telegraphischen Correspondenz zwischen den genannten Orten benutzt. Die Bekleidung der Drähte geschah in der Fabrik der HHrn. Fonrobert und Pruckner. Es ward hiezu reine, durch erhitzte Walzen vollständig entwässerte Gutta-percha verwendet. Die erwärmte Masse ward durch gekehlte Walzen um den Draht gepreht. Die vorhandenen Isolationsfehler wurden mit Hülfe eines Neef'schen Inductors aufgesucht und durch Beklebung mit erwärmten Gutta-percha-Bändern ausgebessert. Darauf ward die Isolation eines jeden Drahtes, von etwa 700′ Länge, mittelst eines äußerst empfindlichen Galvanometers geprüft und derselbe nur dann zur weiteren Verwendung genommen, wenn das zwischen dem Draht und das ihn umgebende Wasser mit einer Säule von acht Daniell'schen Elementen eingeschaltete Galvanometer keine Spur von Ablenkung zeigte. Zu größerer Sicherheit ward der Draht beim Einlegen in den 2′ tiefen Graben auf dem Planum der Eisenbahn noch mit einer Mischung von Marineleim, Steinkohlentheer und Colophonium überzogen. Die Drahtenden wurden mit Zinn zusammengelöthet und die Löthstellen durch Umkleben mit erwärmten Gutta-percha-Platten ebenfalls isolirt. Der zweite Ueberzug des Drahtes schien nöthig, weil Versuche gezeigt hatten, daß die reine Gutta-percha bei längerem Liegen im Wasser an der Oberfläche eine Rückbildung in weißes Hydrat erleidet und hierdurch die Gefahr entstand, daß die Isolation sich mit der Zeit vermindern würde. Diese Eigenschaft der Gutta-percha tritt besonders bei längerem Liegen im Meerwasser hervor. Bei einer Minenanlage, die ich im Sommer 1848 im Kieler Hafen in Gemeinschaft mit Prof. Himly in Kiel ausführte, waren die mit reiner Gutta-percha bekleideten Drähte, welche zur Entzündung der auf dem Grunde des Fahrwassers liegenden Pulvermassen dienen sollten, nach circa 6 Monaten mit einer dünnen Lage weißer Gutta-percha bekleidet. Die weiße Farbe verschwand wieder, wenn die Drähte einige Tage der Luft ausgesetzt waren. Es wurde aus diesem Grunde und der größeren Härte der Masse wegen, bei sämmtlichen später angefertigten Drähten geschwefelte Gutta-percha in Anwendung gebracht. Mehrfache Untersuchungen der oben erwähnten Leitung von Berlin nach Groß-Beeren im Frühjahr und Sommer des Jahres 1848 ergaben, daß die Isolation der Leitung in unveränderter Güte blieb, und daß auch die Gutta-percha sich unverändert erhielt. In Folge dessen erklärte sich die Commission für die Anwendung dieser Leitungen zu den vom preußischen Staate beabsichtigten Telegraphen-Anlagen, und es warb nun ein bisheriges Mitglied derselben, der Regierungs- und Baurath Nottebohm, mit der Oberleitung des Baues derselben betraut. Die bisherigen Erfahrungen hatten gezeigt, daß die bis dahin angewandte Methode der Bekleidung der Drähte mit Gutta-percha noch sehr mangelhaft war. Die in Form zweier schmaler Rieme um den Draht gewalzte Masse klebte häusig nicht fest an einander und es bildeten sich dadurch Canäle, welche die Feuchtigkeit des Bodens mit der Zeit bis zum Draht gelangen ließen. Ferner stellte sich heraus, daß die Nähte nach einiger Zeit ihre anfängliche Festigkeit verloren und leicht von einander zu lösen waren, wodurch die dauernde Isolation der Drähte gefährdet erschien. Ich entwarf daher in Gemeinschaft mit Hrn. Halske eine Maschine, mittelst welcher die Gutta-percha fortlaufend und ohne Naht durch Pressung um den Draht geformt ward. Dieselbe besteht aus einem Cylinder, welcher mit erwärmter Gutta-percha gefüllt und durch ein Dampfbad vor Abkühlung geschützt wird. Durch eine starke