Titel: | Ueber die Auffindung des Weizenmehls im Roggenmehl. |
Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. LXVIII., S. 377 |
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LXVIII.
Ueber die Auffindung des Weizenmehls im
Roggenmehl.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1852, Nr.
1.
Ueber die Auffindung des Weizenmehls im Roggenmehl.
Es ist bei Erhebung der Mahlsteuer hier (in Berlin) von großer Wichtigkeit, einen
Gehalt von Weizenmehl im Roggenmehle erkennen zu können. Da für Roggenmehl eine nur
sehr geringe Steuer (5 Sgr. für den Centner), für Weizenmehl aber eine weit
bedeutendere (20 Sgr. für den Centner, erhoben wird, so gibt dieß Veranlassung zu
zahlreichen Defraudationen.
Es wird namentlich das Roggenmehl mit bedeutenden Mengen von Weizenmehl gemengt, um
als reines Roggenmehl versteuert zu werden. Durch das äußere Ansehen und selbst
durch eine genaue mikroskopische Besichtigung ist es nicht gut möglich diesen Betrug
zu entdecken. Eine leicht und schnell ausführbare Methode aber, um einen, selbst
geringen, Gehalt von Weizenmehl im Roggenmehle mit Sicherheit aufzufinden, ist hier
vom Steuerrathe Bamihl aufgefunden worden. Sie gibt ein
sehr sicheres Resultat.
Diese Methode gründet sich auf die bekannte Erfahrung, daß der Kleber des Weizens
unlöslich, der des Roggens aber auflöslich in Wasser ist.
Das gewöhnliche Verfahren, den Kleber aus dem Weizenmehle zu gewinnen, besteht
bekanntlich darin, daß man dasselbe in einem leinenen Beutel so lange unter Wasser
knetet, bis dieses nicht mehr milchicht abläuft. Die Stärke geht hierbei durch die
Poren des Beutels, während der Kleber in demselben zurückbleibt.
Dieses Verfahren ist indessen nicht allein zeitraubend, sondern bei aller Vorsicht
auch unsicher, da es selten gelingt, allen Kleber in dem Beutel während des
Ausknetens des Mehls zurückzuhalten; bei einer Mischung von Weizenmehl und
Roggenmehl aber gibt dieses Verfahren gar kein Resultat.
Kommt es darauf an, den Klebergehalt des Mehls in einigen Minuten nachzuweisen, so
hat sich folgendes Verfahren als praktisch erwiesen:
Man verschafft sich zu diesen Versuchen eine grobe Weizenkleie (Weizenschalen,
Bulstern), welche man, um sie gänzlich von den Mehltheilen und dem darin befindlichen
Kleber zu befreien, während dreimal 24 Stunden in Wasser einweicht, bis dasselbe
säuerlich riecht, dann mehreremale mit reinem Wasser auswäscht und bei gelinder
Ofenwärme austrocknet.
Von dieser Kleie schüttet man zwei Drittel eines gehäuften Theelöffels auf die Fläche
der linken Hand, und auf die Kleie einen gehäuften Theelöffel des zu prüfenden
Mehls, und vermischt Kleie und Mehl durch Umrühren vermittelst des Löffelstiels,
oder eines platten Stielchens. Hierauf gießt man auf dieses Gemisch so viel kaltes
Wasser, daß nach dessen Vermischung mit dem Mehle und der Kleie ein sehr compacter
Teig erhalten wird, den man mit dem naßgemachten Löffelstiel, einem Stielchen, oder
auch mit dem Zeigefinger der rechten Hand bearbeitet und zu einer Kugel formt.
Diesen Teig behält man auf der Fläche der linken Hand, schließt diese ein wenig,
hält sie über ein Gefäß mit kaltem Wasser, schöpft mit der rechten Hand auf den
Teig, und drückt mit der ganzen Hand, diese auf- und zuschließend, so daß die
durch das Wasser aufgelösten oder suspendirten Theile ausgedrückt werden und
abfließen. Hierbei hat man zu sehen daß keine Kleie mit ausgespült, und der Teig
nicht zu flüssig werde.
