Titel: | Verfahren zur Bestimmung des Werthes des Zinnsalzes und der dasselbe enthaltenden Auflösungen; von Ferd. Penny. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XLIII., S. 182 |
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XLIII.
Verfahren zur Bestimmung des Werthes des
Zinnsalzes und der dasselbe enthaltenden Auflösungen; von Ferd. Penny.
Aus dem Quarterly Journal durch das Journal für praktische
Chemie, 1852 Nr. 4.
Penny's Verfahren zur Bestimmung des Werthes des
Zinnsalzes.
Der Hauptzweck dieser Abhandlung ist, ein schnelles Verfahren zur Bestimmung des
Werthes des Zinnchlorürs kennen zu lehren.
Diese Verbindung wird bekanntlich von Färbern und Zeugdruckern in großer Menge unter
dem Namen „Zinnsalz“, „einfach- und
doppeltsalzsaures Zinn“ gebraucht; das erstere befindet sich im
krystallisirten Zustande, die letzteren sind Lösungen in Wasser mit überschüssiger
Chlorwasserstoffsäure. Der Verbrauch dieser Artikel ist sehr beträchtlich. In
Glasgow allein wird die jährliche Erzeugung von Zinnsalz auf 150 bis 200 Tonnen
geschätzt; in Manchester und in seiner Nachbarschaft ist der jährliche Verbrauch
noch größer, er beläuft sich vielleicht auf 250 bis 300 Tonnen.
Ebenso wie andere chemische in den Gewerben gebrauchte Producte, sind diese
Zinnpräparate zufälligen Verunreinigungen ausgesetzt, und es unterliegt keinem
Zweifel, daß sie von einigen Händlern absichtlich verfälscht werden, um das Zinn zu
sparen; indessen geschieht dieß wohl nicht in so großem Maaße als es früher der Fall
war. Metallisches Zink
wurde früher einmal bei der Auflösung des Zinns in Chlorwasserstoffsäure zugesetzt,
nicht allein um ein theureres Metall zu ersetzen, sondern auch, wie einige glauben,
um den Krystallen den eigenthümlichen perlmutterartigen oder seidenartigen Glanz,
welcher gewöhnlich geschätzt wird, zu geben. Außer Zink habe ich auch geringe Mengen
von Arsenik, schwefelsauren Salzen, Kochsalz und Chlormagnesium gefunden.
Gegenwärtig werden diese Artikel in Glasgow nicht absichtlich mit Metallen
verunreinigt. Die hauptsächlichsten im Zinnsalz vorkommenden, zufälligen Stoffe sind
Wasser und ein Ueberschuß von Chlorwasserstoffsäure, die von dem unvollkommnen
Trocknen der Krystalle herrühren. Dieß findet vorzüglich bei den faserigen und
federartigen Krystallen statt, welche beträchtliche Mengen von Mutterlauge
mechanisch einschließen.
Der Werth dieser Präparate hinsichtlich ihrer Anwendung in der Färberei wird offenbar
durch die Menge des darin enthaltenen Zinnes bedingt; es ist auch wesentlich, daß
sich das Metall ausschließlich im Zustande des Chlorürs befinde.
Ein einfaches Verfahren zur Bestimmung der Menge von Zinn in diesen Handelsartikeln
ist lange von den Geschäftsleuten gewünscht worden. Die gewöhnliche Methode zur
Bestimmung des Zinnes mit Salpetersäure ist bei der Analyse des Chlorürs völlig
unanwendbar; denn während des nothwendigen Kochens wird eine beträchtliche Menge von
Chlorid gebildet, welches wegen seiner leichten Flüchtigkeit beim darauffolgenden
Verdampfen entweicht und einen beträchtlichen Verlust veranlaßt. Ein anderes
Verfahren, welches sich nach wiederholten Versuchen geeignet zeigte ganz genaue
Resultate zu geben, besteht in der Fällung des Zinns durch metallisches Zink und
nachherige Verwandlung des ersteren in Zinnoxyd; diese Operationen sind aber zu
langwierig und verlangen zu viele feine Manipulationen, als daß sie zu gewöhnlichen
Zwecken anwendbar werden könnten. Das Verfahren mit Schwefelwasserstoff ist aus
denselben Gründen noch unzulässiger.
