Titel: | Ueber das Verfahren der englischen Chemiker die Härte süßen Wassers zu bestimmen; von Prof. Dr. Bolley. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XLVI., S. 204 |
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XLVI.
Ueber das Verfahren der englischen Chemiker die
Härte süßen Wassers zu bestimmen; von Prof. Dr. Bolley.
Aus dem Schweizerischen Gewerbeblatt, 1852 Nr.
1.
Bolley, über das Verfahren der englischen Chemiker die Härte süßen
Wassers zu bestimmen.
Während meines Aufenthaltes in London kam ich in die meisten chemischen Laboratien
und war nicht wenig erstaunt, in denselben für Prüfung von Trink- und
Flußwasser eine Methode im Gebrauch zu sehen, die nach meinem Wissen und nach dem
Zugeständniß anderer Chemiker auf dem Continent nicht bekannt ist. Nach meiner
Rückkunft überzeugte ich mich aus dem am 25 August 1851 ausgegebenen Schlußheft des
Jahresberichts der Chemie von Liebig und Kopp, daß Moser das deutsche
Publicum mit den Grundzügen dieser Methode bekannt gemacht hat. Ich habe aber
dieselbe in keiner der gelesenen deutschen technischen Zeitschriften wiedergegeben
gefunden,Clark's patentirte Methode das Wasser auf seine
Härte mittelst einer titrirten Seifenlösung zu prüfen, wurde aus dem Repertory of Patent-Inventions im polytechn. Journal, 1842, Bd. LXXXIII S. 193 mitgetheilt.A. d. Red. und halte es für nützlich, dieselbe wieder zur Sprache zu bringen, ihr
einiges zuzufügen und sie für unsere Verhältnisse zu modificiren. Das Bedürfniß, die
Natur der Wasser unter hauswirthschaftlichem, technischem und gesundheitlichem
Gesichtspunkte kennen zu lernen ist so groß, und die Frage wird nur der
Unbequemlichkeit der Untersuchungsmittel wegen so oberflächlich genommen, daß diese
Methode, welche für solche Anforderungen vollkommen genügend, genaue Resultate gibt,
mir berufen zu seyn scheint, in der Technologie der Wasser zum Trinken, Waschen,
Küchen- und chemischen Gewerbsgebrauch eine große Stelle zu übernehmen. Man
liest in England unter jeder Analyse eines solchen Trinkwassers unter der addirten
Summe fester Bestandtheile noch eine Rubrik „Härtegrad.“. Dieß bezieht sich auf das nachfolgend
beschriebene Verfahren von Dr. Clark, Professor in Aberdeen, das vom Gesundheitsministerium der drei
Königreiche für jede Wasseruntersuchung, die officiellen Werth erhalten soll,
vorgeschrieben ist.
Das Verfahren gründet sich auf das allgemein bekannte Verhalten alkalischer Seifen
gegen gewisse Erdsalze. Wenn bei uns manche aufmerksame Hausfrau es weiß, daß es sich
mit vielem Wasser nur schwierig waschen läßt, und es nach der allgemeinen Meinung
unzweifelhaft scheint, daß kalkhaltigen Wassern diese Wirkung zumeist zukomme, so
ist doch in die Lehre von der Zersetzbarkeit der Seife durch Kalksalze, namentlich
durch französische Chemiker, viel Zweifelhaftes eingeführt worden. Vielleicht
entstand unter den deutschen chemischen Autoren durch die französischen Angaben ein
gewisses Mißtrauen gegen Clark's Methode, und dieses
verhinderte dessen Aufnahme in die deutschen Zeitschriften.
