Titel: | Anleitung zum Färben der Knochen; von Professor Johann Christoph Kellermann in Nürnberg. |
Autor: | Johann Christoph Kellermann |
Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XCVI., S. 438 |
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XCVI.
Anleitung zum Färben der Knochen; von Professor
Johann Christoph
Kellermann in Nürnberg.
Kellermann's Anleitung zum Färben der Knochen.
Durch den hiesigen Gewerbeverein wurde im Spätherbste des Jahres 1849 die Einführung
eines sichern Verfahrens, verschiedenen Kunstproducten aus Knochen und Elfenbein
eine schöne rothe Farbe zu geben, als eine dem Beindrechsler-Gewerbe
nützliche Sache wiederholt bezeichnet.
Ich hatte damals eine Methode, eine schöne Scharlachfarbe
auf Gegenstände aus Knochen zu fixiren, zwar schon aufgefunden, doch schien sie mir
wegen der Umsicht, mit welcher gearbeitet werden mußte, wenn ein guter Erfolg
erzielt werden sollte, zur Einführung bei den Gewerben noch nicht reif zu seyn.
Deßhalb nahm ich die durch eine andere Arbeit unterbrochenen Versuche wieder auf,
und fand dabei einen Weg, der zuverlässig und schnell zum Ziele führt.
Einige hiesige, ihr Geschäft schwunghaft betreibende Drechslermeister, denen ich dieß
Verfahren mittheilte und welche die ersten Versuche unter meiner Anleitung
anstellten, liefern nun seit Anfang des vorigen Jahres prachtvoll scharlachgefärbte
Schachspiele zu Hunderten in den Handel.
Zuerst werde ich, die allgemeinen Grundsätze der Färberei bezüglich des
Verhältnisses, in welches Farbstoffe und Beizen (Befestigungsmittel) zu der
organischen Faser beim Färben treten, als bekannt übergehend, das Wesentliche der
Theorie der Knochenfärbung, sowie die Beschreibung der anzuwendenden
Befestigungsmittel und Farbstoffe, der Mittheilung des praktischen Verfahrens beim
Rothfärben vorausschicken. Am Schlusse wird noch die Application anderer Farben
besprochen werden.
Zur Befestigung der Beizen auf die organische Faser sind folgende Verfahrungsarten
die üblicheren:
1) man taucht den zu färbenden Gegenstand in das kalte oder
erwärmte Beizbad, bevor man ihn in die Färbeflüssigkeit bringt;
2) man vermischt die Beize mit der Färbeflüssigkeit und taucht
den Gegenstand ein- oder mehreremale ein.
Beim Knochenfärben fand ich die getrennte Behandlung, nämlich das Beizen dem
Ausfärben vorausgehen zu lassen, für sicherer, namentlich für die Application von
zartem Scharlachroth.
Eine wesentliche Manipulation bei der Knochenfärberei besteht darin, daß die aus den
entfetteten Knochen gedrehten, geschliffenen, aber noch nicht polirten Gegenstände,
vor dem Auftragen der Beize und Farbe mit verdünnter kalter Salpetersäure
(Scheidewasser), oder mit reinem, kochendem Essig in einem Gefäße von gutem
Porzellan oder Glas (die Glasur der Töpferwaaren, gewöhnlich viel Bleiglätte
enthaltend, würde durch diese Säuren angegriffen) kurze Zeit behandelt werden.
Die Knochen sind bekanntlich aus zwei wesentlich verschiedenen Hauptbestandtheilen
zusammengesetzt, nämlich aus einem organischen Gewebe (dem Knorpel und den Gefäßen)
und aus einem unorganischen Theile (der Knochenerde).
