Titel: | Ueber das Schwefeln (Vulcanisiren) des Kautschuks; von Professor Payen. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XXX., S. 132 |
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XXX.
Ueber das Schwefeln (Vulcanisiren) des
Kautschuks; von Professor Payen.
Aus den Comptes rendus, März 1852, Nr.
13.
Payen, über das Schwefeln des Kautschuks.
Der englische Fabrikant Hancock entdeckte im Jahre 1843
die merkwürdigen Eigenschaften welche dem Kautschuk durch das sogenannte
Vulcanisiren, nämlich seine Vereinigung mit Schwefel, ertheilt werden. Seitdem
konnten von dem Federharz viele neue Anwendungen gemacht werden, weil das Product
von der Erhöhung oder Erniedrigung der Lufttemperatur nicht mehr afficirt wird; der
vulcanisirte Kautschuk behält nämlich seine Weichheit und Elasticität unter
0° R. bei, und wird über 28° bis 32° R. weder weich noch
klebrig; man kann sogar seine Temperatur über 80° R. erhöhen, ohne daß er die
Zähigkeit verliert, welche bei gewissen Anwendungen (z. B. um Wasserdampf als
Triebkraft mittelst biegsamer Röhren fortzuleiten) Vortheil gewährt.
Man hat die Hauptbedingungen des Gelingens dieser technischen Operation sorgfältig
bestimmt, wußte aber bisher nicht, welche chemische Reaction bei derselben vorgeht;
man hatte auch keine genaue Vorstellung von der sogenannten Entschwefelung; endlich
konnte man gewisse Veränderungen, namentlich die Starrheit und Zerbrechlichkeit
mehrerer vulcanisirten Gegenstände nach oft sehr kurzem Gebrauch, nicht erklären und
daher auch nicht verhindern.
Die von mir angestellten Untersuchungen hatten zum Zweck diese Punkte aufzuhellen.
Ich werde zuerst den Hergang bei einer der früheren Vulcanisirmethoden beschreiben,
welche noch von mehreren Fabrikanten angewandt wird, und kann dann leichter die Wirkungen der
anderen Verfahrungsarten angeben.
Wenn man ein Kautschukblatt von 2 bis 3 Millimeter Dicke während zwei oder drei
Stunden in Schwefel steckt, welcher bei einer Temperatur von 89,8° bis
92,8° R. geschmolzen ist, so wird der flüssige Schwefel gerade so in die
Poren eindringen, wie es das Wasser oder der Alkohol gethan hätte, was ich im ersten
Theil meiner AbhandlungPolytechn. Journal Bd. CXXIII S. 383. auseinander
gesetzt habe, nur wird er dieß noch schneller thun, und das Gewicht des Blatts wird
um 10 bis 15 Proc. zunehmen. Uebrigens ist dann, was man bereits wußte, keine
wesentliche Veränderung in den Eigenschaften des Kautschuks eingetreten, den man wie
im normalen Zustande formen kann und welchen auch die Auflösungsmittel noch eben so
stark angreifen. Nur seine Porosität ist jetzt geringer. Wenn man hierauf in irgend
einem indifferenten Medium die Temperatur des so behandelten Kautschuks auf
108°, 120° oder 128° R. erhöht, so ist in einigen Minuten die
Umwandlung bewerkstelligt. Würde man die Einwirkung der Hitze fortsetzen, so wäre
der Zweck verfehlt; der Kautschuk würde immer weniger weich und elastisch, bald hart
und zerbrechlich. Letztere Veränderung würde noch auffallender, wenn man den
Kautschuk bei denselben Temperaturen (108 bis 128° R.) in geschmolzenem
Schwefel ließe; es würde dann immer mehr Schwefel absorbirt, bis derselbe endlich,
z. B. nach 24 Stunden, dem Gewicht des Kautschuks fast gleich käme oder 48 Procent
der Verbindung betrüge.
Von der Zeit an, wo man den Schwefel bei der angegebenen Temperatur auf den Kautschuk
einwirken läßt und so lange man dieß fortsetzt, findet eine schwache aber andauernde
Entbindung von Schwefelwasserstoffgas statt.Zugleich sondert sich eine äquivalente Menge organischer Substanz ab, welche
mehr Kohlenstoff enthält als der Kautschuk; man kann dieselbe in der Wärme
mittelst einer Auflösung von Aetzkali oder Aetznatron ausziehen, welche die
Masse des des mit Schwefel verbundenen Kautschuks nicht merklich
angreifen. (Sogar der bei 120° R. geschmolzene Schwefel
hat die Eigenschaft beinahe sein gleiches Volum von diesem Gase zu asorbiren und
zurückzuhalten.)
