Titel: | Bericht des Hrn. Jacques Köchlin über eine selbstthätige Aus- und Einrückkuppelung mit Sperrklinken für gemeinschaftlich wirkende Motoren, welche von Hrn. Pouyer-Quertier in Ronen erfunden wurde. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. LXXII., S. 344 |
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LXXII.
Bericht des Hrn. Jacques Köchlin über eine selbstthätige
Aus- und Einrückkuppelung mit Sperrklinken für gemeinschaftlich wirkende Motoren,
welche von Hrn. Pouyer-Quertier in Ronen erfunden
wurde.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, 1850 Nr. 108.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Pouyer's Aus, und Einrück-Kuppelung für gemeinschaftlich
wirkende Motoren.
Die Wichtigkeit einer selbstthätigen Aus- und Einrückkuppelung zur Verbindung
zweier, verschiedenen Motoren angehörigen Wellen, ist allen denjenigen bekannt,
welche in den Fall kamen, zwei gesonderte Motoren zum gemeinschaftlichen Betriebe
einer Fabrik einrichten oder anwenden zu müssen; denn
sicherlich ist jeder auf die bedenklichen Schwierigkeiten gestoßen, welche die
verschiedene Geschwindigkeit zweier gegebenen Motoren mit sich bringt, sey es ein
Wasserrad das gleichzeitig mit einer Dampfmaschine arbeiten soll, oder seyen es zwei
zusammen arbeitende Wasserräder oder endlich zwei Dampfmaschinen die keine
gemeinschaftliche Schwungradachse haben.
In diesen Fällen ist man großen Uebelständen ausgesetzt, wenn man die beiden Motoren
durch die laufenden Achsen fest mit einander verkuppelt, da immer ein
Geschwindigkeitsunterschied stattfindet, und also nothwendig ein Motor den andern,
wenigstens zeitweise treiben muß, wobei man sich der Gefahr eines Bruches und großen
Abnutzungen aussetzt.
Um diesem abzuhelfen, benutzte man bisher die verschiedenen Systeme von
Klauenkuppelungen, welche gewöhnlich durch nach einer Seite hin schief liegende
Zähne so angeordnet sind, daß sie sich ausrücken, sobald derjenige Motor, von
welchem man nicht will daß er getrieben wird, langsamer geht. Eine in die Nuth der
verschiebbaren Kuppelhälfte eingreifende Gabel drängt dabei in Folge eines
angebrachten Gegengewichtes jene beständig gegen die feste Hälfte, so daß die
Einrückung von selbst erfolgt, sobald wieder gleiche Geschwindigkeiten vorhanden
sind. Bei dieser Einrichtung finden beständig Stöße und Hemmungen statt, welche
häufig der Grund sind, warum man lieber denjenigen Motor ganz ausrückt, welcher
nicht mehr die nöthige Kraft hat um beständig mit der gehörigen Geschwindigkeit zu
arbeiten, und man opfert so die ganze nützliche Arbeit, welche man unter anderen
Umständen hätte benützen können.
In vielen Fällen macht man aus Furcht vor den Stößen und Unregelmäßigkeiten, welche
aus dem erwähnten Kuppelungssystem hervorgehen, die Verbindungswellen
außerordentlich schwer und so stark, daß ein Motor den andern treiben kann, und dieß
geschieht gewöhnlich, wenn zwei Wasserräder zusammen arbeiten sollen, und sehr
häufig, wenn eine Dampfmaschine ein Wasserrad unterstützen muß.
Es ist indeß eine ausgemachte Sache, daß zwei fest mit einander verkuppelte Motoren
einen sehr nachtheiligen Einfluß auf einander haben, und daß ein Theil ihres
Nutzeffectes durch die Stöße verloren geht, welche sie auf einander ausüben.
Ohne auf den Grund dieser Thatsache näher einzugehen, will ich nur noch bemerken, daß
es durch eine Menge von Versuchen, die theils indirect durch Vergleichen des Ganges
der Fabrik, theils direct mittelst des Prony'schen Zaums
angestellt wurden, erwiesen ist, daß wenn man die Kraft beider Motoren besonders
bestimmt, die Summe dieser Kräfte größer ausfällt als die Kraft, welche die
gekuppelten Motoren zusammen ausüben.
