Titel: | Verfahren ein Lichtbild durch zahlreiche positive Copien auf Papier in kurzer Zeit zu vervielfältigen; von Hrn. Blanquart-Evrard in Lille. |
Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. LXII., S. 292 |
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LXII.
Verfahren ein Lichtbild durch zahlreiche positive
Copien auf Papier in kurzer Zeit zu vervielfältigen; von Hrn. Blanquart-Evrard in
Lille.
Aus den Comptes rendus, April 1851, Nr. 15 und
17.
Blanquart-Evrard's Verfahren Lichtbilder auf Papier zu
vervielfältigen.
Erste Abhandlung.
Bisher war die Photographie aus dem industriellen Gebiet ausgeschlossen; ihre
Producte sind zu theuer, und die zu ihrer Darstellung dienenden Verfahrungsarten zu
langdauernd und zu complicirt. Man kann gegenwärtig mit demselben negativen Bild in
einem Tage nicht mehr als drei bis vier positive Copien erhalten, von denen dann
jede eine mehrtägige Behandlung erfordert, daher ein Lichtbild um 5 bis 6 Franken
verkauft wird.
Nach meinem neuen Verfahren kann aber jedes negative Lichtbild leicht zwei bis drei
Hundert positive Copien per Tag liefern, welche an
demselben Tage beendigt werden können und nicht über 5 bis 15 Centimes per Stück zu stehen kommen. In einer Anstalt wo täglich
dreißig bis vierzig negative Bilder behandelt würden, könnte man daher leicht vier
bis fünf Tausend positive Copien in einem Tage anfertigen, und zu einem so mäßigen
Preise, daß die Buchhändler sie für illustrirte Werke benutzen könnten.
Das neue Verfahren besteht in folgendem:
Man wählt der Ersparniß wegen ein dünnes Papier, welches weniger Silberfalz
absorbirt. Dieses Papier muß nach dem im verflossenen Jahre von mir mitgetheilten
Verfahren (polytechn. Journal Bd. CXVII S. 223) mit Molke oder Eiweiß präparirt
werden. Kurz vor dem Gebrauch präparirt, ist dieses Papier empfindlicher; übrigens
ist es nach einjähriger Aufbewahrung noch vollkommen gut.
Man tränkt das Papier im salpetersauren Silber, von welchem man ihm nur eine solche
Menge liefert, als absolut nothwendig ist, um es durchsichtig zu machen. Nachdem
letzteres bewirkt ist, taucht man das Papier in ein Bad von Gallussäure, welches mit
5 bis 10 Procent Essigsäure verfetzt ist. Nach dieser Behandlung bringt man das
Papier auf eine Glastafel, welche den Boden eines Rahmens bildet, und legt auf
dieses Papier das zu copirende (negative) Bild; auf letzteres wird eine zweite
Glastafel angedrückt, und man setzt dann zehn bis zwanzig Secunden dem Tageslichte
aus. Nachdem man in das Arbeitslocal zurückgekehrt ist, ersetzt man das Papier ohne
Unterbrechung durch ein anderes.
Die bei der Exposition erhaltenen Bilder sind ganz zum Vorschein gekommen; sie
vollenden sich von selbst unter den Augen des Photographen und ohne anderes Mittel.
Ihre vollkommene Entwickelung erfordert zwei bis fünf Minuten; man kann dieselbe
nach Belieben aufhalten, indem man das Papier in eine gesättigte Kochsalzlösung
taucht.
Das so erhaltene Bild ist mehr oder weniger dunkel sepiafarbig; durch Behandlung in
einem Bad von unterschwefligsaurem Natron, welches mit einigen Tropfen Essigsäure
versetzt wurde, wird es schwarz.
Es genügt, dasselbe dann mit vielem Wasser zu waschen, um es von den angewandten
Salzen zu reinigen.
Ich habe früher die Mittel angegeben, um die zu schwachen Bilder dunkler zu machen,
oder die zu dunklen heller zu machen.
Um die hinter Glas zu bringenden negativen Lichtbilder gegen eine Veränderung in
Folge der Silbersalze vollkommen zu schützen, überzieht man sie mit einer starken
Schicht Gemäldefirniß.
