Titel: Bericht über die telegraphischen Apparate des Hrn. Siemens; der französischen Akademie der Wissenschaften erstattet von Regnault, Seguier und Pouillet.
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. XL., S. 201
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XL. Bericht über die telegraphischen Apparate des Hrn. Siemens; der französischen Akademie der Wissenschaften erstattet von Regnault, Seguier und Pouillet. Aus den Comptes rendus, April 1850, Nr. 17. Pouillet's Bericht über Siemens' telegraphischen Apparate. Der Telegraph des Hrn. Siemens gehört unter die sogenannten alphabetischen, d. h. die durch den Strom der Batterie hervorgebrachten Bewegungen bezwecken der entfernten, die Depesche empfangenden Station die Buchstaben nacheinander anzugeben, aus welchen die Worte bestehen. Vor den bedeutenden Verbesserungen, welche Hr. Siemens einführte, hatten die derartigen Telegraphen folgende Einrichtung: Zwei Metalldrähte verbinden die beiden Stationen, welche correspondiren sollen, z. B. Paris und Berlin; sie sind sorgfältig isolirt, indem sie weder unter sich, noch mit dem Boden elektrisch communiciren, da sie entweder auf 5 Meter auseinander stehenden Stangen überirdisch geführt, oder mit einem unveränderlichen, nicht leitenden Ueberzug aus Gutta-percha versehen, in die Erde gelegt werden.Man vergl. die Abhandlung von Siemens über telegraphische Leitungen S. 23 in diesem Bande des polytechn. Journals. Wird nun in Berlin eine Batterie hergestellt, deren positiven Pol man mit dem einen, und deren negativen Pol man mit dem andern dieser Drähte verbindet, so reicht dieß noch nicht hin, um den Strom herzustellen, denn in Paris bleibt die Kette offen, weil die Enden der zwei Drähte nicht miteinander communiciren. Schließt man aber in Paris die Kette durch Vereinigung der beiden Drähte, so stellt sich der Strom augenblicklich her und das elektrische Fluidum circulirt unausgesetzt mit der ihm eigenen Geschwindigkeit durch die ganze Länge der Drähte und alle Apparate, welche sie an ihren beiden Enden vereinigen. Man sagt dann: das Fluidum kömmt von Berlin nach Paris durch den mit dem positiven Pol der Batterie communicirenden Draht und kehrt von Paris nach Berlin zurück durch den mit ihrem negativen Pol communicirenden Draht. Man darf aber die Ausdrücke „Kommen, Zurückgehen und Circuliren“ nicht buchstäblich nehmen; sie bedeuten nicht, daß das elektrische Fluidum wirklich circulirt oder eine fortschaffende Bewegung erleidet wie die Flüssigkeit, welche sich in einer Nöhre bewegt, oder das vom Gasometer an den leuchtenden Brenner sich begebende Gas; jene Ausdrücke bezeichnen bloß, daß das elektrische Fluidum seine Wirkungen an den verschiedenen Stellen der Kette äußert. Wenn der Schall ein Echo trifft und an den Ort seiner Ent-Entstehung zurückkehrt, so kann man ebenfalls sagen, er habe eine Hinund Herbewegung oder eine circulirende, obgleich bekanntlich nicht die Luft selbst sich von dem Punkt ihrer Erschütterung an bis zu der das Echo erzeugenden Fläche und von letzterer wieder zurück bis zum ursprünglichen Ausgangspunkt fortpflanzt; anstatt sich fortzubewegen, erzittert (vibrirt) die Luft bloß und diese Erzitterungen (Vibrationen) sind es, welche sich nacheinander mit einer gewissen Geschwindigkeit immer weiter fortpflanzen; nur die Bewegung geht also hin und wieder zurück, pflanzt sich fort und circulirt, keineswegs aber die Flüssigkeit selbst oder überhaupt das Medium, worin die Bewegung erfolgt. So ist es zu verstehen, wenn von der Fortpflanzung der Elektricität oder von der Fortpflanzung des Schalls und des Lichts die Rede ist. Der elektrische Strom macht also seinen Kreislauf von Berlin nach Paris und von Paris nach Berlin unter der Bedingung: 1) daß die Batterie Elektricität liefert; 2) daß die Drähte gut isolirt sind; 3) daß die Kette an allen Punkten ihres Wegs genau geschlossen bleibt und an keiner einzigen Stelle die mindeste Unterbrechung erleidet. Wenn der Fall eintritt, daß die Drähte miteinander elektrisch communiciren, z. B. wenn