Titel: Verfahrungsarten um den Flachs so vorzubereiteu, daß er auf den Spinnmaschinen für Baumwolle und Wolle für sich allein oder in Verbindung mit anderen Faserstoffen versponnen werden kann, nebst Verbesserungen im Bleichen; von Hrn. Claussen.
Fundstelle: Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XCII., S. 445
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XCII. Verfahrungsarten um den Flachs so vorzubereiteu, daß er auf den Spinnmaschinen für Baumwolle und Wolle für sich allein oder in Verbindung mit anderen Faserstoffen versponnen werden kann, nebst Verbesserungen im Bleichen; von Hrn. Claussen. Nach dem Mechanics' Magazine, Febr. 1851, Nr. 1437 bearbeitet. Chlorbleiche für Baumwollenstücke. Claussen's Verfahrungsarten um den Flachs zum Spinnen und Filzen vorzubereiten. Bei dem gewöhnlichen Bleichverfahren taucht man die Baumwollenstücke zuerst in eine Auflösung von Chlorkalk, und weicht sie dann in einem Wasserbad ein, welches mit Schwefelsäure versetzt ist. Bei dieser Methode wird das Chlor frei gemacht, entweder als solches, oder in Verbindung mit Sauerstoff als unterchlorige Säure, oder in Verbindung mit dem Wasserstoff des Wassers (als Chlorwasserstoffsäure), und geht so entweder verloren, indem es entweicht, oder wird nachtheilig für das Gewebe, indem es zu lang mit demselben in Berührung bleibt. Ich wende folgende Methode an, wobei ein großer Theil des Chlors oder der unterchlorigen Säure in gebundenem Zustande in dem Gewebe zurückgehalten und so wiederholt wirksam gemacht wird. Die aus dem Chlorkalkbad kommenden Stücke werden in einer starken Auflösung von schwefelsaurer Bittererde (Bittersalz) eingeweicht, wobei einerseits schwefelsaurer Kalk entsteht und andererseits unterchlorigsaure Bittererde, welche gerade so bleichend wirkt, wie der zuerst angewandte Chlorkalk. Die mit unterchlorigsaurer Bittererde imprägnirten Stücke können, nachdem die Einwirkung dieses Salzes beendigt ist, noch in eine Auflösung von kohlensaurem Natron eingeweicht werden, wobei einerseits kohlensaure Bittererde und andererseits bleichendes unterchlorigsaures Natron entsteht. Einfluß der Chlorbleiche auf den Flachs. Beim Bleichen von Flachs zur Fabrication von Leinwand sollte man keine chemischen Agentien anwenden, welche während ihrer Zersetzung gasförmige Stoffe, z. B. Kohlensäure oder Chlor, entbinden können, weil durch deren Entbindung und Ausdehnung in der röhrenförmigen Flachsfaser letztere zum Verspinnen auf den gewöhnlichen Flachsspinnmaschinen untauglicher wird. Wenn man aber den Flachs nach meiner Erfindung mit Wolle oder Baumwolle behufs des Verspinnens oder Verfilzens verbindet, so können zum Bleichen die Salze welche Gasarten entbinden, mit aller Sicherheit angewandt werden. Bleichverfahren für Zeuge welche aus Wolle in Verbindung mit Flachs oder Baumwolle bestehen. Nachdem die Stücke in die gewöhnliche Chlorkalk-Auflösung eingeweicht worden sind, hänge ich sie noch naß in einer Kammer auf, worin sie den Dämpfen von brennendem Schwefel ausgesetzt werden. In diesem Falle wirken zwei kräftige Bleichmittel zusammen, nämlich einerseits die durch Verbrennen des Schwefels entstandene schweflige Säure, und andererseits die unterchlorige Säure, welche aus dem Chlorkalk durch die schweflige Säure frei gemacht wird, die sich dabei (wenigstens theilweise) in Schwefelsäure umwandelt. Verfahren die nicht gerösteten Leinstengel für die Brech- und Schwingmaschinen behufs des gewöhnlichen Verspinnens vorzubereiten. Die zur Absonderung der Samenkapseln geriffelten, übrigens noch ganz rohen Leinstengel weiche ich zuerst in eine caustische Sodalauge von beiläufig 1° an Baumé's Aräometer (1005 spec. Gewicht) ein; wird die Lauge in kochendem Zustande angewandt, so ist eine sechsstündige Behandlung ausreichend; unterhält man aber die ätzende Lauge nur auf einer Temperatur von beiläufig 52° Reaumur, so muß der Flachs darin zwölf Stunden verweilen. Der Zweck dieser Behandlung ist erstens, die klebrigen, gummigen etc. Substanzen, welche die Faser mit den holzigen Theilen der Pflanze verbinden, zu zersetzen oder aufzulösen; und zweitens, alle in den Leinstengeln enthaltenen öligen, färbenden oder extractiven Stoffe auszuziehen. Die aus der Lauge genommenen Leinstengel weiche ich beiläufig zwei Stunden lang in Wasser ein, welches mit Schwefelsäure versetzt ist (1 Theil Säure auf 200 bis 500 Theile Wasser). Man kann aber auch die von der Lauge noch benetzten Stengel in einer Kammer den Dämpfen brennenden Schwefels aussetzen. In beiden Fällen verbindet sich die Säure mit dem auf der Faser zurückgebliebenen Alkali, während der Ueberschuß von Schwefelsäure oder schwefliger Säure die