Will man das mit Eiweiß präparirte Papier nach dem Tränken mit Silbersalz trocknen,
um es später verwenden zu können, so tränkt man es mit essig-salpetersaurem
Silber, welches mehr Essigsäure als gewöhnlich enthält. Von der Gallussäure macht
man dann erst nach der Exposition Gebrauch.
Für industrielle Zwecke müßte man negative Bilder auf Glas
anstatt auf Papier anwenden; denn diejenigen auf Papier verändern sich leichter,
erfordern eine länger dauernde Exposition und dreimal mehr Manipulation als solche
auf Glas; so daß negative Bilder auf Papier nicht nur weniger schöne Copien, sondern
auch eine geringere Anzahl in einer gegebenen Zeit liefern würden, welche daher viel
höher zu stehen kämen.
Zweite Abhandlung.
Ich habe in meiner ersten Abhandlung gesagt, um die Photographie auf Papier zu einem
Industriezweig zu machen, müsse man die intensive Wirkung des Lichts durch die chemische Wirkung ersetzen, eine Methode welche die
Producte wohlfeil in eine Masse zu erzielen gestattet.
In dieser Hinsicht sind zwei Bedingungen zu erfüllen: 1) man muß den Bildern nach
Belieben die Färbung geben können, welche für sie die geeignetste ist oder von dem
Käufer verlangt werden dürfte; 2) man muß die unter ungünstigen Umständen
entwickelten Bilder, nämlich zu blasse oder zu dunkle, in verkäuflichen Zustand
versetzen können, um werthlose zu vermeiden.
Zu diesen Resultaten gelangt man durch folgende Mittel:
Entfärbung. — Nachdem man die zu schwarz
hervorgetretenen Bilder getrocknet hat, kann man sie dadurch geeignet entfärben, daß
man sie in Brunnenwasser taucht, in welches man Bromjod getröpfelt hat, bis es eine
sehr blasse gelbe Farbe annahm. — Das Bromjod löst das Lichtbild auf; man
kann die stufenweise Wirkung desselben mit dem Auge verfolgen, besonders am
Tageslicht; auch kann man jeden Augenblick seine Wirkung inne halten, indem man das
Bild in ein Bad von
unterschwefligsaurem Natron bringt, welches sich in einigen Secunden des
überschüssigen Bromjods bemächtigt, worauf man das Bild mit vielem Wasser
abwascht.
Färbung. — Um die zu schwachen Bilder zu dunkeln,
tränkt man sie mit Essigsäure. Unter dem Einfluß derselben wird das Papier fest wie
Pergament, und ebenso durchsichtig wie geöltes Papier. In diesem Zustand taucht man
es in ein Bad von Gallussäure, welchem man einige Tropfen salpetersaures Silber
zugesetzt hat. Die Färbung des Bildes entwickelt sich dann rasch. Man erhält so nach
Belieben das intensivste Schwarz. Die Wirkung kann man bei dem gewünschten Tone
innehalten, indem man das Bild in ein Bad von unterschwefligsaurem Natron taucht. Es
genügt, dasselbe dann wie gewöhnlich mit vielem Wasser zu waschen, um das Papier von
dem unterschwefligsauren Salz zu reinigen.
Ich will bei dieser Gelegenheit auf eine eigenthümliche Eigenschaft der Essigsäure
aufmerksam machen; sie bewirkt nämlich, daß diejenigen Theile des Papiers, welche
weiß bleiben müssen, durch die Gallussäure oder das gallus-salpetersaure
Silber nicht gefärbt werden, indem sie die Wirkung dieser kräftigen Agentien auf das
Färben der Silbersalze beschränkt, welche durch das Licht zersetzt worden sind,
dieselben mögen im Augenblick der Operation sichtbar seyn oder nicht.
Indem man die zu schwachen negativen Bilder so behandelt, wie ich es oben für die
positiven Bilder beschrieben habe, kann man sie auf die intensivste Färbung
bringen.
