Titel: | Erinnerungen aus dem Krystallpalast und aus London; von Dr. Mohr. |
Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] |
Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. I., S. 1 |
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I.
Erinnerungen aus dem Krystallpalast und aus
London; von Dr. Mohr.
Abbildungen auf Tab.
I.
Mohr's Erinnerungen aus dem Krystallpalast und aus
London.
Einem forschenden Reisenden (inquisitive traveller, nach
der Eintheilung Sterne's in der sentimentalen Reise)
stießen im Krystallpalast so unendlich viele Gegenstände auf, welche seine
Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, daß er durch die Menge eher verwirrt als belehrt
wurde. Der Zweck des Besuchenden ist zu lernen, aber der Zweck des Ausstellenden ist
nicht zu belehren, sondern sich zu empfehlen, und seine Producte an den Mann zu
bringen. Aus diesem Widerspruch der Interessen entsteht für den Besuchenden eine
große Schwierigkeit. Die Wirkung der Maschine ist ihm mit großer Bereitwilligkeit
bloßgelegt, allein die Wirksamkeit möglichst verborgen. Für den Aussteller reicht es
hin zu zeigen was er leistet, aber nicht wie er es leistet. Der forschende Reisende
kann sich jedoch damit nicht begnügen, und er sucht durch Combinationen, zuweilen
durch unerlaubte Berührungen und kühne Griffe, seine Neugierde zu befriedigen. Wenn
dieß unbemerkt geschieht, so erreicht er zuweilen sein Ziel; im andern Falle zieht
er sich einen Constabler über den Hals. Für einen Liebhaber von Mechanik gibt es
nichts so verführerisches als der Handgriff einer Kurbel; sie ist ihm der Schlüssel
zu der ganzen Maschine. Dürfte er nur eine Secunde lang daran drehen, so würde er
sehen, welche Theile sich abwärts, welche aufwärts bewegen, welche sich einander
nähern, um welche Punkte die Drehung geschieht, wie durch das Zusammenwirken aller
Theile der Effect zu Stande kommt. Trotz aller Verbote, trotz aller Aufmerksamkeit
des sehr anständigen Aufsichtspersonals, trotz zahlloser Zettel „you are requested not to touch the goods“
werden solche Berührungen
der Maschinen dennoch gewagt und ausgeführt; und man verdankt ihnen einen Theil
seiner Beobachtungen.
An eine Berichterstattung über eine Ausstellung, deren sehr magerer Katalog einen
starken enggedruckten Octavband füllt, ist nicht zu denken. Die folgenden
Mittheilungen machen gar keine Ansprüche der Art, sondern sie sind nur flüchtige
Bemerkungen eines Flaneurs, der nichts voraus Bestimmtes sucht, aber alles aufnimmt
was er findet. Die Reihenfolge ist deßhalb auch ganz willkürlich.
1. Portland-Cement.
Daß von der wunderbaren Stärke und Zähigkeit des Portland-CementesHr. Prof. Schafhäutl
hat die Fabrication desselben im polytechn. Journal Bd. CXXII S. 203 ff.
beschrieben. Proben ausgestellt waren, erscheint sehr natürlich. Die
Ausstellung war aber auch in einer sehr ostensiblen Weise bewirkt. Ein Maaßstab, den
ich beständig bei mir trug, gab mir die Dimensionen, welche ich notirte. Die Maaße
sind preußische Fuß und Zolle. Ohne wirkliche Messungen kann man sich auf keinen
Bericht einlassen, weil die Dimensionen zuweilen so exorbitant sind, daß sie ohne
das Zeugniß des Maaßstabes keinen Glauben verdienen würden.
Zwölf Ziegelsteine waren mittelst ihrer flachen Seite durch Portland-Cement zu
einem parallelepipedischen Balken vereinigt. Fig. 18. Die Länge eines
Ziegels war 9 Zoll, die Dicke 2 1/2 Zoll, die Breite 3 3/4 Zoll. Die Fuge maß
demnach 33 1/4 Quadratzoll. Dieser Balken war hochkantig in eiserne Bande horizontal
gelegt, so daß 18 Zoll in der Mitte mit acht Fugen frei lagen. In der Mitte war mit
einem 2 Zoll breiten eisernen Bande eine Waagschale angehängt, auf welcher an
gußeisernen Masseln circa 8 bis 9 Centner lagen. Ein in
gleicher Art aus Ziegelsteinen gekitteter Balken war horizontal gelegt, und an einem
Ende festgeklemmt, das andere Ende schwebte in der Luft. Siebzehn Fugen waren so
ohne Unterstützung, und der ganze Stein schwebte frei mit einem Hebelarm von 4 Fuß
Länge an der letzten eingeklemmten Fuge gehalten.