Abscheidung oder Zersetzung der klebrigen, färbenden etc. Substanzen vervollständigt. Die aus dem sauren Bad oder der Schwefelkammer genommenen Stengel wasche ich nun mit Wasser, bis alle auflöslichen Substanzen entfernt sind. Der Flachs (oder Hanf) wird dann getrocknet, um das Brechen und Schwingen auf gewöhnliche Art damit vornehmen zu können. Um bei dem beschriebenen Reinigungsverfahren die Einwirkung der chemischen Agentien zu erleichtern, kann man ein theilweises Brechen der Leinstengel zwischen Walzen vorangehen lassen. Nach diesem Verfahren läßt sich der rohe Flachs in einem einzigen Tage für das Schwingen vorbereiten, und es werden ihm Substanzen entzogen, welche die bloße Wasserröste nicht zu beseitigen vermag; er läßt sich dann auch leichter schwingen und hecheln, als der nach der gewöhnlichen Methode vorbereitete Flachs; überdieß wird an Zeit erspart und der Abgang ist geringer. Verfahren kurzfaserigen Flachs darzustellen, welcher gefilzt oder gekratzt und auf den Baumwollspinnmaschinen etc. versponnen werden kann. Wenn man die Flachsfaser kurz verlangt, so daß sie gefilzt oder gekratzt werden kann, und sich zum Spinnen auf den jetzt gebräuchlichen Spinnmaschinen für Baumwolle, Seide, Streichwolle, Kammwolle oder Werg eignet (sey es, daß man sie für sich allein oder in Verbindung mit Baumwolle, Wolle, Haar etc. verspinnen will), so verwendet man die nach dem beschriebenen Verfahren vorbereitete Faser, und zerschneidet sie mittelst einer Maschinerie in Theile von geeigneter Länge. Dann bringt man den Flachs in ein Bad, welches in einer starken Auflösung von doppelt-kohlensaurem Natron (Natron-Bicarbonat) besteht; in diesem Bad läßt man ihn drei bis vier Stunden liegen, damit sich die Faser mit dem Natronsalz gut sättigt. Den mit dieser Auflösung getränkten Flachs weicht man dann ein paar Stunden in ein schwefelsaures Bad (1 Theil Schwefelsäure auf 200 Theile Wasser) ein. Anstatt dessen kann man aber auch den gesättigten Flachs noch naß in einer Kammer den Dämpfen brennenden Schwefels aussetzen. Bei dieser Behandlung mit Schwefelsäure oder schwefliger Säure entbindet sich in dem röhrenförmigen Flachsfaserstoff kohlensaures Gas, welches ihn durch seine Ausdehnung spaltet und in Fasern zertheilt, die den Charakter und das Ansehen feiner Baumwolle haben; sie können auch wie Baumwolle oder Wolle gefärbt oder versponnen werden. Nachdem die Flachsfaser diesem Spaltproceß unterzogen worden ist, muß sie zur Entfernung aller auflöslichen Substanzen sorgfältig gewaschen werden, worauf man sie trocknet. Garne aus dem präparirten Flachs in Verbindung mit Baumwolle, Wolle, etc. Die auf angegebene Weise zubereitete kurze Flachsfaser kann man in verschiedenen Verhältnissen mit Baumwolle (auf Baumwollspinnmaschinen) zu Garn verspinnen, welches viel stärker, überdieß weißer und glätter als reines Baumwollgarn ist. Ferner kann man solche Flachsfaser mit Wolle (auf Wollspinnmaschinen) zu Garn verspinnen, namentlich mit Abfällen von Wolle, welche zu kurz ist um für sich allein gesponnen werden zu können. Deßgleichen kann man mit solcher Flachsfaser und Seidenabfällen gemischtes Garn erzeugen. Flachsfilz. Aus der präparirten kurzen Flachsfaser für sich allein, oder in Verbindung mit Wolle und anderen filzbaren Materialien, kann man Filze (für Hüte) darstellen, welche sich durch Feinheit, Weichheit und Dauerhaftigkeit auszeichnen.Hr. Claussen hielt in einer Versammlung der k. Ackerbaugesellschaft zu London einen Vortrag über die Vortheile seiner patentirten Erfindung und deren Wichtigkeit für die brittische Industrie und Landwirthschaft; dabei zeigte er Proben seiner Producte in den verschiedenen Stadien der Behandlung des Flachses vor, und namentlich auch Muster: 1) von reiner Flachsfaser (von ihm brittische Baumwolle genannt), zum Spinnen auf der Baumwollmaschine geeignet; 2) von Garn, auf der Baumwollmaschine gesponnen, sowohl aus reiner Flachsfaser, als in verschiedenem Verhältniß mit amerikanischer Baumwolle gemischter (letztere nennt er Flachsbaumwolle); 3) von Garn aus Wolle und Flachs in verschiedenen Verhältnissen (sogenannte Flachswolle), auf der gewöhnlichen Wollspinnmaschine gesponnen; 4) von gefärbtem feinem Tuch, mit Garn gewoben, welches aus Flachs und feiner Wolle bestand; 5) von Garn aus Flachs und Baumwolle, in verschiedenen Farben gefärbt; 6) von gefärbtem Tuch, welches aus flachsbaumwollenem Garn und Wollengarn gewoben war. — Als Beweis, daß die präparirte kurze Flachsfaser in hohem Grade die Eigenschaft befitzt sich zu verfilzen, legte er einen Zeug aus solchem Flachsgarn vor, welcher auf 54 Zoll Breite gewoben worden war, und durch das Walken auf 28 Zoll Breite einlief.