Titel: | Ueber verschiedene in England und Frankreich bei der Brodbereitung benutzte Gährungsmittel. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XIV., S. 50 |
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XIV.
Ueber verschiedene in England und Frankreich bei
der Brodbereitung benutzte Gährungsmittel.
Aus dem Bulletin du Musée de l'Industrie, 1849,
3e livr. durch das polytechn. Centralblatt, 1850, Lief.
12.
Ueber verschiedene in England und Frankreich bei der Brodbereitung
benutzte Gährungsmittel.
In England benutzt man zur Einleitung der Gährung bei der Weißbrodbereitung statt der
Hefe häufig ein künstliches Gährungsmittel, welches auf folgende Art angefertigt
wird: möglichst mehlige Kartoffeln werden mit Dampf gekocht, dann geschält und unter
Zusatz von Wasser zerquetscht, so daß die Masse die Consistenz der Bierhefe annimmt.
Man läßt sie durch einen Durchschlag laufen und setzt dann auf je 500 Gram.
Kartoffeln 60 Gram. Rohzucker oder Melasse, und, nachdem sie nöthigenfalls etwas erwärmt worden,
einige Löffel voll Bierhefe hinzu. Das Ganze wird hierauf bei mäßiger Wärme stehen
gelassen, bis die erste heftige Gährung vorüber ist. 500 Gram. Kartoffeln liefern
auf diese Art ungefähr 2 Liter Gährungsmittel.
In Frankreich benutzt man zur Weißbrodbereitung im Allgemeinen nur Sauerteig, und
glaubt, daß die in Deutschland angewendete Hefe eine zu rasche und schaumige Gährung
bewirke. Mehrere Bäcker in Paris, welche das Brod an dort sich aufhaltende Engländer
liefern, wenden indeß ein Gährungsmittel an, welches dem in England üblichen ähnlich
ist, bei dessen Bereitung jedoch der Zucker weggelassen und Mehl zugesetzt wird. Für
eine Bäckerei, in welcher täglich fünfmal gebacken wird, wird dieses Gährungsmittel
in folgender Art hergestellt: 16 Kil. mehlige Kartoffeln werden gekocht, unentschält
aber noch heiß (weil sie sonst sich färben und einen säuerlichen Geschmack annehmen)
in einem Stampfwerk oder zwischen metallenen Walzen zerquetscht und dabei mit soviel
Wasser von 16 bis 20° R. vermischt, daß eine flüssige Mischung entsteht.
Diese läßt man durch einen Durchschlag laufen, um die Schalen zurückzuhalten. Man
vermischt sie dann mit 1 1/2 Kilogr. guter Bierhefe, die vorher mit Wasser von
derselben Temperatur angerührt und durch ein Sieb gelassen wurde, und fügt soviel
Wasser von gleicher Temperatur hinzu, daß die Gesammtmenge 133 Kil. beträgt. Auf das
Gemisch siebt man hierauf 15 Kil. Mehl, rührt gut um und theilt es in drei ungefähr
gleiche Theile. Jeder Theil wird in ein hölzernes Faß gegeben, welches nur zum
dritten Theil davon gefüllt wird, da die übrigen zwei Drittel als Raum für das
Steigen der Mischung nöthig sind. Diese Einrichtung hat den Zweck, daß man den
Inhalt eines Fasses benutzen kann, ohne die ganze Mischung zu stören. Die Gährung
geht anfangs langsam von statten, da die in den Kartoffeln und im Mehl enthaltene
Stärke erst in Zucker übergehen muß. Alsbald aber geht der anfangs bitterliche
Geschmack in einen süßen über und es stellt sich eine lebhafte Gährung ein. Bei
geeigneter Temperatur und wenn die Gefäße ruhig stehen, bedarf es dazu nur einer
Zeit von 3–4 Stunden. Für jedes Gebäck werden 33 Liter der gährenden Mischung
mit 3 Litern Wasser von angemessener Temperatur angerührt. Diese Mischung kommt in
eine besondere Abtheilung am einen Ende des Backtrogs, die mit Mehl ausgestreut
wurde. Man übersiebt sie hier 5 Centimeter hoch mit Mehl, welches bei der gährenden
Bewegung der Masse allmählich von derselben verschluckt wird; sobald dieß
vollständig erfolgt ist, ist das Gährungsmittel fertig zum Verkneten mit dem übrigen
Mehl. Letzteres wird in gewöhnlicher Art ausgeführt, indem noch 6 Liter (siehe unten) Wasser (in
welchem das Salz vorher aufgelöst wurde) und, wie es scheint, soviel Mehl
hinzugenommen wird, als mit der nun vorhandenen Wassermenge zum Teig verarbeitet
werden kann. Vom Ansatz des Gährungsmittels an bis zu dem Zeitpunkt, wo es zum
Verkneten mit dem Teig geeignet ist, verfließen etwa 12 Stunden; man kann es aber
auch in 4–5 Stunden fertig erhalten, wenn man einige Kilogramme Kartoffeln
mehr und das Wasser etwas wärmer nimmt.