sie durch einen feinen Metalldraht, durch einen Wasserfaden oder eine feuchte Schicht, überhaupt durch einen leitenden Bogen vereinigt werden, so wird dieser Bogen augenblicklich der Sitz eines abgeleiteten Stroms, welcher den für den übrigen Theil der Kette bestimmten Strom in einem gewissen Maaße schwächt. Was aber bei einer einzigen Ableitung stattfindet, findet bei allen statt, und es leuchtet daher ein, daß wenn die Stangen, über welche die Drähte gehen, letztere nicht vollkommen isoliren, eben so viele abgeleitete Ströme erzeugt werden als Stangen vorhanden sind, also 24 per Kilometer, und daß dann die kräftigsten Batterien bald unzureichend werden, um durch eine telegraphische Linie von beträchtlicher Ausdehnung einen wirksamen Strom gehen zu lassen. Die Theorie gestattet die Intensitäten des Stroms in den verschiedenen Theilen einer so verzweigten Kette nur dann zu berechnen, wenn die Elemente dieser Verzweigungen gegeben sind. Die Theorie hat uns auch ein Mittel an die Hand gegeben, um eine Kette zwischen zwei sehr weit von einander entfernten Punkten, wie z. B. Berlin und Paris, wohlfeiler herzustellen; dieses Mittel besteht darin, den einen Draht durch den Erdboden selbst zu ersetzen. Angenommen, es sey zwischen diesen beiden Punkten nur ein einziger Metalldraht gespannt und in Paris communicire sein Ende mit dem Boden durch eine große Metallplatte, welche in die Seine oder bloß in das Wasser eines Brunnens gesenkt ist; in Berlin communicire der negative Pol der Batterie ebenfalls mit dem Wasser eines Brunnens und folglich mit dem Wasser der Spree: so muß in dem Augenblick wo der positive Pol das Ende des Drahts berührt, der Strom (wie oben) durch den Metalldraht von Berlin nach Paris gehen; anstatt aber von Paris nach Berlin durch den nicht mehr vorhandenen zweiten Draht zurückzukehren, thut er dieß durch das Wasser der Seine, des Nordmeers, der Elbe und der Spree, und ferner durch alle Theile des Erbreichs, welche genug Leitungsfähigkeit besitzen, um ihm den Durchgang zu gestatten. Man sagt alsdann die Erde bildet einen Theil der Kette, und man erspart so auf doppelte Weise, indem erstens die Kosten des zweiten Drahts wegfallen und zweitens die Erde wegen des ungeheuren Querschnitts welchen sie dem Strom darbietet, letzterem viel weniger Widerstand entgegensetzt als der zweite Draht, dessen Stelle sie vertritt. Wir gehen nun auf die telegraphischen Zeichen über. Da der stetige Strom in einer aus zwei Drähten oder einem einzigen Draht und der Erde gebildeten Kette nur eine constante und gleichförmige Wirkung hervorbrächte, so ist er wenig geeignet um die wesentlich verschiedenen Zeichen zu geben, welche, um den Gedanken auszudrücken, unerläßlich sind. Man ist daher genöthigt, den Strom zu verschiedenen Wirkungen zu benutzen und diese Wirkungen unter sich zu verbinden, bis man so viele Zeichen erhält, als erforderlich sind um alles damit zu sagen, was die Sprache auszudrücken vermag. Dieß gelingt auf sehr einfache Weise durch Unterbrechen und Wiederherstellen des Stroms und eine solche Anordnung, daß diese Abwechslung eine mehr oder weniger schnelle Hin- und Herbewegung hervorbringt. Zu diesem Behufe schaltet man in die Kette einen Elektromagneten ein, welcher während des Durchgangs des Stroms zum Magnet wird, und sobald der Strom ausbleibt, es wieder zu seyn aufhört. So lange er Magnet ist, zieht er seine Armatur an, und sobald der Strom aufhört, wird diese von einer Feder zurückgezogen; die Armatur oscillirt oder vibrirt daher zwischen der Wirkung der Feder und derjenigen des Elektromagnets. Diese Schwingungen können von fast unglaublicher Schnelligkeit seyn, denn es lassen sich sehr leicht Apparate construiren, welche deren mehrere Hunderte in einer Secunde machen, und es gelingt gewiß noch diese Zahl zu verzehnfachen. Es ist aber einleuchtend, daß hiebei eine wesentliche Bedingung erfüllt werden muß, nämlich das geeignete Verhältniß zwischen der Lebhaftigkeit der die Armatur zurückziehenden Feder und der Anziehungskraft des sie in