Titel: | Ueber das Bleichen der baumwollenen und leinenen Zeuge; von F. Crace Calvert, Professor der Chemie zu Manchester. |
Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XVII., S. 66 |
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XVII.
Ueber das Bleichen der baumwollenen und leinenen
Zeuge; von F. Crace
Calvert, Professor der Chemie zu
Manchester.
Aus dem London Journal of arts, Febr. 1851, S.
137.
Clavert, über das Bleichen der baumwollenen und leinenen
Zeuge.
Der Baumwollbleicher braucht sich nicht um den Ursprung der Baumwolle zu bekümmern,
welchen der Kattundrucker kennen muß, weil die brasilische (Pernambuco) Baumwolle
die Farben viel besser annimmt, als die nordamerikanische (Georgia); die
Beschaffenheit der zu bleichenden Baumwollenzeuge, und der Zweck wozu sie bestimmt
sind, hat hingegen einen wesentlichen Einfluß auf die Natur der Operationen und die
Stärke der anzuwendenden Auflösungen. Wenn z. B. die Baumwollstücke zum Drucken
bestimmt sind, und sie werden beim Bleichen nicht vollkommen von allen harzigen
Stoffen befreit, so färben die nicht mit Mordant bedruckten Stellen in der
Krappflotte ein.
Die Baumwollenzeuge müssen (was bei der Leinwand nicht der Fall ist) vor dem Bleichen
gesengt werden, um eine Unzahl kurzer Fasern auf
ihrer Oberfläche zu entfernen. Zum Sengen gibt es dreierlei Methoden: 1) man zieht
die Stücke über rothglühende Cylinder; 2) man zieht sie über Röhren, aus welchen
zahlreiche Strahlen von Kohlengas austreten; über dem Zeug sind correspondirende
Röhren, mit länglichen Oeffnungen versehen, in welche die Flammen durch den Zeug
hindurch mittelst eines rotirenden Ventilators gezogen werden. Die dritte Methode,
welche erst in der letzten Zeit in Gebrauch kam, besteht darin, daß man das
Steinkohlengas durch Wasserstoffgas ersetzt, zu dessen Gewinnung man Wasserdampf auf
eine Schicht rothglühender Holzkohlen blast.
Beim Bleichen der Baumwolle sind die Operationen einfach, schnell ausführbar und
sicher. Beim Bleichen von Flachs sind sie hingegen complicirt, langwierig und
gefahrvoll. Dieser Unterschied beruht auf der Thatsache, daß bei den
Baumwollenzeugen die Faser von gleichförmiger Beschaffenheit ist, und die zu
beseitigende Farbe lediglich durch Harze und Gummi zurückgehalten wird; wogegen das
Leinen, außer der geringen Menge von färbenden Stoffen, welche ursprünglich in der
Faser enthalten sind und einem großen Antheil von Farbstoff, welcher beim Rösten
hinzukommt, noch kleine Stücke von dem holzigen Kern enthält, weil es nicht möglich
ist die Fasern oder den Bast von demselben vollkommen zu trennen. In der That liegt
die ganze Schwierigkeit, Leinen schnell zu bleichen, in diesem unvermeidlichen
Hinderniß; wenn man es nämlich über einen gewissen Grad hinaus gebleicht hat,
besteht die Schwierigkeit nicht darin, die Faser weiß zu bekommen, sondern sie gegen
Benachteiligung zu bewahren bis alle Holzfasern entfernt sind. Außerdem wäre Leinen
nicht viel schwerer zu bleichen als Baumwolle. Die Faser, wie sie in der Leinpflanze
vorkommt, ist fast weiß, und die Farbe des gerösteten Flachses, welche so schwierig
zu bleichen ist, rührt von dem gewöhnlichen Röstverfahren her.
Bleichen der Baumwollenstücke.
Das Bleichen der Baumwollenstücke ist jetzt zu einer solchen Vollkommenheit gebracht,
daß es in der Regel in vier bis fünf Tagen beendigt wird, nöthigenfalls aber in 48
Stunden ausgeführt werden kann. Die Operationen dazu lassen sich unter zwei
Abtheilungen bringen; die erste Reihe hat den Zweck, aus dem Zeug seine natürlichen
Harze, Gummi und Fettstoffe zu entfernen, nebst allen denjenigen Substanzen, welche
ihm während seiner Fabrication zugesetzt werden, wie ölige Stoffe, Stärke,
thierischer Leim (beim Schlichten der Kette), und oft Metalloxyde, wie Bittererde,
Kupferoxyd, Zinkoxyd etc. Die Operationen der zweiten Reihe sind die eigentlich
bleichenden, durch welche der natürliche Farbstoff und die von den Spinnern und
Webern zugesetzten Farbstoffe zerstört werden.
