Titel: | Ueber die Zusammensetzung des Wassers des mittelländischen Meeres an der französischen Küste und die Gewinnung der darin enthaltenen Salze; von J. Usiglio. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XII., S. 39 |
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XII.
Ueber die Zusammensetzung des Wassers des
mittelländischen Meeres an der französischen Küste und die Gewinnung der darin
enthaltenen Salze; von J.
Usiglio.
Aus den Annales de Chimie et Physique, T. XXVII p. 92
et 172.
Usiglio, über die Benutzung des Wassers des mittelländischen
Meeres.
Der ersten Abhandlung des Verfassers, welche die Analyse des Meerwassers, geschöpft
vor der Saline zu Cette, betrifft, entnehmen wir nur die Resultate; in folgender
Tabelle sind die Bestandtheile dieses Wassers in den Verbindungen, wie sie
wahrscheinlich darin vorkommen, zusammengestellt. Aus der zweiten Abhandlung wollen
wir (die übrigens sehr lehrreichen Versuche über den Gehalt des Meerwassers in
verschiedenen Perioden der Abdampfung bei Seite lassend) nur den auf die Gewinnung
der Salze Bezug habenden praktischen Theil mittheilen.
Zusammensetzung des Wassers des mittelländischen Meeres an der
französischen Küste.
Textabbildung Bd. 118, S. 40
Salze; Bestandtheile; Aus 100
Grammen Meerwassers erhaltenes Gewicht; Gewicht in 1 Liter Wassers; Bemerkungen;
Eisenoxyd; Schwefelsaurer Kalk; Schwefelsaure Magnesia; Chlormagnesium;
Chlorkalium; Bromnatrium; Chlornatrium; Wasser; Gesammtgewicht; Schwefelsauer
Kalk; Salz mit 2 Atomen Wasser; Im Liter; Schwefelsaure Magnesia; Salz mit 7
Atomen Wasser; Im Liter; Chlormagnesium; Entsprechende Salzsäure; Magnesia; Im
Liter Salzsäure; Im Liter Magnesia; Chlorkalium; Entsprechendes Kali; Im Liter;
Brom- und Chlornatrium; Entsprechendes Natron im Ganzen; Im Liter
Jod konnte im Meerwasser noch nicht nachgewiesen werden, obwohl es sicher darin
enthalten ist, weil alle organischen Wesen im Meer solches enthalten. Es wird erst
dann erkannt und quantitativ bestimmt werden können, wenn es einmal gelingt, das
Meerwasser von den Bromiden zu befreien, welche die Reaction verhindern.Wenn man das Gemenge der alkalischen Bromide und Jodide nach Casaseca mit Essigäther behandelt, welcher das
Jodid auszieht, wird man das Jod ohne Zweifel auffinden. A. d. R. Das Auffinden des Jods ist jedoch von untergeordnetem Interesse gegenüber
den Salzen, welche eine industrielle Anwendung gestatten und auf deren Gewinnung wir
jetzt übergehen.
Der Gang der continuirlichen Abdampfung des Meerwassers in den Salzgärten bleibt bis
zur Dichtigkeit von 25° B., ja noch bis zu 30° B., immer derselbe. Man
erhält eine Reihe regelmäßiger, sich gleichbleibender Ablagerungen und der Proceß
behält eine constante Aehnlichkeit mit demjenigen in den Salzsiedereien. Darüber
hinaus aber, und namentlich gegen 35° B. zu, machen die
Temperatur-Unterschiede von Tag und Nacht die Erscheinungen so complicirt,
daß sich nur mehr sehr veränderliche Gemenge von See-(Koch-)salz mit
schwefelsaurer und salzsaurer Magnesia absetzen.
Ueber 35° B. hinaus sind die Resultate noch veränderlicher. Die sich
absetzenden Salzgemenge, wechseln regellos in ihrer Zusammensetzung, und außer den
erwähnten Salzen enthalten sie noch sehr verschiedene Mengen schwefelsauren und
salzsauren Kali's. Die so erhaltenen Salze geben bei geeigneter Behandlung 11/10 bis
17/10 ihres Gewichts Alaun. Manchmal findet man sogar in den Ablagerungen die sich
unter Wasser von nur 34 bis 35° B. bilden, Kali; diese Ablagerungen rühren
aber nur von einer Verschiedenheit in der Zusammensetzung des Wassers her.
