Titel: | Die Kanonen von Gußstahl aus der Fabrik des Hrn. Friedrich Krupp bei Essen im Bezirk Düsseldorf. |
Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. XXXIII., S. 191 |
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XXXIII.
Die Kanonen von Gußstahl aus der Fabrik des Hrn.
Friedrich Krupp bei
Essen im Bezirk Düsseldorf.
Krupp's Kanonen von Gußstahl.
Diese vor vierzig Jahren gegründete Fabrik verarbeitet jährlich über 18000 Centner
Siegener Eisen zu Gußstahl. Auf die Londoner
Industrie-Ausstellung hatte Hr. Krupp ein
achteckiges 20 Zoll starkes Stück seines Gußstahls feinster Sorte von 7300 Pfd.
Gewicht geliefert; ferner ein Walzwerk für Münzen, mit gehärteten Walzen von 8 Zoll
Länge und ebenso großem Durchmesser; Federn für Eisenbahnwagen und deren Buffer;
geschmiedeten Gußstahl für die Achsen der Locomotiven und Eisenbahnwagen; dann eine
6pfünder Kanone aus Gußstahl; endlich kugelfeste Kürasse aus Gußstahl von 10 und 17
Pfd. Gewicht. Unter letzteren befand sich auch ein Bruststück, auf welches mit der
preußischen Muskete auf 20 Schritte 6 Schüsse gemacht worden waren, ohne dasselbe zu
durchbohren; die Eindrücke welche die Kugeln in das Material machten, sind zwar
nicht unbedeutend, aber an keiner Stelle ist auch nur der kleinste Bruch, Riß oder
Sprung zu bemerken. Hinsichtlich der Krupp'schen
Geschütze von Gußstahl haben Versuche welche die k. preußische
Artillerie-Prüfungs-Commission anstellte, die günstigsten Resultate
geliefert.
Bekanntlich bestanden bis jetzt die Feldgeschütze fast aller europäischen Armeen aus
Bronze, weil nur dieses Material hinreichende Sicherheit gegen das Springen des
Geschützes bieten soll; gewiß aber die Sicherheit größer als bei einem gußeisernen
Rohr ist. Man bezahlt das bronzene Geschütz mit 1/2 Rthlr. pro Pfd., das gußeiserne mit 1/12 Rthlr. pro
Pfd. Eiserne Geschütze werden dessenungeachtet nur da angewendet, wo man mit
vergleichsweise geringen Ladungen schießt, oder die Capitalanlage eine sehr unsichere ist, nämlich
auf Schiffen, in der Belagerungs- und Festungsartillerie. Der Bronzeguß ist
schwerlich einer größeren Vollendung fähig, weil die chemischen Verbindungen von
Kupfer und Zinn verschiedene seyn können, und man es durchaus nicht in der Gewalt
hat dieselben zu reguliren.
Um ein einigermaßen gutes Geschütz zu erhalten, ist man gezwungen einen sehr großen,
sogenannten verlorenen Kopf aufzugießen, dessen Masse einen verhältnißmäßigen Druck
auf das eigentliche Geschütz ausübt, so daß sich die im Guß tiefer stehenden Theile
desselben nicht unbeträchtlich verdichten, wodurch das Metall compacter wird.
Trotzdem ist die Dauer der Bronzeröhre immer eine sehr beschränkte, die man bei 1/3
Kugel schwerer Ladung für die 6pfünder Kanone zu ungefähr 2000 Schüssen annehmen
kann.
Der Preis für ein 6pfünder Rohr beträgt, da man 150 Pfd. auf 1 Pfd. der Kugel
rechnet, circa 450 Rthlr., wobei allerdings der Vortheil
zu berücksichtigen ist, daß das unbrauchbar gewordene Rohr wieder umgeschmolzen
werden kann, der Metallwerth also nie verloren geht.
Die vergleichsweise Leistung des Krupp'schen Geschützes
von Gußstahl, dessen Anschaffungskosten nur 400 Rthlr. für die 6- oder
8pfünder Kanone betragen, ersieht man aus folgenden Daten über den damit
angestellten Versuch:
Hr. Krupp hatte hierzu der Artillerieprüfungscomission in
Berlin ein 3pfünder Kanonenrohr zugestellt, welches aus Gußstahl bestand und von
einem gußeisernen Mantel umgeben war. Das eigentliche Rohr war massiv gegossen, dann
geschmiedet und zuletzt ausgebohrt worden. Die dazu verwendete rohe Masse betrug das
2 1/2 bis 3fache Gewicht welches das Geschütz nach seiner Vollendung hatte, wo es
229 Pfd. (preuß.) wog. Die Dimensionen desselben waren viel geringer als die
entsprechenden des bronzenen Geschützes. Die angegebenen Maaße sind das rheinische
oder k. preußische Artillerie-Maaß (welches dem bayerischen Artilleriemaaß
ganz gleich ist).
