Titel: | Ueber die künstliche Fortpflanzung der Fische; von Hrn. Quatrefages. |
Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. LXXII., S. 395 |
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LXXII.
Ueber die künstliche Fortpflanzung der Fische;
von Hrn. Quatrefages.
Aus dem Journal de Pharmacie, Octbr. 1851, S.
282.
Quatrefages, über die künstliche Fortpflanzung der
Fische.
Die künstliche Befruchtung war in neuerer Zeit der Gegenstand mehrerer akademischer
Mittheilungen, deren wesentlichen Inhalt folgender von Hrn. v. Quatrefages der Société philomatique erstattete Bericht zusammenfaßt.
Seit einigen Jahren, sagt der gelehrte Berichterstatter, wurden viele Klagen erhoben
über die zunehmende Entvölkerung unserer Ströme und Flüsse. Der Fischfang in
Flüssen, welcher den Uferbewohnern eine reiche Quelle einer angenehmen und gesunden
Nahrung darbot und einen bedeutenden Industriezweig bildete, ist mit einem nahen
Untergang bedroht. Vielerlei Ursachen wurden als Gründe aufgeführt, unter welchen
allerdings die Fortschritte der Industrie obenanstehen. Wie Hr. Edwards richtig bemerktBericht über die Fischzucht (Ann. de Sc. nat. 3. ser.
t. XIV. Nr. 2.), sind die längs der kleinen Zuflüsse täglich sich mehrenden Baggerungen ein
Hinderniß für die Wanderungen der Fische, deren Laich in der Nähe der Quellen selbst
abgesetzt werden soll. Die Bäche können daher den Flüssen kein so großes jährliches
Contingent kleiner Fische mehrliefern, und da der Fischfang immer derselbe bleibt,
muß die Species sich vermindern oder ganz verschwinden. Aber auch die großen Ströme
haben sich in dieser Beziehung über die Industrie direct zu beklagen. Die
Dampfschifffahrt wurde von den Fischern schon längst als eine Hauptursache der Verminderung der
Fische bezeichnet und wir halten diese Klage für begründet; nicht als wenn die
Fische, wie man gewöhnlich behauptet, von den Rädern erschreckt würden, sondern weil
die durch das rasche Fahren der Boote aufgeregten Wellen sich bis an das Ufer
fühlbar machen. Das Ufer wird von der es täglich mehreremale bespülenden Welle
gleichsam gefegt und natürlich muß der in dessen Nähe abgesetzte Laich in diesen
Wirbeln großentheils zu Grunde gehen. Dieß scheint uns die Hauptursache der
zunehmenden Entvölkerung mancher vor nicht langer Zeit wegen ihres Fischreichthums
noch berühmten Flüsse, z.B. der Saône, zu seyn.
Ich erinnerte in Anbetracht dieser Zustände im J. 1848 in einer AbhandlungPolytechn. Journal Bd. CX S. 387. an die rein wissenschaftlichen Versuche Spallanzani's und seiner Nachahmer und an die früher vom Grafen Golstein in praktischer Hinsicht unternommenen, und
schloß aus dem guten Erfolge aller dieser Versuche, daß man Fische werde säen können
wie Getreide. Zugleich zeigte ich, daß die künstlichen Befruchtungen den bisher
dreijährigen Ertrag der Teiche zu einem jährlichen zu machen gestatten, und daß sie
die Acclimatisirung neuer Species ermöglichen, womit die Ströme bereichert werden
könnten.
Meine Bemerkungen gingen damals in die meisten Journale über, und mit Erstaunen
erfuhr man daß zwei bescheidene Fischer in den Vogesen, Géhin und Remy, sich dasselbe Problem
gestellt und es auch glücklich gelöst hatten.Polytechn. Journ. Bd. CXIII S.
80. Vor Allem mußte denselben die Thatsache bekannt seyn, daß die Fische sich
nicht begatten und, im Gegensatz zu den Thieren welche wir täglich zu beobachten
Gelegenheit haben, das Weibchen vorerst die Eier legt, die nachher erst vom Männchen
befruchtet werden. Alle diese gleichsam vorläufigen Acte gehen fast nur des Nachts,
beim Beginn der kalten Jahreszeit vor sich.
