Titel: | Ueber künstliche Fruchtessenzen; von Prof. Dr. Fehling. |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XLVIII., S. 212 |
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XLVIII.
Ueber künstliche Fruchtessenzen; von Prof. Dr.
Fehling.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1852, Nr.
17.
Fehling, über künstliche Fruchtessenzen.
Unter den chemisch-technischen Präparaten der großen Londoner Ausstellung des
vorigen Jahres waren unter andern die künstlichen Fruchtessenzen bemerkenswerth.
Haben manche solche Essenzen, wie Butteräther und dergl., auch schon früher
Anwendung gefunden, so war diese doch im Ganzen beschränkt; es ist jedoch gar keine
Frage, daß viele unserer künstlichen organischen Verbindungen einer ausgedehnteren
technischen Anwendung fähig sind. Solche praktische Verwendungen werden wesentlich
dazu beitragen, das Studium der organischen Chemie dem Techniker wichtiger zu
machen, und dadurch werden andererseits auch wieder die zahlreichen organischen
Verbindungen, deren Darstellung die Forschungen der neueren Chemie uns kennen
gelehrt haben, technisch benutzt werden.
Unter den von einem Londoner Fabrikanten ausgestellten Fruchtessenzen zeichneten sich
das Ananasöl, das Bergamottbirnenöl, das Aepfelöl, Traubenöl, Cognacöl u. e. a. aus.
Hr. Faißt hat mehrere dieser Oele zum Theil schon im
vorigen Herbst analysirt, es mußte aber die Untersuchung einstweilen wegen anderer
Geschäfte unterbrochen werden. Die Resultate, welche er erhielt, sind fast genau
dieselben, wie Hofmann sie in den Annalen der Chemie von
Liebig, Januar 1852, S. 87 (polytechn. Journal Bd. CXXIII S.
150) veröffentlicht hat. — Wir wollen hier kurz die Beschreibung der
Essenzen und ihrer Darstellung geben.
1. Ananasöl.
Mit diesem Namen ist eine Auflölung von 1 Theil Buttersäure-Aether in 8 bis 10
Theilen Weingeist bezeichnet. Zur Darstellung des Buttersäure-Aethers muß man
sich zuerst reine Buttersäure darstellen, am leichtesten und reinsten durch Gährung
aus Zucker oder aus Johannisbrod (Siliqua dulcis). Um
Buttersäure aus Zucker darzustellen verfährt man am besten, nach der Angabe von Bensch, so, daß man sechs Pfund Zucker und 1 Loth
Weinsteinsäure in 26 Pfd. Wasser gelöst einige Tage stehen läßt. Andererseits wird
ungefähr ¼ Pfd. alter stinkender Käse in 8 Pfd. abgerahmter saurer Milch
vertheilt, und nachdem er einige Tage gestanden ist, mit der Zuckerlösung gemischt.
Das Ganze bleibt dann bei einer Temperatur von 24–28° R. 4–6
Wochen stehen, während welcher Zeit das verdunstende Wasser von Zeit zu Zeit ersetzt
wird.
Nachdem alle Gasentwickelung aufgehört hat, wird die Flüssigkeit mit einem gleichen
Maaß Wasser verdünnt, worauf 8 Pfd. krystallisirte Soda, in 12–16 Pfd. Wasser
gelöst, zugesetzt werden. Die Lösung wird nun filtrirt, abgedampft bis auf 10 Pfd.,
und jetzt mit 5½ Pfd. Schwefelsäure, die mit 5½ Pfd. Wasser verdünnt
ist, langsam gemischt. Es scheidet sich die Buttersäure als eine ölige Schichte ab,
diese wird abgenommen; aber die untere wässerige Flüssigkeit enthält auch noch
Buttersäure, sie wird daher destillirt, wobei verdünnte Buttersäure übergeht, die
mit geschmolzenem Chlorcalcium abgeschieden oder durch Sättigen mit kohlensaurem
Natron, Abdampfen und Zersetzen mit Schwefelsäure concentrirt wird. Man erhält so
von 6 Pfd. Zucker etwa 1¾ Pfd. reine Buttersäure. Auch aus Johannisbrod kann
man diese Säure darstellen, nach Marssen am besten so,
daß man 4 Pfd. Johannisbrod gestoßen mit 10 Pfd. Wasser und 1 Pfd. Kreide versetzt;
man läßt die Flüssigkeit 3–4 Wochen bei 25–35° R. stehen, rührt
oder schüttelt sie oft um und ersetzt von Zeit zu Zeit das verdampfte Wasser.
Nachdem alle Gährung aufgehört hat, wird die Lösung mit einem gleichen Maaß Wasser
verdünnt, dann eine concentrirte Lösung von 2½–2¾ Pfd.
kohlensaurem Natron hinzugesetzt und abgedampft.
Die concentrirte Flüssigkeit wird mit 1½–2 Pfd. Schwefelsäure versetzt,
welche mit 2 Pfd. Wasser verdünnt ist; man verfährt dann weiter wie bei der früheren
Methode. Man erhält hier mehr als ½ Pfd. roher gefärbter Buttersäure. Die aus
Johannisbrod erhaltene Säure hat nun meist einen Nebengeruch nach Johannisbrod, der
sich auch im daraus darzustellenden Aether noch zeigt, während die aus Zucker
erhaltene Buttersäure einen reiner riechenden Aether liefert. Es ist zweckmäßig, die
erhaltene ölige Buttersäure noch mit festem Chlorcalcium zu schütteln, um ihr alles
Wasser zu entziehen.