Mit dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand formt man den breitgedrückten
Teig immer wieder zu einer Kugel, diese stets durchknetend, schüttet wieder Wasser
auf den Teig und fährt mit dieser Manipulation so lange fort, bis das Wasser nicht
mehr milchicht abfließt.
Drückt man die Kleie stark aus, und zieht sie langsam auseinander, so wird der in der
Kleie hängen gebliebene Kleber in Fäden sichtbar, wenn man reines Weizenmehl oder
ein Gemisch von Weizen- und Roggenmehl, in welchem das letztere nicht
vorherrschend ist, der Probe unterworfen hat.
Will man den Kleber von der anhängenden Kleie befreien, so reibt man die nach dem
Auswaschen der Stärke übrig bleibende zusammenhängende Masse unter einem starken
Druck zwischen den beiden Handflächen, diese kreisförmig bewegend, wodurch sich die
Kleie von dem Kleber trennt. Durch fortgesetztes Reiben der zusammenhängenden Masse
zwischen den Händen, und durch wechselweises Eintauchen beider Hände in das Gefäß
mit Wasser, wird die Kleie von dem Kleber und von den Händen immer mehr und mehr
entfernt. Kommt es darauf an, so kann man den Kleber durch Drücken und Zerreißen
unter Wasser von der noch anhängenden Kleie ziemlich vollständig befreien.
Mit Weizengries läßt sich dieser Versuch ohne allen Zusatz von Kleie machen.
Der Zusatz von Kleie zum Mehle bezweckt und bewirkt, daß der Kleber des Weizens,
welcher in kaltem Wasser nicht löslich ist, sich an dieselbe hängt, und beim
Auswaschen der Stärke nicht weggespült werde.
Dieses Verfahren ist aber nur dann entscheidend, wenn in der Mengung das Weizenmehl
vorherrschend ist. Findet der umgekehrte Fall statt, so wendet man folgendes
modificirtes Verfahren an:
Man nimmt ein Loth des zu untersuchenden Mehls, und vermischt dieß mit zwei gehäuften
Theelöffeln Kleie und dem erforderlichen Wasser zu einem compacten Teige. Diesen
Teig knetet man in einem, aus doppelt über einander liegender, feinster seidener
Gaze angefertigten Beutel so lange unter kaltem Wasser, bis dieses nicht mehr
milchicht abfließt.
Zur Herstellung eines solchen Beutels dienen zwei Stucke feiner seidener
Müller-Gaze (Nr. 10 und Nr. 14), jedes, ungefähr von 8 Zoll im Quadrat. In
die Mitte des einen Gaze-Stückes legt man den gebildeten Teig, und faßt mit
den Fingern der linken Hand dicht über dem Teige das Ganze fest zusammen. Mit dem
zweiten Stück Gaze umschließt man in Form eines Beutels den Gazebeutel, welcher den
Teig enthält, jedoch so, daß die Umschließungsfläche des äußeren Beutels größer ist
als die des inneren Beutels, damit jedes Pressen und zu enge Anliegen des äußern
Beutels an den inneren Beutel vermieden werde.
In ihrem Querdurchschnitt bilden die beiden Beutel zwei Kreise von verschiedenem
Durchmesser. Die zusammengefalteten Kopfenden der beiden Beutel schließt man, wie
vorher den inneren Beutel, dicht über dem Teige mit den Fingern der linken Hand, so
zwar, daß beim Auskneten des Teiges dieses durch das Kopfende nicht allein nicht
zurückgleiten kann, sondern in dem Maaße, als das Volumen des Teiges durch das
Auskneten des Teiges sich verkleinert, durch Zusammendrücken des Beutels wieder
eingeschlossen werde.