Der Zweck der Operationen ist aus folgendem Verzeichniß der Substanzen, welche
während der Fabrication zugesetzt werden, ersichtlich.
In Wasserlöslich
Leim,Soda oder Potasche, Stärke, Eiweiß.
In Kalkwasserlöslich
Fettstoffe,Kleber.
In caustischemAlkali löslich
Farbstoffe,Seife.
In caustischemAlkali löslich
Farbstoff,Harze.
In Säurenlöslich
Gummiharze,Harze,Eisenoxyd, Kalksalze undandere
Salze.
Folgendes Verfahren zum Bleichen der Baumwollenstücke ist in Lancashire das
gebräuchlichste:
1. Einweichen in Wasser, 3 Stunden.
2. Waschen in Waschrädern, 20 Minuten.
3. Kochen mit Kalk und Wasser, 8 Stunden.
4. Waschen in Waschrädern, 20 Minuten.
5. Kochen in einer Auflösung von kohlensaurem Natron (Sodasalz), 60 Pfd für 3000 Pfd.
Zeug, 9 Stunden.
6. Waschen in Waschrädern, 20 Minuten.
7. Einweichen in schwache Schwefelsäure von 1,025 spec. Gewicht (3½ °
B.), 30 Minuten.
8. Abtropfenlassen während 2 Stunden, und schwaches Waschen, 10 Minuten.
9. Einweichen in sehr schwacher Chlorkalk-Auflösung, 3 Stunden.
10. Waschen, 20 Minuten.
11. Kochen in einer Auflösung von Sodasalz (kohlensaurem Natron). 30 Pfd. auf 3000
Pfd. Zeug, 6 Stunden.
12. Waschen, 10 Minuten.
13.Einweichen in sehr schwacher Chlorkalk-Auflösung, 10 Stunden.
14. Waschen, 10 Minuten.
15. Einweichen in verdünnter Schwefelsäure von 1,025 spec. Gew., 20 Minuten.
16. Abtropfenlassen 1 Stunde, und gutes Waschen 20 Minuten.
Zeitdauer im Ganzen: 45 Stunden.
Dieses Verfahren kostet dem Bleicher (bei dem niedrigen Preis der Soda in England)
ungefähr 9 Pence per 100 Pfd. Zeug. Für das Bleichen
eines Kattuns von 32 bis 36 Zoll Breite und 24 Yards Länge bezahlt man 6 Pence
— oder für einen Kattun von 36 bis 40 Zoll Breite und 40 Yards Länge, 10
Pence.
Beim Bleichen feiner Zeuge, wie Muslin, unterläßt man das Kochen in Kalk. Caustische
Sodalauge wird nur für schwere Waare angewandt. Das Kochen in kohlensaurem Natron
ersetzt man oft durch ein Kochen in Seifenlösung. Das Kochen mit Kalk ist vielleicht
die wichtigste Operation; denn der Kalk hat die Eigenschaft die Fettstoffe auf dem
Zeug sehr leicht zu verseifen, und die gebildete Kalkseife wird dann durch
kohlensaures Natron zersetzt und abgezogen. Der Kalk modificirt auch die Farbstoffe
so, daß sie schneller durch Chlor zerstört werden.
Der anzuwendende Chlorkalk muß gut mit dem Wasser gemischt werden, und man muß nach
bewerkstelligter Auflösung desselben die unaufgelösten Theile vollständig absetzen
lassen; denn wenn man dieses nicht thut, hängt sich eine unlösliche Chlorverbindung,
welche einen Theil des unaufgelösten Pulvers bildet, an den Baumwollzeug, und wenn
derselbe hernach in das Sauerwasser getaucht wird, wird diese Chlorverbindung
zersetzt und entbindet auf ihrem Platz soviel Chlor, daß der Zeug augenblicklich
verbrennt. — Die erforderliche Stärke der Chlorkalk-Auflösung hängt
von der Beschaffenheit der zu bleichenden Waare und von der angenommenen
Bleichmethode ab. Bei dem „langsamen Verfahren“ läßt man die
Stücke, nachdem sie einige Stunden in der Chlorkalk-Auflösung eingeweicht
worden sind, lange Zeit auf einem Boden von Steinplatten aufgehäuft; bei dem
„mechanischen oder schnellen Verfahren“ werden hingegen
mehrere Tausend Ellen Zeug aneinander befestigt und mittelst geeigneter Vorrichtungen nach
einander durch die verschiedenen Flüssigkeiten getrieben.
