Titel: | Ueber die Wirkung der Kohle auf gewisse Metall- und Salzauflösungen und die Bitterstoffe der Pflanzen; von A. E. Esprit. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XIII., S. 45 |
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XIII.
Ueber die Wirkung der Kohle auf gewisse
Metall- und Salzauflösungen undnnd die Bitterstoffe der Pflanzen; von A. E. Esprit.
Aus dem Journal de Chimie médicale, Septbr.
1849, S. 531.
Esprit, über die Wirkung der Kohle auf Metall- und
Salzauflösungen etc.
Nachdem der Verf. in seiner Abhandlung die Eigenschaft der Kohle besprochen hat, die
Gase zu absorbiren, welche man bereits zur Desinficirung der Abtrittgruben, zur
Aufbewahrung des Fleisches und Reinigung verdorbenen Wassers benutzt, widmet er ein
besonderes Capitel der Anwendung der Kohle in der
Landwirtschaft und sucht ihre Wirkung in den von Hrn. Ed. Lucas in München mit gutem Erfolg angestellten
VersuchenBuchner's Repertorium für die Pharmacie, 2te Reihe, Bd. XIX S. 38. zu erklären. Als schwarzer Körper, sagt er, absorbirt die Kohle die
Sonnenstrahlen und erwärmt sich; als schlechter Wärmeleiter hält sie die Wärme lange
zurück; durch ihre Absorptionskraft fixirt sie die Kohlensäure und das Ammoniak,
deren Einfluß auf die Vegetation von so großem Nutzen ist. Das Regenwasser, indem es
durch diesen Träger von Kohlensäure und Ammoniak hindurchfiltrirt, sättigt sich mit
diesen Substanzen; die im Boden enthaltenen neutralen kohlensauren Salze verwandeln
sich dann in Bicarbonate und werden auflöslich, so daß sie in die Pflanzen übergehen
und denselben die zur Bildung ihres Skeletts nothwendigen kalk- und
bittererdehaltigen Bestandtheile liefern können.
Der Verf. geht dann auf die Anwendung der Kohle in der
Medicin über, nämlich zur Behandlung der Cholera nach Béat und
Saverdan; dann als Gegengift der arsenigen Säure und des
Aetzsublimats nach Bertrand, welcher an sich selbst
Versuche anstellte und ziemlich starke Dosen Gift durch Kohlenpulver bekämpfte.Auch Garrod empfahl in Folge seiner Beobachtungen
über die schnelle Absorption der arsenigen Säure durch die Kohle, das
Kohlenpulver als Antidotum gegen arsenige Säure (polytechn. Journal Bd. CXVI S. 166).
Hierauf bespricht der Verf. die Absorption der Farbstoffe
durch die Kohle, nach den Versuchen von Lowitz, Bussy
etc.
Endlich geht der Verf. auf den Hauptgegenstand seiner Abhandlung, die Absorption salzartiger Körper durch Thierkohle über;
diese Eigenschaft derselben entdeckte Schaub, welcher
zuerst nachwies: 1) die Entfärbung einer mit Thierkohle zusammengebrachten Lösung
von gelbem eisenblausaurem Kali; 2) die schnelle Zersetzung einer Schwefelkalilösung
in Berührung mit Kohle. Seitdem zeigte Dupasquier, daß
sogar die Pflanzenkohle die Schwefelalkalien kräftig und in ziemlich bedeutender
Menge absorbirt; Hr. Esprit wiederholte den Versuch,
Pflanzenkohle und Thierkohle vergleichend, und fand, daß man von ersterer nahezu 3
1/2mal so viel brauche als von letzterer, um dasselbe Resultat zu erzielen.