entgegengesetzter Richtung anziehenden Magnets, welche letztere von mehreren Umständen, namentlich der Intensität des Stroms, abhängt. Ist diese Hin- und Herbewegung einmal mit der beabsichtigten Regelmäßigkeit und Geschwindigkeit hergestellt, so ist es leicht, sie in eine rotirende Bewegung zu verwandeln und so einen Zeiger zu erhalten, welcher ein Zifferblatt umläuft, auf das man entweder die Buchstaben des Alphabets oder andere Zeichen, über welche man übereingekommen ist, geschrieben hat. Man braucht alsdann den Zeiger nur eine sehr kurze Zeit lang, z. B. ⅓ oder ¼ Secunde, gegenüber dem zu signalisirenden Buchstaben oder Zeichen anzuhalten. Durch dieses jeweilige Anhalten zeigt der Strom gleichsam mit dem Finger dem die Depesche Empfangenden die Reihe der Zeichen, aus welchen sie besteht; sie brauchen dann nur niedergeschrieben zu werden, wenn das Wort zu Ende ist, was durch ein besonderes Zeichen angedeutet wird, oder wenn man schneller zu Werk gehen will, dictirt man die Depesche einer Person, welche so schnell schreibt als der Telegraph redet. Bei diesem System könnte jede einzelne Schwingung einem Buchstaben des Zifferblatts entsprechen; es ist aber in der Regel besser, wenn man die Vorrichtung so macht, daß die doppelte Schwingung nur einen Buchstaben vorüber läßt; es wären folglich, wenn sich 30 Buchstaben auf dem Zifferblatt befinden, 30 Doppelschwingungen der Armatur erforderlich, damit der Zeiger einmal ganz herum kommt. Alsdann wird der Zeiger erst am Ende der doppelten Schwingung einen Augenblick angehalten, d. h. während die Armatur unter der Einwirkung der Feder ist und nicht unter der anziehenden Einwirkung des Elektromagnets. Wir haben nun noch zu erklären, wie der Beamte zu Berlin, welcher die Depesche absendet, mit der gehörigen Regelmäßigkeit und Geschwindigkeit den Strom zu unterbrechen vermag, und wie er sicher den Zeiger der andern Station, d. h. zu Paris, genau über dem anzugebenden Buchstaben anzuhalten vermag. Dazu hat er einen Unterbrecher, nämlich ein Rad von etwa 60 Centimeter Umfang, welches in 60 Theile abgetheilt ist; diese Abtheilungen, welche auf der Peripherie des Rades eine cylindrische Oberfläche bilden, sind abwechselnd von Metall und von Elfenbein, d. i. leitend und nichtleitend; letzteren dreißig an der Zahl, gegenüber befinden sich in gleicher Ordnung die dreißig Zeichen des Zifferblattes in Paris, welches die Depeschen empfängt. Die zwei Enden des Drahts, welche sich berühren müssen, um die Kette zu schließen, stützen sich auf die Peripherie des Unterbrechers und berühren gleichzeitig eine der darauf befindlichen 60 Abtheilungen; ist diese eine Metallabtheilung, so geht der Strom durch; ist sie eine Elfenbeinabtheilung, so geht er nicht durch. Wenn folglich der Beamte das Rad mit der Hand so umdreht, daß es, von einer Elfenbeinabtheilung ausgehend, eine ganze Umdrehung macht, so ist es gewiß, daß der Strom dreißigmal durchgegangen und dreißigmal unterbrochen worden ist; daß der Elektromagnet zu Paris dreißigmal zum Elektromagnet wurde und dreißigmal aufhörte es zu seyn; daß die Armatur 30 Doppelschwingungen, und der Zeiger des Zifferblatts eine ganze Umdrehung gemacht hat wie der Unterbrecher in Berlin. Wenn sie übereinstimmten, d. h. anfangs demselben Zeichen oder Buchstaben entsprachen, so werden sie auch am Ende übereinstimmen; und nichts ist leichter, als eben durch die Correspondenz diese Uebereinstimmung herzustellen und sie beliebig zu controliren. Jede Station muß beide besprochene Apparate haben, den Unterbrecher um die Depesche abzusenden, und das Zifferblatt um sie zu empfangen; man fügt noch eine dritte Vorrichtung hinzu, die Lärmglocke, welche aber nur in den Zwischenzeiten, wo keine Correspondenz stattfindet, in die Kette eingeschaltet wird. Der Beamte, welcher eine Depesche abgehen lassen will, macht die Lärmglocke läuten, um die Stationsbeamten an die Arbeit zu rufen. Alle vor Hrn. Siemens construirten alphabetischen Telegraphen gleichen dem eben beschriebenen; man kann sie allgemein bezeichnen, indem man