Schraube, welche durch eine Dampfmaschine langsam gedreht wird, wird ein in den Cylinder passender Stempel in denselben hinabgedrückt. Der offene Boden des Cylinders ist durch ein rechtwinklig ausgehöhltes Metallstück geschlossen, dessen Höhlung mit dem inneren Raume des Cylinders communicirt. Dieß Metallstück ist von neun in einer geraden Linie neben einander liegenden, senkrechten Löchern durchbohrt. Der Durchmesser dieser Löcher entspricht in der unteren Wand des Metallstücks der Dicke des zu bekleid enden Drahts und in der oberen der Dicke des bekleid eten Drahts. Die mit großer Gewalt im Cylinder zusammengedrückte plastische Masse füllt den inneren Raum des beschriebenen Metallstücks und quillt aus den in demselben vorhandenen Löchern hervor. Die Drähte treten nun durch die unteren engeren Löcher in den mit Gutta-percha angefüllten Raum und kommen mit Gutta-percha bekleidet aus den oberen, weitern heraus. Sie werden darauf senkrecht so hoch hinaufgeführt, daß die Gutta-percha während des Weges hinlänglich erkalten kann, und dann auf Trommeln gewickelt. Die spätere Operation des Aufsuchens fehlerhafter Stellen und die Untersuchung der Isolation der fertigen Drahtenden sind bereits oben beschrieben. Die zweite Bekleidung des Drahtes beim Einlegen in den Graben, wie sie anfänglich zur Anwendung kam, konnte bei der geschwefelten Gutta-percha fortfallen, da diese Masse die Eigenschaft, sich in Hydrat zurückzubilden, nicht besitzt. In der That sind die seit 1½ Jahren ohne zweiten Ueberzug im Boden liegenden Drähte noch durchaus unverändert geblieben und von frisch fabricirten Drähten nicht zu unterscheiden. Ueberall da wo der Draht nicht mindestens 2 Fuß tief mit Erde bedeckt liegen kann, wird er durch eiserne Röhren vor äußerer Beschädigung geschützt. Dieß geschieht namentlich stets beim Uebergang über Brücken, beim Einführen der Drähte in die Stationszimmer etc. Um den mit dem Einlegen des Drahts beschäftigten Arbeitern jederzeit Gelegenheit zu geben, sich die Ueberzeugung zu verschaffen, daß der Draht bis dahin nicht beschädigt sey, wird an dem Ende, von dem die Arbeit ausgeht, ein Uhrwerk aufgestellt, welches abwechselnd die leitende Verbindung des Drahtes mit der Erde herstellt und unterbricht. Durch Einschaltung eines Galvanometers und einer galvanischen Säule zwischen Draht und Erde läßt sich dann am Arbeitsorte, aus der Ablenkung der Nadel, auf die Güte des bis dahin gelegten Drahtes schließen. Trotz aller angewendeten Vorsicht ereignet es sich indeß häufig, daß der Ueberzug des Drahtes auf dem Transport oder bei der Arbeit des Einlegens leichte Verletzungen bekommt. Solche in feinen Schnitten, Rissen oder abgescheuerten Stellen bestehende Beschädigungen sind, namentlich wenn die Arbeit bei trockenem Wetter ausgeführt wird, nicht gleich zu entdecken und auszubessern. Man muß daher in der Regel nach einiger Zeit, nachdem durch starke Regengüsse der den Draht umgebende Erdboden wieder vollständig durchnäßt ist, die Leitung einer Revision unterwerfen und die vorhandenen Nebenschließungen aufsuchen und ausbessern. Es kommt auch bei älteren Leitungen bisweilen, wenn auch selten, vor, daß der Ueberzug des Drahtes durch unvorsichtig ausgeführte Erdarbeiten beschädigt oder gar die Drahtleitung selbst zerstört wird. Das von mir zur Aufsuchung beschädigter Stellen der Leitung angewendete Verfahren ist folgendes: Ist die leitende Verbindung des Drahtes selbst zwischen den beiden benachbarten Telegraphenstationen nicht unterbrochen, aber der Ueberzug desselben