Da wo das sogenannte Langefeld sich an den Kopf anschließt, das Bändchen liegt, war
das Krupp'sche Geschütz nur 0,75 Zoll stark, am Boden
aber 1,25 Zoll, während ein preußisches bronzenes Geschütz von gleichem Kaliber
respectiv 1,2 Zoll und 2,40 Zoll stark ist.
Das Langefeld, von dem Zapfenstück bis zum Bändchen, war außerhalb conisch gestaltet,
während Boden und Zapfenstück zusammen von cylindrischer Form waren.
Das dreipfündige Kaliber ist 2,86 Zoll, von welchem Durchmesser also die Bohrung, die
sogenannte Seele der Kanone war. Am Boden des Rohrs griff eine starke Schraube
(Schwanzschraube) 1,30 Zoll tief in das Metall vor dem Stoß (dem hinteren Theil der
Kanone, der Mündung entgegengesetzt) ein, wobei das Metall 0,90 Zoll stark
blieb.
Diese Schraube, welche zugleich die Traube des Rohrs bildete, diente zum Anziehen des
gußstählernen Rohrs gegen den Boden des Mantels, welcher den Boden und das
Zapfenstück des Rohrs ganz umgab. (Traube nennt man den am dünnsten gehaltenen Ansah
am Bodenstück der Kanone.) Der Mantel schloß sich jedoch nur an seinem vordern Ende
und hinten am Bodenstück an den Umfang des Rohrs genau an, im übrigen Theile war
ringsum ein Zwischenraum von 0,07 Zoll gelassen, damit sich das Rohr beim Warmwerden
ausdehnen konnte, ohne einen Druck auf den Mantel auszuüben, der abgesehen von der
Natur seines Materials (Gußeisen), sich beim Schießen weniger erhitzt und daher auch
weniger ausdehnen wird.
Der Zweck des Mantels bestand durchaus nicht darin, zur Haltbarkeit des Rohres
beizutragen, sondern lediglich das Gewicht des Rohrs zu vergrößern. Durch die
nöthige Percussionskraft und die Größe der Ladung ist natürlich der Rückstoß beim
Abfeuern des Geschützes bestimmt, welcher, wenn er nicht die Bedienung der Kanone
sehr unbequem machen soll, es nothwendig macht, dem Rohr und der Laffete ein
gewisses Gewicht zu geben. Letztere hat schon jetzt bei 150 Pfund Metall auf jedes
Pfund der Kugel viel größere Dimensionen, als sie wegen des Fahrens etc. nöthig
wären, bloß um der Wirkung des Geschützes hinreichenden Widerstand entgegenzusetzen.
Jede Verringerung des Gewichtes des Geschützrohrs muß also durch eine Vergrößerung
des Laffetengewichtes aufgehoben werden; offenbar war es aber statt dessen
vortheilhafter, durch einen gußeisernen wenig kostspieligen Mantel das Gewicht des
stählernen Rohrs zu vermehren, wobei dann auch dieselbe Laffete, wie für die
bronzenen Geschützröhren, zu gebrauchen war.
Das Zündloch der Kanone war natürlich durch Rohr und Mantel gebohrt worden, und mußte
daher jede Verschiebung beider Theile verhindert werden; dieß geschah durch
Eintreiben eines eisernen Keiles in das Bändchen der Traube, welcher zugleich um
einige Hundertel Zolle in den Mantel eingriff. Der Mantel war nicht in der Krupp'schen Fabrik sondern in der Maschinenfabrik zu Sayn
gegossen worden, und wog
fertig, ohne abgedrehte Schildzapfen, 277 (preußische) Pfund.1 preuß. Pfd. = 0,8532 bayer. Pfd. Die letzteren hatten den Durchmesser der Schildzapfen des 6pfünder bronzenen
Rohres und waren so angesetzt, daß das combinirte Rohr nur ein äußerst geringes
Hintergewicht zeigte, welches durch die Reibung in den Schildzapfenlagern ganz
aufgehoben war. Das vollständige Rohr mit Mantel wog 490 Pfund. Als man mit dem
Stückseelenmesser das Innere des Rohrs untersuchte, fand sich, daß die größte
Differenz im Durchmesser 0,025 Zoll betrug, daß jedoch die untere Kante am Zündloch
nicht vollständig scharf, sondern ein wenig ausgebröckelt war.