Seitdem wurden über das Absorptionsvermögen der Thierkohle von Payen, Dubrunfaut, Lassaigne, Chevallier und Girardin in Frankreich; von Graham, Warington
und Gorrod in England; von Weppen in Deutschland Versuche angestellt. Im J. 1822 beobachtete Payen, daß die Thierkohle den im Wasser aufgelösten Kalk
und die Kalksalze absorbire. Dubrunfaut zeigte, daß diese
Eigenschaft sich auf alle Alkalien erstrecke. Im J. 1829 untersuchte Graham die Einwirkung der Kohle auf das essigsaure Blei,
das salpetersaure Silber und Blei, die arsenige Säure, das schwefelsaure Kupfer und
schwefelsaure Kupferoxyd-Ammoniak, das Bleioxyd-Kali, die Jodlösung,
das unterchlorigsaure Kalk- und Natronsalz und das Chlorwasser. Alle diese
Körper wurden absorbirt, mit Ausnahme der arsenigen Säure und des schwefelsauren
Kupfers. Im J. 1833 entdeckte Lassaigne, daß Thierkohle
in Berührung mit Jodstärke oder Jodtinctur sich mit dem Jod verbindet und es der
Flüssigkeit entzieht. Im J. 1845 fand Chevallier, daß
essigsaures und salpetersaures Blei, in Wasser, Wein oder Essig aufgelöst, durch
Thierkohle diesen Flüssigkeiten entzogen wird; er benützte diese Eigenschaft, um das
Orangeblüthe-Wasser von diesen oft darin enthaltenen Salzen zu befreien; auch machte er darauf
aufmerksam, daß diese Eigenschaft der Kohle bei vielen gerichtlich-chemischen
Untersuchungen Irrthümer veranlaßt habe.
Girardin benutzte diese Eigenschaft der Kohle um dem
Wasser neugebauter Cisternen den unangenehmen ätzenden Kalkgeschmack zu benehmen,
wofür 1 Kilogramm gepulverter Thierkohle per Hektoliter
des Inhalts der Cisterne ausreicht.
Im J. 1846 wurde dieses Verfahren bei einem in der Militär-Proviantanstalt zu
Paris gegrabenen Brunnen von 110 Hektoliter Inhalt angewandt; das Wasser desselben
war, nachdem 150 Kilogramme Thierkohle in drei Portionen hineingeworfen worden,
trinkbar.
Der Verf. wiederholte Gorrod's und Weppen's Versuche mit dreierlei Kohlensorten: 1) mit Thierkohle, welche
von kohlensaurem Kalk befreit war, aber noch phosphorsauren Kalk enthielt; 2) mit
Thierkohle, welche sorgfältig mit Salzsäure ausgewaschen war; 3) mit Blutkohle,
welche zweimal mit einem Gemenge von kohlensaurem Natron und Kali ausgeglüht und
dann mit destillirtem Wasser so lange ausgewaschen worden war, bis sie keine Spur
von Alkalicyanid mehr abgab.
Die Wirkung dieser Kohlen wurde auf dreierlei Art geprüft: 1) durch Vermengung eines
bestimmten Gewichts Kohle mit einer gewissen Menge Salzlösung und Stehenlassen des
Gemenges; 2) durch Kochen eines bestimmten Gewichts Kohle mit der Salzlösung; 3)
mittelst Filtrirens der Metalllösung durch eine in einem Vorstoß befindliche
Kohlenschicht, also nach der Verdrängungsmethode. Letzteres Verfahren ist zwar etwas
langwierig, zeigte sich aber als das vortheilhafteste. Ungefähr 5 Procente
ausgeglühter Blutkohle absorbiren alles Salz aus den Auflösungen des essigsauren und
salpetersauren Bleies, des schwefelsauren Kupferoxyd-Ammoniaks, des
schwefelsauren und salpetersauren Silbers, des in Ammoniak aufgelösten Chlorsilbers,
des Chlorzinks und des in Kali aufgelösten Zinkoxyds. 20 Proc. Kohle absorbiren das
Salz aus den Auflösungen des schwefelsauren und essigsauren Kupfers, des
Aetzsublimats, salpetersauren Kobalts, schwefelsauren Cadmiums, Brechweinsteins,
schwefelsauren Zinks und Chlorbaryums.
Die zur Absorption des schwefelsauren und essigsauren Kupfers erforderliche Menge
Kohle bestimmte der Verf. mittelst des Levol'schen
Verfahrens, welches darin besteht, daß man ein reines Kupferblech in die
Kupferlösung taucht, wenn dieselbe aus dem (eine bestimmte Menge Thierkohle
enthaltenden) Verdrängungs-Apparat kommt, nachdem man sie vorher mit Ammoniak
übersättigte. Der Gewichtsverlust des Kupferblechs, verglichen mit demjenigen, welchen es in
derselben Lösung, ehe sie die Kohle passirte, erlitt, ergibt die Menge des von
dieser absorbirten Salzes.