Ein künstlich gegossener Stein von sehr schönem Korn hatte 9 Zoll Dicke und 12 und 19
Fuß Breite und Länge. Er stellte eine enorme Tischplatte vor.
Ebenso war ein gegossener Wassertrog von fast 1 Fuder Inhalt ausgestellt.
2. Durchgeschlagenes Eisen.
Einen Beweis von der ungeheuren Gewalt der englischen Maschinen, womit sie den
Widerstand der Materie bändigen, lieferten drei Stücke ausgeschlagenen Eisens, nebst
der Platte woraus sie gelocht waren.
Das größte dieser Stücke hatte einen Durchmesser von 8 Zoll und eine Höhe von 3 1/2
Zoll, und demnach einen Inhalt von 176 preußischen Kubikzollen. Nimmt man das spec.
Gewicht des Eisens zu 7,8 an, so gibt dieß das enorme Gewicht von 52,2 Pfd., welche
das eine ausgeschlagene Stück Eisen wog. Ich habe die Maaße gemessen und notirt, so
daß ich mich nicht auf das Gedächtniß zu verlassen habe; dessen aber erinnere ich
mich, daß ich das Gewicht des Stückes sogleich auf 50 Pfd. schätzte. Die eine Fläche
war eben, die andere rund ausgetrieben, die Seiten zackig, wie sie aus der
Puntschmaschine immer hervorgehen. – Hier will ich denn auch einer enormen
Kette erwähnen, die ich in Woolwich sah. Die Glieder
bestanden aus rundem Eisen ohne Querstück. Das Eisen hatte 5 Zoll Durchmesser, und
der leere Raum im Innern des Gliedes maß der Breite nach 10 Zoll, der Länge nach 27
Zoll. Ein Glied stellt demnach einen Eisencylinder von 5 Zoll Durchmesser und 57 1/2
Zoll Länge dar. Der Querschnitt mißt demnach 19,6 Quadratzoll und der Inhalt beträgt
1127 Kubikzoll. Da nun der Kubikzoll Eisen 9,5 Loth wiegt, so beträgt das Gewicht
einer shackle 334,2 Pfd. Hier erinnere ich mich, daß
Niemand in der Gesellschaft im Stande war, das letzte Glied der Kette zu heben. Die
Kette war lang, und ich bedaure nicht die Glieder gezählt zu haben. Hätten wir nicht
gesehen, daß die umhergehenden Schildwachen nicht größer als wir selbst waren, so
hätte man glauben mögen, man befände sich im Brobdignak oder im Lande der
Lästrygonen. Wozu man eine solche Kette gebraucht, weiß ich nicht anzugeben, da die
shackles an der Kette des größten Ankers in der
Ausstellung, welcher 102 Centner wog, nur 1 Fuß lang und von 2 1/2 Zoll dickem Eisen
waren. Ebenso kenne ich auch keinen Gebrauch der großen Lochmaschine, außer daß man
etwa die Löcher an den Platten einer Kettenbrücke in dieser Art herstellen
wollte.
Eine gußeiserne Röhre mit Muff war 14 Fuß lang und 3 Fuß 8 Zoll im Lichten weit.
3. Rodgers' kleinhandiger
Anker.
Außerhalb des Krystallpalastes, aber noch innerhalb des Gitters, waren die großen
Anker der königlichen Marine und des Hrn. Rodgers
ausgestellt; die Marineanker hatten runde Arme und runden Baum und enorm große
Schaufeln. Sie waren sehr schön gearbeitet. Der größte dieser Anker, von 101 Centner
und 53 Pfd. Gewicht, lag mit der einen Spitze auf einer gußeisernen Unterlage. Mit
der Spitze meines Regenschirms und ausgestrecktem Arm konnte ich die andere in der
Luft schwebende Spitze erreichen, was, wie ich nachher nachgemessen habe, 10 Fuß
beträgt. Der Schaft des Ankers war 12 Fuß lang, die Entfernung einer Spitze bis in
den Winkel des Schaftes und der Arme 5 Fuß.
Ein anderes Exemplar, diesem eben beschriebenen ganz ähnlich, wog 100 Cntr. und 56
Pfd. Die Breite der Schaufel betrug 27 Zoll, und die Höhe der Schaufel bis in die
Spitze des Ankers 3 Fuß.
Die Verfertiger dieser Anker heißen Brown, Lenox und Comp.
Dieselben erlitten aber, was ihre Form betrifft, eine entschiedene Niederlage gegen
die oben erwähnten kleinschaufeligen Anker von Rodgers.