Nach Berzelius enthalten 100 Gewichtstheile
Ochsenknochen
Gewichtstheile
a)
an organischer Substanz (Knorpel und Gefäße)
33,30
b)
an unorganischen Bestandtheilen und zwar an basisch phosphorsaurer
Kalkerde mit etwas Fluorcalciuman kohlensaurer Kalkerdean
phosphorsaurer Magnesiaan Natron und sehr wenig Chlornatrium
57,353,852,053,45
66,70
––––––––––––––––––––––––––
a und b zusammen
100,00
Hieraus ist ersichtlich, daß ungefähr ⅔ der
Knochenmasse aus unorganischer Materie, die sich durch einen überwiegenden Gehalt an
Kalksalzen (61,20 Proc.) auszeichnet, und nur ⅓ derselben aus organischer
Substanz besteht, welches Verhältniß jedoch bei verschiedenen Knochen desselben
Thieres und bei verschiedenen Thierclassen veränderlich ist.Die Zähne und das Hirschhorn enthalten dieselben Bestandtheile wie die
Knochen. Erstere jedoch, als sehr harte Knochengebilde, sind reicher an Knochenerde. Daß dieses — wie
in einigen schätzbaren Werken angenommen wird — auch bei Elfenbein,
der Substanz der Zähne, vornehmlich der Stoßzähne des Elephanten, der Fall
ist, dem scheint durch die Erfahrung, daß Elfenbein wegen geringerer Härte
besser zu bearbeiten ist und mit den Farbstoffen und Beizen sich leichter
verbindet, widersprochen zu werden. Nach einer Stelle in dem Handbuche der
angewandten Chemie von Dumas würde dieser
Widerspruch gehoben; dieselbe lautet: „Auffallend wenig, nämlich
nur 53,27 bis 58,95 Proc. Knochenerde wurde in den Stoßzähnen des
Elephanten gefunden.“
Diese verhältnißmäßig große Quantität unorganischer Stoffe aber, welche die Knochen
der verschiedenen Thierclassen enthalten, erschwert die Befestigung der Farbstoffe
auf Knochen und Elfenbein. Denn daß bloß die organische Masse der Knochen ihre
leichte Färbung bedingt, kann nicht bezweifelt werden. Behandelt man daher die
fertigen und geschliffenen Waaren aus Knochen mit einer solchen verdünnten Säure,
welche die Knochenerde, insbesondere den phosphorsauren Kalk, leicht auflöst und
welche mit Kalk eine in Wasser leicht lösliche Verbindung gibt, so wird auf der nach
Außen zu bloßgelegten Knorpelsubstanz Beize und Farbe sich fixiren können. Nicht
minder ist der dadurch bewirkten Entfernung des vielen Kalks (der mit den
Farbstoffen, selbst wenn sie im Ueberschusse vorhanden sind, nie glanzvolle, sondern
matte [todte] Farben gibt) von der äußersten Schicht der Knochenoberfläche, der Glanz und die Lebhaftigkeit
der Farben zuzuschreiben, welche der bloßgelegte organische Theil der Knochen,
gleich der Seide und Wolle, als sehr wenig erdige Theile haltender thierischer
Faserstoff, bei der Färbung erhält.
Die verdünnte Salpetersäure, mit etwas Weinsteinsäure versetzt, habe ich zu diesem
Anbeizen im Allgemeinen am zweckdienlichsten gefunden. Sie muß aber in solcher
Verdünnung angewendet werden, daß sie auf der Zunge nur etwa den Eindruck eines
scharfen Essigs hervorbringt; auch ist zu hohe Temperatur zu vermeiden, weil sonst
auch thierische Materie aufgelöst würde.
Sind nun die zu färbenden Gegenstände aus Knochengebilden so weit zubereitet
(angebeizt), so werden sie mit einem der nun zu beschreibenden Beizmittel
behandelt.
Als Beizmittel wenden wir an:
1) das salzsaure Zinnoxydul oder
krystallisirte Zinnchlorür (im Handel unter dem Namen Zinnsalz vorkommend). Dieses Salz, an der Luft schon feucht werdend, ist
sehr löslich in Wasser, wird aber bei seiner Auflösung in Wasser zersetzt in saures
lösliches und in basisches unlösliches Salz, welches sowohl zur Faser, als zu den
Farbstoffen eine starke Anziehung äußert und weiß von Farbe ist. Die trübe
(milchichte) Auflösung wird durch Zusatz von etwas Salzsäure geklärt.
Obgleich dieses Salz im Handel gewöhnlich ziemlich rein vorkommt,
so werde ich für diejenigen, welche mit Sicherheit jedesmal ein günstiges Resultat
erlangen wollen, ein Verfahren zur Bereitung des von mir angewendeten Zinnsalzes in
flüssiger Form angeben:
In einen gläsernen Kolben, mehr als hinreichend groß, bringe man
etwa 4 Loth (1 Loth bayer. = 17½ Grammen) feines englisches Zinn (möglichst zerkleinert)
und 12–15 Loth eisenfreie SalzsäureUm zu finden ob Eisen in der Säure (aufgelöst) enthalten sey, übersättige man
ein wenig von derselben mit Ammoniak (Salmiakgeist); fallen braune Flocken
(Eisenoxydhydrat) nieder, so enthält die Säure Eisenchlorid. von
circa 1,15 spec. Gewichte; erwärme den Kolben im
Sand- oder Wasserbade so lange, bis das Metall von der Säure nicht mehr
angegriffen wird (keine Bläschen mehr aufsteigen). Dann setze man zur erkalteten
Auflösung etwa 1½ Schoppen (1 Schoppen bayerisch = ¼ Liter reichlich)
weiches Wasser, filtrire nun durch ungeleimtes Papier (Filtrirpapier) und bewahre
die filtrirte Flüssigkeit in einem gut verschlossenen Glase zum Gebrauche auf. Man
thut wohl, in das Glas noch ein Stückchen Zinn zu bringen.