Verschiedene Titrirmethoden sind ebenfalls zur Lösung desselben Problems empfohlen
worden. Cottereau versuchte das Zinn in einer Auflösung
des Zinnchlorürs durch Färben derselben mit schwefelsaurem Indigo und nachherigen
Zusatz von Chlorwasser bis zur Bleichung des Indigs zu bestimmen. Ein etwas
ähnlicher Versuch wurde schon vor langer Zeit von Pelouze
gemacht. Gaultier de Claubry empfiehlt zu demselben
Zwecke eine Normallösung von Iod in Alkohol; bei einer Reihe von Versuchen, die
innerhalb eines kurzen Zeitraumes angestellt werden, ist es nicht zu bezweifeln, daß diese Methode
ganz befriedigende Resultate geben wird.
Es ist indessen wohl bekannt, daß alkoholische Lösungen des Jods bei ihrer
Aufbewahrung wesentlich verändert werden; es würde demnach nothwendig seyn, die
Normalflüssigkeit jedesmal vor ihrer Anwendung zu prüfen; es eignet sich demnach
diese Methode zum gewöhnlichen Gebrauch nicht gut. Mène
hat ganz kürzlich zur Analyse des Zinnchlorürs die Anwendung des Eisenchlorids
empfohlen und hat zufolge seiner Versuche ganz günstige Resultate erhalten.
Das Mittel, welches ich zur Anwendung vorschlage, ist das doppelt-chromsaure
Kali. Seine Anwendung begründet sich darauf, daß die Chromsäure, bei Gegenwart von
freier Chlorwasserstoffsäure, das Zinnchlorür in Zinnchlorid verwandelt, während die
Chromsäure in Chromchlorid übergeht. Die angeführte Reaction mit dem
doppelt-chromsauren Kali wird durch folgende Gleichung ausgedrückt:
3Sn Cl + KO, 2Cr O 3
+ 7Cl H = 3Sn Cl2 + K Cl +
Cr2Cl3 + 7HO.
Die Ausführung des Verfahrens ist leicht und ganz ähnlich denen der anderen
Titrirmethoden. Eine Normallösung von doppelt-chromsaurem Kali wird zu einer
bekannten Menge einer wässerigen Auflösung von Zinnchlorür gesetzt, bis durch
Prüfung mit einer Auflösung von essigsaurem Bleioxyd durch die Entstehung des gelben
chromsauren Bleioxyds ein geringer Ueberschuß des Chromsalzes angezeigt wird. Die
Menge des metallischen Zinns wird aus der Menge des verbrauchten
doppelt-chromsauren Kalis berechnet.
Die Titrirmethoden werden jetzt so allgemein angewendet, daß die dazu nöthigen
Manipulationen den wissenschaftlichen Chemikern wohl bekannt sind; allein da ich
wünsche, daß dieses Verfahren auch den Gewerbtreibenden zugänglich werde, so will
ich das Verfahren ausführlicher mittheilen. Ich werde daher zunächst die Operationen
der Werthbestimmung „des Zinnsalzes“, dann die des
„einfachen- und des doppelt-salzsauren
Zinnoxyduls“ beschreiben. Ich werde dann die Resultate einiger meiner
Versuche angeben, welche in der Absicht, die wahre atomistische Zusammensetzung des
krystallisirten Chlorürs zu erfahren, angestellt wurden.
I. Krystallisirtes Zinnsalz.
Dieses Salz wird gewöhnlich an die Färber in Krügen verkauft, die zwei bis drei
Centner enthalten. Eine Probe, welche nicht weniger als ein oder zwei Pfund
beträgt, wird aus der Masse genommen und in einem Mörser zerrieben und innig
gemischt. Diese Arbeit erfordert große Aufmerksamkeit, da die Krystalle wegen ihrer
Feuchtigkeit leicht unter dem Pistille zusammenballen.
100 Gran davon werden in einer Schale mit 2 Unzen Wasser und einer halben Unze
Chlorwasserstoffsäure gelinde erhitzt. Alsdann werden 83,2 Gran
doppelt-chromsaures Kali in ungefähr 2 Unzen warmen Wasser gelöst, und
sorgfältig in ein 100 Grade fassendes Alkalimeter gebracht, das mit Wasser bis zum
höchsten Theilstrich angefüllt wird, durch Verschließen mit der flachen Hand wird
die innige Mischung bewirkt. Diese Menge von doppelt-chromsaurem Kali ist,
wie ich zeigen werde, genau 100 Granen reinem metallischen Zinn äquivalent; jeder
Grad des Alkalimeters wird demnach einem Gran des Metalls entsprechen.
Die gewöhnlichen zur Titrirung gebrauchten Alkalimeter fassen in der Regel in 100
Graden genau 1000 Gran Wasser; für das gegenwärtige Verfahren fand ich es aber
angemessener und der Genauigkeit zuträglicher, das Instrument von doppelt so großem
Inhalt zu haben, so daß also 100 Grade 2000 Gran Wasser fassen.