Die damit angestellten Versuche, welche täglich wiederholt wurden, zeigten dieß aufs
evidenste. Es befand sich ebenfalls außerhalb des Krystallpalastes, dicht neben den
Ankern, ein hölzerner Trog von etwa 12 und 8 Fuß Länge und Breite und 2 Fuß Höhe.
Derselbe war mit Meersand und Wasser gefüllt, so daß er die natürlichen Verhältnisse
beim Ankern wiedergab.
Es waren zwei kleine Modelle gemacht, eines nach den Dimensionen des oben
beschriebenen Ankers der königl. Marine von 18 Unzen Gewicht, und ein anderes nach
dem darneben liegenden Anker von Rodgers, welcher 70
Cntr. wog, mit einem Gewichte von 14 Unzen. Das kleinere Gewicht war also zum
Nachtheil des Ankers von Rodgers. Beide Ankermodelle
wurden neben einander in den Trog geworfen, wobei die obere Schaufel noch über dem
Wasser sichtbar war. Die Anker waren durch einen langen Strick verbunden, der über
zwei Rollen ging, die auf einem hölzernen Triangel befestigt waren. Wurde die Spitze
dieses Triangels gezogen, so wurden beide Anker gleichmäßig und parallel
angezogen.
Bei dem ersten Anzupfen bohrte sich der Anker von Rodgers
in den Grund ein und blieb liegen; der rundarmige Anker kam vorwärts, und pflügte ordentlich den
Untergrund, indem man Sandhaufen bis über die Höhe des Wassers kommen sah. Der
rundarmige Anker war bereits durch den ganzen Trog durchgezogen, als der
kleinschaufelige von Rodgers kaum einige Fuß zurückgelegt
hatte. Er wurde nun allein an der Leine angezogen, wozu sichtbar eine große Gewalt
gehörte.
Darauf wurden noch fernere Versuche mit größeren Modellen ausgeführt. Das Modell nach
Rodgers wog 18 Pfund, das andere 23 Pfund. Das
Heranziehen geschah mit einem Göpel, dessen Achse horizontal lag, an Hebelarmen von
2 1/2 Fuß Länge. Die eiserne Achse, worauf sich die Kette aufwickelte, welche die
Rollenvorrichtung zog, war 2 1/2 Zoll im Durchmesser. Gleich beim ersten Anziehen
bewegte sich der schwere Anker vorwärts und der leichte von Rodgers blieb liegen. Nachdem der erste die Hälfte des Troges erreicht
hatte, wurde ihm ein Gewicht von 14 Pfd. aufgehangen, so daß er nun mit 37 Pfd.
lastete, während der besser geformte Anker weniger als die Hälfte wog. Trotz alledem
bewegte sich der schwere Anker allein vorwärts und erreichte das andere Ende des
Troges, ehe der Anker von Rodgers einige Fuße
zurückgelegt hatte. Nun wurde der schwere Anker losgelöst und der Anker von Rodgers allein angezogen. Allein weder die zwei Mann an
der Welle, noch die der Maschine selbst waren dazu stark genug. Beim stärksten
Anstrengen der Leute bog sich die Welle um mehrere Zolle aus ihrer geraden Linie,
ohne daß der Anker sich bewegte. Bei größerer Gewalt würde die Achse eher gebrochen
seyn, als der Anker sich bewegt haben. Diese Modellanker hatten etwa 1 1/2 Fuß Baum,
und 8 bis 9 Zoll lange Arme.
Nach Beobachtung dieser auffallenden Thatsachen legte man sich unwillkürlich die
Frage vor, aus welchem Grunde der eine Anker ein so entschiedenes Uebergewicht über
den andern schwereren hatte. Dieß ließ sich aus der Form genügend erklären. Wir
wollen zunächst eine Beschreibung des verbesserten Ankers geben, wobei wir uns auf
die beigegebenen Abbildungen beziehen.
Fig. 1
Seitenansicht des Ankers.
Fig. 2 Ansicht
von oben.
Fig. 3 Ansicht
der Ankerkrone von hinten, Arme und Schaufeln.
Fig. 4 und
5
Durchschnitte des Schaftes an den punktirten Linien.
Fig. 6 und
7
Seitenansicht vom Ende des Schaftes mit Ankerstockschlüssel und Schlüsselloch.
Fig. 8 der
Ankerstock an der flachen Seite.
Fig. 9 und
10
Querschnitte des Ankerstocks an den punktirten Linien.
Fig. 11
Ansicht des Ankerstockriegels.
Fig. 12
Vorderansicht von Arm und Hand des Ankers.
Fig. 13
Querschnitt der Hand (oder Schaufel) an der punktirten Linie in Fig. 1.
Fig. 14 und
15
Querschnitte des Arms an den punktirten Linien in Fig. 1.