2) Die schwefelsalzsaure
Zinnauflösung ist dem Zinnsalz vorzuziehen, da sie keine ätzenden
Einwirkungen auf den thierischen Theil der Knochen zeigt, in Berührung mit der
organischen Faser sich sehr leicht zersetzt und den Farben mehr Lüstre ertheilt, und
dieß unstreitig deßhalb, weil die auf der Oberfläche der Knochen durch das Anbeizen
mit Salpetersäure hergestellte dünne äußerste Schicht von thierischer Substanz durch
die erste Einwirkung dieser Beize nicht vergrößert wird
(indem die leicht sich bildende, selbst in vielem und reinem Wasser spärlich sich
auflösende Verbindung der Schwefelsäure mit dem Kalke der Knochenerde von der
Oberfläche der Knochen nur langsam in die verdünnte Beize
übergeht) und somit nach dem Färben ihr Volumen durch Eintrocknen (Zusammenziehen)
nicht in dem Grade vermindern kann, daß die in ihr
sitzenden Farbetheilchen, welche bei günstigen Umständen dem Auge als eine volle
feurige Farbe sich darbieten, durch Verdichtung eine dunkle, oft bis ins Schwarze
gehende Farbe zeigen würden.
Sie entsteht, wenn man in einem geräumigen gläsernen Kolben (in
Ermangelung eines solchen kann ein Gefäß aus Porzellan oder Steinzeug dazu genommen
werden) 4 Loth fein gekörntes, reines Zinn mit 6 Loth eisenfreier, gewöhnlicher
Salzsäure übergießt und etwa nach einer Stunde 3 Loth concentrirte Schwefelsäure in
kleinen Portionen zusetzt. Es wird Wärme erzeugt, und das Zinn löst sich anfangs mit
Heftigkeit auf; da aber die Einwirkung der Säuren auf noch ungelöstes Zinn mit
zunehmender Concentration der Auflösung abnehmen würde, so erwärmt man die
Flüssigkeit so lange im
Sandbade, bis keine Gasblasen mehr entwickelt werden. Man läßt nun das Ganze
abkühlen, versetzt es dann mit etwas Wasser (ungefähr mit 6 Loth — 6 Eßlöffel
voll —), gießt die Auflösung von dem Bodensatze ab und verdünnt sie noch mit
20 Loth oder 1¼ Schoppen Wasser. Diese Auflösung wird ebenfalls in einem gut
verschlossenen Glase zum Gebrauche aufbewahrt.
3) Den Alaun bringen wir beim
Rothfärben der Knochen nur insofern in Anwendung, als wir ihn mit Weinstein versetzt
dem Cochenille-Auszuge in sehr geringer Quantität zur Veränderung des Pigments beifügen. Die Bereitungsart der aus beiden Salzen
zusammengesetzten Flüssigkeit aber ist folgende:
Man löse ein halbes Loth eisenfreien gewöhnlichen Alaun in einem
halben Schoppen und ein Quint feinzerstoßenen Weinstein (Cremor tartari) in einem Schoppen siedenden Wassers auf, gieße beide
Auflösungen zusammen und filtrire die heiße Mischung. Diese wird in verschlossenem
Glase aufbewahrt und nach unten folgender Anweisung gebraucht.
Zur Fixirung einer schönen beständigen Scharlachfarbe, d. i. einer Mischung
(Verbindung) von Roth und Gelb mit schwachgelblichem Blick, auf Knochen und
Elfenbein haben sich mir für die Anwendung im Großen nach mehreren Versuchen
folgende Farbematerialien am besten bewährt, und zwar
A. Zu Gelb:
1) Der Wau (Reseda luteola,
Wauresede). Man kocht den Wau so lange (etwa eine Stunde) in weichem Wasser, bis er
zu Boden fällt, und seiht die Flüssigkeit durch Leinwand. Es ist nicht vortheilhaft,
wenn die Abkochung des Wau bei warmer Temperatur längere Zeit mit der Luft in
Berührung bleibt, da sich auf Kosten des gelben Farbstoffs eine im Wau schon fertig
gebildete röthliche Substanz noch vermehrt. Man halte sich daher keinen Vorrath von
Wauabsud. Wau gibt der mit Zinnchlorür oder Alaun gebeizten organischen Faser nicht
nur sehr schöne (citronengelbe), sondern auch dauerhaftere Farben, als Gelbholz,
Quercitronrinde u. a. Wau wurde früher viel gebraucht, aber jetzt, nachdem die
Quercitronrinde in Gebrauch gekommen ist, findet er fast nur noch in der
Seidenfärberei Anwendung.