Eine Auflösung von essigsaurem Bleioxyd, die ich der Kürze wegen mit
„Bleiprobe“ bezeichnen werde, wird auf eine weiße
Porzellanplatte gesprengt. Die Lösung muß wenigstens eine Unze essigsaures Bleioxyd
auf 8 Unzen Wasser enthalten und klar filtrirt seyn. Die auf die Platte gesprengten
Tropfen müssen ziemlich breit seyn, um bei der Mischung mit dem Zinnchlorid den
Erfolg zu sichern.
Die bereitete Auflösung des doppelt-chromsauren Kalis wird nun sehr vorsichtig
in die Zinnauflösung gegossen, eben so wie bei den alkalimetrischen Proben, bis ein
Tropfen der letzteren mittelst eines Glasstabes auf die Bleiprobe gebracht, eine
schwach gelbliche Färbung zeigt. Die Operation ist nun beendet. Die Zahl der Grade
von der verbrauchten Chromflüssigkeit wird sorgfältig abgelesen; diese Zahl zeigt
die in 100 Theilen der Probe enthaltene Menge von Zinn.
Es möchte hier wohl zu erwähnen seyn, welche Wirkungen durch die vorhergehende
Operation hervorgerufen werden. Beim ersten Zusatz der Chromflüssigkeit zur
Zinnauflösung wird Chromchlorid gebildet, wodurch die Mischung eine intensiv grüne
Färbung annimmt; wird bei diesem Stadium des Processes ein Tropfen der Bleiprobe
zugesetzt, so wird ein weißer Niederschlag von Chlorblei erscheinen. Diese Wirkung
dauert so lange fort, bis alles Zinnchlorür in Zinnchlorid verwandelt ist. Ist
dieser Punkt erreicht, so wird der geringste Ueberschuß von doppelt-chromsaurem Kali
mit der Bleiprobe das gelbe chromsaure Bleioxyd gleichzeitig mit dem weißen Chlorid
erzeugen, was dadurch gelb schattirt wird und die Beendigung des Versuches
anzeigt.
Um die Empfindlichkeit der Nachweisung von kleinen Mengen chromsauren Kalis durch
essigsaures Bleioxyd zu prüfen, und um zu sehen, ob ein großer Ueberschuß von
Chromchlorid durch seine grüne Farbe diese Reaction verändere oder verdecke, stellte
ich mit Genauigkeit folgende Versuche an. Ich prüste zuerst die Empfindlichkeit des
essigsauren Bleioxyds und besprengte eine Platte damit; eine Auflösung von einem
Theil Chromsalz in 10000 Thln. Wasser gab in der Bleilösung eine deutlich gelbe
Färbung; mit 15000 Thln. Wasser war die gelbe Farbe noch etwas sichtbar, aber ganz
schwach, und mit 20000 Thln. Wasser war die Färbung eben nur bemerkbar. Ich fügte
dann eine Auflösung von reinem Chromchlorid zu einer Auflösung von
doppelt-chromsaurem Kali hinzu, bis die Mischung eine dunkelgrüne Farbe
hatte. Durch verschiedene progressive Versuche überzeugte ich mich, daß ein Theil
Chromsalz, was auf angegebene Weise gefärbt ist, noch in 10000 Thln. Wasser entdeckt
werden kann.
Diese Resultate werden genügen um zu zeigen, daß, um einen Ueberschuß der
Chromflüssigkeit anzuzeigen, eine starke Auflösung von essigsaurem Bleioxyd, wiewohl
sie in kleinen Tropfen gebraucht wird und Chromchlorid zugegen ist, eine
außerordentlich empfindliche Probe abgibt; sie wird demnach mit Zuversicht zu dem
gewöhnlichen praktischen Verfahren benutzt werden können. Es wird allerdings etwas
Uebung erfordert, um genau den Punkt zu erreichen, wo die gelbe Färbung erscheint;
ich habe indessen beobachtet, daß Personen, die vorher mit den Manipulationen der
Titrirmethode unbekannt waren, keine Schwierigkeit hatten, nach zwei oder drei
Versuchen zu entscheiden, wenn der Zusatz der normalen Chromauflösung nicht mehr
nöthig war.