Fig. 16
Vorderansicht der Patentschaufel und des Arms vor der Biegung.
Fig. 17
Vorderansicht einer gewöhnlichen Ankerschaufel, wie sie für einen gleich schweren
Anker im Gebrauch ist.
Vor allem scheint die Unwirksamkeit der großen Ankerschaufel ihrer auflockernden
Wirkung auf den Grund zugeschrieben werden zu müssen, und dem Uebelstande, daß sie
einen „Schuh“ bekömmt, wodurch sie aus dem Grunde steigt, und
man kann nicht darauf zählen, daß der Anker von neuem fasse. Man muß also einen
zweiten Anker gehen lassen, während man sehr wohl vor einem liegen könnte.
Die kleine Schaufel stört dagegen nicht der Grund, welcher im Gegentheile frei
darüber weggeht. Dieß muß dem Umstande zugeschrieben werden, daß er einen viel
günstigem Winkel mit dem Widerstand leistenden Medium macht, wodurch der Anker nur
um so leichter tief eindringt. Ein Schiff wird deßhalb nie mit dem kleinschaufeligen
Anker fortlaufen, wenn es auch zu kurz vor Anker liegt.
Aus Fig. 14
und 15 sieht
man, daß der Querschnitt der Arme die Gestalt eines Keiles hat; die innere Seite ist
dünner als die äußere. Der Zweck dieser Einrichtung ist, jede Auflockerung des
Grundes vor dem Arme zu vermeiden, und den Seitendruck gegen die Arme zu vermehren.
Die Ecken sind deßhalb auch immer mehr weggenommen als außen, indem es durch directe
Versuche nachgewiesen wurde, daß der Grund mit seiner schäumigen Elasticität dennoch
sich hinter dem Ankerarm wieder vollkommen schließt, während die breitschaufeligen
Anker eine breite Furche hinter sich lassen, welche dem Anker gar keinen Halt
bietet. Ebenso ist einleuchtend, daß wenn ein Arm von ovalem oder rundem Querschnitt
durch den Boden gezogen wird, aller Seitendruck hinter der Mitte, wo der Kreis den
größten Durchmesser hat, aufhört, während er bei dem verbesserten Anker bis an das
hintere Ende des Armes fortdauert. Da der flache keilförmige Ankerarm eine
bedeutende Ausdehnung seitwärts hat, so drückt er eine große Masse Erde gleichzeitig
zur Seite, weßhalb also nicht nur die vor der Schaufel und dem Arm liegende Erde,
sondern auch die viel größere Masse der seitwärts liegenden hemmend wirkt. Bei einem runden
Querschnitt des Ankerarmes wird die Erde aber nicht seitwärts gedrängt, weil ein
Halbkreis zu wenig keilförmig wirkt, dagegen steigt sie vor dem Arme in die Höhe und
hebt oft den Schaft aus dem Grunde aus. Die hervorragende Wölbung eines runden Armes
ist nur eine schmale Linie; es wird also beim Ziehen des Ankers nur jedesmal wenig
Erde auf die Seite gedrückt. Ferner gibt die flache keilförmige Gestalt des
Querschnittes bei gleich viel Eisen eine viel größere Stärke als die runde, und
endlich sichert sie eine solidere Arbeit. Rund geschmiedetes Eisen wird leicht in
der Mitte unganz, flach geschmiedetes aber nie. Die gewöhnliche Schaufel ist flach,
die verbesserte aber stellt einen sehr stumpfen Keil dar.
Endlich ist auch bei der kleinen Schaufel das Centrum des Widerstandes weit tiefer im
Grunde, welches ein entschiedener Vorzug ist. Der breiteste Theil der Schaufel ist
bei dem verbesserten Anker tiefer im Boden, als bei dem gewöhnlichen die Spitze. Aus
dieser Ursache gräbt sich ersterer bei starkem Zuge in den Grund ein, der letztere
hebt sich, weil der Grund nach oben nachgibt, wo er einen geringen Druck von der
darüber liegenden Erde zu ertragen hat. Ferner ist auch die Reibung auf der
Rückseite der Schaufel nach ihrer eigenthümlichen Form bei dem neuen Anker sehr
bedeutend, indem darauf das ganze Gewicht des Ankers ruht und das Bestreben der
Schaufel noch tiefer zu dringen dieß wesentlich vermehrt.
Man ersieht aus diesen wenigen Andeutungen, daß der verbesserte Anker mit großer
Ueberlegung und vollständiger Sachkenntniß construirt ist, und daß auch unsere
Ankerschmiede daraus einen wesentlichen Nutzen ziehen können.
4. Ein Scharnier zu einer nach beiden
Seiten aufgehenden Thür.