Dupasquier in Lyon, der am bedeutendsten Sitze der
Seidenfärberei Anlaß genug hat, den Einfluß der Wasser auf Seifenlösungen zu
studiren, sagtJournal de Chimie médicale, März 1840. (Man
vergl. auch polytechn. Journal Bd. C S. 469.) ganz
ausdrücklich: „Der kohlensaure Kalk, der in Trinkwassern durch
überschüssige Kohlensäure gelöst ist, zersetzt die Seife nicht. Er zersetzt sie
nur dann, wenn er in acht-bis neunfach größerer Menge in einem Wasser
enthalten ist, als bei gewöhnlichen Quellwassern der Fall ist.“
Gegenüber dieser so unbedingt ausgesprochenen Meinung, habe ich zu sagen, daß ich
wiederholt kohlensauren Kalk in destillirtes Wasser brachte und ihn theilweise durch
einen Strom kohlensauren Gases und Schütteln darin zu lösen suchte. In Lösungen,
deren Gehalt an kohlensaurem Kalk durch directe Bestimmungen nicht höher als zu
0,05 Gramm im Liter gefunden wurde, trat die
deutlichste Reaction auf Seifenlösung ein. Dieß scheint mir der einzige Weg, um über
diese Frage Klarheit zu erhalten. Um die Möglichkeit, baß diese Reaction größerem
Uebermaße von freier Kohlensäure zugeschrieben werden müsse, auszuschließen, wurde
das künstliche kohlensaure Kalkwasser längere Zeit in halbgefüllten Flaschen mit
Luft geschüttelt, aber dann auch trat eine deutliche Trübung der Seifenlösung ein,
während sie so verdünnt war, daß mit einer gleichen Menge destillirten Wassers kaum
eine Einwirkung wahrzunehmen war. Wenn MaumenéPolytechn. Journal Bd. CXVIII S. 239. fand, daß
Kalksalze nur bei stärkerer Concentration förmliche Niederschläge in Seifenlösungen
hervorbringen, dagegen nur opalisirende Ausscheidungen bei größerer Verdünnung, und
er daraus die Löslichkeit der Kalkseife schließt, so scheint mir die Gränze zwischen
der einen und andern Gestalt der Ausscheidung eine so unsichere, daß man wohl sagen
darf, wo eine Trübung
in der Seifenlösung durch kalkhaltige Wasser erscheint, beweist es die Bildung von
Kalkseife und über die Löslichkeit derselben in Wasser, genügt es für die gesammten
Anwendungen der Seife zu wissen, daß die Kalkseife sehr schwer löslich sey, und daß
von dem Unterschied der Löslichkeiten der Kalkseife und der Alkaliseifen die
Untauglichkeit kalkhaltigen Wassers, das immer zur Bildung ersterer Anlaß gibt,
abhängt.
Ueberdieß sind alle diese Einwürfe für die Genauigkeit des Prüfungsverfahrens nach
Clark von keinem Belang, da nicht ein Niederschlag
gesammelt und gewägt, oder nur dem Ansehen nach als Merkmal genommen werden
soll.
Es beruht vielmehr auf der Wahrnehmung, daß Seifenlösung mit kalkhaltigem Wasser,
oder allgemeiner gesagt, mit Wasser das Erdsalze enthält, zusammengebracht, beim Schütteln so lange keinen Schaum erzeugt, bis alle diese
Salze zerlegt sind, und ein kleiner Ueberschuß von Alkaliseife vorhanden
ist. Der Moment, wo ein etwas steifer Schaum (siehe weiter unten) auftritt,
gibt das Zeichen für genügenden Seifenzusatz. Wir haben es also hier mit einer
Maaßanalyse zu thun und gewiß mit einer solchen, die an Zuverlässigkeit vielen der
mehr und mehr in Gebrauch kommenden chemischen Messungsverfahren nicht
nachsteht.