2) Das Gelbholz aus Brasilien, jetzt
noch zuweilen Brasilienholz und alter Fustik (junger Fustik oder Fisetholz heißt das
ungarische Gelbholz) genannt, von dem in Westindien und Brasilien wachsenden
Färbermaulbeerbaum (Morus tinctoria). Eine Abkochung von Gelbholz (ja
Gelbholz selbst) wird unter Einwirkung von Luft und Wärme sehr. leicht ins Rothe
verändert und muß deßhalb, wie der Wau, bald nach der Abkochung zum Färben verwendet
werden. Das Gelbholz enthält mehr Farbstoff als der Wau, dagegen gibt es nicht das
liebliche Gelb wie dieser, sondern die Farbe spielt mehr ins Orange und ist weniger
lebhaft. Zur Erzeugung des gelben Grundes habe ich dessenungeachtet die
Gelbholzabkochung sehr brauchbar gefunden; sie deckt sehr gut und verbindet sich
schnell mit dem Farbstoffe der Cochenille zu einer recht hübschen Nüance von
Scharlach, welche der mittelst Wau erhaltenen wenig nachsteht. Da nun überdieß
Gelbholz billiger ist als Wau, so wird es wenigstens bei der Färbung von Waaren
mittleren Werthes dem Wau vorzuziehen seyn. Ein Absud von 1 Theil Wau und 1 Theil
Gelbholz möchte übrigens in jeder Beziehung entsprechen.
B.Zu Roth:
1) Die Cochenille (Coccus cacti). Der rothe Farbstoff der Cochenille in
Verbindung mit thierischer Substanz wird gewöhnlich durch siedendes, aber auch
manchmal und zwar mit Vortheil durch kaltes Wasser nach und nach ausgezogen.
Kalkhaltige Wasser sind hierbei zu vermeiden, da der Kalk wegen seiner
Verwandtschaft zum Farbstoffe der Cochenille sich zum Theil mit diesem verbinden und
dadurch die Quantität und Qualität des färbenden Elements vermindern würde.
2) Der rothe Carmin, ein
Handelsproduct aus der Cochenille. Er ist eine Verbindung aus dem Farbstoffe dieses
Insects, aus thierischer Materie und einer zur Fällung angewandten Säure nebst etwas
Thonerde. Dieses Färbematerial gibt nach der unten zu beschreibenden Anwendungsweise
das feurigste, dauerhafteste und glänzendste Scharlachroth. „Aber das ist
ein viel zu theures Material!“ wird man sagen. Ich bemerke hierzu
zweierlei:
1. Seine Ergiebigkeit und die Sicherheit und Einfachheit mit
der mit ihm im Vergleiche zur Anwendung der Cochenille gefärbt werden kann,
reduciren seinen allerdings hohen Preis um Bedeutendes und
2. Jeder, der vergleichende Versuche anstellt und alle Umstände
mit in Rechnung bringt, wird am Ende zu einem unvermuthet günstigen Resultate
gelangen. Man nehme gerade vom feinsten Carmin, der ein brennendes Roth zeigt und
sich ohne merklichen Rückstand in Ammoniak leicht auflöst. Die feinen Sorten sind
gewöhnlich nicht
verfälscht. Zur Verfälschung sollen übrigens Weizenstärke, Zinnober, Bleiweiß
verwendet werden.
Das praktische Verfahren der Färbung nun selbst betreffend, so ist zu bemerken, daß
dasselbe in vier aufeinander folgenden Operationen besteht (wir wollen sie durch Anbeizen, Beizen, Grundiren
und Ausfärben bezeichnen), welche, wenn Beize und
Farbebäder in Bereitschaft sind, ohne Unterbrechung binnen einer Stunde in unten
bezeichneter Ordnung nach einander vorgenommen werden können, gleichviel ob die zu
färbenden Objecte in größerer oder geringerer Quantität vorhanden sind.
I. Das
Anbeizen.