Die Wahrheit des eben Gesagten ist von allen Maschinenbauern anerkannt, und man
wandte deßhalb verschiedene Kuppelungen, wie die Frictionskuppelung, und die
Ausrückkuppel mit Feder oder Gegengewicht an; aber bei allen zeigte sich derselbe
Uebelstand, auf welchen oben schon aufmerksam gemacht wurde.
Durch die Anordnung des Hrn. Pouyer-Quertier ist den bisherigen Mängeln fast gänzlich
abgeholfen, und jeder Motor bleibt, während er auf die Haupttreibachse wirkt, von
den übrigen so zu sagen unabhängig; denn man kann ihn in Gang setzen, oder gänzlich
stille stellen, ohne sich um den Gang der übrigen zu bekümmern. Hat derselbe seine
gehörige Geschwindigkeit erlangt, so überträgt er seine übrige bewegende Kraft auf
die Hauptachse, mit welcher er gekuppelt werden soll, und sobald sich seine
Geschwindigkeit aus irgend einem Grunde verringert, so rückt er sich selbst so lange aus, bis er
die gehörige Geschwindigkeit wieder erlangt hat.
Das Princip, welches Hr. Pouyer-Quertier anwandte, besteht darin, daß die Hauptachse,
welche mit der regelmäßigen Geschwindigkeit geht, die Sperrklinken ausläßt, welche
für gewöhnlich in die Zähne eines Sperrrades eingreifen, das auf dieser Hauptachse
befestigt ist. Da diese Sperrklinken sich auf einer Scheibe, welche auf der von dem
Hülfsmotor kommenden Achse befestigt ist, befinden, oder besser noch auf dem ersten
von diesem Motor getriebenen Rade, das auf die Hauptachse lose aufgesteckt ist, so
folgt daraus, daß letzteres seine Bewegungen durch die beweglichen Sperrklinken,
welche in das Sperrrad eingreifen, auf die Hauptachse übertragen kann.
Die Sperrklinken sind, wie schon bemerkt wurde, nur dann in Thätigkeit, wenn die
Motoren einerlei Geschwindigkeit haben, und zwar wird dieß mittelst eines Zaumes
erreicht, welcher durch Reibung mit der Nabe des Sperrrades verbunden ist, und
dessen Enden auf Hebel wirken, die an den Sperrklinken angebracht sind. Hieraus
folgt, daß sobald der Hülfsmotor langsamer geht, die Sperrklinken durch den Zaum
ausgehoben werden, der mit dem Sperrrade geht, welches seine richtige
Geschwindigkeit beibehalten hat. Die Klinken behalten dann ihre Lage, und können so
lange nicht mit den Zähnen des Sperrrades in Berührung kommen, als der Hülfsmotor
langsamer geht. Sobald dieser aber oder mit demselben das Rad oder die Scheibe,
welche die Sperrklinken trägt, ebenso schnell geht oder schneller als das Sperrrad
laufen will, so rücken sich die Sperrklinken ein, und der Hülfsmotor ist wieder mit
der Hauptwelle gekuppelt.
Die Idee des Hrn. Pouyer-Quertier ist sehr glücklich, und liefert uns ein
Mittel, mit aller Sicherheit und ohne Furcht verschiedene Motoren verkuppeln zu
können. Sie ist bereits seit zwei Jahren in Guebwiller
ausgeführt, und verbindet daselbst eine Turbine, ein Wasserrad und zwei
Dampfmaschinen, ohne daß während dieser Zeit irgend eine Nachhülfe nöthig geworden
wäre, und ohne irgend durch Abnützung zu leiden. Man kann, während die beiden
hydraulischen Motoren im Gange sind, die Dampfmaschine mit 80 Pferdekräften ohne
irgendwelche Vorsichtsmaßregeln zu treffen, anlassen, und es wird schwierig seyn
anzugeben, in welchem Augenblicke sie anfängt auf die Hauptwelle zu wirken, so leise
und stoßlos rücken sich die Sperrklinken ein.