Da die Menge des auf einmal zu backenden Brodes verschieden ist, so kann man im
Allgemeinen feststellen, daß, um 100 Liter Wasser in die gährende Mischung zu
verwandeln, 12 Kil. Kartoffeln, 1 Kilogr. 144 Gram. trockene Hefe und 12 Kilogr.
Mehl zu nehmen sind. Bei der Anwendung wird die Mischung immer zunächst in
angegebener Art mit 1/11 ihres Volums Wasser vermischt und mit Mehl überstreut, und
beim Verkneten zum Brodteig das doppelte Volum Wasser hinzugenommen (wonach die
obige Vorschrift, daß auf 33 Liter der Mischung beim Verkneten 6 Liter Wasser
genommen werden sollen, wohl auf einem Druckfehler beruht, und in Wirklichkeit wohl
66 Liter genommen werden sollen).
In Frankreich ist man im Allgemeinen gegen die Anwendung der Kartoffeln zur Bereitung
des Gährmittels eingenommen, und glaubt daß das Brod dadurch verschlechtert werde.
Man hat daher auch folgendes Gährmittel empfohlen, welches bei Versuchen in der
Hospital-Bäckerei zu Paris gute Erfolge gegeben haben soll. Von 100 Litern
Wasser, die zum Gebäck benutzt werden sollen, werden 80 Liter in folgender Manier in
Gährmittel verwandelt. Man erhitzt 22 Liter dieses Wassers in einem Gefäß, welches
55 Liter faßt, zum Sieden. Zugleich werden 11 Kil. Mehl mit 22 Liter desselben, aber
kalten Wassers gleichmäßig angerührt. Diese Mischung wird dann langsam in das
kochende Wasser gegossen und das Ganze gerührt, bis es die Consistenz eines Breies
angenommen hat. Diesen Brei rührt man in den Rest des kalten Wassers ein, wobei man
jedoch ein Liter desselben zurückhält, welches, ungefähr 20° R. warm, dazu
dient, um mit 250 Gram. trockener Bierhefe angerührt zu werden. Ist die Temperatur
der Mischung auf 20° R. gesunken, so werden 11 Kil. Mehl aufgesiebt, die Hefe
zugesetzt und das Ganze gut gemischt. Nach ungefähr einer Stunde zeigt sich die
Gährung und nach 4–5 Stunden hat die Masse einen süßen Geschmack angenommen
und ist zur Anwendung fertig. Diese wird wieder so gemacht, daß man aus der Mischung
im Knettrog zunächst in angeführter Art den Gährteig (levain) bildet, wozu man 6 Liter Wasser verbraucht.
Die von den 100 Litern Wasser nun noch übrigen 14 Liter werden beim Verkneten zum
Brodteig zugesetzt. Man kann auf einmal soviel von der Gährmischung ansetzen, wie
man in 24 Stunden verbraucht, indem man für jedes Gebäck nur soviel davon nimmt, wie
zur Anfertigung des Gährteigs nöthig ist. Wo Bierhefe nicht leicht zu haben ist,
kann man dieselbe auch durch ihr 20faches Gewicht eines Teiges ersetzen, welcher 24
Stunden lang der Währung überlassen wurde.