Man lege die gut geschliffenen Gegenstände 20–25 Minuten in ein Gefäß von
Porzellan oder Glas, welches etwa bis zur Hälfte mit sehr verdünnter Salpetersäure
angefüllt ist, oder: man erhitze ½ Loth SalpetersäureDie unter Ziffer I—IV bezeichneten Mengen werden für eine zu färbende Oberfläche,
welche der eines halben Schachspiels von mittlerer Größe ungefähr
gleichkommt, mehr als hinreichend seyn, so daß sie wahrscheinlich öfter als
einmal benützt werden können. (mit 4 Loth Wasser verdünnt) und
½ Quint krystallisirte Weinsteinsäure so lange, bis diese sich vollständig
aufgelöst hat, verdünne das Ganze mit so viel Wasser (es wird ungefähr eine halbe
Maaß nöthig seyn), daß es die Schärfe eines starken Essigs besitzt, und behandle in
dieser Flüssigkeit die zu färbende Waare etwa 20 Minuten.
II.Das eigentliche Beizen.
Man läßt sodann die Waare in einem reinen Weidenkörbchen etwas abtropfen und
behandelt sie hierauf mit einem von den auf Seite 440 bis 442 beschriebenen
Beizmitteln. Zu dem Behufe kommt in ein anderes passendes Gefäß 1½ bis 2
Schoppen Wasser und dazu entweder
a) ein Minimum des käuflichen
Zinnsalzes (ungefähr ein linsengroßes Stückchen), oder
b) 8–12 Tropfen von dem
salzsauren Zinnoxydul in flüssiger Form, oder
c) 8–12 Tropfen von der
schwefelsalzsauren Zinnauflösung (S. 441 Ziffer 2).
Man rührt schnell um und bringt die Gegenstände in die kalte
Beize, worin sie 10–15 Minuten bleiben. Manchmal, namentlich wenn die zu
färbende Waare nicht gut vorbereitet ist, wird es nöthig seyn, die Beize mit den
Gegenständen über schwachem Feuer zu erhitzen.
Die gebeizten Gegenstände läßt man wiederum in einem Körbchen abtropfen. War die
angewandte Beize nicht dünn genug, so ist es gut, das Körbchen mit der Waare schnell
in eine Schüssel mit Wasser zu tauchen, damit das mechanisch anhängende, eine
gleichmäßige Färbung verhindernde Zinnoxyd weggewaschen wird.
III. Das
Grundiren.
Hierauf gibt man die gebeizte Waare in eine filtrirte heiße Abkochung von Wau oder
Gelbholz, oder von beiden zu gleichen Theilen. Auf 1½ Schoppen Wasser wird
½ Loth Wau, oder ½ Loth Gelbholz, oder ¼ Loth Wau mit ¼
Loth Gelbholz hinreichen. Die gelbe Färbung kommt in kurzer Zeit zu Stande, und nun
folgt
IV. das
Ausfärben.
Die gelb gefärbten Gegenstände werden jetzt in eines der schon zubereiteten Rothbäder
— siehe unten lit. a
und b — gebracht.
Die Zubereitung und Anwendung derselben geschieht wie folgt:
a) Ungefähr 21 Gran (circa ⅓ Quint) feinzerriebene Cochenille Mesteque
wird mit 1–1½ Schoppen Wasser entweder einige Minuten gekocht, oder,
was besser ist, nach und nach mit derselben Quantität kalten Wassers ausgezogen (man
gießt nämlich zuerst ein Viertel des Wassers zu dem Pulver, rührt um, läßt es
6–12 Stunden stehen, gießt die ausgezogene Farbe in ein reines Gefäß ab,
gießt wieder Wasser zu u. s. f.). Der Cochenille-Auszug wird nun in jedem
Falle durch ein leinenes Tuch geseiht, bis zum Kochen erhitzt und dann mit 3 Tropfen
der Beize aus Alaun und Weinstein, Seite 442 Ziff. 3, versetzt. Das
Cochenille-Pigment, wahrscheinlich in verschieden gefärbten Oxydationsstufen
in dem Thiere vorhanden, gibt durch Aufgießen mit Wasser eine carmoisinrothe Farbe
(Roth mit bläulichem Stich), welche aber mittelst der Weinsteinsäure des angegebenen
Zusatzes, indem diese Säure die dunkleren Oxydationsstufen des Pigments zerstört,
alsbald in eine
gelblichrothe Nüance übergeführt wird.Zinnsolutionen mit Weinstein können ebenfalls zur Herstellung der gewünschten
Nüance gebraucht werden; sie erzeugen jedoch leicht einen Niederschlag, der
aus einem Theile des Pigments, welches dann unbenützt verloren geht, in
Verbindung mit dem basischen Salze besteht. Freie Weinsteinsäure anzuwenden
ist nicht rathsam, da man sehr leicht zu viel hinzubringt. In
diesen veränderten, noch fast siedenden Extract der Cochenille taucht man nun die
aus der heißen gelben Farbe kommenden Gegenstände und beobachtet den Moment, in
welchem die rechte Schattirung von Roth sich gebildet hat. Um diese Beobachtung mit
Leichtigkeit anstellen zu können, bediene man sich eines sogenannten Durchschlags,
d. i. eines Gefäßes (Schüssel) mit seiherartigem Boden, welches in ein anderes,
ähnliches, das die rothe Farbe enthält, leicht eingesetzt werden kann. Beide Gefäße
dürfen aus ordinärem Töpferzeug, mit guter Glasur versehen, gefertigt seyn. Sollte
bei der Ausfärbung eine Nüance mit vorherrschendem Roth entstehen, so tauche man die
Waare noch einmal kurze Zeit in das heiße gelbe Bad, oder man lege sie einige
Minuten in sehr verdünnte kalte Weinsteinsäure.
