Titel: | Ueber die Anwendung des Thons in der Papierfabrication; von Dr. L. Müller. |
Autor: | L. Müller |
Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. LXXXIV., S. 438 |
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LXXXIV.
Ueber die Anwendung des Thons in der
Papierfabrication; von Dr. L.
Müller.
Müller, über die Anwendung des Thons in der
Papierfabrication.
Es ist in neuerer Zeit unter der Bezeichnung „Bleichererde“ oder
der ganz falschen Benennung „Baryt“ ein Präparat in den Handel
gebracht und von Papierfabrikanten häufig angewendet worden, welches nichts anderes
als ein reiner Thon ist. Es ist schwerlich eine Fabrik anzunehmen, welcher dieses
Präparat nebst Gebrauchsanweisung und Anpreisung der aus dessen Anwendung
entspringenden Vortheile nicht bereits angeboten wäre; wenn daher der Verfasser über
diesen Gegenstand sich hier einige Bemerkungen zu machen erlaubt, so thut er das
weniger um den Papierfabrikanten etwas Neues mitzutheilen, als um die Anwendung des
Thons überhaupt an die Oeffentlichkeit zu ziehen und dadurch den Vorwurf einer damit
verbundenen Fälschung zurückzuweisen.
Das Bleichen oder Entfärben irgend eines Körpers kann auf vier verschiedenen Wegen
bewirkt werden: 1) durch Entziehung und gänzliche Fortführung des farbigen Stoffs;
2) durch Zerstörung des Farbstoffs; 3) dadurch, daß man demselben Gelegenheit gibt,
eine farblose Verbindung einzugehen, und 4) durch Umhüllung des gefärbten Körpers
mit einer farblosen oder weißen Substanz. – Auf die erste Art wirkt die
thierische Kohle, auf die zweite Chlor, auf die dritte schweflige Säure und endlich
auf die vierte die Thonerde, Schlämmkreide und Schwerspath in ihrer Anwendung als
Bleichererde. – Schwerspath und Schlämmkreide sind bereits seit längerer Zeit
in der Papierfabrication in Brauch, jedoch beide leiden an solchen Mängeln, die ihre
Anwendung theils sehr
beschranken, theils sogar verwerflich machen. Der Schwerspat!), durch dessen Zusatz
zur Masse stets eine unerlaubte Vermehrung des Gewichts des gefertigten Papiers
beabsichtigt wird, ist einmal nicht überall zu billigen Preisen zu beziehen, und
besitzt ferner ein so bedeutendes specifisches Gewicht, daß er bereits im Holländer
stark zu Boden fällt und ebenso auf der Maschine sich nur an der untern Seite
ansammelt, das Papier mithin zwei ungleiche Oberflächen erhält, von denen überdieß
die eine eine unangenehme Härte besitzt. Die Schlammkreide ist im Allgemeinen
billiger zu haben, sie suspendirt sich leicht in Wasser, allein sie macht das Papier
sehr staubig, ein namentlich bei Druckpapieren sehr großer Uebelstand wegen des
dadurch veranlaßten häufigen Reinigens der Pressen; daher sie auch nur für geleimte
Papiere tauglich ist. Beide Substanzen haben überdieß keine Verwandtschaft zur
vegetabilischen Faser, so daß nur ein sehr geringer Theil des Zusatzes in die
Papiermasse übergeht. – Bei weitem besser in allen diesen Beziehungen erweist
sich der reine Thon, die so häufig in der Natur vorkommende Verbindung von
Kieselsäure und Thonerde (Aluminiumoxyd). Daß aber das unter der Bezeichnung
Bleichererde in den Handel gebrachte Präparat nichts anderes als ein fein gemahlener
und sorgfältig geschlämmter reiner Thon ist, erkennt man einmal leicht an ihren
äußern Merkmalen und wurde überdieß durch die Analyse festgestellt. Eine aus Hamburg
bezogene Bleichererde bestand nämlich in 100 Theilen aus:
35,94
Thonerde,
44,79
Kieselsäure,
3,00
Eisenoxyd,
0,31
kohlensaure Kalkerde,
0,23
Magnesia,
15,73
Wasser
–––––––––––––––––
100,00.
Das Verfahren der Anwendung dieses Materials ist dasselbe wie bei der Anwendung von
Schlämmkreide u.s.w.; Leimen, Färben u.s.f. gehen ihren gewöhnlichen Gang. Die für
einen Holländer bestimmte Quantität Thon wird in einem Eimer mit Wasser zu einem
Brei angerührt und durch ein Sieb der fertigen Masse zugefügt, worauf nach einigen
wenigen Umdrehungen der Walze behufs sorgfältiger Mischung der Holländer entleert
wird. – Die ganze Operation ist so einfach und die für die verschiedenen
Papiersorten zu wählenden Quantitäten ergeben sich so leicht, daß es überflüssig
erscheint hierbei länger zu verweilen, und nur folgende Versuche und Resultate
mitgetheilt werden mögen, um daraus zu entnehmen, welche Vortheile man von der Anwendung des Thons zu
erwarten hat.
