Titel: | Ueber eine merkwürdige Eigenschaft des Dampfes und ihre Beziehung zur Theorie der Dampfmaschine; von Hrn. William Thomson. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. LXXXIII., S. 401 |
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LXXXIII.
Ueber eine merkwürdige Eigenschaft des Dampfes
und ihre Beziehung zur Theorie der Dampfmaschine; von Hrn. William Thomson.
Aus dem Philosophical Magazine, Novbr. 1850, S.
386.
Ein Brief an Hrn. Joule.
Thomson, über eine merkwürdige Eigenschaft des Dampfs und ihre
Beziehung zur Theorie der Dampfmaschine.
In Hrn. Rankine's Aufsatz über die mechanische Wirkung der
Wärme (Transactions of the Royal Society of Edinburgh, Vol.
XX. part. I.) wird das folgende merkwürdige Resultat ausgesprochen:
„Wenn man gesättigten Wasserdampf sich ausdehnen läßt und zugleich in
der Temperatur der Sättigung erhält, so ist die Wärme, welche bei der Ausdehnung
verschwindet, größer als die, welche beim Sinken der Temperatur frei wird, und
der Wärmeverlust muß von außen ersetzt werden, sonst würde
ein Theil des Dampfs liqueficirt werden, um die zur Ausdehnung des Restes
erforderliche Wärme zu liefern. Dieser Schluß glaube ich kann nur durch
Ihre Entdeckung, daß bei Reibung bewegter Flüssigkeiten Wärme entwickelt wird,
mit den bekannten Thatsachen vereinbart werden. Denn bekanntlich kann man die
Hand ohne Gefahr in einen aus der Sicherheitsklappe eines Hochdruckkessels
hervorkommenden Dampfstrom stecken, und ebenso bekannt ist, daß das
„Watt'sche Gesetz“ die Abnahme der latenten Wärme des gesättigten
Dampfs mit steigender Temperatur nicht strenge ausdrückt, vielmehr hat Regnault gezeigt, daß die Gesammtwärme des
gesättigten Dampfs langsam und annähernd gleichförmig mit der Temperatur
abnimmt. Diese beiden Thatsachen sind mit einander verträglich und verknüpft;
denn nach der letzteren muß der Dampf, der zum Hochdruckkessel austritt, dicht
bei und außerhalb der Mündung, wo natürlich sein Druck schwerlich den der
Atmosphäre übertreffen kann, auf einer Temperatur merklich über 80° R.
befindlich und folglich übersättigt seyn, und wohl bekannt ist, daß die Hand nicht leidet,
wenn man sie einem heißen Strom von trockenem Gase aussetzt, selbst wenn dessen
Temperatur bedeutend 80° R. übersteigt. Allein nach Hrn. Rankine's Satz würde der Dampf, den man von der
Sättigung ab sich ausdehnen läßt, wenn ihm keine Wärme
zugeführt wird, gesättigt bleiben, bis auf eine kleine Portion, die
flüssig wird. Entweder ist Hrn. Rankine's Folgerung
im Widerspruch mit den Thatsachen, oder der Dampf muß beim
Austritt aus dem Kessel etwas Wärme aufnehmen. Die vorgebliche
Erklärung einer entsprechenden Erscheinung beim Ueberströmen von Luft aus einem
Gefäß in ein anderes, nach Gay-Lussac's
Versuch, worauf Sie hinweisen, ist hier sicher nicht anwendbar, weil der Dampf,
statt Wärme von außen aufzunehmen, beim Durchgang durch den Hahn oder die Röhre
mittelst Strahlung und Leitung ein wenig verlieren muß. Es ist kein anderer Weg,
auf welchem der Dampf Wärme erlangen kann, als durch Reibung beim Ausströmen
durch die Mündung. Mithin glaube ich sagen zu dürfen, daß Ihre Entdeckung allein
Hrn. Rankine's Entdeckung mit den Thatsachen
vereinbaren kann.
In Verbindung mit diesem Gegenstand ist zu bemerken, daß wenn Ihr fundamentaler Sah
von der Umwandelbarkeit der Wärme in mechanischen Effect, den auch Hr. Rankine annimmt, richtig ist, eine Wassermenge, die vom
Frostpunkt aus auf eine höhere Temperatur gebracht, und bei dieser Temperatur in
gesättigten Dampf verwandelt wird, den man nun durch eine kleine Oeffnung der
Ausdehnung überläßt, so daß er all sein „Werk“ in Reibung
verwendet, dieser Dampf im ausgedehnten Zustand die
„Gesammtwärme“ besitzen muß, welche ihm gegeben worden war;
läßt man ihn dagegen so ausdehnen, daß er einen Stempel gegen eine widerstehende
Kraft fortschiebt, so wird er im ausgedehnten Zustand um den entsprechenden Betrag
des entwickelten mechanischen Effects weniger als die gesammte Wärme enthalten. Ist
der oben erwähnte Satz des Hrn. Rankine richtig, so muß
dieser Betrag größer seyn als der von Regnault gemessene
Betrag der Abweichung vom Watt'schen Gesetz; und er muß
folglich ein sehr bedeutender Antheil der gesammten Wärme seyn, statt daß, glaube
ich, alle Experimentatoren, ausgenommen Sie, ihn bisher für unwahrnehmbar gehalten
haben.