Dieses Rohr wurde nun, dem Durchmesser der Schildzapfen entsprechend, in eine
6pfünder Laffete gelegt, und nachdem die Seele nochmals als vollständig makellos
recognoscirt war, folgenden Proben unterzogen.
Mit 1 1/4 Pfd. Ladung wurden in längern Pausen 10 Schüsse auf 100 Schritte mit
ausgesuchten Kugeln gegen eine Scheibe abgefeuert, wobei sich eine hinreichend große
Sicherheit des Treffens ergab. Darauf geschahen 40 Schüsse in Pausen von 2 Minuten,
und die übrigen 50 so rasch als die regelmäßige Bedienung des Geschützes es
erlaubte.
Es fanden sich bei der Untersuchung des Rohres nach 50 und 100 Schüssen keinerlei
Veränderungen in demselben, wenn man nicht ganz unmeßbare Schrammen in der Seele
dahin rechnen will, welche nur dadurch sichtbar wurden, daß sie senkrecht gegen die
Bohrkreise liefen.
Am zweiten Versuchstage geschahen wiederum 100 Schüsse, und zwar die ersten 50 in 60
Minuten. Bei der Untersuchung des Innern des Rohrs ergab sich nicht die mindeste
Veränderung. Die Temperatur war damals im Sonnenschein 20° R.; das Rohr hatte
am Zündloch 46°, außerhalb am Zapfenstück 34° R. und an der Mündung
60° R.
Nachdem abermals 40 Schüsse, die letzten 10 gegen eine Scheibe, abgefeuert worden
waren, ergab sich keinerlei Veränderung des Rohrs, nur eine Temperaturzunahme von
8° R. in den genannten Theilen. Bei den Schüssen nach der Scheibe hatte sich
allerdings eine größere Abweichung als früher ergeben, denn die mittlere
Höhenabweichung hatte
3,46 Zoll und jetzt 4,35 Zoll, die mittlere Seitenabweichung 3,12 Zoll und jetzt
5,23'' betragen, aber aus einer Veränderung des Rohrs war dieselbe nicht
herzuleiten, wenigstens war sie nicht erkennbar.
Der durchschnittliche Rücklauf hatte bei diesem Schießen 2 Fuß betragen. Bei der
Untersuchung der Seele durch den Stückseelenspiegel zeigten sich zwar eine Menge
kleiner Flecken, namentlich in dem oberen Theil des Rohrs, aber der Thonabdruck
zeigte keine Spur einer Vertiefung. Dagegen war das Zündloch an seiner untern Kante
beschädigt, es zeigten sich strahlenförmige Ausbrennungen von 0,045 Zoll und 0,07
Zoll Tiefe, welche bis auf 0,10 Zoll ins Zündloch hereinreichten. Die übrigen Theile
des Zündlochs hatten Streifen erhalten, die jedoch ohne alle Bedeutung waren, da sie
0,01 Zoll nicht überstiegen. Der Durchmesser der Seele war dagegen in verticaler
Richtung bis um 0,04 Zoll erweitert worden; in horizontaler Richtung betrug die
größte Erweiterung nur 0,03 Zoll. Ein Kugellager hatte sich nicht gebildet, da jene
Erweiterungen sich rückwärts im Pulversacke fanden.
Man schoß nach diesen Versuchen fünf Schüsse mit 1 1/4 Pfd. Ladung und 41 Stück
3löthigen Kartätschen, um zu sehen ob nicht kleinere Kugeln Anschläge im Rohr machen
würden; bei der Besichtigung zeigten sich aber keinerlei Spuren von
Kartätschenfurchen, wie sie sonst sich bei bronzenen Röhren finden. Die oben
erwähnten unmeßbaren Flecken hatten sich allerdings vermehrt, doch hatte die
Haltbarkeit und Güte der Seele in keiner Weise dadurch gelitten.