sagt, sie haben alle einen Unterbrecher, welchen der Absender der Depesche von Hand in Bewegung setzt, und der Empfänger der Depesche muß folglich schweigen und sich passiv verhalten, bis sein Correspondent ihm ebenfalls zu sprechen gestattet. Wenn die verschiedenen Apparate, deren man sich bedient, unter sich abweichen, so ist dieß hinsichtlich dieser zwei Punkte nicht der Fall, sondern nur bezüglich des Mechanismus, welcher die Hin- und Herbewegung in die rotirende verwandelt, oder hinsichtlich der Einrichtung des Zifferblatts, oder der Gestalt des Unterbrechers, oder endlich der Anzahl der leitenden und nichtleitenden Abtheilungen, aus welchen er besteht. Hr. Siemens hat dem alphabetischen Telegraph eine ganz andere Seite abgewonnen und einen ganz neuen Weg eingeschlagen, indem er sich vorsetzte, dem Beamten welcher die Depesche empfängt, selbst während er dieselbe erhält und niederschreibt, seine directe und unmittelbare Wirkung auf den die Depesche absendenden Beamten zu bewahren, und zwar ohne zu einem zweiten Draht seine Zuflucht zu nehmen, ohne die Uebereinstimmung der Zifferblätter und Apparate aufzuheben, oder die geringste Störung in der Reihe der Zeichen herbeizuführen, deren Fortpflanzung begonnen hat. Das gewöhnliche Verfahren kann dem Depeschen-Empfänger diesen Vortheil nicht gewähren; denn wenn er sprechen wollte, während zu ihm gesprochen wird, so würde unfehlbar eine Verwirrung entstehen, woraus man sich kaum mehr ziehen könnte. Wenn er wahrnimmt, daß sein Apparat in Unordnung gerathen ist, ein Zeichen für ein anderes gibt, und etwas ganz anderes sagt als was man ihm sagte, so steht ihm nur ein einziges Mittel zur Verfügung, nämlich die Kette zu brechen, d. h. seinem Correspondenten das Wort abzuschneiden. Erst nach längerem Hin- und Herreden und beträchtlichem Zeitverlust kann die Depesche wieder aufgenommen werden. Bei dem Siemens'schen Verfahren hingegen kann der Depeschen-Empfänger jeden Augenblick und ohne allen Anstand zu demjenigen sprechen, welcher ihm die Depesche sendet, einen Fehler anzeigen, oder die Wiederholung eines falsch gegebenen oder verstandenen Zeichens verlangen. Behufs der Erreichung dieses wichtigen Zwecks läßt Hr. Siemens erwähnten Unterbrecher ganz weg, und richtet seinen Zifferblatt-Apparat so vor, daß er ganz auf dieselbe Art wirkt, er mag eine Depesche absenden müssen oder sie zu empfangen haben. Wir wollen versuchen, diesen sinnreichen, sehr schnell und dabei vollkommen regelmäßig wirkenden Mechanismus verständlich zu machen. Die Armatur des Elektromagneten ist mit einem etwa 1 Decimeter langen Hebel versehen, welcher zwei ganz verschiedene Wirkungen ausübt. Die erste ist, daß er bei jeder Doppelschwingung (hin und zurück) einen Zahn des Rades passiren macht, an dessen Achse der Zeiger des Zifferblatts steckt, und folglich diesen Zeiger von einem Buchstaben zum folgenden bringt. Durch die zweite unterbricht er die Kette und hält den Strom auf, von welchem er selbst die Bewegung empfing; letzteres aber erst in dem Augenblick, wo er selbst durch einen Halter in seinem Auslauf aufgehalten wird, d. h. wenn die Armatur, vom Elektromagnet angezogen, den Polen so nahe gekommen ist als sie es muß; dann wird, weil nun die Kette unterbrochen ist, die Armatur nicht mehr angezogen, und da sie von ihrer Feder sogleich zurückgezogen wird, bewerkstelligt der Hebel seinen Rückweg. Kaum berührt er diese andere Gränze seiner Excursion, so schließt er neuerdings die Kette, stellt den Strom wieder her und wird augenblicklich von der Armatur wieder mitgenommen, um seinen zweiten Gang zu machen, auf welchen aus derselben Ursache der zweite Rückgang folgt. Diese isochronen Schwingungen würden ins Unendliche so fortgehen, wenn die Batterie einen gleich intensiven Strom gäbe; mit der Schwächung der Batterie würden sie langsamer werden und endlich ganz aufhören, nachdem der Strom so schwach geworden ist, daß die Anziehungskraft des Elektromagneten die Trägheit der Armatur und die Spannung der sie von den Polen entfernt haltenden