Dieses Scharnier war eigentlich nicht ausgestellt, sondern befand sich an der Thüre,
welche in eines der refreshment rooms führte, ein für
die Besucher der Ausstellung ebenfalls interessanter Ort. Es hat zwei Splinte, um
welche sich die Thüre bewegen kann, und besteht aus drei Platten. Die beiden äußeren
sind an die Hochkante der Thüre und der Wand angeschraubt, die mittlere ist frei und
legt sich bald an die Thüre, bald an die Wand an.
Fig. 19 zeigt
Thüre und Wand im Durchschnitt wenn die Thüre geschlossen ist.
Fig. 20 zeigt
die Angel auseinander gezogen, um ihre Beschaffenheit zu erkennen. In diese Stellung
kann die Angel theils durch das Gewicht der Thüre selbst, theils durch das
Zuggewicht, welches die Thüre immer wieder zuzieht, nicht kommen.
Fig. 21 zeigt
die Thüre nach der einen,
Fig. 22 nach
der andern Seite geöffnet.
Im ersten Falle geschieht die Drehung um die Angel a, im
zweiten um die Angel b in Fig. 20. Diese so
einfache Vorrichtung bietet mehrere ganz entschiedene Vortheile dar. Wie man aus
Fig. 23
ersieht, kann man die Thüre nach beiden Seiten hin ganz flach auf die Wand legen,
diese macht also eine Bewegung von einem vollen Kreis. Sodann kann man den Spalt
zwischen Thür und Wand, welcher bei ähnlichen Thüren anderer Construction
durchsichtig ist, durch Nuth und Feder verschließen, die bloß an den beiden
Scharnieren unterbrochen werden, wo aber der Schluß durch das mittlere Band bewirkt
ist. Beim Oeffnen der Thüre hebt sich die Feder aus der Nuth heraus, weil der
Drehpunkt nicht in der Mittellinie der Thüre liegt, sondern in den beiden
Oberflächen.
5. Brennspiegel zum Braten.
In England wird noch vieles Fleisch an der strahlenden Hitze brennender Kohks
geröstet. Der äußere Theil des Bratens wird nun nicht von den Wärmestrahlen
getroffen, weil er im Wärmeschatten sich befindet; dagegen ist die Umgebung des
Ofens wegen dieser strahlenden Wärme unerträglich heiß. Beide Uebelstände werden
durch dasselbe Mittel gehoben. Der Erfinder stellt einen Brennspiegel von
getriebenem Metall und kurzer Brennweite hinter dem Braten auf. Dieser fängt die an
dem Braten vorbeigehenden Strahlen auf und wirft sie auf die dem Feuer abgewendete
Seite des Bratens, der dadurch „zwischen zwei Feuern“ steht.
Die Operation geht dadurch viel geschwinder, weil der Braten sich an der dunkeln
Seite nicht nur nicht abkühlt, sondern noch gewärmt wird.
6. Glas zu chemischen
Präparaten.
Dieses Glas steht auf seinem Stopfen, der einen breiten Fuß hat. Oben ist es
kugelrund geschlossen, wodurch die Gegenstände klar erscheinen, weil keine Brechung
durch die unregelmäßige Form des Halses stattfindet. Die Reibung des Stopfens ist so
groß, daß er beim Aufheben des Glases nicht herausfällt. Der Hauptdruck der
Gegenstände fällt ohnehin nicht auf den Stopfen, sondern auf die schiefen Wände der
Flasche. Siehe Fig.
24.
7. Stiefelzieher auf Reisen.
Dieser sehr compendiöse Stiefelzieher (Fig. 25) besteht aus zwei
Hälften, die durch zwei Scharniere verbunden sind. Die Füße sind Zapfen von der
Dicke des Holzes, welche an der unteren Seite hervorragen. Diese Zapfen stehen nicht
genau gegen einander über, sondern sind um ihre ganze Breite ausgewechselt. Jedem
Zapfen gegenüber ist ein Einschnitt, welcher denselben beim Zusammenlegen aufnimmt.
Wenn die beiden Hälften durch Scharniere verbunden sind, werden sie auf einander
gelegt, und dann der Ausschnitt von der doppelten Breite des Zapfens zugleich aus
beiden Theilen herausgenommen, dann werden die Zapfen neben einander in den
Ausschnitt gelegt und abwechselnd, wie aus Fig. 26 ersichtlich,
angeschraubt.
8. Zusammenlegbarer
Gartenstuhl.