Der Bequemlichkeit wegen habe ich die Menge des zu jeder Operation gebrauchten
Zinnsalzes auf 100 Gran festgesetzt. Der Versuch kann natürlich eben so leicht mit
500 oder 1000 ausgeführt werden, als mit 100 Gran. Bei der Analyse der käuflichen
Producte, wo es vielleicht die Werthbestimmung von einigen Centnern oder Tonnen
gilt, wird die Anwendung von großen Mengen unzweifelhaft von wesentlichem Vortheil
seyn.
Wenn es wünschenswerth ist, den Versuch ganz genau zu machen, so empfehle ich, 40
Gran doppelt-chromsaures Kali in Wasser zu lösen, der Zinnauflösung
zuzufügen, aber nur 10 Gran des Chromsalzes in das Alkalimeter zu bringen. Das übrige des Verfahrens
geschieht wie vorher. Durch diese Abänderung ist es sehr leicht, den Ueberschuß der
Chromflüssigkeit bis auf einen halben Grad des Alkalimeters zu beschränken, welcher
äquivalent ist 0,5 Gran des Salzes.
Ich bediene mich häufig noch einer anderen Probe zur Entdeckung kleiner Mengen von
Chromsäure und doppelt-chromsauren Kalis. Diese besteht aus einer wässerigen
Auflösung von Schwefelcyankalium und reinem schwefelsauren Eisenoxydul, welche
schwach mit Chlorwasserstoffsäure angesäuert wird. Eine weiße Platte wird mit dieser
Mischung besprengt und mit der zu untersuchenden Auflösung zusammengebracht, wie
wenn das essigsaure Bleioxyd gebraucht würde. So lange die Zinnauflösung etwas
Zinnchlorür enthält, so ist wenig oder keine Wirkung in der Schwefelcyanmischung zu
erkennen; sobald aber die vollständige Umwandlung in Chlorid erfolgt und der
geringste Ueberschuß von Chromsäure in der Lösung enthalten ist, so wird eine
dunkelbraune oder rothe Färbung erzeugt. Die Tiefe der Farbe hängt ganz von der
Menge der vorhandenen Chromsäure ab. Bei einer außerordentlich geringen Menge ist
die Farbe bräunlich, bei einer etwas größeren ist sie aber blutroth. Es ist von
keinem Einfluß, wenn die Mischung des schwefelsauren Eisenoxyduls mit
Schwefelcyankalium blaßroth gefärbt ist, da diese geringe Färbung auf der Platte
kaum bemerkbar ist. Diese Mischung ist ein außerordentlich feines Reagens. Ein Theil
des Doppelchromates wird in 10000 Theilen Wasser leicht entdeckt, auch wenn die
Lösung mit Chromchlorid gefärbt ist; ein Theil in 20000 Theilen reinem Wasser läßt
sich noch erkennen. Ich bin geneigt dieser Probe den Vorzug zu geben, weil die
Färbung deutlicher ist und weil sie leichter erkannt werden kann, als die gelbe
Farbe beim essigsauren Bleioxyd; da aber große Sorgfalt auf die Bereitung der
Schwefelcyanprobe verwendet werden muß, so befürchtete ich, daß sie bei ungeübten
Arbeitern leicht Fehler veranlassen könnte.
Ich habe diese Probe auch sehr zweckmäßig bei der Bestimmung der arsenigen Säure
durch doppelt-chromsaures Kali gefunden; ich behalte mir aber die
Beschreibung ihrer Anwendung zu diesem Zwecke für eine spätere Zeit vor.
II. Einfach-salzsaures und doppelt-salzsaures Zinnoxydul.
Bei der Werthbestimmung dieser Präparate wich ich etwas von dem eben bei dem
„Zinnsalz“ beschriebenen Verfahren ab. Anstatt die
Auflösung des doppelt-chromsauren Kalis in die des Zinnes zu gießen, zog ich vor, das
Alkalimeter mit der Zinnauflösung zu füllen und sie nach und nach einem bekannten,
in Wasser gelösten Gewicht von Chromsalz zuzufügen, bis die Chromsäure vollständig
desoxydirt war. Dieses Resultat wird sofort angezeigt, wenn die Mischung mit der
Schwefelcyanprobe nicht mehr die rothe Färbung erzeugt, oder wenn sie mit
essigsaurem Bleioxyd keine gelbe Färbung gibt. Bei dieser Methode wird es ebenfalls
bemerkt, daß die allmählichen Farbenveränderungen, welche die Auflösung während dem
Zusatz der Zinnflüssigkeit erleidet, mit hinlänglicher Sicherheit die Nähe der
Vollendung des Processes anzeigt. So lange noch eine bestimmbare Menge des
unveränderten Chromsalzes zugegen ist, hat die Auflösung eine gelbe Färbung; sobald
aber die Desoxydation beendigt ist, wird sie rein grün. Die nothwendigen
Manipulationen sind folgende:
500 Gran der Probe, entweder „einfaches“ oder
„doppelt-salzsaures Zinn“ werden in das Alkalimeter
gegossen, und mit so viel Wasser versetzt, daß es bis zum 0° angefüllt wird;
die beiden Flüssigkeiten werden innig durch Schütteln gemischt.