Feder nicht mehr überwinden kann.Im Jahr 1843 verstärkte de la Rive die chemische Wirkung eines einfachen Elements dadurch, daß er in die Kette einen Elektromagneten einschaltete, dessen Armatur durch ihre langsamen Schwingungen aufeinanderfolgende Unterbrechungen hervorbrachte. Im J. 1846 machte Hr. Froment durch Anwendung desselben Princips in anderer Form die Armatur eines Elektromagneten mit hinreichender Geschwindigkeit schwingen, um Töne, und zwar sehr scharfe Töne hervorzubringen (Comptes rendus, tome XXIV p. 428); zur selben Zeit benutzte Froment diese Schwingungen als Motor, nachdem er seinem Apparat einen Mechanismus beigefügt hatte, der sich nach Belieben reguliren ließ und das Oeffnen der Kette nach Erforderniß bewerkstelligte. Zwei solche Apparate, einer in Berlin und einer in Paris, in die Kette eingeschaltet, würden gleichen Schrittes und vollkommen gleichzeitig gehen, abgesehen von der Geschwindigkeit der Elektricität, welche hier vernachlässigt werden kann; und wenn sie im ersten Augenblick übereinstimmten, d. h. die Zeiger beim selben Zeichen stünden, so würden sie Tausende von Umdrehungen machen und ganze Tage oder Jahre immer übereinstimmend gehen, d. h. in demselben Augenblick sich stets demselben Zeichen gegenüber befinden. Kein Wärter wäre nothwendig; die Batterie thut alles. Doch hätte der Zeiger des Zifferblatts bis jetzt bloß eine regelmäßige, ruckweise Bewegung, ähnlich derjenigen des Secunden-Zeigers einer Pendeluhr; nur wäre sie eine viel schnellere, denn der Zeiger könnte in der Secunde eine ganze Umdrehung machen, da er von einem Zeichen des Zifferblatts zum andern nur 1/30 Secunde braucht, was beim Hebel der Armatur 30 Doppelschwingungen in der Secunde voraussetzt. Allerdings läßt Hr. Siemens seine Apparate nur mit einer halb so großen Geschwindigkeit, d. h. von einer Umdrehung in 2 Secunden, oder einer Doppelschwingung des Armaturhebels in 1/45 Secunde gehen. Damit ist jedoch noch keineswegs gesagt, daß sein Telegraph in der Secunde 15, oder in der Minute 900 Zeichen geben könne; denn das Auge könnte dem Zeiger dann kaum folgen; überdieß zeigt er bei dieser regelmäßigen und gleichförmig ruckweisen Geschwindigkeit alle Zeichen in gleicher Weise und thut hiemit am Ende nichts anderes, als wenn er keines zeigte, weil der Beobachter in diesen Bewegungen nichts unterscheiden, nichts aus ihnen entnehmen kann; es ist fast dasselbe, wie wenn Jemand mit ganz gleichbleibender und monotoner Stimme das Alphabet mehrmals nacheinander hersagen würde, ohne irgend einen Buchstaben besonders zu betonen; gewiß wäre es rein unmöglich herauszufinden, was er sagen wollte. Es muß folglich dem in Rede stehenden Mechanismus noch etwas hinzugesetzt werden; der Zeiger muß in seinem Laufe angehalten werden, nicht lange, aber doch ½ Secunde, ⅓ oder ¼ Secunde lang, je nach der Genauigkeit der Bewegungen des Absenders der Depesche und dem mehr oder weniger schnellen Blick ihres Empfängers; dadurch werden von dem Zeiger die Buchstaben, auf welche der Beamte ausschließlich seine Aufmerksamkeit richten muß, gezeigt, gewählt, oder wenn man will, gewissermaßen ausgesprochen. Zur Erreichung dieses Zweckes bringt Hr. Siemens rings um sein Zifferblatt herum eben so viele Tasten an, als sich Zeichen darauf befinden, und auf jeder Taste ist das Zeichen, welchem sie entspricht, in auffallender Schrift wiederholt. Wenn man den Finger auf eine Taste legt, so drückt man ein verticales Stängchen von 1–2 Millimeter Durchmesser nieder, welches dann einem dem Zeiger parallelen und auf dessen Achse steckenden horizontalen Hebel den Weg versperrt. Dieß ist gerade als wenn der Zeiger selbst angehalten würde; der Mechanismus ist aber unter dem Zifferblatt verborgen, um den Anblick des letztern nicht zu stören und die Aufmerksamkeit des Beamten nicht zu ermüden. Es genügt nicht, daß der Zeiger ganz genau dem von ihm anzugebenden Zeichen gegenüber angehalten werde, sondern es muß überdieß der mit der Armatur verbundene Treibhebel, dessen Schwingung dasselbe Hinderniß ebenfalls