Titel: | Versuche über das Trocknen der Oelanstriche; von Hrn. Chevreul. |
Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. XII., S. 55 |
Download: | XML |
XII.
Versuche über das Trocknen der Oelanstriche; von
Hrn. Chevreul.
Aus dem Journal de Pharmacie, Octbr. 1851, S.
291.
Chevreul's Versuche über das Trocknen der Oelanstriche.
Durch das Anstreichen mit Oelfarben bezweckt man der Oberfläche eines Gegenstandes
eine andere Farbe zu geben, als er hat; überdieß besitzt dieser Anstrich die
Eigenschaft, den Gegenstand besser zu conserviren, indem er ihn vor der Luft, vor
Staub und vor der Berührung mit fetten Körpern schützt.
Das Gemisch, welches man Oelfarbe nennt, besteht,
abgesehen von den Farbstoffen, aus drei Substanzen: dem Bleiweiß, dem Oel und dem
Trocknenmittel. Das Bleiweiß ist für das Oel, was die Mineralsubstanz der Knochen
für ihren thierischen Theil ist; jenes ist der Körper, dieses das Bindemittel.
Eine gute Oelfarbe muß drei Bedingungen erfüllen: sie muß flüssig genug seyn, um sich
unter dem Pinsel verbreiten zu können, aber doch dick (klebrig) genug, um den
Oberflächen so anzuhangen, daß sie nicht ablauft, wenn diese Oberflächen geneigt
oder sogar senkrecht gestellt werden, und auch damit der Anstrich die ihm vom Maler
gegebene Dicke gleichmäßig beibehält; zweitens muß sie nach dem Auftragen fest
werden; drittens muß sie, nachdem sie fest geworden, der Oberfläche, worauf sie sich
befindet, fest anhaften.
Die erste Bedingung kann vom Maler immer erfüllt werden; das Probiren allein muß ihn
beim Zubereiten einer für seine Arbeit hinreichend flüssigen Pasta leiten, umsomehr
als der Flüssigkeitsgrad für jede Farbe und auch nach der Art der Arbeit verschieden
seyn muß.
Gleichwohl gibt ein Mehr oder Weniger in der Dicke der Farbe verschiedene Resultate.
Da das Festwerden des Oels nur sehr langsam vor sich geht, so gestattet die
Veränderung ihres Zustandes den Oel-Molecülen, sich symmetrisch anzuordnen,
wodurch sie durchsichtig würden, wenn sich nicht undurchsichtige Molecüle zwischen
ihnen befänden, daher, wenn letztere vorherrschen, der Anstrich matt erscheint; wenn
dieselben aber nicht vorherrschen, so ist die Anordnung eine solche, daß die
Oberfläche des Anstrichs glänzend, sogar stark glänzend erscheint, in Folge des von
dem trocken gewordenen Oel spiegelartig zurückgeworfenen Lichtes.
Die zweite Bedingung, daß die flüssig aufgetragene Anstreichfarbe fest werde, ist
eben so wesentlich wie die erste. Die Erscheinung des Festwerdens des Oelanstrichs
war hauptsächlich der Gegenstand dieser Untersuchungen.
Die Oele, welche der Maler anwendet, sind die sogenannten trocknenden, meistens das
Mohnöl und das Leinöl. Diese Oele haben die Eigenschaft, Sauerstoff aus der
Atmosphäre zu absorbiren, und sich von selbst in einen festen Körper zu verwandeln,
also an der Luft auszutrocknen, wie man sich auszudrücken
pflegt, was aber, beiläufig gesagt, unrichtig ist, weil die Farbe nicht durch Verlust von Wasser, sondern durch Absorption von Sauerstoff trocknet.
Die trocknenden Oele, das Leinöl, welches man mit Bleioxyd (Bleiglätte) oder
Mangansuperoxyd (Braunstein) kocht, werden dick, braun, und erlangen die
Eigenschaft, leichter in festen Zustand überzugehen, indem sie den Sauerstoff der
Atmosphäre schneller absorbiren. Man hat diesen Präparaten den Namen Firnisse oder Trocknenmittel (siccatifs) gegeben. Bei einem Versuche von Chevreul trocknete ein dreifacher Anstrich von Leinölfirniß in 7 Tagen,
während Leinöl erst in 46 Tagen trocknete.
Die Maler setzen ihrer Farbe in allen den Fällen Firniß zu, wo das Trocknen
beschleunigt werden soll, also, wenn der von ihnen auf Holz, Stein oder Metall
aufgetragene Anstrich in 42 oder höchstens 72 Stunden nach dem Festwerden nicht
vollkommen trocken seyn würde.