41,6 Gran doppelt-chromsaures Kali werden in einer Schale mit 2 Unzen warmem
Wasser und einer viertel Unze Chlorwasserstoffsäure gelöst. In diese Mischung wird
allmählich die Zinnsolution aus dem Alkalimeter in kleinen Portionen gegossen, bis
ein herausgenommener Tropfen mit der Schwefelcyanprobe keine rothe oder dunkle
Färbung erzeugt. Die Zahl der verbrauchten Grade wird abgelesen; durch Division von
1000 durch diese Zahl erhalten wir das Verhältniß des Zinns in 100 Thln. der Probe.
In einem besondern Versuche mit einer Probe des „doppelt-salzsauren
Zinnes“ von 1,6 spec. Gewicht fand ich, daß, wenn das Alkalimeter 500
Gran enthielt, 41,6 Gran doppeltchromsaures Salz 35 Grade erforderten, was gleich
ist 28,57 Proc. Zinn. Von einer Probe des „einfachen salzsauren
Zinnes“ (1,422 spec. Gewicht) wurden 47,5 alkalimetrische Grade
erfordert, welche äquivalent sind 21 Proc. Zinn.
Bei der Anwendung dieser Verfahrungsweisen muß das doppelt-chromsaure Kali
vollkommen rein seyn. Das gewöhnliche im Handel vorkommende ist zu diesem Zweck ganz
unbrauchbar, wegen einer reichlichen Beimischung von schwefelsaurem Kali; durch
zwei- oder dreimalige Krystallisation kann es indessen leicht gereinigt
werden. Vor dem Gebrauch muß es fein gepulvert und bis zum anfangenden Schmelzen
erhitzt werden.
III. Quantitative Bestimmung des doppelt-chromsauren Kalis und des
metallischen Zinnes
Bei der Anwendung der Titrirmethoden zu praktischen Zwecken in den chemischen
Künsten, ist es ohne Frage von der größten Wichtigkeit, mit strenger Genauigkeit die
quantitativen Verhältnisse des Bestimmungsmittels und der auf ihren Werth zu
prüfenden Substanz zu untersuchen. Im vorliegenden Falle sind es das
doppelt-chromsaure Kali und das metallische Zinn. Es ist ganz nutzlos, zur
Basis unserer Berechnungen die gewöhnlich für diese Substanzen angenommenen
Atomgewichtszahlen zu nehmen, da sie keineswegs genügend festgestellt sind. Ich habe
an einem andern OrteBritish Association Report. 1850. auf
die Abweichungen der Zahlen aufmerksam gemacht, welche aus der Atomgewichtszahl des
Chroms abgeleitet werden. Die Zahl des Zinnes befindet sich in keiner besseren Lage.
Nach den Untersuchungen von Berzelius ist das Atomgewicht
des Zinnes 58,8, die neueren Untersuchungen von Mulder
und Vlaanderen geben genau 58.Journal für praktische Chemie Bd. XLVIII S.
31. Diese Zahlen wurden erhalten durch Verwandlung eines
bekannten Gewichts von Zinn in Zinnoxyd, ein Verfahren was schwerlich geeignet ist,
die Entscheidung zwischen zwei einander so nahe stehenden, streitigen Zahlen
herbeizuführen. Die folgende Tabelle zeigt die Mengen des doppelt-chromsauren
Kalis, welche von 100 Theilen metallischen Zinnes erfordert werden, je nach den
verschieden angenommenen Atomgewichten des Zinnes und des Chroms, und nach dem des
Kaliums zu 39.
Atomgewicht des Zinnes.
Chrom zu 26
Chrom zu 26,5
Chrom zu 27
Chrom zu 28
58,0
84,4
85,0
85,63
86,78
58,8
83,75
84,3
84,90
86,04
58,5
83,33
83,9
84,46
85,60
59,0
83,00
83,6
84,18
85,31
Bei Vergleichung dieser Zahlen finden wir das Maximum der Menge von
doppelt-chromsaurem Kali, welche von 100 Theilen Zinn erfordert wird, zu
86,78 Theilen und das Minimum zu 83 Theilen, Resultate, die, wie ich glaube, sehr
viel die zulässigen Grenzen der Versuchsfehler übersteigen, wenn reine Materialien
angewandt werden.