Die vorhergehende Thatsache veranlaßt eine merkwürdige Erscheinung: in dem Augenblick
wo in Folge der Temperatur-Erniedrigung der Schwefel krystallisirt, setzt
jedes krystallinische Theilchen eine Gasblase in Freiheit; letztere entweicht
entweder, oder wenn sie auf Krystalle trifft, so hebt sie dieselben und bleibt
zwischengelagert; auf diese Art schwellt nach und nach die ganze Masse auf und
vergrößert ihr anfängliches Volum um 15 bis 20 Proc., anstatt daran abzunehmen, wie
dieß während einer normalen Krystallisation von reinem Schwefel stattfände.
Anstatt den flüssigen Schwefel bei einer seinem Schmelzpunkt nahen Temperatur in den
Kautschuk eindringen zu lassen, kann man auch dem Kautschuk in der Knetmaschine 12
bis 20 Proc. seines Gewichts fein gepulverten Schwefel beimischen; der Kautschuk
behält dann ebenfalls die Eigenschaften wie im normalen Zustand; erhöht man hierauf
die Temperatur auf die Grade wo das Vulcanisiren bewerkstelligt zu werden pflegt, so
findet es wie im ersten Falle statt; die geeignete Gränze würde ebenfalls unter
denselben Umständen überschritten und dadurch der Kautschuk auf oben angegebene
Weise verändert werden.
Zusammensetzung und Eigenschaften des nach
den angegebenen Methoden vulcanisirten Kautschuks.
Wenn man die geeignete Gränze nicht überschritten hat, enthält der Kautschuk Schwefel
in zwei verschiedenen Zuständen: 1 bis 2 Proc. werden in inniger VerbindungDurch die Verbindung des Kautschuks mit Schwefel verändert sich dessen
Elementarzusammensetzung nicht, welche der Formel C8
H entspricht; davon habe ich mich durch die
Analyse sowohl des normalen Kautschuks, als seiner zwei ungleich
auflöslichen Bestandtheile, endlich des vulcanisirten Kautschuks von 0,015
bis 0,485 Schwefelgehalt überzeugt, zurückgehalten; der Rest ist
bloß in den Poren zwischengelagert.
Der überschüssige, nicht verbundene Schwefel wird allmählich aus dem Kautschuk durch
die mechanische Wirkung entfernt, welche seine Ausdehnung und Zusammenziehung
wechselsweise ausüben, indem erstere die Poren desselben enger macht und letztere
sie öffnet; diese Wirkung dauert einige Monate fort.
Mehrere chemische Agentien bewirken die Entfernung des zwischengelagerten Schwefels
schneller und vollständiger, besonders Auflösungen von Aetzkali und Aetznatron in
der Wärme (und selbst in der Kälte, wenn man sie während eines Monats mehrmals
erneuert); ferner Schwefelkohlenstoff, Terpenthinöl, Benzin und wasserfreier
Aether.
Diese Flüssigkeiten schwellen den vulcanisirten Kautschuk so auf, daß sein Volum bald
acht-bis neunmal größer wird.
Der Aether entzieht ihm den Schwefel auf eine eigenthümliche Weise: ein schwacher
Antheil wird zuerst aufgelöst, dann nach außen geführt, wo er sich in
krystallinischen Theilchen absondert; andere Theilchen, welche nach einander im
Innern aufgelöst werden, gehen denselben Weg und vergrößern die Krystalle, welche
bald ziemlich große Octaeder darstellen.
Weder das Terpenthinöl noch das Benzin führen die von ihnen im Innern der
aufgeblähten Substanz aufgelösten krystallinischen Schwefeltheilchen auf die
Außenseite.
Der Grund dieser Eigenthümlichkeit schien mir das größere Auflösungsvermögen des
Terpenthinöls und Benzins zu seyn; um darüber Gewißheit zu erhalten, sättigte ich
diese zwei Flüssigkeiten bei der constanten Temperatur von 60° R. im
Wasserbad mit Schwefelblumen; die gelbgefärbten Lösungen wurden unmittelbar filtrirt
Und setzten beim Erkalten Krystalle ab:
Das Terpenthinöl.