Bei der Anfertigung von mittelfeinem Druckpapier wurden dem Ganzzeuge 12 Proc. Thon
zugesetzt und dieselbe Anzahl Holländerleeren, die ohne Thon 61 3/4 Cntr. Papier
geliefert hatte, lieferte nun 66 Cntr., also 4 1/4 Cntr. Papier mehr. Zur
Anfertigung dieser Papiermenge waren 12 Cntr. 10 Pfd. Thon verbraucht, aus denen
mithin die 4 1/4 Cntr. Papier gewonnen wurden. – 12 Cntr. 10 Pfd. Thon hatten
auf der Fabrik höchstens 24 Rthlr. gekostet, und rechnet man auf 4 1/4 Cntr. Papier
8 Cntr. Hadern à 3 Rthlr., so würden die Kosten
des Rohmaterials ziemlich dieselben gewesen seyn; allein bedenkt man, daß bei
Anwendung des Thons ein Viertel des sonst zum Bleichen angewendeten Chlorkalks
erspart, auch keine Arbeitskraft und Zeit in Anspruch genommen wird, so ist der
durch sie erlangte pecuniäre Vortheil offenbar sehr beträchtlich, denn der Betrieb
wurde im obigen Falle um 6,8 Proc. gesteigert.
Was aber den Einfluß des Thons auf die Güte des Papiers anbetrifft, so zeichnete sich
jenes Druckpapier durch schöne Weiße und Glätte, feines Ansehen und guten Angriff
höchst vortheilhaft vor solchem ohne Thon aus, auch beim Druck bewahrte sich
dasselbe außerordentlich, verursachte keinen Staub, nahm die Farbe leicht an, die
schnell trocknete ohne abzuziehen oder durchzuschlagen, und gab eine klare, reine
Schrift.Eine wissenschaftliche Bemerkung verdient hier Erwähnung: das mit Thon
angefertigte Papier ist auf der Maschine, hinter dem Trockenapparat,
auffallend elektrisch, so daß eine Leidner Flasche sogar bis zum Funkengeben
geladen werden kann; die Elektricität ist Glas- oder positive
Elektricität, und da dieselbe nur dem Thon zugeschrieben werden kann, so muß
dieser, also das kieselsaure Aluminiumoxyd als durch
Reibung und Erwärmung + elektrisch werdend bezeichnet werden.
Einen nicht nur weniger günstigen, sondern sogar ungünstigen Einfluß übt der Thon bei
der Anfertigung von geleimten Papieren. Es wurden einem ziemlich seinen
Schreibpapiere nach erfolgtem Zusatz des Harzleims und der Alaunflüssigkeit wiederum
12,2 Proc. Thon zugesetzt. Das Papier war schön weiß und glatt, hielt aber schlecht
im Leim, so daß die Quantität desselben bedeutend vermehrt werden mußte, um ein
brauchbares Fabricat zu erhalten. Diese nachtheilige Wirkung erklärt sich
ungezwungen aus der physischen Beschaffenheit des vegetabilischen Leims und des
Thons. Der Thon, in feiner Vertheilung an der organischen Faser haftend, Wasser stark
anziehend, im feuchten Zustande bildsam, durch Reibung an den erwärmten Walzen
bedeutende Glätte annehmend; der vegetabilische Leim in seiner physischen
Beschaffenheit sich den Harzen nähernd, zusammenhängend, als feste Masse die Poren
des Papiers füllend, unauflöslich in Wasser und ohne Anziehung für dasselbe. Durch
Vermischung dieser beiden Eigenthümlichkeiten, auf denen ihre Wirksamkeit wesentlich
beruht, muß diese unbedingt geschwächt werden; der Harzleim, mit Thon in feiner
Vertheilung vermischt, verliert an Cohärenz und das Papier erscheint schlechter
geleimt.Ueber die Wirksamkeit des vegetabilischen Leims sehe man: „Die
Fabrikation des Papiers, insonderheit des auf der Maschine gefertigten,
von Dr. L. Müller. Mit Abbild. Berlin 1849. Verlag von Julius
Springer.“
Es wird daher von den Lieferanten der sogenannten Bleichererbe bei ihrer Anwendung
auch ein größerer Zusatz von Leimmasse vorgeschrieben und anempfohlen die
Bleichererde mit Kartoffelstärke anzurühren. Letzteres
Verfahren wird auch angerathen, wo man einen möglichst starken Zusatz von
Bleichererde beabsichtigt. – Allein der Verbrauch von größeren Mengen Leim
oder Kartoffelstärke dürfte den durch Anwendung des Thons bedingten pecuniären
Vortheil bedeutend schmälern und daher als Schlußresultat sich herausstellen, daß
die Anwendung von Thon nur bei Anfertigung von ungeleimten Druck- und
Packpapieren zu empfehlen ist, und zwar auch nur in so weit, als damit größere Weiße
und bessere Appretur bezweckt wird. Wollte man aber bei Packpapieren, um größere
Gewichtsmengen zu erhalten, bis an 40 bis 45 Proc. Thon zusetzen, so würde man
dadurch die Festigkeit dieser Papiere auf unverzeihliche Weise schwächen.
Schließlich möge bemerkt werden, daß man beim Einkauf der Bleichererde besondere
Rücksicht auf deren Wassergehalt zu nehmen hat, der zwischen sehr weiten Gränzen
variiren kann.