Ich hielt es mit Beiseitelassung der gegenwärtigen Atomgewichte für besser, der
Wahrheit durch den directen Versuch nahe zu kommen.
Ich bereitete etwas metallisches Zinn aus sorgfältig gereinigtem Zinnoxyd, und löste
eine gewisse Menge davon in starker Chlorwasserstoffsäure. Zu der mit Wasser
verdünnten Auflösung wurde erst eine etwas geringere Menge des Bichromates, als die,
welche durch vorläufige Versuche als hinreichend bestimmt war, zugefügt und dann
tropfenweise die weitere Menge aus dem Alkalimeter, welches nur fünf Gran Salz
enthielt, zugesetzt, bis die geringste bestimmbare Wirkung mit der Schwefelcyanprobe
hervorgebracht wurde. Ich wiederholte verschiedene Male diesen Versuch, und fügte
auch zur Veränderung die Zinnauflösung in die des Chromsalzes. Ich bediente mich
auch der Bleiprobe, welche indessen ein etwas höheres Resultat gibt, hinsichtlich
der Menge des verbrauchten Bichromates, als die Schwefelcyanprobe, da, wie ich
bereits erwähnt habe, die gelbe Färbung nicht so leicht erkannt wird, als die rothe
bei letzterer Probe. Das Mittel aller meiner Versuche gab mir das Verhältniß auf 100
Zinn, 83,2 Bichromat, was mit Zuversicht zur Basis der Berechnung bei der
Werthsbestimmung des Zinnchlorürs angenommen werden kann. Eine viel größere Reihe
von Versuchen würde nöthig seyn, um die Frage über die Atomgewichte des Chroms und
des Zinnes zu entscheiden; aber die gegenwärtigen Resultate, wiewohl sie keinen
Anspruch auf die Entscheidung dieses wichtigen Gegenstandes haben, werden gewiß
hinreichend beweisen, daß die alten, für diese Metalle angenommenen Zahlen, nämlich
28 und 58, nicht richtig seyn können.
IV. Zusammensetzung des krystallisirten Zinnchlorürs.
Alle Autoritäten scheinen hinsichtlich der Zusammensetzung des Zinnchlorürs in der
Formel SnCl, 3HO
übereinzustimmen. Ich habe nach verschiedenen Methoden viele Sorten dieses Salzes,
die auf verschiedene Weise erzeugt waren, analysirt, habe aber niemals mehr als 2
HO finden können, was unzweifelhaft das atomistische
Verhältniß ist. Der
Irrthum, drei Atome anzunehmen, kann durch die große Schwierigkeit die Krystalle in
trockenem Zustande zu erhalten, entstanden seyn. Die gewöhnlich zum Trocknen der
Salze angewendeten Methoden sind bei diesem Salze unanwendbar, wegen seiner
außerordentlich leichten Zersetzbarkeit besonders in der Hitze und an der Luft; über
Schwefelsaure wird es wasserfrei.
Bei der Krystallisation dieses Salzes im Großen werden gewöhnlich zwei Arten von
Krystallen erhalten. Die eine Art scheidet sich gewöhnlich an den Seiten des Gefäßes
ab, die andere bildet sich gewöhnlich in den mittleren Theilen der Lösung. Die
ersteren sind rhombische Prismen, häufig groß und verwachsen, weßwegen sie für Alaun
gehalten worden sind. Die letzteren sind außerordentlich fein und nadelförmig mit
einem eigenthümlichen, seidenartigen Glanz, weßhalb sie vorgezogen werden. Diese
werden sehr schön erhalten, wenn die Mutterlauge von Zinnsalz vorsichtig
krystallisiren gelassen wird.
Es gibt eine andere Art von Krystallen des Chlorürs, welche bei der Fabrication
Schwierigkeiten machen. Sie bestehen aus außerordentlich dünnen und
perlmutterartigen Schuppen; ihre Bildung wird gewöhnlich beobachtet, wenn alte
Flüssigkeiten, welche viel der Luft ausgesetzt waren, verarbeitet werden. Ich werde
auf diese Krystalle wieder zurückkommen.
Ich machte verschiedene Versuche, das käufliche Zinnsalz zu reinigen, durch
Umkrystallisiren mit destillirtem, mit Chlorwasserstoffsäure angesäuertem Wasser;
aber der Versuch im Kleinen gelang nicht. Nachdem ich verschiedene andere Methoden
versucht hatte, kam ich auf eine neue Art der Reinigung, die mir nach einiger Uebung
reine und trockene Krystalle gab.
