Titel: | Ueber ein neues in Irland angewandtes Verfahren zum Ausbeuten der Torfmoore; dem französischen Minister für Ackerbau und Handel erstatteter Bericht von Professor Payen. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. LXXXII., S. 390 |
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LXXXII.
Ueber ein neues in Irland angewandtes Verfahren
zum Ausbeuten der Torfmoore; dem französischen Minister für Ackerbau und Handel
erstatteter Bericht von Professor Payen.
Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
1502.
Payen, über ein in Irland angewandtes Verfahren zum Ausbeuten der
Torfmoore.
Herr Minister! Sie beauftragten mich die in der Umgegend von Dublin bestehende
Torfgräberei nach einem neuen Verfahren in Augenschein zu nehmen, weil dieses
Verfahren, ungeachtet der sehr großen Verschiedenheit zwischen der Lebensweise in
unseren Torfgegenden und der unglücklichen Lage eines großen Theils der irischen
Bevölkerung, vielleicht dennoch in Frankreich Anwendung finden könnte.
Die Irländer, welche seit langer Zeit gewöhnt sind ihre Nahrung fast ausschließlich
in den Kartoffeln zu finden, überdieß in vielen Gegenden im Torf ein beinahe nichts
kostendes Heizmaterial besitzen, fanden in diesen beiden Umständen die Hülfsmittel
gegen Hunger und Kälte; diese kaum ausreichenden Hülfsmittel wurden aber um so
größere Ursachen des Elends bei der drohenden Aussicht, daß es ihnen endlich auch an
ihrem dürftigen Nahrungsmittel und schlechten Brennmaterial gebrechen werde. Die
erste dieser trüben Aussichten ist schon seit mehreren Jahren in Erfüllung gegangen;
die andere müßte früher oder später das Eland dieser Bevölkerung noch vergrößern,
wenn nicht Mittel ausfindig gemacht würden, die menschliche Arbeit in jenem Lande
vortheilhafter und einträglicher zu machen.
Eines dieser Mittel besteht im Emporbringen des Leinbaues in Irland, durch
Vereinfachung der Verfahrungsweisen und Errichtung von Central-Anstalten,
worin das Rohproduct der Ernten auf neue Art und mit verbesserten Vorrichtungen
bearbeitet wird.Wir theilen den Bericht des Verf. hierüber im ersten Januarheft 1851 des
polytechn. Journals mit. A. d. Red.
Von denselben Ansichten ausgehend, hat nun eine große Compagnie (die Gesellschaft zur
Verbesserung der irischen Zustände) ein neues Mittel zur Vermehrung der Producte des
Bodens und der Arbeit in Irland geschaffen.
Der von mir sorgfältig untersuchte neue Industriezweig betrifft die Torfgewinnung aus
den bisher vernachlässigten oder schlecht ausgebeuteten Torfmooren, die Verkohlung
in neuen Oefen, den Verkauf der Torfkohle als Brennmaterial, und die Verwendung des
pulverigen Abfalls beim Formen in den Gießereien, zum Desinficiren der menschlichen
Excremente und zur Düngerbereitung.
Man zählt in Irland mehr als 3 Millionen Acres (Morgen) stechbarer Torfmoore, wovon
die meisten vernachlässigt oder schlecht ausgestochen werden; letztere liefern das
schlechte Heizmaterial, welches den übeln und ungesunden Geruch im Innern und der
Umgebung der traurigen und ärmlichen irischen Wohnungen hervorbringt.
Die vom feuchten Torf bei seiner unvollkommenen Verbrennung entweichenden Gase und
Dämpfe enthalten verschiedene theerartige Producte, brenzliche
Kohlenstoffverbindungen und ammoniakalische Stoffe von starkem, ekelhaftem Geruche;
diese an den Bewohnern der rauchigen Hütten theilweise sich verdichtenden Producte
bedecken deren Haut mit einem ungesunden Ueberzuge von fahler Farbe, der ihrer
Magerkeit ein noch krankhafteres Aussehen gibt. Dieser traurige Zustand kann
aufhören, nachdem die landwirtschaftlichen und industriellen Verbesserungen, womit
man sich gegenwärtig beschäftigt, den Arbeitslohn in Irland gehoben haben. Der
nützliche Einfluß der Torfausbeutung wird sich dann auffallender zeigen, weil er für
die Landwirthschaft und den Hauserbau den Boden verwendbar macht, welcher
gegenwärtig das einzige der Bevölkerung zugängliche Brennmaterial liefert.