aufhält, sich dann auf der Hälfte seines Rückwegs befinden, d. h. in der Mitte der Excursion, welche er unter dem Einfluß der ihn zurückziehenden Feder macht. Es leuchtet nämlich ein, daß, da in diesem Augenblicke die Kette seit einer gewissen Zeit unterbrochen ist und die Wirkungen des Stroms aufgehört haben, die Armatur nicht mehr so leicht eine magnetische Polarität erhalten kann, welche den regelmäßigen Gang des Apparats zu stören vermöchte. Diese Bedingungen hat Hr. Siemens mit großer Geschicklichkeit erfüllt. Der Absender der Depesche hat daher nur eine Operation zu verrichten: er legt den Finger nacheinander auf alle Tasten, welche der Reihe der zu gebenden Zeichen entsprechen. Er drückt eine Taste nieder und der Zeiger seines Apparats, von der ihm beigebrachten regelmäßigen Bewegung fortgeführt, erfährt noch keine Einwirkung, sondern setzt seinen Weg fort bis zu dem Augenblick, wo er an das Zeichen gelangt, dessen Taste niedergedrückt ist; hier bleibt er stehen. Der Zeiger der andern Station, von derselben Kraft bewegt und dem Synchronismus unterworfen, kann jedoch nicht mathematisch in demselben Augenblick stehen bleiben, denn der ihn in Gang setzende Hebel, ebenfalls von seiner Feder zurückgezogen, macht gezwungen seinen Rückweg, weil er nicht wie der Hebel der ersten Station ein materielles Hinderniß findet, das ihn aufhält; er vollendet also seinen Rückweg und nimmt die Stellung ein, wo er seinerseits die Kette schließt und den Strom wiederherstellt. Was er aber da thut, kann nicht in demselben Augenblick seine Wirksamkeit haben, weil der Hebel der ersten Station zu dieser Zeit auf einem Punkt zurückgehalten ist wo er die Kette unterbricht. Auf diese Weise veranlaßt der die Depesche absendende Beamte, indem er den Finger während eines gewissen Bruchtheils einer Secunde auf eine Taste legt, wohl einen ähnlichen kurzen Aufenthalt des Zeigers der zweiten Station; aber es ist wohl zu bemerken, daß die beiden Zeiger nicht in demselben Augenblick stille stehen können: der zweite bleibt erst nach einer Zeit stehen, welche beiläufig dem Viertel der Dauer einer vollständigen Schwingung entspricht. Dieser Umstand ist von Wichtigkeit wegen des Einflusses, den er auf die Anzahl der Zeichen ausübt, welche in einer gegebenen Zeit übertragen werden können. Wenn der Absender der Depesche den Finger aushebt, welchen er auf die erste Taste gelegt hatte, um ihn auf die zweite zu bringen und das zweite Zeichen zu geben, so finden folgende Ercheinungen statt. Der Hebel seines Apparats, der ihn ziehenden Feder folgend, kann endlich ungehindert seinen Rückweg vollenden, was er auch thut. Da alsdann die Kette überall geschlossen ist, so stellt sich der Strom wieder her; die Armaturen beider Stationen werden gleichzeitig angezogen und die Zeiger gehen wieder ihren übereinstimmenden. Gang, bis zu dem Augenblick wo der Zeiger der ersten Station das zweite Zeichen angibt; der Zeiger der zweiten Station wiederholt es seinerseits, und dieselben Erscheinungen wiederholen sich bis zum Ende der Depesche. Wenn alles gehörig vor sich geht, hat der Telegraphist der zweiten Station nichts zu thun, als mit aufmerksamem Auge die Bewegungen seines Zeigers zu verfolgen und die ihm gegebenen Zeichen niederzuschreiben oder zu dictiren; wenn er hingegen einen Zweifel hat, oder eine Störung eingetreten ist, so legt er den Finger auf eine Taste; alsdann bleibt der Zeiger der ersten Station bei diesem Zeichen stehen und der Absender der Depesche ist in Kenntniß gesetzt, daß sein Correspondent reden will: das Gespräch beginnt, die Erklärungen werden ausgetauscht, und bald wird die anfängliche Arbeit wieder fortgesetzt. Man kann sagen, daß dieß eine wohlgeordnete Unterredung zwischen zwei Personen ist, die sich verständigen wollen und von denen jeder gleiche Freiheit hat, sein Wort zur rechten Zeit anzudringen. Dieser Apparat genügt an und für sich; er bedarf keines weitern Hülfsmittels, sofern man sich an das Manuscript des Beamten halten und etwa von ihm gemachte Fehler, sowohl im Ablesen