b) Ein Messerspitze voll käuflichen
Carmins (ungefähr 2 Gran) von feinster Sorte wird unter Umrühren in einem
Abrauchschälchen mit 6–8 Tropfen Ammoniak aufgelöst, dann 6 Loth (Eßlöffel
voll) weiches Wasser zugegeben, die Mischung einige Minuten gekocht und hierauf mit
1 Schoppen Wasser verdünnt. Die gelbgefärbten Gegenstände werden nun in dieser
verdünnten Carminlösung bis zum Kochen der Flüssigkeit erhitzt und so lange darin
bei Siedehitze behandelt, bis einzelne herausgenommene sich mit dem rothen Farbstoff
zu decken beginnen. Man nimmt nun das Gefäß vom Feuer, läßt das Ganze abkühlen und
wird die Waare vollständig und schön gefärbt finden. Will man diese aber nicht bis
zur Erkaltung der Flüssigkeit in dem Gefäße liegen lassen, so darf man nur das
Kochen länger unterhalten.
Bei der Anwendung des Carmins zum Rothbade kommt Alles darauf an,
nicht zu viel von seinem Auflösungsmittel zu verwenden, da sich sonst der rothe
Farbstoff schwierig auf die zu färbenden Objecte niederschlägt. Die Ursache von
manchmal zu schwach erfolgender Färbung ist fast jedesmal in einem Ueberschuß des
Lösungsmittels zu suchen.
Um sicher zu gehen, kann man die Lösung des Carmins in Ammoniak,
von welchem letzteren man gewöhnlich zu viel hinzubringt, etwas (ja fast bis zur Trockne)
abdampfen, oder einige Zeit stehen lassen und dann erst die oben bezeichnete
Quantität Wasser zugeben. Auch ein Zusatz von einem oder einigen Tropfen schwacher
Weinsteinsäure kann bewirken, daß die Farbe leichter anfällt. Werden keine groben
Fehler gemacht, so gelingt die Arbeit ganz sicher, und es wird diese Art der
Ausfärbung, dessen bin ich gewiß, Jedem, der Versuche anstellt, als die brauchbarste
sich herausstellen. Es würde daher überflüssig seyn, wollte ich noch weiter
anführen, wie zu verfahren ist, wenn man mit gemischten Färbeflotten ausfärben will;
man würde dadurch nur einige kurze Manipulationen ersparen, dagegen die Sicherheit
in der Erzeugung jedesmal schöner, feuriger Nüancen opfern.
Ehe ich diesen Gegenstand verlasse, bemerke ich noch nachträglich, daß ein sehr
brillantes Roth auf Knochen und Elfenbein befestigt werden kann, wenn man bei
gehöriger Ausführung der oben bezeichneten vier Operationen, sub Ziffer I, II,
III und IV, b, als Beizmittel phosphorsaure Zinnauflösung anwendet.
(In anderer Absicht als zu dieser Anwendung hatte ich mir eine solche dadurch
bereitet, daß ich aus einer Zinnchlorürlösung mit metallischem Zink das Zinn fällte,
es gut auswusch und dieses feinzertheilte Zinn mit kochender, concentrirter
Phosphorsäure behandelte u. s. w.)
Carminauflösung, in welcher kein Ueberschuß des Lösungsmittels enthalten ist, gibt,
mit weichem Wasser verdünnt, mittelst Zinnbeizen auf den nicht gelbgefärbten Gegenständen aus Knochengebilden ein recht hübsches,
lebhaftes Hochroth.