Nach dem Auskneten des Teiges drückt man die Beutel und den Inhalt mit der ganzen
Hand stark aus, zieht behutsam das äußere Gaze-Stück von dem inneren Beutel
ab und untersucht:
1) die innere Fläche des Gaze-Stückes, welches als äußerer Beutel gedient hat,
so wie auch die äußere Fläche des Beutels, in welchem sich die ausgewaschene Kleie
befindet;
2) die im Beutel zurückgebliebene Kleie.
Die Prüfung der Kleie geschieht nun nach dem oben angeführten Verfahren; man reibt
dieselbe, zu einer Kugel gestaltet, unter einem starken Druck zwischen den beiden
Handflächen. Bleibt nach Anwendung der Kleie Kleber zurück, so bestand das geprüfte
Mehl entweder aus reinem Weizenmehl, oder aus einem Gemenge von Weizen- und
Roggenmehle, in welchem letzteres nicht vorherrscht. Bei allen angestellten
Versuchen mit Mengungen von Weizen und Roggenmehl, in welchen letzteres dem Gewichte
nach vorwaltete, wurde in der ausgewaschenen Kleie kein Kleber wahrgenommen.
Bestand das geprüfte Mehl aus Weizenmehl oder aus einem Gemenge von Weizen-
und Roggenmehle, so findet sich auf den beiden Flächen des Gaze-Stücks Kleber
vor, welcher, was deutlich wahrgenommen werden kann, während des letzten Stadiums
des Ausknetens des Teiges durch das Gewebe des inneren Beutels tritt, und sich
zwischen den beiden Gaze-Beuteln ablagert.
Dabei ist es eigenthümlich, daß bei einer Mengung der beiden Mehlgattungen nach dem
Verhältnisse, daß gleiche Theile beider, oder mehr Weizen- als Roggenmehl in
dem Gemenge enthalten war, desto weniger Kleber sich zwischen den beiden
Gaze-Beuteln ablagert, je mehr Weizenmehl die Mengung enthielt, so daß bei
reinem Weizenmehl der geringste, bei einem Gemenge von Weizen- und
Roggenmehle jedes zur Hälfte, aber der größte Theil des Klebers sich zwischen den
beiden Beuteln vorfindet. Bei einem Gemenge aus gleichen Theilen beider Mehlarten
erhält man 2/3 des Klebers zwischen den Beuteln und 1/3 desselben in der Kleie,
während bei einer Mengung 7/8 Weizen- und 1/8 Roggenmehl das umgekehrte
Verhältniß stattfindet. Ist in der Mengung das Roggenmehl vorherrschend, so ist, wie
schon bemerkt worden, in der ausgewaschenen Kleie gar kein Kleber; dieser befindet
sich dann zwischen den beiden Gaze-Beuteln, und zwar in einer Menge, welche
der Quantität des Weizenmehls in dem Gemenge ziemlich entspricht.
Bei allen Versuchen konnte bei einer Mengung von 7/8 Roggen- und 1/8
Weizenmehl der Gehalt an Kleber noch unzweifelhaft erkannt werden; es gelang dieß
auch noch bei einem an Kleber reichhaltigen Weizenmehl, als 1/12 oder 1/16 desselben
mit 11/12 und 15/16 Roggenmehl gemengt worden waren.
Bei reinem Roggenmehle zeigt sich auf den beiden Flächen der Gaze zwar auch etwas
Kleber, der vermittelst einer Loupe wahrgenommen werden kann, indessen in einem
so unerheblichen Grade, daß bei dessen Vergleichung mit dem erhaltenen Kleber aus
einem Gemenge von 1/16 Weizen- und 15/16 Roggenmehl der Unterschied sofort in
die Augen fällt.
Statt der seidenen können auch wollene oder baumwollene Gaze angewandt werden, doch
ist dann der Kleber schwer von der rauhen Fläche der Gaze zu trennen. Auch ist diese
zu anderen Versuchen erst dann wieder zu gebrauchen, wenn der Kleber durch Gährung
vollständig zerstört ist, da er sich nicht durch Waschen, wie bei der glatten
seidenen Gaze, leicht entfernen läßt.