Um die Buttersäure in Buttersäure-Aether (buttersaures Aethyloxyd) zu
verwandeln, wird 1 Pfd. Buttersäure in 1 Pfd. starkem Alkohol (95° Tralles
oder 39° Beck) gelöst und mit ½ bis 1 Loth Vitriolöl gemischt. Das
Gemenge wird einige Minuten erhitzt, wobei der Butter-Aether sich als eine leichte Schichte
abscheidet. Das Ganze wird mit der Hälfte seines Volumens Wasser gemischt und dann
die obere Schichte abgenommen; die schwerere Flüssigkeit wird für sich destillirt,
wobei noch mehr Buttersäure-Aether erhalten wird. Das Destillat und die
abgenommene ölige Flüssigkeit werden nun mit etwas Wasser geschüttelt, die leichtere
Flüssigkeit getrennt, und für sich noch ein- oder zweimal mit Wasser und
etwas Soda geschüttelt und dadurch von aller anhängenden Säure befreit. Um einen
reinen Buttersäure-Aether zu erhalten, ist ein wiederholtes Waschen mit
verdünnter Sodalösung nöthig, doch muß hiebei jedesmal nur wenig Wasser genommen
werden, um nicht zu viel Aether zu verlieren, da er sich etwas in Wasser löst. Bei
Darstellung größerer Massen sammelt man die Waschwässer, vermischt sie mit einem
gleichen Volumen Weingeist und destillirt, wobei dann auch noch eine Auflösung von
reinem Buttersäure-Aether in Weingeist erhalten wird.
Der Buttersäure-Aether kann auch direct aus dem buttersauren Natron
dargestellt werden: man löst 1 Theil des Salzes in 1 Theil starkem Alkohol und setzt
1 Theil Schwefelsäure hinzu und erhitzt einige Minuten. Der Aether scheidet sich ab
und wird dann durch Waschen mit Wasser und etwas Sodalösung gereinigt.
Zur Darstellung der Ananasessenz löst man 1 Pfd. Butterfäure-Aether in
8–10 Pfd. Weingeist, der natürlich fuselfrei seyn muß; am besten nimmt man
einen reinen französischen Weingeist. Je nach der Verwendung der Ananasessenz wird
zur Lösung des Aethers starker Alkohol von 80–90° Tralles oder
Branntwein von 40–50° Tr. genommen. 20–25 Tropfen einer solchen
Essenz werden hinreichen, um einem Pfund Zuckerlösung einen starken Ananasgeschmack
zu geben; hiebei muß etwas Säure (Weinsteinsäure oder Citronensäure) hinzugesetzt
werden.
2. Birnenöl.
Das Birnenöl ist eine weingeistige Lösung von essigsaurem Amyloxyd und essigsaurem
Aethyloxyd. Es wird aus Kartoffelfuselöl (Amyloxydhydrat der Chemiker) dargestellt.
Das Kartoffelfuselöl, wie es aus größeren Branntweinbrennereien im Magdeburg'schen,
in München etc. erhalten wird, ist nicht rein; es wird zuerst gereinigt, indem man
es mit Wasser und etwas Soda schüttelt, das reinere Fuselöl scheidet sich dabei auf der
Oberfläche als eine ölige Schichte ab. Diese ölige Schichte wird destillirt, sie
fängt schon ungefähr bei 80° R. an zu kochen, man fängt den Theil des
Destillats, der bei l00–112° R. übergeht, für sich auf als reines
„Fuselöl.“
Um daraus essigsaures Amyloxyd darzustellen, mischt man 1 Pfd. reinen Eisessig mit
dem gleichen Gewicht Fuselöl und setzt ½ Pfd. Schweselsäure hinzu; man
digerirt die Flüssigkeit einige Stunden bei etwa 100°, wobei sich dann das
essigsaure Amyloxyd abscheidet, besonders auf Zusatz von wenig Wasser. Aus der unten
stehenden Flüssigkeit erhält man durch Mischen mit mehr Wasser und Destilliren noch
weiteres essigsaures Amyloxyd. Das durch Abscheiden und durch Destillation erhaltene
rohe essigsaure Amyloxyd wird sodann einigemal mit Wasser und etwas Sodalösung
geschüttelt, um alle Säure fortzunehmen.
Man kann auch das essigsaure Amyloxyd so darstellen, daß man 1 Theil Fuselöl mit
1½ Theilen getrocknetem essigsaurem Natron (oder 2
Theilen trockenem essigsaurem Kali) mischt und dann 1–1½ Theile
Schwefelsäure hinzusetzt. Nachdem die Flüssigkeit einige Zeit in gelinder Wärme
gestanden ist, wird durch Zusatz von wenig Wasser das essigsaure Amyloxyd
abgeschieden und, wie oben angegeben, gereinigt.
Fünfzehn Theile essigsaures Amyloxyd werden, mit 1½ Theilen
Essig-Aether (Essignaphta, essigsaurem Aethyloxyd) gemengt, in 100 bis 120
Theilen Weingeist gelöst.
Bei der Anwendung wird dem zu aromatisirenden Zucker gleichzeitig etwas Säure,
Weinsteinsäure oder Citronensäure, zugesetzt, wodurch das Aroma der Bergamottbirnen
deutlicher hervortritt, und der Geschmack fruchtartiger, erquickender wird.