Oft kühlt sich das am Ende des Tages auf 35° Baumé gelangte und auf dem
Boden gelassene Wasser während einer schönen, heitern Nacht und bei frischem Wind
bedeutend ab, wodurch schwefelsaure Magnesia (Bittersalz) niedergeschlagen wird; das
über derselben stehende Wasser hat nur mehr 32–33° B. Am andern Morgen
erwärmt die Sonne dieses Wasser und löst einen Theil des während der Nacht
gebildeten Satzes wieder auf, concentrirt sich dadurch neuerdings, setzt Seesalz mit
Spuren von Kalisalzen ab und erreicht gegen Abend neuerdings eine Dichtigkeit von
35° Baumé. Eine zweite kalte Nacht erzeugt wieder eine Ablagerung von
Bittersalz und bringt das Wasser auf 33° B. zurück. Am dritten Tag bewirkt eine
abermalige Concentration eine neue Tages-Ablagerung; diese enthält
9–11 Proc. Kalisalze. Wie man sieht, haben diese Abwechselungen die Natur des
Wassers verändert, so daß man es nicht mehr mit demjenigen von gleicher Dichtigkeit
(35° B.) das aber von einer stufenmäßigen, regelmäßigen Abdampfung herrührt,
vergleichen kann. Dieses Beispiel zeigt, daß eine ähnliche Vergleichung auch bei der
natürlichen Concentration des Wassers über 35° B. hinaus nicht mehr möglich
ist, weil dessen Zusammensetzung in Folge des hygrometrischen Zustandes der Luft und
des Temperaturwechsels sich so leicht verändert.
Um das Studium der bei einer Dichtigkeit über 35°
Baumé eintretenden Erscheinungen zu erleichtern, bemerke ich, daß die
verschiedenen Ablagerungen solchen Wassers vorzüglich in folgenden Salzen bestehen,
welche unter günstigen Umständen einzeln gewonnen werden können:
1) Die schwefelsaure Magnesia (das Bittersalz), welche in der Wärme viel auflöslicher
ist als in der Kälte, befindet sich in großer Menge im Wasser von 35° B. Sie
setzt sich vorzüglich durch Temperatur-Erniedrigung ab; manchmal auch, wenn
dieses Salz in sehr großer Menge vorhanden ist, durch eine continuirliche
Abdampfung; alsdann hat es eine andere Krystallform und enthält weniger
Krystallwasser.
2) Das Seesalz oder Chlornatrium, welches in der Kälte und Wärme gleich auflöslich
ist, setzt sich vorzüglich unter Tags, während der Concentration der Flüssigkeit,
ab.
3) Schwefelsaures Magnesia-Kali. Dieses Doppelsalz ist minder auflöslich als
das Bittersalz; in der Wärme ist es auflöslicher als in der Kälte; kochendes Wasser
löst ungefähr 0,57 seines Gewichtes davon auf, Wasser von 12° R. nur etwa
0,18. Gewöhnlich setzt sich dieses Doppelsalz durch Temperatur-Erniedrigung
ab. Ein Ueberschuß von schwefelsaurer Magnesia befördert sein Absetzen. Dieses
Doppelsalz enthält 6 Aequiv. Wasser und bildet sehr schöne Krystalle; es enthält
0,2315 seines Gewichts Kali. Seine Formel ist:
2 SO³
MgOKO
+ 6 HO.)
4) Chlorkalium-Magnesium. Dieses Doppelsalz enthält ungefähr 12 Aeq. oder
38,87 Proc. Wasser. Seine Zusammensetzung ist:
Kalium
14,50
oder:
Chlorkalium
26,64
Magnesium
9,05
Chlormagnesium
34,38
Chlor
37,60
Wasser
38,98
Wasser
38,85
––––––
––––––
100,00
100,00
Hiernach enthält es 17 Proc. seines Gewichts Kali; seine Formel ist:
3 Ch
Mg²K
+ 2 HO.
Das Doppelchlorid von Kalium und Magnesium ist zerfließlich und zersetzt sich sehr
leicht; schon durch das Krystallisiren, nachdem man es in heißem Wasser aufgelöst
hat, zersetzt es sich und gibt nur mehr Chlorkalium. Die bloße Feuchtigkeit der Luft
kann dieses Salz, wenn es pulverisirt und auf einen absorbirenden Körper gelegt
wurde (der das einfache Chlormagnesium, sowie es frei wird, in sich zieht), ebenso
zersetzen; das dann zurückbleibende pulverige Salz ist bald nichts mehr als
Chlorkalium. Die Glühhitze zersetzt es ebenfalls unter Entwickelung von Salzsäure,
welche so lange andauert, als noch Wasser in der Masse ist oder als man Wasserdampf
zutreten läßt, und zwar bis zur vollständigen Zersetzung des Chlormagnesiums.
– Es krystallisirt sehr leicht in Dodekaëdern: wenn die
Krystallisation aber gestört wird und rasch erfolgt, bildet es strahlige Nadeln.