Was ich bisher gesagt habe, bezieht sich auf die Verbesserung der bereits seit
längerer Zeit dargestellten Bilder.
Auf dieselbe Weise, jedoch mit geringerem Vortheil, kann man die negativen Bilder
sogleich nach der Exposition entwickeln, indem man dem Gallussäure-Bad 5 bis
10 Procent Essigsäure zusetzt. Das Bild bietet dann eine größere Gleichförmigkeit
dar; die Lichter bleiben heller und die Schatten werden tiefer; dazu ist es aber
nöthig, die Exposition nicht zu lange dauern zu lassen und das Bild gänzlich in das Bad zu tauchen, anstatt es bloß auf einer
Seite mit Gallussäure zu behandeln.
Dadurch, daß wir die bei der ersten Operation (welche man die geheimnißvolle nennen
könnte) entwickelten Bilder nach Belieben dunkler oder blässer zu machen vermögen,
wird die Photographie erst eine praktische und industrielle Kunst.
Schließlich muß ich mich über die (meinen Mittheilungen vorhergehende) Abhandlung des
Hrn. Bayard erklären.
Ich bin keineswegs seiner Ansicht, daß das Problem streng genommen darin besteht, das
positive Papier sehr empfindlich für ein verhältnißmäßig sehr schwaches Licht zu
machen. Erstens sind alle Papiere mit Jod-Grundlage negative Papiere; in
ihrer Anwendung für positive Bilder besteht die neue Methode. Nun ist aber ein
solches Papier für das positive Bild nicht geeignet, wenn es sehr empfindlich ist,
sondern im Gegentheil wenn seine Reducirbarkeit durch ein Agens paralysirt ist,
welches sie nur unter dem Einfluß des Lichts gestattet. Je empfindlicher also die
Papiere mit Jod-Grundlage sind, desto weniger gut sind sie zur Erzeugung
positiver Bilder. Je mehr das nicht reducirende Agens in
der Zubereitung vorherrscht, desto schätzbarer ist diese Zubereitung, weil sie
gestattet die Papiere längere Zeit (zur Anwendung geeignet) aufzubewahren.
Man kann also für die Resultate womit wir uns beschäftigen, die bisher angewandten
Zubereitungen bezüglich ihrer Güte in der umgekehrten Ordnung ihrer Empfindlichkeit
classificiren, und deßwegen gebe ich der Zubereitung des Hrn. Bayard den Vorzug vor der meinigen, weil sie weniger leicht reducirbar ist
und daher weniger schnell verändert wird.
Alle Zubereitungen des Papiers mit Jodkalium geben ein positives Bild am Lichte einer
Carcel'schen Lampe, und dieses Bild ist um so weniger
schön, in je kürzerer Zeit es erzeugt wurde. So gibt die von mir angeführte
Zubereitung dieses Bild in weniger als zehn Minuten, und schon hat das Papier eine
gänzliche Färbung angenommen, in Folge der reichlichen Reductionen welche bei diesem
schwachen Licht und in so kurzer Zeit entstanden.
Das Eiweiß, die Molken und die Essigsäure sind die Agentien, welche ich benutzte um
das positive Bild durch die chemische Wirkung zu erlangen, weil diese Agentien die
Wirkung des Lichts auf die weißen Stellen des Papiers verzögern, welche conservirt
werden müssen um das Resultat angenehm zu machen; die Dämpfe der Salzsäure sind
vorzuziehen, weil sie dem Papier die erforderlichen Eigenschaften länger
erhalten.
Durch Aufsuchen widerstehender Agentien, nicht beschleunigender Agentien, gelangt man
also zu dem Fortschritt, welcher jetzt darin besteht, Zubereitungen zu ermitteln,
die dem Papier alle seine Eigenschaften erhalten, nicht bloß 24 oder 36 Stunden
lang, sondern ganze
Wochen oder Monate. Man darf nicht fürchten das Papier jemals zu unempfindlich zu
machen, weil erwiesenermaßen ein Papier, welches für ein negatives Bild in der camera obscura vier bis fünf Minuten dem Sonnenlicht
exponirt werden muß, das positive Bild in einer einzigen Secunde gibt.