Bisweilen setzt man der Sodalauge Weihrauch zu; die Vortheile, welche er gewährt,
entschädigen aber kaum für seine Kosten.Die Anwendung des Weihrauchs beim Laugen (beschrieben im polytechn. Journal
Bd. CIV S.
133) dürfte wenigstens bei Garancinfarben — welche die
Seifenpassagen der Krappfarben nicht vertragen — in den Fällen nicht
zu umgehen seyn, wo weiße Stellen in den Mustern vorkommen.A. d. Red.
In Folge meiner Versuche über das Bleichen glaube ich daß folgendes Verfahren wohlfeiler wäre und schneller
zum Ziele führen würde, als das jetzt gebräuchliche: — Man behandle die
Baumwollenzeuge zuerst einige Stunden lang mit schwacher Salzsäure bei einer
Temperatur von 74½° Reaumur, um die in der Kette enthaltene Stärke in
Zucker umzuwandeln, sie so vom Zeug zu entfernen und dadurch die Einwirkung der
Alkalien auf die Fettstoffe zu erleichtern. Um die Fettstoffe zu zerstören, wende
man eine Auflösung von kohlensaurem Natron an, welche zum Theil caustisch gemacht
ist. Dann tauche man die Stücke in Salzsäure, hierauf in Chlorkalk-Auflösung,
und zuletzt wieder in Salzsäure. Die Salzsäure ist der Schwefelsäure vorzuziehen,
denn erstens bildet sie auf dem Zeug nicht das schwerlösliche Salz (Gyps) wie die
Schwefelsäure, und verhindert also die freie Einwirkung des Chlors oder der
unterchlorigen Säure auf das Gewebe nicht; zweitens zersetzt sie das im Chlorkalk
enthaltene unterchlorigsaure Salz leichter.
Bleichen der Leinenzeuge.
Das Bleichen des Leinens ist wesentlich verschieden von demjenigen der Baumwolle,
weil nicht nur die Natur der Fasern eine andere ist, sondern auch die organischen
Substanzen, welche die Fasern miteinander vereinigen, verschieden sind; der
Leinenblecher muß auch auf sein Geschäft eine viel größere Sorgfalt verwenden, denn
seine Aufgabe ist, nur solche Mittel anzuwenden, welche die den Farbstoff mit der
Faser verbindenden Harze etc. beseitigen, ohne diejenigen Stoffe zu verändern,
welche die kleinen, die wirkliche Faser bildenden Röhren zusammenhalten. Diesen
Zweck erreicht er durch Anwendung milderer Mittel, und indem er bleichende
Chlorverbindungen fast gänzlich vermeidet, weil sie, selbst mit großer Vorsicht
angewandt, die Fasern leicht schwächen können.
Das Verfahren besteht darin, daß man das Leinen einige Stunden in kaltes Wasser
einweicht; hierauf wird es in einer schwachen Auflösung von kohlensaurem Natron
gekocht, oder mit einer theilweise caustischen Lauge, der man Harz zugesetzt hat.
Nachdem das Leinen in einer solchen Sodalauge von 1 bis 1½ ° Baumé
zwölf Stunden lang unter schwachem Druck gekocht worden ist, wird es gut gewaschen
und dann fünf bis acht Tage lang auf der Bleichwiese ausgebreitet. Nach zwei oder
drei solchen Behandlungen wird das Leinen mit Seife eingerieben und auf der
Hobelmaschine bearbeitet. Es wird dann wieder mit Lauge gekocht und auf den
Bleichplan ausgelegt, worauf man es zwölf Stunden lang in schwefelsäurehaltiges
Wasser von 2° Baumé einweicht. Hierauf wird das Leinen mit Lauge gekocht, auf
der Seifmaschine eingeseift, wieder auf den Bleichplan ausgelegt, und zuletzt einige
Stunden in eine sehr schwache Bleichflüssigkeit getaucht. Die Operationen sind
folgende:
1. Einweichen in kaltes Wasser, 12 Stunden.
2. Das Ganze wird dann zum Kochen gebracht.
3. Waschen.
4. Kochen in kohlensaurem Natron, caustischer Lauge, oder Harzseife.
5. Auslegen auf den Bleichpaln, 4 bis 8 Tage.
6. Kochen, wie vorher.
7. Waschen.
8. Auslegen auf den Bleichplan, wie vorher.
9. Kochen.
10. Waschen.
11. Auslegen auf den Bleichplan.
12. Einweichen in Sauerwasser.
13. Waschen.
14. Kochen.
15. Auslegen auf den Bleichplan.
16. Erwärmen in schwachem Seifenwasser nebst schwacher Lauge.
17. Einseifen auf der Maschine.
18. Waschen.
19. Auslegen auf den Bleichplan, 2 bis 4 Tage.
20. Erwärmen in schwachem Seifenwasser.
21. Waschen.
22. Einseifen auf der Maschine.
23. Waschen.
24. Auslegen auf den Bleichplan.
25. Sauerbad.
26. Waschen.
27. Bleichflüssigkeit.
28. Waschen.
29. Erwärmen in schwachem Seifenwasser mit schwacher Lauge.
30. Waschen.
31. Auslegen auf den Bleichplan.
32. Sauerwasser.
33. Waschen.
34. Bleichflüssigkeit.
35. Waschen.
36. Trocknen.
Das Leinen enthält 18 Procent in Alkali auflöslicher Substanzen und verliert dann
beim Bleichen noch 28 bis 30 Proc. an Gewicht. Die Baumwollenzeuge enthalten 5 Proc.
in Alkali auflöslicher Stoffe und verlieren beim Bleichen überdieß ungefähr 28 Proc.
an Gewicht.
Das Bleichen der Leinwand erfordert im Sommer etwa sechs Wochen Zeit, und im Winter
drei Monate.Dr. Heeren hat eine
detaillirte Beschreibung des irischen Verfahrens der Leinwandbleiche nach
eigenen Beobachtungen veröffentlicht, welche im polyt. Journal Bd. CVII S.
138 und 171 mitgetheilt wurde; das Bleichverfahren in Bielefeld
und Warendorf ist in Bd. LXVI S. 116, dasjenige
auf der k. Hannover'schen Musterbleiche zu Sohlingen in Bd. LXXXVI S. 299 beschrieben.
Während die Leinwand auf der Bleichwiese ausgelegt ist, scheint der Sauerstoff der
Luft auf die Farbstoffe zu wirken, indem er ihnen den Wasserstoff entzieht, wodurch
sie in Substanzen von saurer Natur umgeändert werden, welche sich in Alkalien
leichter auflösen. Dafür spricht die Thatsache, daß Thau oder Schnee, welche eine
sehr sauerstoffreiche Luft enthalten, das Bleichen der Leinwand sehr befördern. Auch
ist kein Zweifel, daß der Sauerstoff die fetten Substanzen in Fettsäuren umwandelt,
welche vom Gewebe als auflösliche Seifen leicht entfernt werden können.
Beim Bleichen von Leinen ist es noch wichtiger als beim Bleichen von Kattunen, daß
der Zeug nach jedem Laugen und nach jedem Einweichen in eine Flüssigkeit, von allen
Spuren der Substanz, welche die Flüssigkeit enthielt, durch Waschen vollständig
befreit wird; gegenwärtig benutzt man zu diesem Reinigen der Stücke hauptsächlich
Waschräder, Pretschmaschinen und seit kurzem Robinson's
patentirte Waschmaschine.Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXIX S. 407.
Es ist in nationalökonomischer Hinsicht sehr zu wünschen, daß der Anbau und die
Verarbeitung des Flachses einen größern Aufschwung nehmen; die mannichfaltigen
Gewebe, welche sich mit dieser inländischen Pflanzenfaser darstellen lassen,
zeichnen sich im Vergleich mit baumwollenen durch Schönheit und Dauerhaftigkeit und
durch den größeren Glanz der darauf erzeugten Farben aus. Ein großer Fortschritt
wurde in der Verarbeitung des Flachses durch die Einführung von Schenck's RöstverfahrenBeschrieben von Payen, im polytechn. Journal Bd. CXIX S.
65. gemacht, wobei erwärmtes Wasser von 26°
Reaumur angewandt wird und das Rösten in etwa vier Tagen mit aller Sicherheit
beendigt ist.