Unter Härtegrad eines Wassers versteht man seit Einführung des Clark'schen Verfahrens in England eine solche Menge von Erd- und
Metallsalzen, welche in ihrer Einwirkung auf Seifenlösung gleichkommen einem Gran
kohlensauren Kalks im Gallon Wasser. Ein Gallon hat 70,000 Gran; also einem Gehalt
von 1/70000 kohlensauren Kalks entspricht ein Grad, 12/70000 12 Grad Härte. Diese
Verhältnisse taugen für unsere Maaße nicht, und es ist das einfachste, anstatt
1/70000 kohlensauren Kalk oder die ihm äquivalente Menge anderer seifezerlegenden
Salze, 1/100000 davon als einen Grad Härte zu bezeichnen. Die Sache wird dadurch
wesentlich einfacher. Härtegrade bezeichnen dann auf dem Continent die Anzahl der
Centigramme der genannten Salze in einem Liter Wasser, oder allgemein
Hunderttausendtheile, in England dagegen Siebzigtausendtheile: durch Multiplication
mit 7/10 oder 10/7 lassen sich die einen in die anderen leicht überführen. Das wird
aber selten der Fall seyn, weil englische Trinkwasser auf dem Continent nicht
untersucht werden, und umgekehrt; das Fehlen der Uebereinstimmung dieses Begriffs
nach englischer und festländischer Bedeutung ist jedenfalls viel weniger störend,
als die Zumuthung, in einem uns gar nichts angehenden, überdieß unpraktischen Maaße
zu arbeiten und zu berechnen. Mit möglichster Annäherung an die zu einer Analyse zu
verwendenden Mengen des Wassers, der Seifenlösung und deren Concentration möchte es
am tauglichsten seyn, zu jedem Versuch 100 Kubikcentimeter (1/10 Liter), also so
nahe als möglich 100 Gramme Wasser zu nehmen. Dafür bedarf es eines Glases mit gut
schließendem Stöpsel, das etwas mehr als die doppelte Wassermenge faßt. Die
Seifenlösung wird (siehe weiter unten) so titrirt, daß von sehr harten Wassern doch
nicht mehr Seifenlösung, als 40 bis 50 Kubikcentimeter zu jedem Versuch gefordert
werden. Die Seifenlösung hat man in einer graduirten Bürette, die ein sicheres und
tropfenweißes Ausschütten, und bis auf 1/5 Kubikcentimeter genaues Ablesen der
verbrauchten Mengen zuläßt.
Das Titriren der Seifenlösung geschieht in folgender Weise. Man macht sich eine
Lösung von 16 Centigrammen reinen kohlensauren Kalks in Salzsäure, sorgt, daß nicht
Säureüberschuß da sey durch Verdampfen, und verdünnt die Lösung auf einen Liter. Da
hat man dann Wasser von 16 Grad Härte. So schlägt Clark
vor, der zur Lösung isländischen Doppelspath nimmt. Man kann übrigens eben so sicher
zum Ziele kommen, wenn man in Kalkwasser (aus gebrannten Austerschalen und
destillirtem Wasser gemacht) einen Strom reiner Kohlensäure leitet, bis der
Niederschlag wieder zum Theil verschwunden ist und die klare Lösung in eine Flasche,
die immer mit Kohlensäure gefüllt erhalten wird, gießt. Man dampft davon in einer
Platinschale 1/10 Liter ein. Die Anzahl Milligramme festen Rückstandes geben die
Härte dieses Wassers; wären es z. B. 32 Milligramme, so verdünnt man das Wasser mit
der gleichen Menge destillirten Wassers, und man hat Wasser von 16 Grad Härte. Ich
habe in wiederholten Proben gefunden, daß das Gefüllthalten einer Flasche solchen
Wassers mit Kohlensäure ein ganz sicheres Mittel ist, um auch bei mehrtägigem
Aufbewahren es in Bezug auf Kalkgehalt auf gleicher Stufe der Sättigung zu erhalten.
Nun macht man sich eine Seifenlösung aus ungefähr 56procentischem Weingeist und
harter Soda-Talgseife, die so verdünnt wird, daß genau 32 Kubikcentimeter
davon nöthig sind, um in dem genannten Wasser von 16 Grad Härte das Anfangen des
Schäumens beim Schütteln hervorzubringen.