Hr. Rogers, Geschäftsführer einer zu diesem Zweck
gegründeten Compagnie, war so gefällig, mich in seine Etablissements in der Gegend
von Dublin zu begleiten und mir in seinen Bureaux in London alle nur wünschbaren
Aufschlüsse zu ertheilen.
Der Haupttorfstich liegt 7 (engl.) Meilen über Salines hinaus, einer Station auf der
Great-Southern und Western-Eisenbahnlinie; diese Station ist 18 Meilen
von Dublin entfernt.
Die unter der Firma „Gesellschaft zur Verbesserung der irischen
Zustände“ gegründete Compagnie wird ihre Thätigkeit nicht auf die
Torfgruben jenes Ortes beschränken; sie hat bereits von dem Landeigenthümer Marquis
v. Smelgan 5000 Acres Torfmoore zu dem niedrigen Preise
von 2 Pence (20 Centimes) per Acre und per Jahr auf dreißig Jahre gepachtet. In andern Gegenden
steigt dieser Pachtpreis bis auf 2 Shilling 6 Pence (3 Fr. 10 Cent.).
Der Plan besteht darin, eine ziemliche Anzahl von Etablissements zu errichten, um den
Torf nach dem unten beschriebenen Verfahren zu graben und den Arbeitern oder
Pächtern, welche zu dem guten Erfolg dieser Arbeiten am meisten beigetragen haben,
das von Torfmoor befreite Land zu überlassen.
Ein besonderer Fond wurde von der Gesellschaft dazu bestimmt, den Arbeitern und
Bauern der Umgegend einen nützlichen Unterricht ertheilen zu lassen, sie
verschiedene Methoden des Anbaues, namentlich des Leins, zu lehren, sowie auch zur
Verbesserung und Gesundmachung ihrer Wohnungen.
In obiger von mir in allen ihren Einzelnheiten besichtigten Musteranstalt stehen die
Gebäude, welche die Oefen und Apparate enthalten, am Ufer eines schiffbaren Canals
auf einem 15 Meilen weit sich erstreckenden Torfmoor. Die stechbare Schicht besteht
größtentheils aus einem allmählich immer dichter werdenden Moos, mit einigen,
zwischen drei Schichten desselben gelagerten, schwammig gewordenen Bäumen; sie ist
15, 20 und 30 Fuß mächtig. Die Werkstätten liegen tiefer als das Terrain worauf der
Torf trocknet, welcher daher auf Holz- oder Eisenbahnen leicht in sie
geschafft werden kann.
Die erste seit einem halben Jahre ausgeführte Arbeit bestund im Abziehen des Wassers
aus dem Torfmoor. Dieß gelang durch einen breiten Graben, welcher in der Richtung
der Achse des auszustechenden Bodens hergestellt und noch 3–4 Fuß tief in die
aus einem mit Kies vermengten Mergel bestehende Unterlage gegraben wurde. Senkrecht
zu diesem Hauptgraben hergestellte Gräben leiten das Wasser von allen Seiten in
denselben. Das Wasser fließt in Menge ab und vereinigt sich zu einem unter dem Canal
durchgehenden Bach.
Die Wasserabzüge machen den Torf viel compacter und ertheilen ihm eine feste
Konsistenz, so daß er leicht auszustechen ist.
Man macht Torfstufen von großer Länge, welche auf beiden Seiten des Hauptgrabens und
parallel mit dessen Richtung eingeschnitten werden. Die Abräumung geht mittelst
einer zweckmäßigen Arbeitstheilung und geeigneter Werkzeuge (Anstechschaufeln,
Abstechschaufeln, Hürden zum Ausbreiten etc.) leicht und schnell von statten.
