Titel: | Ueber Vermehrung der Blutegel im Großen; Auszug aus einem der Société d'Encouragement von Hrn. Huzard erstatteten Berichte. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XVII., S. 68 |
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XVII.
Ueber Vermehrung der Blutegel im Großen; Auszug
aus einem der Société d'Encouragement von Hrn.
Huzard erstatteten
Berichte.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Juni 1850, S. 275.
Huzard, über Vermehrung der Blutegel im Großen.
Auf die neue Ausschreibung eines Preises für diesen Gegenstand sind vier Bewerbungen
eingelaufen, von welchen aber nur folgende, von Hrn. Ebrard, Hospitalarzt zu Bourg, Beachtung verdient.
Die Teiche zur Blutegelzucht brauchen nicht groß zu seyn; die kleinen Teiche ernähren
die Blutegel eben so gut wie die großen. Die ergiebigsten Teiche zu Bresse sind
nicht tief, ihre Ufer hängen sanft ab; sie enthalten viele Gewächse. Der Grund führt
keinen Torf, sondern besteht aus weißer Erde.Dem Diluvium der Geognosten, nach Hrn. Puvis. Diese Teiche sind im Sommer, und besonders im Monat August, keinen
Wasseranschwellungen ausgesetzt und es läuft keine Wasserströmung durch dieselben.
Man läßt dieselben keine zwei Jahre nacheinander trocken liegen und ein Theil ihrer
Oberfläche bleibt beständig mit Wasser bedeckt. Das Vieh geht in diese Teiche
weiden.
Die Pflanzen, welche man in den reichsten Blutegelteichen antrifft, sind: Poa fluitans, Alisma Plantago, Sagittarea sagittifolia,
Juncus uliginosus, Potomageton natnas, Scirpus pallustris, Villarsia nymphoides,
Peplis Protula, Ranunculus aquatilis, Spargonium ramosum, Ranunculus Flammula,
Gratiola officinalis. Dieses Verzeichniß beginnt mit der am häufigsten und
schließt mit der am seltensten vorkommenden Pflanze.
Die Ursache, warum die Blutegel die eben beschriebenen Teiche vorziehen, ist nach dem
Verf., daß sie die Wärme lieben, die Teiche dürfen daher nicht tief seyn. Die
Blutegel machen ihre Cocons im Sommer und legen dieselben in der Höhe des
Wasserspiegels an den Fuß der Wasserpflanzen und zwischen deren Stöcke; da ihre
Keime, wenn sie vom Wasser bedeckt werden, zu Grunde gehen, so darf das Wasser nicht
über den Cocons anschwellen. Die Blutegel schöpfen vielleicht aus dem Safte gewisser
Pflanzen ihre Nahrung, oder vielleicht dienen diese Pflanzen zur Ernährung und zum
Schutze derjenigen Thiere, von welchen sich die Blutegel nähren; diese Pflanzen
müssen sich daher in den Teichen befinden.
Hr. Ebrard weist auch nach, daß sich die Blutegel viel
stärker vermehren als man bisher glaubte, da sie jährlich zweimal Cocons machen, am
Anfange undnnd am Ende des Sommers; als gewiß gibt er an, daß sie nicht, wie man glaubt,
nur einen Cocon machen, sondern fünf bis sechs, und daß diese sechs bis zwanzig
Keime enthalten, welche eben so viele Blutegel geben. Dieß sind die Resultate seiner
Versuche in Gefäßen, welche zu 2/3 mit Thon gefüllt waren, mit Moos darüber. Die
Cocons hatten sich größtentheils zwischen dem Thon und dem Moos gebildet.
Ein- und sogar zweijähriger Anbau der Teiche verhindert nach dem Verf. ihre
Wiederbevölkerung nicht, wenn nur einige Stellen mit Wasser bedeckt blieben. Er
glaubt seinen Beobachtungen zufolge, daß die Blutegelzucht in Teichen, in welchen
man Fische zieht und die man auch anbaut, pecuniäre Vortheile gewähren könne. Der
Gewinn, welchen die Fische abwerfen, würde wahrscheinlich dadurch nicht vermindert,
weil die fischreichsten Teiche auch die blutegelreichsten sind; der Ertrag durch die Blutegel aber
wäre nach seiner Berechnung ein noch höherer als derjenige durch die Fische.
Zur Entleerung schon gebrauchter Blutegel bedient sich Hr.
