Titel: | Ueber die Eigenschaften der salpetrigen Säure und über die Anwendbarkeit einer Auflösung von Untersalpetersäure in Schwefelsäure als Oxydations- und Bleichmittel; von Hrn. Guinon in Lyon. |
Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LXXXIII., S. 416 |
Download: | XML |
LXXXIII.
Ueber die Eigenschaften der salpetrigen Säure und
über die Anwendbarkeit einer Auflösung von Untersalpetersäure in Schwefelsäure als
Oxydations- und Bleichmittel; von Hrn. Guinon in
Lyon.
Aus den Comptes rendus, Febr. 1851, Nr.
7.
Guinon, über die Eigenschasten der salpetrigen Säure
etc.
Als ich einmal Seide mittelst ammoniakalischer Cochenille rosenroth zu färben
versuchte, begegnete es mir, daß sich die Auflösung von Cochenille in Aetzammoniak
plötzlich entfärbte, wovon ich den Grund darin entdeckte, daß die angewandte
Schwefelsäure noch Untersalpetersäure enthielt; wäre die Schwefelsäure rein gewesen,
so hätte sie selbst während mehrtägiger Berührung die ammoniakalische Cochenille
sicher nicht verändert, wovon ich mich durch öftere Versuche überzeugt habe. Selbst
eine Beimischung von Salpetersäure hätte die Farbe dieser Cochenillelösung bloß in
Orangeroth umgeändert, ohne sie zu zerstören; ich konnte daher die beobachtete
Reaction nur der Untersalpetersäure zuschreiben, welche bisweilen in der käuflichen
Schwefelsäure enthalten ist, worüber ich synthetische Versuche anstellen mußte.
Ich ließ direct Salpetergas (Untersalpetersäure) von reiner Schwefelsäure absorbiren
und erhielt so ein Reagens, welches die Cochenillelösung augenblicklich entfärbte,
gerade so wie ich es früher zufällig beobachtet hatte. Es ist klar, daß die erwähnte
Mischung bei dieser Reaction durch die sich bildende salpetrige Säure wirkt; die
geringe Beständigkeit letzterer Säure, ihre Neigung fast eben so leicht Sauerstoff
abzugeben wie das oxydirte Wasser, machen sie höchst geeignet die organischen
Substanzen zu verändern und zu verbrennen.
Ich stellte nun Versuche über die Einwirkung der Schwefelsäure, Salpetersäure, und
einer Auflösung von Untersalpetersäure in Schwefelsäure, auf verschiedene Salze und
Farbstoffe an, wobei ich folgende Resultate erhielt:
Verdünnte Auflösungen von Farbstoffen und von Salzen.
Schwefelsäure.
Salpetersäure.
Auflösung von Untersalpertersäure in Schwefelsäure.
Ammoniakalische Cochenille Saflor
Ohne Wirkung.
Ohne Wrikung.
Entfärbung.
Rothholz, mit Zinnchlorid geschärft
—
—
—
Campecheholz, mit Zinnchlorid geschärft
—
—
—
Indigo
—
—
—
Cureuma
—
—
—
Orlean
—
—
—
Eisenvitriol
—
—
Bildung von schwefelsaurem Eisenoxyd, Absorption von Stickoxyd welches
braun färbt.
Zinnchlorür
—
—
Bildung von Zinnchlorid.
Gelbes Blutlaugensalz
—
—
Bildung von rothem Cyaneisenkalium, augenblickliche Entbindung von
Stickoxyd.
Eisencyanür
—
—
Viel bunklere Färbung.
Doppelt-chromsaures Kali
—
—
Grünliche Färbung, Bildung v. schwefelsaurem Kali u. salpetersaurem
Chromoxyd.
Bei diesen Versuchen fand ich, daß die Auflösung von Untersalpetersäure in
Schwefelsäure sehr stark mit Wasser verdünnt werden kann, ohne ihre Eigenschaften zu
verlieren. Eine hinreichende Menge Wasser ist sogar nöthig, um die Entstehung von
Stickoxyd zu vermeiden, indem man nur dadurch die Flüssigkeit beim Vermischen der
beiden Säuren auf einer niedrigen Temperatur zu erhalten vermag.
Die Mischung von Untersalpetersäure mit Schwefelsäure besitzt in hohem Grade die
Eigenschaft zu bleichen, und zwar durch die sich bildende
salpetrige Säure, welche sie so zu sagen im latenten Zustande enthält. Sie bietet in
einem kleinen Volum eines der wirksamsten Entfärbungsmittel dar. Ich fand, daß sie
die Seide fast augenblicklich bleicht, schon in der Kälte
und als sehr verdünnte Auflösung, welche letztere man um so vortheilhafter zu diesem
Zweck anwenden kann, weil sich die salpetrige Säure nach und nach beim Zutritt der
Luft wieder erzeugt.
Man kann sich die Doppelsäure sehr wohlfeil verschaffen, indem man das Salpetergas,
welches sich beim Auflösen verschiedener Metalle (Kupfer, Zinn, Quecksilber etc.) in
Salpetersäure entbindet, in concentrirte Schwefelsäure leitet.
Diese Doppelsäure läßt sich aber nicht nur als Bleichmittel, sondern auch als
Oxydationsmittel verschiedener Metalle, besonders des Eisens, benützen. Ein so
energischer Körper wird wohl auch als Aetzmittel beim Zeugdruck verwendet werden
können.
Die Auflösung der Cochenille in Aetzammoniak ist ein sehr empfindliches Reagens auf
salpetrige Säure; sie wird durch eine Flüssigkeit, welche 1/2000 salpetrige Säure
enthält, augenblicklich entfärbt.