irgendwo beschädigt, so kann die Lage der Beschädigung annähernd durch Rechnung bestimmt werden. Als bekannt oder vorher durch Versuche ermittelt, wird vorausgesetzt: Die Länge des Leitungsdrahtes zwischen den Stationen, von denen aus die Ermittelung der Lage der Beschädigung geschehen soll. Der Widerstand der benutzten Säulen und der beiden zu den Messungen benutzten Galvanometer, deren Angaben vergleichbar seyn müssen. Der Widerstand des Drahtes, welcher die leitende Verbindung mit der entsprechenden, im Wasser oder im feuchten Boden liegenden Metallplatte herstellt und der Widerstand der diese Platte umgebenden Flüssigkeitsschichten bis zur unendlichen Ausbreitung des Stroms. Sämmtliche Widerstände seyen auf den Widerstand des Drahtes reducirt. Es seyen x und y die Widerstände der Theile des Leitungsdrahts von den Endpunkten A und B bis zu der beschädigten Stelle. m die reducirte Summe der Widerstände des bei A eingeschalteten Galvanometers, der dort eingeschalteten Säule, des Verbindungsdrahtes mit der Endplatte und des oben definirten Uebergangswiderstandes des Stroms von der Platte zur Erde. n dieselbe Summe für das Ende B der Leitung. Ferner sey z der Widerstand des Ueberganges von der bloßgelegten Stelle des Drahtes zur Erde oder der Widerstand der Nebenschließung. Endlich sey s die gemessene oder berechnete Stärke des durch die unbeschädigte Leitung gehenden Stromes der bei A und B befindlichen Säulen, von denen jede die elektromotorische Kraft e hat, s′ die bei A gemessene Stromstärke der dort eingeschalteten Säule, wenn die Leitung bei B unterbrochen ist, s″ dagegen die bei B gemessene Stromstärke, wenn die Leitung bei A unterbrochen ist; so ist: Textabbildung Bd. 117, S. 32 aus diesen drei Gleichungen e und z eliminirt gibt s · s″ (x + y + m + n) - 2s′ · s″ (m + x) = s · s′ (x + y + m + n) - 2s′ · s″ (n + y), woraus Textabbildung Bd. 117, S. 32 Da die Summe x + y gleich der Länge der Leitung, mithin bekannt ist, so ergibt sich aus dieser Gleichung sofort die Lage der Beschädigung. Es ist bei Anstellung der Messungen der Stromstärke bei A und B die Vorsicht zu beobachten, die Säulen immer so zwischen Leitungsdraht und Endplatte einzuschalten, daß die beträchtliche Polarisation des Drahtes an der beschädigten Stelle stets in gleichem Sinne auftritt, und die Ablesung erst dann vorzunehmen, wenn die Polarisation ihr Maximum erreicht und die Ablenkung der Nadel dadurch möglichst constant geworden ist. Genauere Resultate gibt ein anderer Weg der Berechnung der Lage einer Beschädigung, bei welchem die Polarisation weit weniger störend auftritt und welche unabhängig von der Größe der elektromotorischen Kraft der angewandten Säulen ist. Es sey die Bedeutung der Buchstaben x, y, m, n und z die oben angegebene. Ferner seyen s und s′ die bei A und B gemessenen Stromstärken der bei A eingeschalteten Säule, während die bei B befindliche durch einen Metalldraht von gleichem Widerstände ersetzt und die leitende Verbindung mit der Endplatte hergestellt ist. Ferner seyen σ und σ′ die gleichzeitig gemessenen Stromstärken bei B und A; wenn die Säule bei B eingeschaltet und bei A durch einen gleichen Widerstand ersetzt ist, so ist, da sich in verzweigten Schließungsbogen die Stromstärken umgekehrt wie die Widerstände der Zweige verhalten Textabbildung Bd. 117, S. 33 woraus Textabbildung Bd. 117, S. 33 oder Textabbildung Bd. 117, S. 33 Ferner aus demselben Grunde Textabbildung Bd. 117, S. 33 also auch Textabbildung Bd. 117, S. 33 Die Gleichung 2 durch die