Ebrard des Drucks von hinten nach vorn, nachdem er
sie zuvor in Wasser und Wein tauchte – dieß ist das etwas modificirte
Verfahren der HHrn. Bouchardat und Soubeiran. Seinen zahlreichen Versuchen zufolge kann ein Blutegel ziemlich
oft zum Saugen dienen.
Hinsichtlich der Aufbewahrung der Blutegel in Gefäßen empfiehlt er, eigener Erfahrung gemäß, fleißiges
Erneuern des Wassers, im Sommer alle zwei, im Winter alle fünf Tage.
Ueber die Coconsbildung der Blutegel theilt Hr. Ebrard auf eigene Beobachtungen gestützte Details mit,
welche, obschon sie mehr der Naturgeschichte des Thiers angehören als auf dessen
Anwendung Bezug haben, doch zu neu und interessant sind, als daß wir sie nicht
anführen sollten. Der Blutegel, bekanntlich ein Zwittergeschöpf, macht, nachdem er
von einem andern Blutegel befruchtet wurde und diesen zweiten Blutegel durch
doppelte Begattung ebenfalls befruchtet hat, sein Cocon auf der Erde in einer
kleinen Vertiefung zwischen Grashalmen, oder wohl auch in der Erde selbst einige
Centimeter tief. Er bildet in der feuchten Erde einen kleinen Gang, an dessen Ende
er, den hintern Theil seines Körpers im Gange lassend, durch Bewegung seines vordern
Theils eine eiförmige Höhlung macht, welche er mit einer Materie auszukleiden
scheint, die er an der Scheidemündung nimmt. Ist er damit fertig, so macht sein Kopf
nur noch eine Bewegung von vorn nach hinten und von oben nach unten gegen die
Scheidemündung. Während dieser Arbeit verbreitet sich die Flüssigkeit dieser Mündung
um den Blutegel, der zuletzt ganz davon umhüllt ist. Nun beginnt eine neue Reihe von
Erscheinungen. Der Blutegel bleibt in Ruhe und aus zwei Oeffnungen auf seinem
Rücken, deren Zweck den Naturforschern bisher nicht bekannt war, tritt eine klare,
klebrige Flüssigkeit hervor, welche sich um den vordern Theil des Blutegels, da wo
sich die Zeugungsorgane befinden, verbreitet und gerinnt. Diese Flüssigkeit bildet
eine häutige Röhre, welche die Zeugungstheile umhüllt, 2 Centimeter lang ist und an
ihren Enden sich verengend zuläuft; sie gleicht einem diesen Theil des Körpers
umgebenden Mieder. Dieser so umhüllte Theil erweitert und verengt sich abwechselnd
und die hintere Oeffnung der Röhre folgt dieser erweiternden und verengenden
Bewegung; plötzlich sickert eine röthlichbraune Flüssigkeit in diese Röhre ein, der
Blutegel zieht alsdann seinen Kopf in die Röhre zurück und hierauf durch die hintere Oeffnung heraus;
die Oeffnungen schließen sich und das Cocon ist fertig.
Die Entdeckungen des Hrn. Ebrard hinsichtlich des
Geheimnisses der Blutegel-Fortpflanzung bestätigen die Behauptung, daß die
Blutegel während der Coconsbildung der vollkommensten Ruhe bedürfen, und
rechtfertigen das gesetzliche Verbot des Blutegelfanges in den Monaten Juni, Juli,
August und September; der Verf. gibt daher auch den Rath, in den von
Wasserströmungen durchschnittenen Teichen, worin Blutegel gezogen werden sollen,
durch einen Damm dafür zu sorgen, daß das Teichwasser im Sommer nicht in Bewegung
gesetzt, hauptsächlich aber nicht höher getrieben werde.
Schließlich erwähnt Hr. Ebrard in seiner Schrift noch, daß
der Landwirth Micholet in der Gemeinde Dompierre
(Aine-Dept.) im J. 1838 in einen Froschteich von beiläufig 20 Ares, worin
sich niemals Blutegel gefunden hatten, 60 Stück große Blutegel warf, welche sich
darin so gut fortpflanzten, daß er vom J. 1843 an Blutegel in den Handel brachte und
seitdem fortwährend an Apotheker verkaufte; am Ende des J. 1845 belief sich die
Anzahl der von ihm verkauften Blutegel auf mehrere Tausende.