Nach diesen Versuchen beschloß man ein Springen des Rohrs herbeizuführen. Man nahm zu
dem Zweck die Räder von der Laffete und legte dieselbe in eine vorher zubereitete
Grube, die man mit Bettungsbohlen überdeckte. – Der erste Schuß geschah mit 1
1/4 Pfd. Ladung, zwei Kugeln und einem Heuvorschlage; die folgenden Schüsse
erhielten dieselbe Pulverladung, nur wurde die Vorlage stets um eine Kugel und einen
Heuvorschlag vermehrt. Beim vierten Schuß, welcher eine Vorlage von fünf Kugeln
hatte, brach der rechte Schildzapfen des Mantels bedeutend ein. Man nahm deßhalb das
Rohr aus der Laffete heraus und legte es auf zwei Ripphölzer.
Beim fünften Schuß mit 6 Kugeln brach der Schildzapfen da, wo er sich an den Mantel
anschließt, ganz ab und zwar in fast senkrechter Richtung der Bruchfläche gegen die
Schildzapfenachse. Der Bruch zeigte ein feinkörniges graues Eisen, und da er ganz
frisch war, so mußte er erst an demselben Tage entstanden seyn.
Nachdem das Geschütz mit einer Vorlage von 15 Kugeln, wobei die Seele bis an die
Mündung gefüllt war, versucht worden war, unterwarf man das Rohr einer Besichtigung.
Es zeigten sich dabei einige scharfe aber nicht tiefgehende Schrammen, welche
wahrscheinlich von zertrümmerten Kugeln herrührten, sonst war die Seele des Rohrs
voll, ständig unverändert.
Man ging nun zu neuen Versuchen über, zu einer Verstärkung der Ladung mit Abnahme der
Vorlage, so daß der nächste Schuß mit zwei Kartäschen, also 2 1/2 Pfd. Pulver, 14
Kugeln und einem Heuvorschlag geschah. Bei jedem folgenden Versuch nahm man eine
Kartäsche mehr und zwei Kugeln weniger.
Nach 20 Schüssen, wovon 14 mit vergrößerter Vorlage und sechs mit verminderter
Vorlage, aber vergrößerter Ladung geschahen, sprang das Rohr beim 21sten Schuß, mit
10 Pfund Pulver, drei Kugeln und einem Heuvorschlage, in viele kleine und größere
Stücke, wobei bemerkt zu werden verdient, daß der Rückstoß des Rohrs, welcher sich
durch einen Sprung desselben (auf einer unter das Bodenstück schräg aufwärts
gelegten Bohle) aus der Grube zu erkennen gab, mit jedem Schusse zunahm und beim
20sten Schuß 33 Schritte betrug.
Die Stücke des stählernen Rohrs waren zum Theil lang und schmal; eines derselben
hatte eine Länge von 2 Fuß und eine Breite von 3–4 Zoll. Die Stücke des
Mantels zeigten weniger ausgezeichnete Formen. An den Stücken des Rohrs konnte man
Kugelanschläge und Ausweitungen nach außen wahrnehmen, welche durch die ganze Länge
gingen und bei dem 2 Fuß langen Stück 1/2 Zoll betrugen.
Einer der Sprünge ging durchs Zündloch, und an den betreffenden Stücken konnten die
erwähnten Strahlen desselben, durchs Ausbrennen herbeigeführt, wahrgenommen werden;
auch zeigte sich hieran die etwas ausgebrannte, innere Kante des Zündlochs ganz
deutlich. Der Boden des Rohrs war mit der daran befindlichen Schwanzschraube (der
Traube) ganz abgesprengt, ohne daß die Verbindung des Rohrs mit dem Mantel zerstört
worden wäre.
Die Bruchflächen des Gußstahls zeigten eine feinkörnige Krystallisation, die Farbe
derselben war aber nicht mehr zu erkennen, weil sie vom Pulverdampf geschwärzt war.
Die Stücke des Rohrs waren soweit fortgeschleudert, daß sie zum Theil nicht wieder
aufzufinden waren; es fehlten 153 1/2 Pfd. am Gewicht des combinirten Rohrs.
Aus diesen Versuchen der k. preuß. Artillerie-Prüfungs-Commission
ergibt sich, daß die Haltbarkeit des Krupp'schen
Geschützes bei circa 15 Procent geringern
Anschaffungskosten wenigstens die 3–4 fache der besten Bronzeröhren ist.
Jedenfalls war bis jetzt kein Fabrikant in England oder Belgien etc. im Stande
Gußstahl in solcher Güte bei solchen Dimensionen zu erzeugen.