der Zeigerbewegungen als im Aufschreiben der Zeichen nach dem Lesen, hinnehmen will. Um aber auch die Möglichkeit solcher Irrthümer zu vermeiden, fügt Hr. Siemens seinem Apparat eine magnetische Druckerei bei, welche von der Depesche einen eben so guten Abdruck liefert als es die gewöhnliche Druckerpresse thun könnte. Der Stationsbeamte hat sich dann gar nicht darum zu bekümmern; er kann auf- und abgehen, während sein Apparat arbeitet, und wenn er nach einigen Minuten zurückkehrt, findet er einen Papierstreifen, auf welchem alle Buchstaben der Depesche ganz vollkommen abgedruckt sind; sie sind nicht bloß aneinander gereiht, sondern auch die Spatien sind sorgfältig beobachtet, kleine zwischen den Buchstaben und große zwischen den Wörtern. Man könnte auch die genaueste Interpunction anbringen, wenn sie für das Verständniß des Textes nothwendig wäre; in der Regel aber würde man damit eine kostbare Zeit für unnütze Zeichen verlieren. Wir wollen versuchen von letzterm sehr gut ausgedachten und ausgeführten Apparat einen Begriff zu geben. Eine verticale Achse, derjenigen des Zifferblattzeigers ganz ähnlich, und von einem eben solchen Mechanismus in rotirende Bewegung gesetzt, ist an ihrem obern Theil mit 30 horizontalen Radien versehen, welche in derselben Ebene und gleich weit auseinander angebracht sind; jeder solche Radius trägt an seinem von der Achse entferntesten Ende, d. h. 4–5 Centimeter davon weg, auf seiner obern Fläche einen Buchstaben des Zifferblatts in ziemlich hervortretendem Relief; da diese Radien mit Federkraft biegsam sind, so braucht ein solcher nur von unten nach oben gegen den nicht weit über ihm befindlichen Papierstreifen gestoßen zu werden, um auf denselben mit mehr oder weniger Kraft zu drücken. Dieser Papierstreifen umfaßt als halbkreisförmiger Bogen eine mit ziemlich fester Schwärze überzogene Druckwalze. Da wo das Papier von dem Relief des Buchstabens stark gepreßt wird, bedruckt es sich sauber, außerdem erhält es nicht einmal Flecken. Es müssen aber viele Bewegungen verbunden werden, um folgende zwei Bedingungen genau zu erfüllen: 1) daß die Druckwalze, welche in dem Augenblick wo sie druckt, unbeweglich seyn muß, sobald sie den Abdruck eines Buchstabens empfangen hat, sich so weit umdreht und das Papier mit sich nimmt, um ein Spatium zu erzeugen, und ein größeres Spatium, wenn dasselbe ein Wort beschließt; 2) daß der Hammer, welcher von unten auf den Buchstaben schlägt, gerade in dem Augenblick ankommt, wo der Buchstabe etwa ⅓ oder ¼ Secunde anhält, um den Schlag zu empfangen. Wir haben schon gesagt, daß die die Relief-Buchstaben tragenden Radien sich wie der Zifferblattzeiger bewegen, d. h. daß sie selbst eine Art drehendes Zifferblatt bilden, so daß alle Relief-Buchstaben, einer nach dem andern, über dem Hammer vorbeikommen, welcher von unten nach oben, und immer auf denselben Punkt schlägt. Wenn nun auf der die Depesche absendenden Station der Beamte den Finger auf eine Taste legt, so hält er damit einen Augenblick den Relief-Buchstaben der zweiten Station an, wie er daselbst den Zeiger des Zifferblatts anhält, wenn man sich des Zifferblatt-Apparats bedient; man braucht also nur während dieses sehr kurzen Zeitraums den Hammer spielen zu lassen, damit der Druck vor sich geht. Diesen Dienst verrichtet ein starker Elektromagnet; derselbe wird durch eine besondere oder Hülfsbatterie, deren Strom nicht in die telegraphische Kette geht, in Gang gesetzt. So oft der Treibhebel des Telegraphen eine Schwingung vollbringt, um einen Reliefbuchstaben vorübergehen zu machen, stellt er eine Verbindung zwischen den Polen der Hülfsbatterie her oder, mit andern Worten, er schließt die Kette des druckenden Elektromagneten, und doch bleibt dieser unthätig, weil er so construirt ist, daß er der Einwirkung seines Stroms langsamer gehorcht; wenn aber der Treibhebel einen Augenblick unter der Einwirkung seiner Feder anhält, nämlich an der Gränze seines Rückwegs, um das ihm von der ersten Station zugekommene Zeichen zu wiederholen, alsdann erhält der