Bei meinen Versuchen mit gewöhnlichen Krystallen hatte ich oft Gelegenheit, die sehr
niedrige Temperatur zu beobachten, bei welcher sie durch die Wärme geschmolzen
wurden, und da ich in dieser Hinsicht keinen constanten Punkt finden konnte, so
machte ich dieses zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung. Die Krystalle wurden
vorsichtig in einer kleinen Flasche, welche in ein Wasserbad gestellt war, erhitzt;
sowohl in das Wasser als auch in die Krystalle tauchten Thermometer.
Der Versuch begann bei 60° F.; die folgenden Resultate wurden sorgfältig
beobachtet. Bei 90° begann das Salz zu erweichen, bei 100° war es
theilweise geschmolzen und bei 105° kam es vollkommen in Fluß. Es wurde dann
allmählich erkalten gelassen, wobei nicht eher eine Veränderung der Temperatur
beobachtet wurde, als bis sie auf 90° gesunken war, wo die Krystallisation
anfing und die Temperatur schnell bis auf 105° stieg, welcher Punkt einige
Zeit constant blieb. Sie sank langsam bis sie wiederum 90° erreichte, wo die
Erstarrung vollkommen eintrat. Ich wiederholte den Versuch mehrmals mit beinahe dem
nämlichen Erfolge. Die Krystallbildung des Zinnchlorürs nach diesem Verfahren ist
ein sehr schönes Beispiel der Krystallisation. Das geschmolzene Salz wird nicht
unregelmäßig fest, wie es gewöhnlich bei Salzen der Fall ist, auch bildet sich keine
Kruste an der Oberfläche, wenn das Flüssige vor der Erschütterung und vor zu rascher
Abkühlung durch die Luft geschützt wird. Breite und wohl ausgebildete Prismen,
häufig über einen Zoll lang, schießen in strahliger Form an den Wänden der Gefäße
an. Wenn, sobald sich eine größere Menge abgeschieden hat, die noch bleibende
Flüssigkeit abgegossen wird, so bleiben hinreichend harte und starke Krystalle, die
sich aufbewahren lassen, zurück. Bekanntlich werden Wismuth, Schwefel und andere
Substanzen auf ähnliche Weise krystallisirt; in diesen Fällen vermögen wir aber
nicht die wirkliche Bildung der Krystalle zu beobachten und erblicken nur das
Resultat, wenn die innere Flüssigkeit abgegossen und die Kruste entfernt ist. Beim
Zinnchlorür läßt sich indessen das ganze Wachsthum der Krystalle beobachten, und man
kann bei Anwendung kleiner Mengen in wenigen Minuten den Versuch ausführen. Es gibt
kein instructiveres und schnelleres Experiment als dieses.
Ich benutzte dieses Verfahren zur Reinigung einer zur Analyse bestimmten Menge von
Zinnchlorür. Die Operation wurde zweimal mit einer beträchtlichen Menge von
Krystallen wiederholt, wobei der noch flüssige Theil abgegossen wurde und ich die
breitesten und am meisten ausgebildeten Prismen aussuchte.
Die Menge des Zinnes wurde auf zweierlei Art bestimmt: erstens mit
doppelt-chromsaurem Kali, wie vorher; zweitens durch Auflösen von 50 Gran in
mit Schwefelsäure angesäuertem Wasser, und durch Fällung des Zinnes mit einer
Zinkstange. Das Zinn wurde dann unter den nöthigen Vorsichtsmaaßregeln in Zinnoxyd
verwandelt und aus dem Gewicht desselben das metallische Zinn berechnet. Die nach
diesen beiden Methoden erhaltenen Resultate stimmen sehr genau mit einander
überein.
Zur Bestimmung des Chlors wurden zwanzig Gran durch Zink wie vorher gefällt; die
Flüssigkeit wurde mit salpetersaurem Silberoxyd behandelt und das Chlor aus dem
Chlorsilber berechnet.
Die Menge des Wassers wurde dadurch bestimmt, daß ich ein bekanntes Gewicht des
Salzes mehrere Stunden über Schwefelsäure unter einer Luftpumpe austrocknete.