Einen sehr sinnreich construirten Gartenstuhl sah ich im Sionhaus, dem fürstlichen
Landsitze des Herzogs von Northumberland. Derselbe ist in Fig. 27 im Querschnitt
dargestellt. Zwei Rahmen bewegen sich nach Anleitung der Zeichnung durcheinander,
und sind an ihrem Kreuzungspunkte durch Stifte verbunden, um welche die Drehung
geschieht. Die Rahmen sind, am Sitze der eine, im Rücken der andere, mit glatten
Querlatten verbunden, welche in die Holzdicke der Rahmen eingeschraubt sind. Leim
ist wegen des Regens vermieden. Die Querlatten geben den Rahmen Stärke und Haltung.
An den Enden sind stärkere Latten oder Rundstäbe zwischen angebracht. Zwei
hervorragende aufgeschraubte Latten a und b verhindern, daß der Stuhl nicht tiefer als bis zur
Gestalt eines Sitzes zusammensinken könne. Fig. 28 zeigt den Stuhl
zusammengeschlagen.
Eine sehr zweckmäßig construirte Gartenbank fand sich im
Parke desselben Landsitzes. Siehe Fig. 29, 30 und 31. – Fig. 29 zeigt
sie von vorne gesehen. Die beiden Füße links tragen Rollen a,
a, die auf einer durchgehenden Achse von Rundeisen befestigt sind, und sich
mit dieser drehen. Rechts sind zwei Handgriffe b, woran
man die Bank leicht heben
und verschieben kann, um nach Bedürfniß im Freien Schatten und Kühlung zu suchen.
Die Rücklehne ist massiv und besteht aus einer senkrechten Rückwand und einer
horizontal in der Ebene des Sitzes liegenden Wand. Die Rückwand legt sich um das
Scharnier c auf den Sitz nieder, wodurch sich ein
Spitzdach über dem Sitze bildet. Beim Verlassen der Bank legt man die Rücklehne auf
den Sitz um. Es hat dieß den Vortheil, daß man nach dem Regen einen trockenen,
nachdem Sonnenschein einen nicht heißen, in allen Fällen aber einen nicht von Staub,
abgefallenen Blättern, Raupen beschmutzten Sitz findet. Das ist Cultur.
Fig. 32 zeigt
die Construction eines Sessels, dem man jede beliebige
Neigung geben kann, wie dieß aus der Zeichnung ohne weitere Erklärung sichtbar ist.
Ein Wellington, um die Füße zu tragen, ist an Stricken getragen, die mit Knoten in
eine Gabel eingreifen, welche auf beiden Seiten der Rücklehne angebracht ist. Sehr
wohlfeil und comfortabel.
9. Liebig's Welt in einem
Glase.
Was mag wohl unter diesem Titel zu verstehen seyn? Der geehrte Leser wird nach
wenigen Augenblicken darüber klar seyn. Bei einem Besuche der Apothekershalle zeigte
mir Hr. Warrington, der technische Chef dieses großen
Etablissements, in seinen Wohnzimmern einen großen aus Glasplatten zusammengesetzten
Behälter, in welchem sich in Wasser folgende Gegenstände befanden: Am Boden
Bruchstücke von Felsen und Flußsand, darin die Vallisneria
spiralis wachsend, in dem Wasser vier bis fünf Stachelfische und an den
Wänden einige Wasserschnecken. Diese Wesen leben bereits seit vier Jahren in
demselben Wasser, welches vollkommen klar und rein ist, und zwar lebt eines von dem
andern. Es wiederholen sich darin die Lebensprocesse und die Erscheinungen, welche
Liebig zuerst mit der ihm eigenen Bestimmtheit und
Schärfe für die Oekonomie der lebenden Reiche auf der Erde erkannt und dargestellt
hat. Nur im Zusammenhange bieten dieselben dem Geiste diejenige Befriedigung, welche
eine volle gewonnene Erkenntniß verschafft.
Zunächst also zersetzt die Vallisneria unter dem
Einflusse von Licht und Wärme die im Wasser befindliche Kohlensäure und Ammoniak,
scheidet Sauerstoff aus, und assimilirt das Ammoniak in Form von Pflanzeneiweiß. Die
Fische und Schnecken athmen den Sauerstoff ein, und athmen Kohlensäure aus, ihre
verbrauchten Körpertheile geben Ammoniak. Die Schnecken leben von den abgängigen Pflanzentheilen, und
sie legen Eier. Die Stachelfische verzehren diese Eier, sobald sie anfangen Leben zu
zeigen. Wir haben also in diesem Behälter eine Flüssigkeit welche die Atmosphäre
vorstellt, oder das Meer, was dieselben Bestandtheile wie die Atmosphäre neben
andern Stoffen enthält. Die Flüssigkeit hat einen bestimmten Stock an Capital von
Kohlensäure und Ammoniak, welcher sich, nachdem die Thiere und Pflanzen eine Zeit
lang darin gelebt haben, weder vermehrt noch vermindert. Nur die Pflanzen vermehren
sich, weil sie an der Oberfläche des Wassers einen beständigen Zuwachs an
atmosphärischer Kohlensäure erhalten. Es müssen deßhalb von Zeit zu Zeit einige
Pflanzen ausgerissen und entfernt werden. Wir haben ferner ein pflanzenfressendes
Thier, die Schnecke, und ein fleischfressendes, den Stachelfisch. Diese kleine
Wirtschaft bleibt, bei Anwesenheit von Licht und Wärme, in der schönsten Ordnung,
indem jedes von dem ihm von der Natur angewiesenen Stoffe lebt, und nothwendig
dasjenige erzeugt, was dem andern Wesen zum Leben unentbehrlich ist.