Merkwürdig ist daß, wie Hr. Chevreul fand, die sogenannten
Firnisse, welche wirklich schneller trocknen als die einfachen Oele, doch nicht so
schnell trocknen wie eine Mischung von ihnen und eben diesen einfachen Oelen, so
zwar, daß z.B. das Leinöl selbst das Trocknenmittel für das mit Bleiglätte gekochte
Oel (den Leinölfirniß) ist. Die Sauerstoff-Absorption betrug bei Chevreul's Versuch durch ein Gemisch von Oel und
Trocknenmittel 4 1/2 mal so viel als durch das bloße Trocknenmittel. Auch ist das
beste Trocknenmittel ein Gemisch von Oel und mit Bleiglätte gekochtem Oel, oder auch
Oel, welches man nur drei Stunden lang mit 10 bis 15 Procent Braunstein der Wärme
aussetzte; noch besser als der gewöhnliche Leinölfirniß ist für das Gemisch das bloß
der Luft und dem Licht ausgesetzte Leinöl, welches Product farblos ist.
Das Austrocknen des Oels wird durch den Zusatz des Trocknenmittels befördert, sowie
auch durch die Einwirkung der Wärme und des Lichts; es hängt überdieß von der Natur
der der Farbe einverleibten Substanzen ab, und ist selbst je nach der Oberfläche,
auf welcher der Anstrich aufliegt, verschieden. Das die Grundlage der Anstreichfarbe
bildende Weiß ist gewöhnlich Bleiweiß, kann aber auch Zinkweiß seyn; beide haben zum
Oel ein verschiedenes Verhalten. Das Bleiweiß beschleunigt das Auftrocknen des Oels
sehr, so zwar, daß man mit gewöhnlichem Leinöl und Bleiweiß, ohne Anwendung eines
Trocknenmittels, anstreichen kann. Das Zinkweiß besitzt diese Eigenschaft nur in
schwachem Grade; sie kann jedoch dadurch etwas erhöht werden, daß man den Zinkblumen
auf nassem Wege bereitetes kohlensaures Zink zusetzt. Ist aber das Trocknenmittel
vorhanden, so trocknen beide Anstriche in kürzerer Zeit.
Ein mit einer Mischung von 12,25 Leinöl und 40,0 Bleiweiß gemachter Anstrich
erforderte eilf Stunden zum vollkommenen Austrocknen dreier nacheinander
aufgetragener Schichten. Eine Mischung von 36,55 Leinöl und 40,0 Zinkoxyd trocknete in 75 Stunden.
Eine Mischung von 16,66 Leinöl, 4,60 Trocknenmittel und 40,0 Bleiweiß erforderte
zehn Stunden, und eine Mischung von 37,95 Oel, 7,30 Trocknenmittel und 40,0 Zinkoxyd
nur 16 Stunden.
Der Einfluß der Oberfläche ist sehr merkwürdig; gewisse Oberflächen scheinen sich dem
Trocknen zu widersetzen, andere beschleunigen es.
Leinöl, welches bei Versuchen, die im Monat Mai 1850 angestellt wurden, auf Messing,
Zink, Eisen, Porzellan und Glas aufgetragen, zwölf bis dreizehn Tage zum Trocknen
brauchte, erforderte auf Pappelholz vierunddreißig Tage, und auf Blei nur acht Tage.
Bei dem Anstrich auf Blei zeigte sich die sonderbare Erscheinung, daß dem Oel
zugesetztes Bleiweiß das Austrocknen nicht beschleunigte, und daß der Anstrich mit
Zinkweiß schneller austrocknete als derjenige mit Bleiweiß.
Ein auf einen alten Anstrich oder auf eine erste, schon getrocknete Schicht
aufgetragener neuer Anstrich trocknet schneller als auf jeder andern Oberfläche; der
alte oder erste Anstrich dient hierbei dem Oel als absorbirender Körper, während er
ihm zugleich ein Trocknenmittel liefert. Auf diese Weise gleichen sich manchmal
Resultate, die bei einer ersten Schicht sehr von einander abweichen, bei der
zweiten, besonders aber bei der dritten Schicht wieder aus, manchmal folgen sich die
Resultate sogar im umgekehrten Sinne.
Als erste Schicht auf Blei aufgetragen trocknet eine Mischung von Oel und Zinkweiß
schneller als eine Mischung von Oel und Bleiweiß; als zweite Schicht ist es hingegen
die Mischung von Oel und Zinkweiß welche am langsamsten trocknet.
Wie man also steht, kann ein Körper unter verschiedenen Umständen trocknend oder als
die Trocknung hindernd wirken, und der Unterschied in der Temperatur oder im
Vorhandenseyn oder Nichtvorhandenseyn eines andern Körpers begründet seyn. So
verhält sich z.B. das Blei zum reinen Leinöl trocknend, während das Bleiweiß, dem
Hr. Chevreul trocknende Eigenschaften zuerkennt,
hinsichtlich des auf metallisches Blei aufgetragenen Leinöls das Trocknen
verhindert.
Es folgt aus diesen Versuchen, daß, weil die Oberfläche zum Austrocknen mitwirkt, das
Trocknenmittel nicht als die einzige Ursache des Austrocknens eines Anstrichs
betrachtet werden kann, zu welcher Erscheinung überhaupt alle Körper beitragen,
welche unter bestimmten Umständen die trocknende Eigenschaft besitzen.