Titel: | Anwendung der Kohlenstickstoffsäure (Welter's Bitter) zum Färben der Seide. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XCIII., S. 425 |
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XCIII.
Anwendung der Kohlenstickstoffsäure (Welter's Bitter) zum Färben
der Seide.
Aus dem Précis de Chimie industrielle, par
A. Payen, Paris
1851.
Anwendung der Kohlenstickstoffsäure zum Färben der
Seide.
Die Kohlenstickstoffsäure (Pikrinsäure, Pikrinsalpetersäure, Welter's Bitter) entsteht aus dem Indigblau, Seide, Wolle,
Steinkohlentheeröl und andern Stoffen durch Behandlung mit starker Salpetersäure.
Aus Wasser krystallisirt, stellt sie hellgelbe Blätter dar. Die Krystalle lösen sich
schwierig in kaltem Wasser, leichter in heißem, mit gelber Farbe; sie lösen sich in
Alkohol und Aether. Diese Auflösungen besitzen einen sehr bittern, sauren Geschmack.
– Die Salze der Kohlenstickstoffsäure sind gelb gefärbt und verpuffen beim
Erhitzen.
Bereitung der Kohlenstickstoffsäure.
Folgendes Verfahren wendet Hr. Quinon an, um diese
Substanz wohlfeil zu bereiten: In eine Schale vom dreifachen Rauminhalt der
anzuwendenden Substanzen, gießt man drei Theile SalpetersäureSalpersäure von 36° Baumé, deren Temperatur man (mittelst eines
Dampf- oder Wasserbades) auf 48° Reaumur erhöht; man entfernt dann die
Schale von der Wärmequelle und gießt mittelst einer ausgezogenen Glasröhre, welche
bis auf den Boden taucht, nach und nach schweres Steinkohlenöl hinein (dasselbe
erhält man durch Destillation zwischen 128 und 152° R.); bei jedem Zusatz von
Oel erfolgt eine lebhafte Einwirkung, die Masse erhitzt sich, und entbindet mit
Aufbrausen Kohlensäure und Salpetergas: wenn die Mischung zu sehr steigt, setzt man
kalte Säure zu, welche die Wirkung mäßigt.
Um die Verwandlung zu vervollständigen, nachdem alles Oel zugesetzt ist, gießt man
drei neue Theile Salpetersäure zu, erhitzt zum Kochen und dampft zur Syrupconsistenz
ab, aber ohne auszutrocknen, denn das Product würde sich entzünden.
Die Flüssigkeit gesteht beim Erkalten zu einer teigigen Masse, welche man mit kaltem
Wasser auswascht, um den Säureüberschuß zu beseitigen; man löst in kochendem Wasser
auf und versetzt die Auflösung mit sehr verdünnter Schwefelsäure (1 Th. Säure auf
1000 Th. Wasser), um die harzartige Substanz abzuscheiden.
Anwendung der Kohlenstickstoffsäure zum Färben der
Seide.
Mit dieser Auflösung kann man direct färben; man verdünnt sie mit so viel Wasser, daß
man die gewünschte Nuance erhält; man färbt die Seide damit bei 24 oder 32°
Reaumur, ohne ein Beizmittel anzuwenden, und bringt sie dann in die Trockenstube
ohne sie vorher auszuwaschen; die erhaltene Farbe ist sehr schön und solid bei
Hellem und mittlerem Citronengelb, und vom schwachen Strohgelb bis zum Schwefelgelb
mit Zusatz von Orlean; dieses sind die gesuchtesten Farben.
Jede gekochte (degummirte) und weich gemachte Seife erhält durch das Färben in
Kohlenstickstoffsäure das knackende Gefühl. Dieses Färben kommt nicht hoch zu stehen, da 1
Gramm krystallisirte Kohlenstickstoffsäure hinreicht um 1 Kilogr. Seide strohgelb in
mittlerer Nuance zu färben. Diese Säure kann auch die Wolle färben, wie sie die Haut
färbt, sie befestigt sich aber nicht auf den vegetabilischen Fasern.