In einem großen Schwefelsäure-Ballon, woran der Hals abgesprengt war, hatte
Hr. Warrington Pflanzen, Vallisneria, Moose, Goldfische und Schnecken. Das Wasser war klar, wie
kein anderes in London, und auch diese kleine Oekonomie lebte schon mehrere Jahre
ohne frisches Wasser, meistens bei bedecktem Ballon. Der Luftzutritt ist
entbehrlich, weil die Pflanzen den Sauerstoff erzeugen, und dieser ohne Verlust von
dem Wasser absorbirt wird. Man kann sich nun leicht erklären, warum Goldfische so
häufig in den Glasgefäßen absterben, besonders wenn sie reichlich mit Oblaten
gefüttert werden. Ihr beständiges Schwimmen an der Oberfläche, wenn das Wasser alt
wird, zeigt, daß es ihnen an Sauerstoff fehlt. Eine Vegetation von Pflanzen würde
diesem Uebel abhelfen. Anfänglich hatte Hr. Warrington
keine Wasserschnecken in der Wirtschaft. Da stellte sich heraus, daß die abgelebten
Pflanzentheile nicht weggeschafft wurden und sich anhäuften. Nachdem das
pflanzenfressende Thier aufgenommen war, blieb alles in der vollkommensten
Ordnung.
10. Der
Saturnusring-Apparat.
Man sehe Fig.
33, a. Ein kleines in einem Kloben befestigtes
Rädchen trägt unten einen Haken, an dem eine Schnur von drei bis vier Fuß Länge, an
welcher selbst eine rund geschlossene Kette von 1 1/2 bis zwei Fuß Umfang hängt. Das
Rädchen wird durch ein größeres Rad in Drehung gesetzt, dieses letztere mit der
Hand. Man fängt anfangs langsam an, damit die Schnur keine Drehung erhält, was wegen der Masse der Kette
geschehen könnte. Die Kette nimmt an der Drehung Theil und spreizt sich mit
zunehmender Drehungsgeschwindigkeit auseinander, wie Fig. 33, b und c zeigen. Nun aber
geräth der noch senkrecht hängende Faden aus der Verticalen heraus und das untere
Ende der Kette fängt an sich zu heben (d). Dieses nimmt
immer zu (e und f), wobei
man noch die Stelle, wo die Kette an dem Faden hängt, als eine hinaufgezogene Spitze
erblickt. Endlich aber nimmt die Kette die Gestalt eines horizontal schwingenden
Kreises an, ohne alle Einbiegung an der Anheftungsstelle des Fadens. Diese schwingt
in einem Kegelmantel. Nun beschleunigt man die Drehung nicht mehr, sondern hält sie
gleichmäßig an, so lange man die Erscheinung beobachten will. Läßt man die Drehung
wieder langsam sinken, so geht der Kreis rückwärts durch alle Phasen in die ruhende
Länge über.
Man kann diesen Apparat mit Recht einen Saturnusring-Apparat nennen, weil
ähnliche Verhältnisse wie bei dem Ringe dieses Planeten obwalten. Die
Centrifugalkraft wird durch die Drehung gegeben. Die Cohäsion der Kettenglieder
ersetzt die Attraction des Saturnus auf seinen Ring. Ein System frei beweglicher
Körper, wie die Kettenglieder sind, ordnet sich durch die Drehung freiwillig zur
Gestalt eines Ringes, dessen Rotationsebene, wie beim Saturn, senkrecht auf die
Richtung der Attraction der Schwere geht.
Statt der Kette kann man einen massiven Drahtring nehmen. Auch dieser kommt zuletzt
in eine horizontale Lage.
11. Compendiöse Dampfmaschine auf dem
Soho.