Gleichung 1 dividirt, gibt Textabbildung Bd. 117, S. 33 wodurch die Lage der Beschädigung bestimmt ist. Es ist kaum nöthig zu erwähnen, daß die eben entwickelten Formeln zur Bestimmung der Lage beschädigter Stellen der Leitung nur dann anwendbar sind, wenn nur eine solche Stelle zwischen den Punkten, von denen die Messung ausgeht, vorhanden ist. Ob dieß der Fall sey oder nicht, kann man leicht durch Wiederholung der Messungen bei Einschaltung eines bekannten Widerstandes an einem Ende der Leitung erkennen, da die Rechnung in diesem Falle nur dann dieselbe Lage der Beschädigung ergeben kann, wenn nur eine Nebenschließung vorhanden ist. Auf dem angedeuteten Wege, nämlich durch Einschaltung bekannter Widerstände und jedesmalige Messung der gleichzeitigen Stromstärken an den beiden Enden der Drahtleitung, erhält man nun zwar die nöthigen Data zur gleichzeitigen Bestimmung der Lage zweier oder mehrerer vorhandener Nebenschließungen und zur Controle ihrer Richtigkeit, doch werden die Formeln für die praktische Anwendung zu schwerfällig und ihre Angaben ungenau. Es ist daher in der Regel zweckmäßiger, in dem Falle wo die Controle auf das Vorhandenseyn mehrerer Beschädigungen schließen läßt, entweder dieselbe Bestimmung für beliebige Abtheilungen der Leitung vorzunehmen, oder gleich auf die unten beschriebene Weise durch fortgesetzte Theilung die Beschädigungen aufzusuchen. Hinsichtlich der mit m und n bezeichneten Constanten ist noch zu erwähnen, daß dieselben bei der hier hauptsächlich in Betracht kommenden annähernden Bestimmung der Lage einer Beschädigung einer ausgedehnten telegraphischen Leitung, ohne große Beeinträchtigung der Genauigkeit derselben, ganz vernachlässigt werden können, wenn man große, im freien Wasser liegende Endplatten und Säulen und Galvanometer von geringem Widerstände anwendet. Bei Endplatten, welche im feuchten Erdboden liegen, ist der Widerstand des Ueberganges der Elektricität von den Platten zum unbegränzten feuchten Leiter, als welcher die Erde auftritt, natürlich unverhältnißmäßig viel größer, doch kann man dann, wenn man an beiden Enden gleiche und unter gleichen Verhältnissen befindliche Platten hat, für jede ohne Nachtheil den halben gemessenen Erdwiderstand annehmen. Andernfalls müßte man den Widerstand des Ueberganges für jede einzelne Platte mit Hülfe einer dritten, hinlänglich entfernt von beiden liegenden, bestimmen. Um durch fortgesetzte Theilung der Leitung möglichst schnell die vorhandenen Beschädigungen des Ueberzuges der Drähte aufzufinden, verfahre ich folgendermaßen: Die Enden der Leitung werden isolirt. Die mit dem Aufsuchen und Ausbessern der Beschädigungen beauftragten Arbeiter sind mit einem hinlänglich empfindlichen Galvanometer, einer transportabeln Säule und einer Metallplatte ausgerüstet. Durch Durchschneidung des Drahtes an einer beliebigen Stelle der Leitung und Einschaltung des Galvanometers und der Säule zwischen das eine Ende desselben und die Erde, erfahren sie, in welchem Stücke der Leitung die Beschädigung zu suchen ist. Ist nur eine Beschädigung vorhanden und die Lage derselben durch Rechnung annähernd bestimmt, so stellen sie den ersten Versuch an der berechneten Stelle an. Sie verbinden und isoliren darauf den Draht wieder, wie früher beschrieben, stellen in einiger Entfernung von dieser Stelle einen zweiten gleichen Versuch an und fahren hiemit so lange fort, bis sie den Ort der Beschädigung passirt haben. Darauf halbiren sie das zwischen den letzten beiden Versuchsstellen liegende Drahtstück