Titel: Ueber das Schneiden (Castriren) der Kühe.
Fundstelle: Band 123, Jahrgang 1852, Nr. LXXXIX., S. 467
Download: XML
LXXXIX. Ueber das Schneiden (Castriren) der Kühe. Aus dem Précis d'Agriculture théorique et pratique par MM. A. Payen et A. Richard , Bd. II. S. 185 und 232. Ueber das Schneiden der Kühe. Die Milchabsonderung bei den Weibchen der Säugethiere tritt bekanntlich erst nach ihrer Befruchtung und gegen die Zeit ein, wo die Geburt vor sich gehen muß. Im Naturzustand dauert sie nur so lange als die Säugung, und hört gewöhnlich auf, wenn das Junge der Milch nicht mehr bedarf. Dem menschlichen Dichten und Trachten ist es jedoch gelungen, diese ihrer Natur nach vorübergehende Function gewissermaßen zu einer permanenten zu machen. So kann das Kalb gleich nach der Geburt von seiner Mutter getrennt, folglich am Saugen gehindert werden und die Kuh doch während mehr oder weniger langer Zeit Milch geben. In der Regel aber nimmt die Milchsecretion nach einer gewissen Zeit ab, und sie würde sogar ganz aufhören, wenn man sie nicht beinahe jedes Jahr durch neues Zulassen des Zuchtstiers frisch belebte. Doch gelingt dieses Mittel nicht immer vollkommen, indem gewisse Kühe lange vor dem Kalben Milch zu geben aufhören. Dieß ist ein bedeutender Verlust, da sie gefüttert werden müssen, ohne das geringste Product zu liefern. Vor mehreren Jahren haben einige Thierärzte ein Mittel vorgeschlagen, welches nicht nur die Milchabsonderung mehrere Jahre lang unterhalten, sondern sie zugleich reichlicher machen und die Güte der Milch verbessern soll. Dieses Mittel ist das bei den Mutterschweinen schon langst übliche Schneiden (Castriren). Der erste Versuch damit wurde von Thomas Winn, einem aufgeklärten Oekonomen in Nordamerika, gemacht. Bald wurde es in England und Deutschland, sowie in Frankreich von Levrat, Bégère Recueil de médicine vétérin. Années 1834 et 1835. und Charlier Moniteur agricole 1850, p. 243. eingeführt; dieses Verfahren gelang oft; es wurden aber auch Fälle des Nichtgelingens von Prangé in einer von ihm in der Centralgesellschaft für Thierheilkunde am 24. Oct. 1850 vorgetragenen Abhandlung mitgetheilt. Die Operation ist sehr einfach, man sollte sie aber doch nur von einem Manne vom Fach vornehmen lassen. Sie besteht im Herausnehmen der Eierstöcke, manchmal sogar eines Theils der Gebärmutter. Lévrat faßt den Inhalt seiner ersten Abhandlung hierüber folgendermaßen zusammen: „Das Schneiden der Kuh scheint mir die Wirkung zu haben, daß eine reichlichere und gleichmäßiger fortdauernde Absonderung der Milch eintritt, die zugleich an Güte gewinnt, woraus für den Oekonomen folgende Vortheile entspringen: 1) um ein Drittheil vermehrte Milcherzeugung; 2) die Gewißheit, immer ziemlich dieselbe Menge Milch zu erhalten, um seine Kunden bedienen zu können; 3) die Vermeidung der unangenehmen Zufälle, welche die Trächtigkeit und das Kalben manchmal begleiten oder auf sie folgen; 4) die Vermeidung der Übeln Zufälle, welche zur Zeit der großen Hitze eintreten können, wo schwere Kühe auf andere hinaufspringen oder diese von zu großen Stieren besprungen werden; 5) die Möglichkeit, die Kühe leichter zu mästen, wenn ihre Milch zu versiegen anfängt; 6) endlich ist das Schneiden das einzige Mittel um die lästigen Ausgaben für jene Kühe zu ersparen, welche gelte werden (d.h. sehr oft brünstig, ohne trächtig zu werden).“ Ueberall, wo das Schneiden vorgenommen wurde, bestätigten sich die meisten dieser Vortheile. Das Milchgeben dauerte oft drei bis vier Jahre und darüber fort, ohne merklich abzunehmen, und die erhaltene Milch war besser als vor dieser Operation. Dessenungeachtet ist dieses Verfahren in Frankreich noch wenig verbreitet; seine allgemeinere Verbreitung wäre aber sehr zu wünschen. Das Schneiden wurde mehreremale mittelst der Aetherisirung vorgenommen, ohne dem Thier heftige Schmerzen zu verursachen; wenigstens gab es kein Zeichen von solchen, sondern fing einige Augenblicke darauf zu fressen an und gab nach acht Tagen ebenso viel oder noch etwas mehr Milch als vorher. Die Vortheile einer solchen Methode sind einleuchtend; man vermeidet die Unterbrechungen der Milch, welche in einem Zeitraum von zwei Jahren 4–5 Monate dauern, abgesehen von der allmählichen Abnahme derselben nach Maaßgabe der Zeit seit dem Kalben, wodurch das Melkergebniß des zehnten Monats oft auf die Hälfte des Volums vermindert wird. Hernach wird bei der Mästung beträchtlich an Kosten erspart. Auch soll das Fleisch dieser Kühe besser seyn. Leider haben mehrere auf einander gefolgte Zufälle den Tod der geschnittenen Thiere herbeigeführt, so daß wir über die Zweckmäßigkeit des Verfahrens noch keine entscheidenden Versuche haben.