Titel: Galvanischer Apparat mit doppeltem Strom für medicinische Zwecke; von Dr. Duchenne.
Fundstelle: Band 122, Jahrgang 1851, Nr. V., S. 32
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V. Galvanischer Apparat mit doppeltem Strom für medicinische Zwecke; von Dr. Duchenne. Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Mai 1851, S. 304. Mit einer Abbildung auf Tab. I. Duchenne's galvanischer Apparat mit doppeltem Strom für medicinische Zwecke. Die Physik hatte bisher noch keine Aufschlüsse gegeben über den Unterschied, welchen inducirte Ströme je nach der Verschiedenheit ihres Ursprunges darbieten. Durch die Bemühungen des Dr. Duchenne sind wir jetzt über ihre unterscheidenden Merkmale vom physiologischen Standpunkt aus unterrichtet. Nach ihm besitzt der direct von der galvanischen Batterie hergeleitete galvanische Strom eigenthümliche Merkmale; durch Lebensorgane geleitet, erzeugt er eine Empfindung von Wärme, welche bei Anwendung inducirter Ströme nicht beobachtet wird; am empfindlichsten zeigt sich diese Erscheinung an der Haut, wo sie von der einfachen Röthung bis zu tiefen und schmerzlichen Wunden sich steigern kann. Die chemische Wirkung des Stroms ist kräftig; deßhalb sollte er vorzugsweise da angewendet werden, wo es sich darum handelt, Blut in einer Arterie zu coaguliren, um irgend ein krankhaftes Erzeugniß zu zerstören oder die Beschaffenheit der Absonderungen an geschworenen Theilen zu ändern. Auf die Retina des Auges äußert er eine besondere Wirkung. An den Gesichtsmuskeln applicirt, wirkt er gewaltsam auf die Sehorgane, indem er Lichtblitze hervorbringt, welche eine sehr bedeutende Intensität annehmen können; dieses Phänomen äußert sich bei Strömen, welche kaum stark genug sind, um bei gesundem Zustande die Gesichtsmuskeln zusammenzuziehen; daher die Unmöglichkeit, sie bei gewissen Arten von Lähmung an diesem Körpertheil anzubringen. Die inducirten Ströme haben Eigenschaften, welche sie von andern Strömen unterscheiden; sie sind nothwendigerweise intermittirend, ihre chemische Wirkung ist schwach, und durch die Organe geleitet, äußern sie keinen wärmenden Einfluß. Sie sind somit nur anwendbar, wenn es nöthig ist, mit großer Intensität zu wirken, ohne eine Störung der Organe zu verursachen. Daher der Vortheil eines Apparates, bei welchem der directe Batteriestrom durch inducirte Ströme ersetzt wird. Diese sind daher auch zum Elektrisiren der Gesichtsmuskeln um so mehr vorzuziehen, als sie nur sehr schwach auf die Netzhaut des Auges wirken. Dr. Duchenne hat ferner nachgewiesen, daß inducirte Ströme ihrem Ursprunge gemäß verschiedene Eigenschaften besitzen. Der inducirte Strom der ersten Ordnung welcher in einem von dem Batteriestrom durchströmten Cylinder in dem Moment entsteht, wo der Strom unterbrochen oder wiederhergestellt wird, erzeugt eine starke Zusammenziehung der Muskeln, ohne jedoch auf die Empfindlichkeit der Haut einen Einfluß zu äußern. Das nämliche Resultat zeigt sich bei Anwendung eines inducirten Stroms, welcher in einem Inductionscylinder unter dem Einflusse eines Magnets erzeugt wird. Der inducirte Strom der zweiten Ordnung, welcher in einem zweiten Cylinder unter dem Einfluß des Stroms der ersten Ordnung entwickelt wird, charakterisirt sich durch eine ganz besondere Einwirkung auf die Sensibilität der Haut, und zwar in einem solchen Grade, daß er bei Personen, deren Haut sehr reizbar ist, nie