und so fort, bis die Lage der Beschädigung auf einige Ruthen begränzt ist. Dieß Stück des Drahtes wird dann bloßgelegt und die aufgefundene Beschädigung ausgebessert. Um den Draht für diese Versuche leichter zugänglich zu machen, wird derselbe bei der Anlage neuer Leitungen, genau jedem Stationssteine der Eisenbahn gegenüber, mit einem platten Steine bedeckt und dieser dann mit Erde beschüttet. Geübte Arbeiter bedürfen zur Anstellung eines solchen Versuchs nur weniger Minuten, die Wiederherstellung der beschädigten Leitung ist daher sehr schnell bewerkstelligt. Hat die ungefähre Leitung der Beschädigung nicht durch Rechnung ermittelt werden können, so müssen sich die Arbeiter der Eisenbahnzüge bedienen, um zu finden, zwischen welchen Eisenbahnstationen die Beschädigung zu suchen ist. Häufig ist die Zeit des Anhaltens der Züge zur Anstellung eines Versuchs hinreichend, und die erste Eingränzung dann schnell bewerkstelligt. Durch 10 bis 15 Versuche ist die Beschädigung dann im ungünstigsten Falle aufgefunden. Können die Arbeiter sich einer Dräsine zur schnelleren Fortbewegung bedienen, so genügen einige Stunden, um die Verletzung zwischen zwei Eisenbahnstationen, also auf eine Entfernung von 2 bis 3 Meilen, aufzusuchen und auszubessern. Ist die leitende Verbindung des Drahtes selbst unterbrochen, so ist die Reparatur durch das beschriebene Theilungsverfahren noch schneller auszuführen, da das Durchschneiden des Drahtes dann nicht erforderlich ist. Das eine Ende des Drahtes wird isolirt und zwischen das andere Ende und die Erde eine kräftige Säule eingeschaltet. Die Arbeiter brauchen jetzt nur den Draht bloßzulegen und eine feine Nadel durch die Gutta-percha zu stechen, so daß die Spitze derselben den Draht metallisch berührt. Durch Berührung dieser Nadel mit der Zunge erfahren sie bann, ob der Draht zwischen der Untersuchungsstelle und der eingeschalteten Säule unterbrochen sey oder nicht. Ist die Nadel hinlänglich fein, so schließt sich das Loch wieder vollständig. Andernfalls muß die Oberfläche der Gutta-percha etwas erwärmt werden, um die Oeffnung zu schließen. Die Untersuchung kann hierbei von beliebig vielen Orten gleichzeitig ausgehen, und ist daher auch sehr schnell zu beendigen. Die Isolation der Leitung wird jetzt in einem sehr vollkommenen Grade erreicht. Bei neu angelegten Leitungen darf der Nebenstrom bei am anderen Ende geöffneter, 10 Meilen langer Leitung nicht über 2½ Proc. des bei geschlossener Kette vorhandenen Stromes betragen; der reducirte Widerstand der auf die Länge einer Meile gestatteten Nebenschließungen muß daher mindestens dem einer circa 4000 Meilen langen Drahtleitung entsprechen. Eine solche Nebenschließung ist auch für die empfindlichsten Apparate noch unschädlich, da sie constant ist und nicht, wie bei überirdischen Leitungen, stets veränderlich. Da nun ferner die unterirdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elektricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die bei Entladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwankungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken Nordlichten einigermaßen beträchtlichen Ströme als veränderliche Elemente, welche den regelmäßigen Dienst der benutzten telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen, so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweckmäßige Construction der Apparate unschädlich machen. Die unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben ist nach Erfahrungen fast als unbegränzt zu betrachten, während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Verlauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen unterirdischer Leitungen in regelmäßiger Benutzung. Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Erscheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin, daß der isolirende Ueberzug der Drähte als kolossale Leidener Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtigkeit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der zwischen sie eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektromotorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt. Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs- und Entladungsströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese Annahme finden alle oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten, welche die unterirdischen Leitungen bei ihrer praktischen Benutzung zeigen, nicht nur ihre vollständige Erklärung, sondern es ist mit Hülfe derselben sogar gelungen, dieselben vollständig zu beherrschen und sogar nützlich zu verwenden. Bei der Beschreibung der von mir construirten Apparate werde ich mehrfach darauf zurückkommen. Eine der auffallendsten Eigenthümlichkeiten der unterirdischen Leitungen ist die, daß die Apparate bei ihnen mit schwächerer Batterie in gleich schnellen Gang kommen, wie bei überirdischen mit beträchtlich stärkerer, obgleich die Leitungsfähigkeit des unterirdischen Drahts um ¼ geringer ist. Die Erklärung dieser Erscheinung fällt bei Annahme der oben definirten Ladungsströme nicht schwer. Da nämlich die Elektricität der Säule, welche im Drahte gebunden wird, auf der ganzen Oberfläche sich vertheilt, so hat nur ein kleiner Theil derselben den ganzen Widerstand des Drahtes zu überwinden. Ist der Widerstand der angewendeten Säule sehr klein im Vergleich zu dem Widerstände der Leitung, so bleibt die elektrische Spannung des mit dem Leitungsdrahte verbundenen Pols unverändert, wenn das andere Ende des Drahts mit der Erde verbunden wird. Textabbildung Bd. 117, S. 37 Bezeichnet a c in nebenstehender Figur den Leitungsdraht, a b die Spannung der Elektricität der zwischen a und der Erde eingeschalteten Säule, und ist c mit der Erde leitend verbunden; verbindet man dann b mit c durch eine gerade Linie, so bilden die Senkrechten auf a c bis zum Schneidepunkte mit b c das Maaß der elektrischen Spannungen, mithin auch der Ladungen der zugehörigen Punkte des Drahtes a c. Der Inhalt des Dreiecks a b c bezeichnet also die Größe der Ladung. Ist bei c auch eine Säule von gleicher Stärke zwischen Draht und Erde so eingeschaltet, daß beide Säulen im gleichen Sinne wirken, so bezeichnet die Linie c d die hier abgegebene Spannung des Punktes c, und es ist jetzt die Linie b d die Curve der elektrischen Spannungen des Drahtes. Der gleichförmig cylindrische Draht ist mithin von a bis zur Mitte mit positiver und von dort bis c mit negativer Elektricität geladen. Wird nun bei a und c gleichzeitig die Verbindung des Drahtes mit der Säule aufgehoben, so gleichen sich die Ladungen von entgegengesetzter Elektricität im Drahte selbst aus. Wird die Verbindung gleichzeitig wieder hergestellt, so entsteht im ersten Momente ein Strom von großer Stärke, da die Ladungsströme einen beträchtlich geringeren Widerstand zu überwinden haben. Bei der schnellen Aufeinanderfolge der Unterbrechungen und Schließungen, wie sie bei den telegraphischen Apparaten vorkommen, ist es daher erklärlich, daß die angewendeten Säulen einen größeren mechanischen Effect bei unterirdischen Leitungen geben.