Die Cautelen des Versuches sind folgende: man setzt nur ganz allmählich dem Wasser
die Seifenlösung zu, und vor jedem neuen Zusatz wird geschüttelt. Sobald sich
Schaumblasen zeigen, die beim Ruhighinstellen des Glases etwa 4 bis 5 Minuten stehen
bleiben und in einer halben Stunde, nachdem sie verschwunden sind, wieder
erscheinen, hört Man
mit Zugießen der Seifenlösung auf. Vor dem Versuche schüttelt man in dem nur
theilweise gefüllten Glase dieß Wasser stark und wiederholt, und saugt aus dem
Luftraum über demselben mit einem Röhrchen die etwa ausgetretene Kohlensäure an.
Dieß thut man auch während der ersten Zusätze der Seifenlösung. Freie Kohlensäure
nämlich zersetzt die Seife etwas und so wirkt sie störend auf das Resultat ein.
Eine weitere Einrede gegen die Brauchbarkeit der Resultate, die man nach Clark gewinnt, ist die von Campbel erhobene, daß Bittererdesalze, gleichzeitig mit Kalksalzen in einem Wasser vorkommend, die Quantität der
zur Schaumbildung nöthigen Seifenlösung vermindern. Allein man begegnet diesem
Vorwurf ganz leicht dann, wenn man das fragliche Wasser mit dem gleichen Maaß
destillirten Wassers verdünnt und dann das gefundene Resultat verdoppelt.
Weiß man also nicht durch eine Analyse, ob beträchtlicher Bittererdegehalt neben der
Kalkerde vorhanden ist, so macht man einen Versuch mit auf die Hälfte verdünntem
Wasser, dessen Resultat verdoppelt mit demjenigen übereinstimmen muß, das man mit
dem unvermischten Wasser gewinnt.
Es ist nun noch anzugeben, in welchem Verhältniß die Härten der Wasser zu den
verbrauchten Graden (Kubikcentimeter) von Seifenlösung stehen. Die zugegebenen
Seifenmengen sind nämlich nicht ganz genau proportional den Härtegraden. Dieß ergibt
sich theilweise als nothwendig, weil auch in einem ganz weichen Wasser eine gewisse
kleine Menge Seife zuerst zugegeben werden muß, um einen Schaum zu bilden. Ist diese
x, so mußte auf alle Fälle dieß x von der verbrauchten Seifenmenge immer abgezogen
werden, um die Proportionalität zwischen dieser und der Härte herzustellen. Aber
auch ein anderer Grund macht die empirisch von Clark
gesuchte Tabelle nöthig, weil nämlich, für gleiche Härtezunahmen, je höher die Grade
steigen, das nöthige Seifenverhältniß zur Schaumbildung sich um ein Weniges
mindert.
Die Tabelle von Clark ist folgende:
Härtegrade.
Verbrauchte Seifenlösung in Kubikcentimeter.
Unterschied von einem Grad zum nächsten.
0°
1,4
1,8
1°
3,2
2,2
2°
5,4
2,2
3°
7,6
2,0
4°
9,6
2,0
5°
11,6
2,0
6°
13,6
2,0
7°
15,5
1,9
8°
17,5
1,9
9°
19,4
1,9
10°
21,3
1,8
11°
23,1
1,8
12°
24,9
1,8
13°
26,7
1,8
14°
28,5
1,8
15°
30,3
1,8
16°
32
1,7
Wenn die verbrauchte Seifenlösung nicht genau einer der angegebenen Zahlen
entspricht, so ist die Härte des Wassers, das untersucht wurde, gleich dem
entsprechenden Grade, zunächst unter der gebrauchten Menge Seifenlösung + dem
Bruche, dessen Zähler die Differenz zwischen der Seifenlösung, die verbraucht wurde
und der zunächst tiefer stehenden Zahl, dessen Nenner aber die Differenz der beiden
Zahlen der Tabelle ist, zwischen welche das gefundene Resultat fällt.
Man kann bei näherer Kenntniß dieser Methode ihr wegen ihrer Einfachheit nnd der
Sicherheit der Resultate, die unbedingt zu jedem technischen
Zweck scharf und genau genug sind, nur eine eben so allgemeine Einführung
in die Praxis bei uns wünschen, wie es in England der Fall ist.