5) Das einfache Chlormagnesium, ein sehr zerfließliches Salz, wird immer
vorherrschender, je concentrirter das Wasser wird.
Um sonach das Abdampfen des Wassers über 35° Baumé methodisch
vorzunehmen, muß man die Flüssigkeit nothwendig oft abgießen, um die Producte und
das Wasser von verschiedener Beschaffenheit von einander zu trennen. Wenn man so
verfährt, erhält man einfache und vergleichbare Resultate. Folgendes ist hierüber
das Nähere.
Das am Abend in dünner Schicht ausgesetzte 35gradige Wasser setzt über Nacht eine
bedeutende Menge fast reines Bittersalz ab. Die am Morgen abgegossene Mutterlauge
hat nur mehr 32 bis 33° Baumé, ist aber in ihrer Zusammensetzung sehr
verschieden von dem direct erhaltenen 32gradigen Wasser. Operirt man im Großen, so
geht das Abgießen (Decantiren) nur langsam von statten, das Wasser erwärmt sich
wieder durch die Sonne und löst einen Theil des während der Nacht abgesetzten
Bittersalzes wieder auf; der größte Theil des Absatzes bleibt aber auf dem
Boden.
Diese erste Mutterlauge wird nun während des Tags abgedampft. Sie concentrirt sich
und setzt ein Gemenge von Kochsalz und Bittersalz ab, welches letztere entweder von
ersterm mit niedergerissen wird oder durch die Concentration niederfällt. Diese
Ablagerung enthält zuweilen, jedoch selten, Spuren von Kalisalz.
Die zweite, am Abend abgegossene Mutterlauge gibt durch die Abkühlung über Nacht
einen neuen Bodensatz von Bittersalz, demjenigen von der ersten Nacht ähnlich.
Die dritte, am Morgen abgegossene Mutterlauge hat eine Dichtigkeit von
33–34° Baumé. Sie concentrirt sich unter Tags und gibt einen
Bodensatz, der aus Bittersalz, schwefelsaurem Magnesia-Kali, Kochsalz,
Brom- und Chlormagnesium besteht.
Wenn die Abdampfung rasch von statten ging und das Wasser gegen 2–3 Uhr
35°,50 B. erreicht hat, thut man gut, neuerdings abzugießen, ohne den Abend
abzuwarten. Gegen 3–4 Uhr Abends, wo die Temperatur niedriger wird, beginnt
ein neuer, nur aus Chlor-Kalium-Magnesium bestehender Bodensatz sich
zu bilden. Er nimmt über Nacht beständig zu und ist oft mit schwefelsaurem
Magnesia-Kali vermengt.
Am andern Morgen wird die abgegossene Mutterlauge wieder abgedampft. Sie passirt
nacheinander die Dichtigkeiten von 36°, 36°,50°, 37°
Baumé und gibt vor 2–3 Uhr Nachmittags keinen merklichen Bodensatz;
sie ist alsdann so dicht und klebrig, daß ihre Temperatur an der Sonne auf
40° R. steigt; nach 3 Uhr Nachmittags bewirkt die Abnahme der Temperatur
einen reichlichen Bodensatz von fast reinem Chlor-Kalium-Magnesium.
Dieser Bodensatz bildet sich die Nacht hindurch fort und ist manchmal, wenn die
Abkühlung zu schnell oder zu groß war, mit Bittersalz vermengt.
Wenn das Wasser die Dichtigkeit von 38° B. erlangt hat, und durch Abkühlung
auf 36–37° B. zurückgegangen ist, so hat es einen großen Theil seiner
Salze abgesetzt, und enthält nur noch etwas Kochsalz, Bittersalz und eine
beträchtliche Menge Chlormagnesium. Kalisalze finden sich nicht mehr in merklicher
Menge darin. Diese letzte Mutterlauge, wenn man sie bis zum Herbst aufhebt und einer
Temperatur von 4° R. aussetzt, setzt viel krystallisirtes Chlormagnesium
ab.
Man begreift, daß dieses Verfahren eine regelmäßige industrielle Anwendung gestattet,
indem man zwischen den verdampfenden Flächen, welche Wasser gleicher Art enthalten,
eine continuirliche Verbindung herstellt. Man kann so auf dem Boden ziemlich gleiche
Producte sammeln und eine neue Krystallisation dieser Ablagerungen wird dann auf dem
Boden ziemlich reine Salze geben, nämlich: Bittersalz, schwefelsaures
Magnesia-Kali, und Chlor-Kalium-Magnesium, welches sich aus den
dichtesten Wässern absetzt; nach dieser Methode lassen sich aus dem Meerwasser auf
systematische Weise alle darin enthaltenen nutzbaren Producte gewinnen.