Ebenso verhält es sich mit den drei übrigen Motoren; man stellt sie nach Belieben stille oder
bringt sie in Gang, ganz unbekümmert ob der eine oder andere in Thätigkeit ist oder
nicht.
Erklärung der Abbildungen.
In Fig. 4, 5, 6 und 7 ist eine
solche selbstthätige Aus- und Einrückkuppelung abgebildet, wie sie für eine
Dampfmaschine von 80 Pferdekräften und für eine Geschwindigkeit von 120 Umdrehungen
in der Minute ausgeführt wurde.
D Haupttriebachse, auf welcher der Apparat angebracht
ist, und welche rechts und links noch mit andern Motoren in Verbindung seyn kann.
A gußeiserne Scheibe, welche mit einer langen Nabe
aus einem Stücke gegossen ist, die sich um die Achse D
drehen kann; sie erhält ihre Bewegung durch das Rad F,
das durch eine Clavette mit der Scheibennabe verbunden ist. Die Scheibe hat in der
Nähe ihres Randes zwei Löcher mit schmiedeisernen Zapfen B,
B, auf welchen sich die schmiedeisernen, mit Hebeln versehenen Sperrklinken
C, C drehen. E starkes
Sperrrad, aus dessen Nabe eine Nuth ausgedreht ist, in welcher ein mit Armen
versehener und mit Messing gefütterter Bremsring m, m
liegt. Diese Arme oder Lappen sind durch zwei Schrauben n,
n, durch welche man die Reibung beliebig verstärken kann, zusammengehalten,
und nehmen in Folge der Reibung die Sperrklinken mit, die mit ihren am Ende mit
Zapfen versehenen Hebeln zwischen die beiden Bremsringhälften m, m eingreifen.
Um den Gang des Apparates zu erklären, wollen wir annehmen, daß die Hauptwelle D in Bewegung sey, das Rad F
dagegen stille stehe. Das Sperrrad E wird sich hierbei
mit der Welle D drehen, und die Hebel der Sperrklinken
C, C mitnehmen wollen, so daß diese sich so lange um
ihre Achsen drehen, bis die Ansätze p, p auf den
Sperrklinken an dem Rande der Scheibe A aufstehen. In
diesem Augenblick wird auch der Bremsring m, m stille
stehen bleiben, und dabei eine Reibung auf der Nabe des Sperrrades E hervorbringen, deren Größe mit Hülfe der Schrauben n, n so regulirt werden kann, daß sie hinreicht die
Sperrklinken zu bewegen.
Fig. 5 stellt
die Sperrklinken in diesem Zustande der Ruhe dar. Wird nun der zweite Motor in
Bewegung gesetzt, und durch denselben das Rad F
getrieben, so werden die mit der Scheibe A
zusammenhängenden Klinken so lange ausgerückt erhalten bleiben, als die Achse D eine größere Geschwindigkeit besitzt als das Rad F. Zu gleicher Zeit wird die Reibung in demselben
Verhältnisse verringert, als das Rad F schneller geht,
bis zu dem Augenblick, wo die Umdrehungsgeschwindigkeit von D und F dieselbe ist. In diesem Falle wird die
Drehung des Bremsringes um die Sperrradnabe aufhören, wobei die Sperrklinken noch
immer ausgerückt bleiben. Nimmt die Geschwindigkeit des Rades F ferner zu, so ändert sich die Lage der Klinken gegen den Bremsring,
welcher die gleichmäßige Geschwindigkeit der Hauptwelle beibehält. Die Hebel der
Sperrklinken werden von dem Bremsringe zurückgehalten, und folglich drehen sich die
Klinken um die Zapfen B, B, wodurch sie in die
Sperrzähne eingreifen. In diesem Falle sind die beiden Motoren durch den Apparat
gekuppelt, und zwar ohne Stoß; sie arbeiten alsdann regelmäßig mit einander
fort.