Zum Schlusse dieser Abhandlung will ich nur noch Weniges über die Application einiger
anderen begehrten Farben beifügen, da hierüber die
chemisch-technische Literatur (namentlich Prechtl's technologische Encyklopädie) Anhaltspunkte darbietet, welche ich
bei den hier folgenden Mittheilungen nicht außer Acht gelassen habe.
1) Was Roth betrifft, so wird zu
dessen Fixirung ein Decoct von Brasilien (Fernambuk)-Holz mit
Cochenille-Zusatz empfohlen. Die erhaltene (rosenrothe) Färbung ist aber
nichts weniger als dauerhaft, da mit dem Farbstoff des Brasilienholzes keine
licht- und luftbeständigen Farben aufgetragen werden können, und wegen ihres
bläulichen Stichs, der von dem nichtmodificirten, ins Carmoisin spielenden
Farbstoffe der Cochenille herrührt, gar nicht mehr beliebt. Aeltere Abkochungen von
Brasilienholz verdienen übrigens den frisch bereiteten vorgezogen zu werden.
2) Schwarz können Gegenstände aus
Knochen und Elfenbein sehr einfach und mit wenig Kosten auf folgende Weisen gefärbt
werden:
a. Das Anbeizen und Beizen
geschieht durch eine einzige Operation und zwar entweder mit sehr verdünnter kalter
Salpetersäure (hierzu wird die beim Scharlachfärben schon abgestumpfte und mit
Kalksalzen verunreinigte Säure, welche nach Umständen etwas angeschärft werden muß,
mit Vortheil noch einmal benützt), oder mit siedend heißem scharfem Essig, denen man
sehr wenig Alaun und einige rostige eiserne Nägel etwa eine Stunde vorher zugesetzt
hat; die zu färbende Waare bleibt in dieser Beize 25 bis 30 Minuten liegen und wird
nach dem Herausnehmen mit kochend heißem, etwas concentrirtem Blauholz
(Campecheholz)-Absud übergossen.
b. Man behandelt zuerst die zu
färbenden Gegenstände mit verdünnter Salpetersäure 25–30 Minuten, legt sie
dann mehrere Stunden in eine Auflösung des gelben chromsauren Kali und bringt sie
endlich in eine heiße Blauholzabkochung. Dieses Verfahren, wobei das Blauholzpigment
durch höhere Oxydation vermittelst der Chromsäure, ohne Gegenwart von Eisen, ein
tiefes Schwarz erzeugt, ist sehr einfach, wenig kostspielig und verdient besondere
Beachtung.
c. Alles wie bei b, nur wird statt des chromsauren Kali eine Auflösung
von schwefelsaurem Kupferoxyd (Kupfervitriol), besser heiß als kalt, genommen.
Nach Prechtl's Encyklopädie kocht man die zu färbende
Waare zuerst in einem durch Leinwand geseihten Blauholzabsude und dann in
Eisenvitriollösung. Ich brachte auf diesem Wege, wobei das Anbeizen umgangen ist,
(wie wohl vorauszusehen war) keine Färbung zu Stande.
3) Gelb:
a Man beizt Knochen oder Elfenbein
mit verdünnter Salpetersäure an, legt sie 25–30 Minuten in eine Auflösung von
Zinnsalz, oder von schwefelsalzsaurer Zinnauflösung, oder von Alaun, und bringt sie
in einen kochend heißen, durch Leinwand geseihten, concentrirten Absud von Wau. Nach
kurzer Zeit ist auf der Waare ein sehr schönes, liebliches Gelb befestigt, welches
an Beständigkeit nichts zu wünschen übrig läßt.
b. Die angebeizten Gegenstände legt
man einige Zeit in eine siedend heiße Auflösung des essigsauren Bleioxyds
(Bleizuckers) und dann in eine concentrirte Lösung des gelben chromsauren Kali.
Nach Prechtl's Encyklopädie werden diese Operationen in
umgekehrter Ordnung und unter Kochen vorgenommen; ohne vorausgehendes Anbeizen,
welches auch hierbei nicht vorgeschrieben ist, erfolgt die Färbung langsam.
c. Um eine schöne hellgelbe Farbe
hervorzubringen, reicht es auch schon hin, Knochen und Elfenbein ungefähr 24 Stunden
in eine concentrirte Auflösung des chromsauren Kali zu legen.
4) Blau:
Die Application von schönem Blau auf Knochen und Elfenbein gelang
mir nur mittelst des Indigcarmin (blauen Carmin), dessen
Bereitung, da er im Handel gut und billig zu haben ist, ich übergehe.