druckende Elektromagnet von dem durch ihn gehenden Strom eine Kraft, welche lange genug andauert, damit seine schwere Armatur der stattfindenden Anziehung folgt. Bei dieser Bewegung bewirkt die Armatur folgendes: 1) durch einen aus einem Stück mit ihr bestehenden etwas langen Hebel gibt sie dem darauf wartenden Reliefbuchstaben den Hammerschlag; 2). durch einen etwas langsamer auf ein Schiebrad wirkenden zweiten Hebel dreht sie die Druckwalze und den dieselbe umgebenden Papierstreifen um eine Kerbe weiter; es ist dafür gesorgt, daß die Walze sich auch in der Längenrichtung verrücken und so mit den verschiedenen Punkten ihrer Oberfläche drucken kann; 3) durch einen dritten Hebel unterbricht sie endlich die Kette der Hülfsbatterie und vernichtet so die Kraft, welche sie angezogen hatte; in diesem Augenblick nimmt die schwere Armatur, nachdem sie für diesesmal ihre Aufgabe erfüllt hat, von selbst wieder ihre Stelle ein, der Wirkung der Feder folgend, welche nun vorherrschend wird; 4) durch einen vierten Hebel, welcher erst am Ende jedes Wortes functionirt, bringt die Armatur des druckenden Elektromagneten eine Glocke zum Schlagen, wodurch der Stationsbeamte beurtheilen kann, ob die Apparate in Uebereinstimmung bleiben; letztere Wirkung wird durch folgende sinnreiche Einrichtung erzielt: jedes Wort wird mit einer weißen Taste beendigt, und jener von den 30 Radien, welcher dieser Taste entspricht, hat gar kein Relief; der Hammer, welcher schlägt als wenn er drucken sollte, erfährt hier den durch die Dicke des Reliefs verursachten Widerstand nicht mehr, macht daher einen etwas längern Weg, und gestattet der Armatur, von welcher er ein Theil ist, ebenfalls einen etwas längern Weg zu machen. Durch diesen größern Spielraum in der Bewegung, kann der vierte Hebel am Ende jedes Worts bis zur Glocke gelangen, aber er erreicht sie nicht, wenn sich ein Buchstabe abdruckt. Endlich fügt Hr. Siemens vorstehenden Apparaten noch einen neuen hinzu, welchen er den Fortpflanzer oder Uebertrager nennt und der ausschließlich dazu dient, die Depeschen zwischen zwei sehr weit von einander entfernten Stationen zu vermitteln. Dieser dritte Apparat beruht ebenfalls auf demselben Princip, er ist aber überdieß eine interessante Anwendung der Theorie der abgeleiteten Ströme. Der zwischen den Stationen circulirende Strom, der eigentlich telegraphirende Strom, kann sehr schwach seyn, weil fast gar kein Dienst von ihm verlangt wird; seine einzige Verrichtung ist, die Kette zur gehörigen Zeit zu öffnen und zu schließen. Die alsdann beinahe ausschließlich in die Signal-Apparate übergehenden Ströme der Batterien jeder Station besitzen stets Kraft genug jene in Gang zu setzen; nachdem sie ihren Dienst gethan haben, bereitet der schwache telegraphirende Strom den Apparat zur Ausführung des folgenden Zeichens vor. Die Commission hat die verschiedenen Siemens'schen Apparate mit großem Interesse untersucht; sie fand dabei überall eine vollkommene Kenntniß der Theorie, und als geschickter Beobachter wußte Hr. Siemens alle die complicirten Erscheinungen zu berücksichtigen, welche sich in den Leitern und in den Elektromagneten zeigen, besonders wenn die Wirkungen nur von sehr kurzer Dauer seyn sollen. Mittelmäßig ausgeführt, würde sein System ohne Zweifel sehr mittelmäßige Resultate geben; gut ausgeführt aber, wie es von Hrn. Halske geschieht, scheint es einen unbestreitbaren Vorzug vor den bisher angewandten alphabetischen Apparaten zu besitzen, indem diese ihren Dienst nicht mit demselben Grad von Sicherheit und Genauigkeit verrichten. Hinsichtlich der Geschwindigkeit scheint es der Siemens'sche Apparat mit jedem alphabetischen aufzunehmen; wir finden es sogar wahrscheinlich, daß die sinnreichen Verbesserungen, welche Hr. Siemens in der Construction der Elektromagnete anbrachte, ihm einen Vortheil sichern können, besonders wenn man nur Apparate von beinahe gleicher relativer Empfindlichkeit mit einander verbindet und nie zwei Elektromagnete zusammengesellt, wovon der eine lebhaft, der andere träge ist.