Der ausgestochene, etwa einen Monat an der Luft getrocknete und in die Werkstätten
geschaffte Torf kömmt auf 2 Shilling per Tonne (von 1000
Kilogr.) zu stehen. Wenn die so gewonnene Torfmenge nicht hinreicht, um die zur
Verkohlung bestimmten Oefen zu speisen, so kauft man von den Bauern der Umgegend den
von ihnen gegrabenen und nach den alten Verfahrungsweisen getrockneten Torf; man
bezahlt ihn, in die Werkstätten geliefert, mit 3 Shill. 6 Pence per Tonne.
Die Verkohlung beginnt mit schwachem Luftzutritt, welcher die Gase verbrennt; man
beschickt zwei- bis dreimal nach einander, um die entstandenen leeren Räume
auszufüllen, und beendigt die Verkohlung in geschlossenem
Apparat; sie dauert im Ganzen 5 Stunden, wovon 3 zum Verkohlen und 2 zum
Erkalten erforderlich sind, so daß die zur Beschickung nothwendige Zeit inbegriffen,
in 24 Stunden vier Brände vorgenommen werden können.
Zur Beschickung jedes beweglichen Cylinders von Eisenblech sind 6 bis 700 Pfd. Torf
erforderlich, und man erhält 23 bis 25 Proc. oder 138 bis 181 Pfd. Kohlen vom
Brande, im Durchschnitt also in 24 Stunden ungefähr 600 Pfd.; die in drei
Werkstätten enthaltenen 12 Ofenreihen können folglich in 24 Stunden 12 × 600
= 7200 Pfd. Kohle liefern.
Die drei Werkstätten und das Torfstechen beschäftigen gegenwärtig 500 Männer, Frauen
und Kinder; in voller Thätigkeit werden sie später 1500 Personen Arbeit geben.
Der Arbeitslohn ist sehr gering; in den Werkstätten der neuen Torfstiche schätzen
sich die Leute glücklich, wenn der Mann 10 Pence (1 Frank), die Frau 6 Pence (60
Centim.) und das Kind 3 Pence (30 Cent.) per Tag
verdient; wenn die Leute fleißig sind und geschickt arbeiten, können sie etwa ein
Fünftel mehr, also respect. 1 Fr. 20 Cent., 72 Cent. und 36 Cent. verdienen.
Das auf angegebene Weise verkohlte Product bildet Stücke, die man als Brennmaterial
verkauft. Diese weder Rauch noch schweflige Säure gebende Kohle ist zum Dörren des
Malzes, zum Kochen und zur Zimmerheizung sehr geeignet.
Je nachdem der angewandte Torf mehr oder weniger leicht war, bleibt eine mehr oder
weniger große Menge dieser Kohle als Kohlenklein und Pulver zurück, wodurch ein
bedeutender Abgang entstünde, wenn sie nicht ebenfalls zu verwenden wären. Man
trennt sie mittelst Beutelmaschinen (mit Bürsten), welche durch eine Dampfmaschine
in Bewegung gesetzt werden, von einander; der eine Theil geht als feines Pulver
durch das Drahttuch der Beutelvorrichtung; dieses Pulver wird verkauft, um in den
Eisengießereien zum Formen zu dienen; der minder feine Theil fällt von der
Beutelvorrichtung herab, ohne durch das Drahttuch gegangen zu seyn; er besteht aus
Körnern und kleinen Stückchen, und wird zum Desinficiren der Excremente angewandt,
mit denen er ein als Dünger verkäufliches Gemenge bildet.