angewendet werden sollte. Nachdem Dr. Duchenne in seiner Untersuchung über das Wesen und die Wirkungen galvanischer Ströme so weit vorgeschritten war, sah er ein, daß es bei der Anwendung der Elektricität für medicinische Zwecke wesentlich nöthig sey, die Stärke der Ströme nach der Empfindlichkeit des zu behandelnden Individuums genau ermitteln und reguliren zu können, weil sonst der Operirende Gefahr laufen würde von ihnen einen rohen und unwirksamen Gebrauch zu machen; ferner die Zeitintervalle zwischen den Strömen nach dem Zustande des Patienten einzurichten, indem kräftige Ströme, wenn sie allzurasch auf einander folgen, unerträglich, ja wegen der Angst die sie einflößen, gefährlich werden können, während Ströme von gleicher Kraft, aber bei Beobachtung der gehörigen Zwischenpausen, erträglich sind. Der galvanische Apparat sollte daher so construirt seyn, daß der Arzt im Stande ist, verschiedene Ströme anzuwenden, welche kräftig genug sind, um die tiefer gelegenen Muskeln zu durchdringen, die er aber zugleich zu mäßigen im Stande ist. Der Arzt sollte ferner continuirliche und intermittirende Ströme zu seiner Disposition haben, und die Intervalle der letzteren nach Belieben reguliren können; ferner sollte der Apparat während des Gebrauchs seine Aufmerksamkeit nicht allzusehr in Anspruch nehmen. Fig. 34 stellt Duchenne's galvanischen Apparat in perspectivischer Ansicht dar. A ist eine Schieblade mit der Batterie, welche, ähnlich der Bunsen'schen, aus Kohlen- und Zinkplatten besteht. Die Kohlenplatte B ist flach, ihre Mitte ausgehöhlt und mit gepulverten Kohks gefüllt. Die Zinkplatte G mit ihren rechtwinkelig aufgebogenen Rändern dient der Kohlenplatte B als eine Art Behälter. Die Seiten und der Boden der Schieblade sind durch Glas und Firniß gegen den Einfluß der Feuchtigkeit und des aus der Batterie entwickelten Gases geschützt. Zwei mit der Kohle und dem Zink im Contact befindliche Kupferstreifen D und E communiciren mit Platten, die in diejenige Abtheilung eingesetzt sind, welche die obere von der unteren Schieblade trennen. Der Kupferdraht, welcher den Strom der ersten Ordnung fortleitet, ist mit Seide übersponnen und spiralförmig um einen Cylinder von weichem Eisen gewunden. Die Enden dieses Drahtes stehen mit den Federn H, I und den beiden Knöpfen J, wovon jedoch nur einer in der Abbildung sichtbar ist, in Communication. Der gleichfalls mit Seide übersponnene Draht, welcher den Strom der zweiten Ordnung fortleitet, ist um den ersten Draht gewickelt und mit den beiden Knöpfen K verbunden, von denen jedoch nur der eine sichtbar ist. Der Graduator L der beiden Ströme ist an einen kupfernen Cylinder befestigt, welchen er veranlaßt sich dem die Drahte enthaltenden Cylinder zu nähern oder von ihm zu entfernen; er ist in 90 Millimeter getheilt. Der Apparat, welcher den Zweck hat, die Intensität des Stromes oder den Grad der Magnetisirung des weichen Eisens zu messen, besteht aus einem in der oberen Schieblade N enthaltenen Compaß M, dessen Blatt in vier Theile zu 90° getheilt ist. Der Commutator besteht aus einem beweglichen Stück weichen Eisens T und einer Platinschraube S, gegen welche das erstere vermittelst einer Feder V angedrückt wird. Ein Rad O mit vier Zähnen ist in dem unteren Theile der Schieblade N gelagert und wird durch Umdrehung der Kurbel P in Rotation gesetzt, wodurch die Zahne der Reihe nach mit der Feder Q in Berührung