Das Anbeizen, welches hierbei ebenfalls nöthig ist, wenn eine
Färbung erfolgen soll, geschieht in diesem Falle besser mit verdünnter reiner
Salzsäure, da Salpetersäure, wenn sie nicht verdünnt genug angewendet wurde, die
Färbung leicht grün nüancirt. Die angebeizten Gegenstände können nun sogleich in
einer wenig concentrirten kalten Auflösung des Indigcarmin in reinem Wasser, ohne
Anwendung einer Beize, ausgefärbt werden. Gleichmäßiger färbt sich gewöhnlich die
Waare, wenn man sie vor dem Ausfärben mit einem Beizmittel behandelt.
Nachtrag.
Um dem ausführlich und mit Modificationen beschriebenen Verfahren des Rothfärbens der
Knochen (Seite 444–447 unter Beiziehung von Seite 440 und 441) auch bei den
mit chemischen Operationen wenig Vertrauten und selbst bei denen, die noch gar keine
Färbeversuche angestellt haben, Beachtung und Eingang zu verschaffen und ihnen den
Anfang zu erleichtern, will ich hier noch in Form einer zusammenhängenden gedrängten
Vorschrift diejenige Behandlungsweise anfügen, welche ohne alle Umstände und ganz
sicher und leicht von Jedem ausgeführt werden kann, nämlich:
1) Man versetze in einem passenden Gefäße von Glas oder
Porzellan ½ Maaß bayerisch (½ Liter reichlich) weiches Wasser mit
¾ Loth bayerisch (circa 13 Grammen)
Salpetersäure, bringe die gut geschliffenen Gegenstände (die Quantitäten der
anzuwendenden Materialien sind für eine zu färbende Oberfläche berechnet, welche der
eines halben Schachspiels ungefähr gleich ist) in diese Flüssigkeit und lasse das
Ganze 20 bis 25 Minuten, bei mäßiger Erwärmung aber, weil dadurch die Einwirkung beschleunigt wird, nur
10 bis 15 Minuten stehen.
2) Sodann bringe man die Gegenstände in ein anderes Gefäß,
übergieße sie mit ½ Maaß bayer. reinem Wasser, setze dazu unter schnellem
Umrühren ein sehr geringes Quantum (etwa von der Größe eines Reiskorns) Zinnsalz
(Zinnchlorür) und behandle dieselben 20 bis 30 Minuten in dieser (milchichten)
Flüssigkeit.
3) Nach Verfluß dieser Zeit kommen die Gegenstände in eine noch
fast siedendheiße und durch Leinwand filtrirte Abkochung von ¼ Loth bayer. (4
2/5 Gramm.) Wau und ¼ Loth Gelbholz aus Brasilien (beide zusammen) in
½ Maaß Wasser. Darin bleiben sie nur so lange, bis sie eine hellgelbe Farbe
angenommen haben, welches schon nach 2 bis 5 Minuten der Fall ist.
Hierauf folgt
4) das Ausfärben im Rothbade. Man löst nämlich eine
Messerspitze voll käuflichen rothen Carmin (ungefähr 2 Gran) von feinster Sorte in 6
bis 8 Tropfen Salmiakgeist (Aetzammoniak) auf, läßt die Auflösung entweder 1 Stunde
offen stehenUm hier nicht warten zu müssen, löst man den Carmin gleich anfangs auf, d. i.
vor der Behandlung der zu färbenden Waare mit
verdünnter Salpetersäure., oder erwärmt sie sogleich ein wenig,
damit ein etwaiger Ueberschuß des Lösungsmittels sich verflüchtige, setzt sodann
¼ Maaß Wasser hinzu, erhitzt diese verdünnte Carminlösung bis zum Sieden,
behandelt darin die gelbgefärbten Gegenstände (bei fortwährender Siedehitze) so
lange, bis sie sich mit dem rothen Farbstoffe zu decken beginnen. Nun wird das Ganze
noch einige Minuten in Siedehitze erhalten, oder — was besser ist — es
werden die Gegenstände 1 bis 2 Minuten in die Anfangs schon gebrauchte verdünnte
Salpetersäure und gleich darauf wieder in die noch siedende rothe Färbeflotte
gebracht. Nach wenigen Minuten erfolgt eine vollkommene Färbung der Gegenstände,
welche man dann sogleich aus dem Gefäße herausnimmt und an der Luft trocknen
läßt.
Anmerkung. Aus Theilen zusammengesetzte Gegenstände, wie
z. B. Nadelbüchschen, müssen ganz (geschlossen) in den verschiedenen Flüssigkeiten
behandelt werden, weil sonst die Zusammenfügung (der Schluß) ungenau wird.