Bei drei Werkstätten wurde, um die desinficirende Kraft dieser Kohle durch ein
Beispiel zu zeigen, eine sehr einfache Art von Abtritten hergestellt: es sind vorn
offene Hütten, welche mit Torfstücken umgeben und bedeckt sind; ein längs jeder
Seite geführter Graben enthält pulverige Kohle und nimmt täglich die Ausleerungen
der Arbeiter auf; von Zeit zu Zeit wird die Oberfläche mit frischer Kohle bestreut;
die Absorption der Flüssigkeit und Desinfection der festen Stoffe erfolgen
augenblicklich, kein Zeichen von Fäulniß ist wahrzunehmen und selbst in den Hütten
nichts zu riechen.
Eine so einfache Anordnung zeigt, wie leicht man die übelriechendsten Abtritte der
größten Fabriken gesund machen könnte, ohne daß man kostspielige Baue herzustellen,
umständliche Räumungen vorzunehmen hätte, oder für den Feldbau nützliche Stoffe
verloren gingen. Man kann im Allgemeinen sagen, daß dieses System nichts kostet,
weil der Werth des Düngers alle Kosten ersetzt. Das Desinficiren mittelst Torfkohle
wurde auch in England mit gutem Erfolg in Spitälern und Gefängnissen versucht.
Eine directe Anwendung des Torfs wird seit einem Jahr gemacht und scheint sich zu
verbreiten; es ist dieß die Verfertigung wohlfeiler Röhren behufs Trockenlegung der
Aecker. Der compacte Torf wird durch Stampfen in den geeigneten Zustand versetzt und
dann gerade so wie der Thon in den bekannten Maschinen zu Röhren (jedoch von der
doppelten Dicke) gepreßt. Wenn diese Torfröhren stark ausgetrocknet sind, so fallen
sie nicht mehr auseinander und ändern durch einen hindurchlaufenden Wasserstrom ihre
Gestalt nicht; Proben, welche ein Jahr lang mit kaltem Wasser und einige Stunden
lang mit siedendem Wasser angestellt wurden, lassen hoffen, daß diese Röhren unter
gewöhnlichen Umständen als Wasserabzüge sehr lange dauern.
Man sieht, daß die Hauptanwendungen der Producte der neuen Torfindustrie, und
namentlich die Verwendung der Kohle in ihren dreierlei Gestalten, dem beabsichtigten
Zweck großen Vorschub zu leisten vermögen. Doch darf man sich nicht verhehlen, daß
neue Anwendungen, so gut sie auch seyn mögen, fast immer nur sehr langsam in der
Praxis Eingang finden. Als hierher gehörende Beispiele kann ich in Bezug auf
Frankreich anführen: die Anwendung der Knochenkohle und der von trockener Erde
absorbirten thierischen Excremente in der Landwirthschaft; die Desinfection durch
mit Kohle vermengten Thon und andere Erden, welche beide trotz der Anrühmung von
Seite der Gelehrten und Praktiker noch immer mit dem Vorurtheil und andern
Hindernissen zu kämpfen haben.
Die Anwendung der Torfkohle in Stücken wird sich allerdings leicht verbreiten; es ist
dieß ein schon bekanntes Brennmaterial, dessen besondere Eigenschaften jeder, der es
mit andern vergleicht, zu würdigen im Stande ist. Leider ist dasselbe, selbst nach
Absonderung des Kohlenkleins, sehr schwer weit von seinem Productionsorte
wegzutransportiren, ohne daß die zerreiblichsten Theile zerbrechen, wodurch ein
bedeutender Abgang entsteht, der neue Kosten verursacht, um Gebröckel und Pulver
abzusondern.
Dieß sind die einzigen Einwendungen, welche mir von Bedeutung scheinen. Mit der Zeit
könnten sie sich dadurch heben, daß man diese Torfabfälle allgemein zum Desinficiren
einführte, was ihnen einen mit den großen Stücken gleichen oder noch höhern Werth
gäbe; bis dahin aber könnte der neue Industriezweig auch wieder untergehen.
Glücklicherweise gestattet uns jetzt eine von einem Franzosen gemachte Erfindung, den
Torfstaub in eine geformte Kohle zu verwandeln, welche dichter und reicher an
Kohlenstoff, den Transport besser aushält, als der verkohlte Torf, und mit der
besten Holzkohle den Vergleich besteht.