Das Benzin
Die Auflösungen enthielten in der Wärme Schwefel
0,0587
0,0733
Sie hielten nach dem Erkalten Schwefel zurück
0,0135
0,0173
Das Terpenthinöl lieferte durch langsames Erkalten, sowie durch Verdunstung bei +
20° R., den Schwefel in kleinen Octaedern krystallisirt, beim raschen
Erkalten schlug sich derselbe hingegen in nadelförmigen Prismen nieder.
Im Benzin waren die Krystalle prismatisch; wenn man die Krystallisation in einer
Glasröhre beobachtet, so sieht man eine Menge durchscheinender rechteckiger Lamellen
sich bilden, welche in der Flüssigkeit rasch auf und ab steigen, sich aber am Boden
des Gefäßes nach und nach zu längeren Blättern vereinigen. Läßt man nach dem
Erkalten bei + 12° R die Verdunstung beginnen, so zeigt sich eine neue
Krystallisation; durchsichtige Octaeder setzen sich auf die undurchsichtigen und
gelblichen Prismen, welche sich vorher gebildet hatten. — Wenn man in der
Wärme verdunstet, so erhält man lange seidenglänzende Blätter. — Bringt man
einen Tropfen dieser Auflösung in Benzin auf den Objectträger des Mikroskops, so
setzt er beim Verdunsten durchsichtige Octaeder ab.
100 Schwefelkohlenstoff lösen in der Wärme Schwefel auf
73,46
100 Schwefelkohlenstoff lösen in der Kälte oder bei + 13° R.
auf
38,70
100 Aether lösen in der Wärme auf
0,54
100 Aether lösen in der Kälte auf
0,168
Aus dem Schwefelkohlenstoff krystallisirt der Schwefel beim Erkalten in großen
Octaedern; aus dem Aether erhält man kleine Octaeder und einige Prismen.
Der Aether und der Schwefelkohlenstoff, welche man lange Zeit mit dem vulcanisirten Kautschuk in Berührung ließ, halten 4 bis 5
Proc. von dem Kautschuk in Auflösung zurück, den man isoliren kann, indem man
mehrmals abdampft und den Rückstand jedesmal wieder in Aether aufnimmt, welcher den
freien Schwefel wegschafft, hierauf den Kautschuk mit absolutem Alkohol behandelt,
welcher ihm 1 bis 1,5 fetter Substanz entzieht.
Der so ausgezogene Kautschuk kann in zwei Theile geschieden werden: nämlich einen
sehr dehnbaren, welchen das Benzin auflöst und und beim Verdunsten absetzt; dann
einen zäheren, weniger ausdehnbaren, welchen das Benzin nicht auflöste. Diese zwei
Theile kommen aus dem Innern der Blätter, wo in einer gewissen Tiefe die Verbindung
weniger innig ist und nicht so viel Schwefel enthält wie an der Oberfläche.
Bei den zwei anderen Vulcanisirmethoden, welche ich unten beschreiben werde, ist die
mangelnde Gleichartigkeit der Verbindung auffallender.
Nach dem Vulcanisiren besteht der Kautschuk noch aus zwei Theilen von verschiedener
Cohäsion und Auflöslichkeit; um sich davon zu überzeugen, braucht man nur einen
Streifen zwei Monate lang in eine Mischung von 10 Theilen Schwefelkohlenstoff und 1
Theil wasserfreiem Alkohol zu tauchen. Der aufgelöste Theil besteht aus
zwischengelagertem Schwefel, welchen man nach dem Austrocknen mit Aetznatronlösung
ausziehen kann; es bleibt alsdann die organische Substanz zurück welche den
geringsten Zusammenhang hat, wenig Widerstand leistet, gelblich und durchscheinend
ist. Der nicht aufgelöste Theil hinterbleibt als ein zäher Streifen, welcher brauner
und weniger durchscheinend geworden ist. Bei einem solchen Versuch erhielt ich,
abgesehen von der fetten Substanz, folgende Verhältnisse:
zäher unauflöslicher Theil
65
weicher auflöslicher Theil
25
überschüssiger Schwefel
10
–––––
100
Wenn man Gegenstände aus vulcanisirtem Kautschuk auf Metallen, namentlich Silber,
Gold, Kupfer, Blei, Eisen befestigt, so wirken sie durch ihren zwischengelagerten
Schwefel; sie schwefeln die Oberfläche des Metalls, welche sie berühren, mehr oder
weniger. Die Scheiben aus vulcanisirtem Kautschuk, womit man die einzelnen Stücke
von Röhren vereinigt, welche Wasserdampf von 4 bis 5 Atmosphären fortleiten, und die
folglich einer Temperatur von 116 bis 122° R. ausgesetzt sind, verlieren bald
ihre Elasticität, werden hart und spröde, weil sich der Kautschuk mit dem in seinen Poren
eingeschlossenen freien Schwefel immer mehr chemisch verbindet. Diese Nachtheile
lassen sich großentheils dadurch vermeiden, daß man entweder den vulcanisirten
Kautschuk mittelst Aetzkali- oder Aetznatronlösung entschwefelt, oder die am Ende dieser Abhandlung beschriebene neue
Vulcanisirmethode anwendet.