In dem Paragraph, der auf den eben erwähnten folgt, bemerkt Hr. Rankine
„es gibt bis jetzt noch keinen experimentellen Beweis von dem vorstehenden
Satz. Freilich hat man bei nicht-condensirenden Dampfmaschinen gefunden,
daß der entweichende Dampf sich immer auf der dem Druck entsprechenden Sättigungstemperatur
befindet und eine Portion Wasser im flüssigen Zustand mit sich führt, allein es
ist unmöglich das durch Verdichtung des Dampfs entstandene Wasser von dem
mechanisch aus dem Dampfkessel übergeführten zu unterscheiden.“ Die
Umstände, unter welchen der Dampf durch die verschiedenen Theile einer
nicht-condensirenden Maschine geht, sind sicher sehr complicirt. Selbst da,
wo kein Wasser „mechanisch aus dem Kessel übergeführt wird“,
können wir aus der Thatsache, daß der Dampf feucht und bei 80° R. aus der
großen Dampfröhre hervortritt, nicht auf die Richtigkeit des Rankine'schen Satzes schließen, weil dieß aus dem äußern Wärmeverlust des
Cylinders, der Röhren u.s.w. erklärt werden könnte, und ebenso können wir, wenn man
den Dampf in irgend einem Falle trocken und bei einer Temperatur über 80° R.
aus der Dampfröhre hervorströmen steht, nicht auf die Unrichtigkeit des Rankine'schen Satzes folgern, es sey denn, man wüßte, das
Expansionsprincip wäre bei dem Spiel der Maschine bis zum Aeußersten getrieben.
Sicher ist jedoch, daß wenn Hrn. Rankine's Satz richtig
ist, der Dampf, nachdem er durch eine Hochdruckmaschine gegangen, in welcher das
Expansionsprincip bis aufs Aeußerste getrieben ist, aus der großen Dampfröhre mit
der Temperatur 80° R. und feucht (und also die Hand verbrühend) austreten
wird, es mag in den verschiedenen Theilen der Maschine ein Wärmeverlust nach außen
stattfinden oder nicht; und betrachtet man Regnault's
Abänderung des Watt'schen Gesetzes als festgestellt, so
ist gewiß, daß der Dampf, welcher aus einem Hochdruckkessel unmittelbar in offene
Luft ausströmt, wärmer als 80° R. und trocken ist.
Die Demonstration, welche Hr. Rankine gibt, beruht zum
Theil auf gewissen Hypothesen in Betreff der specifischen Wärmen der Gase und
Dämpfe. Allein außer diesem Satz folgert er aus derselben Untersuchung noch einen
andern, welcher durch Regnault's Modification des Watt'schen Gesetzes experimentell bestätigt wird; und,
wie leicht zu ersehen, läßt sich folglich, wenn wir uns begnügen Regnault's Resultat als ein experimentelles Factum zu
betrachten, und wir Ihr mechanisches Aequivalent für eine Wärmeeinheit annehmen
(oder Rankine's Werth, welcher etwa 7/8 des Ihrigen ist),
Hrn. Rankine's merkwürdiges Theorem beweisen ohne andere
Hypothese als die der Umwandelbarkeit von Wärme in mechanischen Effect.
In einem Aussah in Poggendorff's Annalen (April und Mai
1850) zieht Hr. Clausius einen ähnlichen Schluß wie den
eben angeführten des Hrn. Rankine (dessen Aufsatz am 4.
Februar in der k.
Gesellschaft zu Edinburgh gelesen ward). Ich war noch nicht im Stande, mich
vollständig mit dem Aufsatz bekannt zu machen; allein aus den zu Anfange
auseinandergesetzten Principien und Methoden, welche von denen Carnot's nur in der Annahme Ihres Axioms statt des Carnot'schen abweichen, zweifle ich nicht, daß der Beweis des in Rede
stehenden Satzes wesentlich derselbe ist als der von Hrn. Rankine, modificirt in der Weise wie ich es angedeutet habe.