Die mit bewunderungswürdiger Ausdauer durchgeführten Versuche der beiden Fischer
beschränkten sich aber nicht auf die Vermehrung der Fische durch künstliche
Fortpflanzung, sondern es handelte sich für sie auch darum, sich diesen
Industriezweig, mit welchem sie ihr Brod zu verdienen hatten, zu sichern und ihn zu
erweitern. Sie mußten also die unter ihren Händen ausgekrochenen Fischchen auch groß
ziehen und Reserven anlegen, eine Art Pflanzschulen, in welchen sie ihre Producte
ansammeln konnten.
Hier zeigten sich neue Schwierigkeiten. Hätten unsere Fischer es z.B. mit Karpfen zu
thun gehabt, so wäre das sehr einfach gewesen; die jungen Kärpfchen hätten im
Schlamm und am Ufer eines Teichs oder Bachs ihre Nahrung ganz fertig vorgefunden.
Unsere Fischer zogen aber Forellen, und diese fleischfressenden Fische brauchen eine
sowohl ihrem Alter als ihrem Instinct angemessene Nahrung. Auch diese schwierige
Aufgabe wurde gelöst. Géhin und Remy sahen, daß die jungen Forellchen von ihrer Geburt an
sich von der die Eier umgebenden schleimartigen Materie nähren. Sie suchten ihnen
daher eine ähnliche Nahrung zu verschaffen, und gaben ihnen Froschlaich, was sehr
guten Erfolg hatte. Als die etwas stärker gewordenen Forellchen einer kräftigern
Nahrung bedurften, gaben sie ihnen anfangs gehacktes Fleisch, ferner in sehr dünne
Riemchen geschnittene Schaf- und Rinds-Eingeweide. Später schritten
sie zu einem viel sinnreichern, wahrhaft wissenschaftlichen Verfahren; um ihre
Forellchen zu ernähren, säeten sie nämlich neben dieselben andere kleinere und
pflanzenfressende Fischarten; letztere wachsen heran und ernähren sich selbst auf
Kosten der Wassergewächse, und dienen dann ihrerseits mit ihrem Fleische den
Forellen als Nahrung.
Die genannten Fischer beschränkten die Anwendung ihrer Forschungen jedoch nicht auf
die Bäche, wo sie ihre Fischerei betrieben, sondern haben in mehreren Gemeinden die
schon seit langer Zeit fischleeren Wässer wieder mit Fischen bevölkert, und in ein
einziges Flüßchen, der Mossellote, welches sich in die Mosel ergießt, etwa 50,000
Forellchen gesäet, die jetzt, herangewachsen, daraus gefischt werden. Der Ruf
unserer Fischer verbreitete sich, und im vorigen Jahr wurde der eine von ihnen nach
Hüningen berufen, wo er sein Verfahren auf die Vermehrung des Salms mit einem
Erfolg, demjenigen des Grafen Golstein im vorigen
Jahrhundert vergleichbar, anwandte.
Die Veröffentlichung dieses Verfahrens veranlaßte in Frankreich viele ähnliche
Versuche, welche fast alle den besten Erfolg hatten. Dieselben erstreckten sich auf
sehr mannichfaltige Fischarten; so wurde in der Bresse (Provinz) und bei Dijon das
Verfahren auf Schleihen, Karpfen, Hechte und Barsche angewandt. Die praktische
Anwendbarkeit der künstlichen Befruchtung der Fische unterliegt mithin jetzt keinem
Zweifel mehr, und zwar ist das Einsäen pflanzenfressender Species, um den
fleischfressenden Fischen als Nahrung zu dienen, unstreitig eines der einfachsten
und wohlfeilsten Mittel, letzteren die animalische Nahrung zu verschaffen. In
England, wo ähnliche Versuche im Großen und mit gleichem Erfolge gemacht wurden, haben reiche
Gutsbesitzer und ganze Gesellschaften die Sache in die Hand genommen, und die
Besetzung mit frischer Fischbrut an einigen Orten in sehr großem Maaßstabe
ausgeführt.