Die verschiedenen Analysen ergaben:
Zinn
52,36
Chlor
31,53
Wasser
16,11
––––––
100,00
Ich habe auf gleiche Weise verschiedene Arten von Krystallen untersucht, welche
sorgfältig aus der Mitte oder an den Seiten des Krystallisationsgefäßes gesammelt
waren, ebenso wie eine beträchtliche Menge der feinen Krystalle, welche sich langsam
aus der Mutterlauge abgeschieden hatten. Die in allen diesen Fallen erhaltenen
Resultate stimmen ganz genau mit den oben angegebenen überein, und es bleibt kein
Zweifel, daß das krystallisirte Zinnchlorür nur zwei Atome Wasser enthält.
Nachdem diese Analysen vollendet waren, fand ich, daß die Zusammensetzung dieses
Salzes bereits von Thomas Henry (Philos. Transactions 1845, 11) bei einer Arbeit über das Zinnjodid
untersucht worden ist. Sein analytisches Verfahren zur Bestimmung des Zinnes und
Chlors weicht sehr von dem von mir angewandten ab. Er bestimmte das Zinn durch
Schwefelwasserstoffgas und das Chlor in der vom Schwefelzinn abfiltrirten
Flüssigkeit durch salpetersaures Silberoxyd. Seine Resultate sind mit den meinigen
fast identisch und zeigen deutlich, daß die Formel der Krystalle SnCl, 2HO ist. Das
specifische Gewicht der Krystalle bei 60° F. ist 2,710, und im geschmolzenen
Zustande bei 100° F. 2,5876.
Die flockige Varietät des krystallisirten Chlorürs, welche früher erwähnt wurde, gab
folgende Resultate:
Zinn
52,2
Chlor
30,9
Wasser
16,2
––––––
99,3.
Man Wird finden, daß der Verlust bei der Analyse etwas zu groß ist, und daß die Menge
des Chlors etwas geringer ist, als die welche bei den gewöhnlichen Krystallen
gefunden wurde. Ich bin geneigt den Verlust einer Beimischung einer kleinen Menge
von Zinnoxydchlorid zuzuschreiben; die Ursache mag aber seyn welche sie will, so ist
doch ganz klar, daß
diese Krystalle dieselbe Zusammensetzung mit der nadelförmigen Varietät haben,
welche in der Form, wahrscheinlich durch eine in der Flüssigkeit enthaltene Menge
von Oxydchlorid und vielleicht Vichlorid, verändert wurde. Werden sie durch die
Wärme geschmolzen und wieder erkalten gelassen, so krystallisiren sie in der
gewöhnlichen, nadelartigen Form.
Thomson erwähnt (System of
Chemistry II, 822) schuppige Krystalle von Chlorzinn und behauptet, daß sie
aus Chlorür und Chlorid bestehen; er gibt aber die Einzelheiten der Analyse nicht
an.
Die beschriebenen flockigen Krystalle werden schnell erzeugt, wenn zu einer
gestandenen und concentrirten Auflösung von Chlorür ein Ueberschuß von
Chlorwasserstoffsäure zugesetzt und die Mischung in einem verschlossenen Gefäße
einige Tage bei ungefähr 40° F. erhalten wird. Sie können noch leichter und
schneller erhalten werden, wenn eine kleine Menge alter Krystalle in Mutterlauge
gelöst und die Auflösung wenige Stunden in das Vacuum über Schwefelsäure gebracht
wird. Die auf diese Weise gebildeten Krystalle sind bisweilen zwei bis drei Zoll
lang, und beinahe eben so breit, aber außerordentlich dünn und weich; aus der
Flüssigkeit entfernt, werden sie fast breiartig.
Wegen der Leichtigkeit, mit welcher das Zinnsalz in der Wärme schmilzt, ist es
nöthig, den Vorrath an einem kalten Orte, fern von den Feuerungen und Oefen zu
halten. Thörichterweise stellen einige Zeugdrucker die das Zinnsalz enthaltenden
Krüge in geheizte Räume, so daß in ganz kurzer Zeit ein Theil des Salzes schmilzt
und sich am Boden des Kruges als ein Schlamm ansammelt, was nicht nur einen Verlust
des Artikels und vielleicht Schaden an der Waare, sondern auch häufig unverdienten
Tadel dem Verkaufer zuzieht.
Wegen seiner außerordentlichen Neigung, sich im feuchten Zustande bei der Berührung
mit der Luft zu verändern, ist es begreiflicherweise nöthig, es sobald als möglich
nach seiner Bereitung zu verbrauchen und in sorgfältig verschlossenen Gefäßen
aufzubewahren. Seine Reinheit könnte vielleicht besser erhalten werden, wenn es in
kleineren Krügen verkauft würde.