Dieses Schiff, welches zwischen London und Antwerpen fährt, hat eine sehr sinnreich
eingerichtete Dampfmaschine, welche die Vorzüge der feststehenden Cylinder mit der
Raumersparniß der schwingenden vereinigt. Fig. 34, 35 und 36. Seitlich an dem
feststehenden Cylinder sind Coulissen angebracht, welche massive Glitscher
aufnehmen. Die Kolbenstange, die senkrecht aus dem Cylinder kommt, hat einen starken
Querbaum (Creuset) und zwei senkrecht hinabgehende Arme, welche fest mit dem
Glitscher verbunden sind. Dieser letztere trägt starke Zapfen, um welche die Löcher
der hinaufgehenden Bleuelstangen schwingen. Diese doppelt vorhandenen Stangen haben
selbst wieder einen Querbaum, der mit einem kurzen Ansatz in die Kurbel eingreift.
Der unterste Punkt des
Kurbelkreises ist also hier nur um weniges von dem Ende der ausgestreckten
Kolbenstange, wie bei dem schwingenden Cylinder entfernt. Dieß rührt daher, daß die
Anfänge der Bleuelstangen um die ganze Höhe des Kolbenhubes durch die
Coulissenvorrichtung hinabgelegt sind.
12. Incubus, incubus, tritt hervor und mach' den Schluß.
In den Surrey zoological gardens war eine Brütmaschine
oder Incubator, hatching machine in Thätigkeit. Sie
stellte ein elegantes Möbel vor, von der Gestalt eines Bücherschrankes, der nach
beiden Seiten Fenster hat. In der Mitte des Schrankes läuft ein eben so hohes und
breites Gefäß aus Kupfer oder Zink in die Höhe, von etwa zwei Zoll Dicke. Unten hat
es eine Erweiterung, Fig. 37, und einen leeren
Canal worin die Gasflammen brennen. An diesem Gefäße sind die Lager für die Eier
angebracht, rund gebogene mit Sammet bekleidete Blechrinnen.
Der Schrank ist aus polirtem Holz gearbeitet, hat vorn und hinten zwei Glasfenster
und schöne rothe Gardinen unter dem Glase, vielleicht bequemer über dem Glase. Das
Ganze steht auf einem Tische. Die Temperatur ist, wie bekannt 30–32°
R. Thermometer sind im Wasser und im Luftraume angebracht. Wo man kein Gas hat,
würden Oellichte oder Spiritusflammen dieselbe Wirkung hervorbringen. Die große
Menge Wasser dient als Regulator, um kleine Unregelmäßigkeiten in der Heizung
weniger fühlbar zu machen. Die Lichter können oft sechs Stunden ausgegangen seyn,
ohne daß die Operation dadurch verunglückt. Sehr nothwendig ist wohl eine
Wassercirculation in dem Gefäße. Der Mensch, welcher den Incubator bediente, war so
einfältig, daß man von ihm darüber nichts erfahren konnte, als daß man fertige
Maschinen für 10 Pfund Sterling haben könne. Fig. 39 zeigt eine
einfache Einrichtung um einen solchen Wasserstrom im Gefäße hervorzubringen. Eine
Metallscheidewand m, n, o nöthigt das warme Wasser in
die Höhe und wieder hinabzusteigen. Dadurch wird überall eine gleichmäßige
Temperatur hervorgebracht.
Noch ist zu bemerken, daß man täglich jedes Ei um eine Vierteldrehung wenden müsse.
Dieß geschieht, da die Eier, wie Fig. 38 zeigt, quer
liegen, einfach dadurch, daß man mit dem Finger oben auf das Ei drückt und es nach
vornen herumzieht. Wegen der hohlen Gestalt der Lager fällt dabei kein Ei heraus.
Eine sehr kleine Brütmaschine reicht für 400 Eier hin, und daß man eine solche für
weniger als 10 Pfd. Sterl. herstellen könne, ist wohl auch klar. Es wurden täglich
Eier eingelegt und täglich ja stündlich krochen Hühnchen aus. Man sah die Schale in
allen Stadien des Durchbrechens und sah die Hühnchen, welche schon durchgepickt
hatten, aus dem Eie wie aus dem Fenster herausgucken.Eine Anleitung zum Ausbrüten der Eier durch Lampenwärme hat in Frankreich Hr.
Bir veröffentlicht, polytechn. Journal Bd. CI S. 57; in der neuesten Zeit
ließ sich Cantelo einen Apparat dazu für England
patentiren, Bd CII S. 76. – Kemp hat ein
selbstthätiges Instrument zum Reguliren der Temperatur beim Erwärmen eines
Wasserbades mittelst eines Gasbrenners construirt, polytechn. Journal Bd. CXVII S. 352; man kann es auch in
den Behälter der auszubrütenden Eier bringen und so die Anwendung heißen
Wassers ganz ersparen.A. d. Red.