kommen. Wenn die Schiebladen geschlossen sind, so geht der Batteriestrom längs eines mit den Knöpfen der Feder Q verbundenen Drahtes, dann durch das Rad, so oft nämlich einer der Zahne mit der Feder Q in Berührung kommt, endlich durch einen zweiten gleichfalls mit den beiden Knöpfen verbundenen Draht nach der Schraube S. Die Behandlung des Apparates ist nun folgende. Wenn die Kohle frisch ist, so wird sie mit Salpetersäure getränkt, welche man langsam in die Centralöffnung gießt. Die Säure wird von den in der Höhlung enthaltenen gepulverten Kohks rasch absorbirt und vermöge der Capillarattraction in die Poren der Kohle eingesaugt. Zur Erhaltung der Kraft der Kohle träufelt man von Zeit zu Zeit Tropfen von Salpetersäure in die Centralöffnung. Die Kohlenplatte wird nun in den Zinkbehälter eingesetzt, in welchen man vorher einen oder zwei Eßlöffel voll einer Kochsalzlösung gegossen hat, um die Zinkoberfläche anzufeuchten und die Berührung zwischen ihr und der Kohle zu verhüten. Die Kupferplatte E kommt auf die Kohle zu liegen. Um sich von der Kraft des ursprünglichen Stroms zu überzeugen, zieht man die obere Schieblade heraus und stellt den Apparat so, daß die Compaßnadel quer zum Apparat steht. Mit Hülfe der Feder U drückt man das weiche Eisen des Commutators T gegen die Schraube S, und unterbricht die Ströme, indem man die Streifen H und I rechts oder links dreht. Die Nadel weicht alsdann je nach der Kraft des Stromes aus der Richtung des magnetischen Meridians ab. Soll der Strom intermittirend werden, so hebt man mit Hülfe des Zahnrades O den Streifen H in die Höhe und befestigt das weiche Eisen des Commutators T auf die oben beschriebene Weise; sodann setzt man die Kurbel P je nach Umständen in mehr oder minder rasche Umdrehung. Sollten die Unterbrechungen durch den Commutator erfolgen, so müssen der Contactstreifen und die Feder niedergehalten werden, worauf das weiche Eisen zwischen der Schraube S und dem Magnet des Cylinders oscillirt. Je intensiver der Strom ist, desto rascher und brillanter ist die Wirksamkeit des Commutators. Bei schwächer werdendem Strome wird die Schraube S dem weichen Eisen mehr genähert. Wenn der Graduator ganz in den Apparat hineingeschoben ist, so befinden sich die inducirten Ströme in dem Minimum ihrer Intensität. Um daher diese zu vermehren, braucht man nur den Graduator nach Millimetern oder Centimetern aus dem Apparat herauszuziehen. Um die Batterie nicht unnöthig zu schwächen, öffnet man, wenn der Apparat nicht gebraucht wird, die Kette, indem man den Contactstreifen in die Höhe hebt. Mit einer und derselben Lösung bleibt der Apparat zwölf Stunden lang wirksam. Nach geschehenem Gebrauch werden die Kohlen- und Zinkplatten sorgfältig gereinigt, getrocknet und mit zwischengelegtem Wachstaffet in die Schieblade gelegt. Wird der Apparat nur selten gebraucht, so ist es rathsam Kohle und Zink nicht mit einander in Berührung zu lassen. Bei Benützung eines Stromes der zweiten Ordnung bringt man die Leitungsdrähte mit den Knöpfen K in Verbindung; für den Strom der ersten Ordnung dienen die Knöpfe J. Die an den freien Enden dieser Drähte befestigten Erreger haben je nach dem Körpertheile, welcher dem galvanischen Strome ausgesetzt werden soll, die Form von Bürsten, Platten oder Metallcylindern.

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Tafel Tab. I
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