Das schwefelsaure Kali und Natron und die schwefelsaure Talkerde wurden nur in sehr
geringer Menge absorbirt.
Graham's und Gorrod's Versuche
hinsichtlich der arsenigen Säure scheinen sich zu widersprechen; der Verf. suchte
daher die Menge arseniger Säure zu bestimmen, welche von Thierkohle absorbirt werden
kann. Folgende Resultate erhielt er mit Blutkohle:
10
Gramme
Kohle
absorbirten
0,2
Gramme
arseniger
Säure
20
„
„
„
0,3
„
„
„
40
„
„
„
0,4
„
„
„
Wenn man die Lösung der arsenigen Säure mit der Kohle kochen läßt, fallen die
Resultate etwas anders aus.
10
Gramme
Kohle
absorbirten
0,3
Gramme
arseniger
Säure
20
„
„
„
0,5
„
„
„
40
„
„
„
0,7
„
„
„
Die quantitative Bestimmung der arsenigen Säure geschah nach Bussy's Verfahren mittelst einer Auflösung von übermangansaurem Kali.
Nach der Ansicht des Verf. wirkt die Kohle in den meisten Fällen nur durch
mechanische Absorption, ausgenommen bei den Salzen mit reducirbaren Oxyden (z.B. den
Silbersalzen) und bei den BleisalzenAuch diejenigen Salze sind auszunehmen, welche in basische und saure zersetzt
werden; ferner diejenigen, welche, wie die antimonsauren und wolframsauren
Alkalien, ihre Säure an die Kohle abgeben; endlich das saure chromsaure Kali
und die Chromsäure, welche von der Kohle in der Kälte vollkommen reducirt
werden., welche letztere in kohlensaures Blei (?) verwandelt zu werden scheinen.
Den Schluß machen einige Bemerkungen über die Eigenschaft der Kohle sich der
Bitterstoffe der Pflanzen zu bemächtigen, auf welche Hr. Warington im J. 1845 aufmerksam machte, nachdem der Apotheker Duburgua schon vor ihm gefunden hatte, daß die Kohle der
Enziantinktur ihre Bitterkeit fast ganz benimmt. Im J. 1826 beobachteten Chevallier und Gabriel Pelletan Aehnliches hinsichtlich des Farbstoffs des westindischen
Zahnwehholzes. Warington benahm mehreren Biersorten
mittelst der Kohle ihre Bittere, so auch den Aufgüssen des Hopfens, des Wermuths,
den Abkochungen der Enzianwurzel, der Brechnuß. Weppen brachte die
Bitterkeit der Abkochungen der Columbowurzel, der Quassia, der Cascarille, des
Bitterklees zum Verschwinden; und Lebourdais benutzte
diese Eigenschaft der Kohle um einige Alkaloide und nähere Pflanzenbestandtheile
(das Digitalin, Columbin, Strychnin, Hyoscyamin, Chinin etc.) abzuscheiden.
Dem Verf. gelang es auf dieselbe Weise, den wässerigen Lösungen des Strychnins, des
schwefelsauren Chinins; den Abkochungen des Buchsholzes, der Ampferwurzel, der
Simaruba; den Tincturen der Columbowurzel, der Sassaparille, der Bittersüßstengel,
der Chinarinde und der Rhabarber ihre Bitterkeit zu entziehen; sowie den Tincturen
der Benzoë, des Kino und des Gummigutt ihre Harzstoffe in dem Grade zu
benehmen, daß sie durch Wasser gar nicht mehr getrübt wurden.
Er stellte zu demselben Zweck auch Versuche mit dem Bimsstein und dem Platinmohr an;
ersterer gab durchaus kein befriedigendes Resultat, 2 Gramme Platinmohr aber
benahmen 8 Grammen Columbotinctur den Geschmack gänzlich, wobei sich auch etwas
Aldehyd und Essigsäure bildete. Da jene Körper kein Absorptionsvermögen zeigen,
welches mit ihrer feinen Zertheilung und ihrer außerordentlichen Porosität im
Verhältniß steht, so ist der Verf. der Ansicht, daß diese Eigenschaft der Kohle
außerdem in einer ihr eigenthümlichen Verwandtschaft begründet seyn müsse.