Ich habe 1) normalen, 2) vulcanisirten, 3) entschwcfelten Kautschuk
unter denselben Umständen zwei Monate lang in reines Wasser getaucht; der erste absorbirtedavon 0,200 bis 0,260; der zweite
0,042 und der dritte 0,064.
Ballons von 2 Millimeter Dicke, welche mit Wasser gefüllt
und dann einem Druck unterworfen worden waren, welcher ihren Durchmesser
verdoppelte, verloren durch beständige Ausdünstung in 24 Stunden per Quadratmeter: der normale Kautschuk 23 Gramme, und
der vulcanisirte Ballon 4 Gramme Wasser.
Aehnliche Ballons, mit Luft gefüllt, zeigten unter
demselben Druck nach acht Tagen keinen merklichen Gewichtsverlust.
Man begreift ohne Mühe das merkliche Entweichen des Wassers durch ein dünnes
Kautschukblatt; die Flüssigkeit dringt nämlich in Folge der Capillarität in die
Poren der organischen Substanz und ersetzt also immer wieder das Quantum, welches an
der äußern Oberfläche verdunstet.
Man begreift auch leicht, daß die Luft und die Gase im Allgemeinen keine ähnlichen
Wirkungen ausüben können.
Das Verfahren in der Kälte zu vulcanisiren, welches man Hrn. ParkesBeschreibung seines Patents im polytechn. Journal Bd. CIV S.
455. verdankt, besteht darin, Blätter oder Röhren von
Kautschuk in eine Mischung von 100 Theilen Schwefelkohlenstoff und 2½ Theilen
Halb-ChlorschwefelDie Vereitung des Schwefelkohlenstoffs und des Chlorschwefels ist im polyt.
Journal Bd. CXX S. 191 beschrieben. zu tauchen; die
Flüssigkeit dringt in die organische Substanz, bläht sie auf, und der
Chlorkohlenstoff (eine unbeständige Verbindung) gibt seinen Schwefel ab, welcher
sich mit dem Kautschuk vereinigt.
Die Theile an der Oberfläche würden zu stark vulcanisirt und daher spröde, wenn man
nicht besorgt wäre diese Gegenstände nach Verlauf von einer oder zwei Minuten
herauszunehmen, und sie unmittelbar in Wasser zu tauchen, wie Hr. Gerard empfahl. In diesem Falle wird der Chlorschwefel in
Berührung mit dem Wasser zersetzt und folglich hört seine Wirkung auf der Oberfläche
auf, während die weiter eingedrungenen Theile desselben ihre schwefelnde Wirkung im
Innern fortsetzen. Auf diese Art kann man also das Vulcanisiren in der Kälte
beliebig reguliren.
Ein Verfahren, welches bezüglich der Gesundheit der Arbeiter und der Regelmäßigkeit
der Operation noch vorzuziehen scheint, verdankt man demselben Erfinder. Man läßt
die zu vulcanisirenden Gegenstände in einem verschlossenen Gefäß 3 Stunden lang in
einer 25° Baumé starken Auflösung von Dreifach- oder
Fünffach-Schwefelkalium bei einer Temperatur von 112°R., wascht sie
dann in einer alkalischen Lösung und hierauf in reinem Wasser. Auf diese Weise kann
man mit dem Kautschuk das erforderliche Verhältniß von Schwefel verbinden, ohne daß
ein Ueberschuß desselben in seinen Poren zurückbleibt, und man vermeidet folglich
die Uebelstände seiner ungleichen Schwefelung.