Titel: Ueber die Kartoffelkrankheit.
Fundstelle: Band 124, Jahrgang 1852, Nr. L., S. 222
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L. Ueber die Kartoffelkrankheit. Aus dem Précis d'Agriculture par MM. A. Payen et A. Richard, Paris 1851. Ueber die Kartoffelkrankheit. Wie viele andere Culturpflanzen sind die Kartoffeln verschiedenen Krankheiten unterworfen. Aber nur eine davon darf uns durch die seit einigen Jahren von ihr angestellten Verheerungen wirklich beunruhigen, und bedroht, wenn sie nicht aufhört, beinahe die Existenz dieser schätzbaren Pflanze; diese jetzt sogenannte Kartoffelkrankheit besteht in der mit brauner Färbung auftretenden Veränderung der Wurzelknollen; sie zeigt sich in der Regel gegen die Blüthezeit. Man sieht ganz gesunde Stöcke, deren Blätter und Stengel oft von einem Tag zum andern welk und gelb werden. Reißt man zu dieser Zeit die Knollen aus und schneidet sie da, wo der Stengel eingesetzt ist, entzwei, so findet man innerhalb mehr oder wenig dunkle rothbraune Flecken. Allmählich breiten sich diese Flecken aus, den an die Augen oder Knospen stoßenden Gefäßen nachgehend, bis endlich der Knollen mehr oder weniger vollständig angegriffen ist; das Stärkmehl wird bei der Ausbreitung der rothen Substanz, welche die Eigenschaften und chemische Zusammensetzung der pilzartigen Gebilde besitzt, großentheils zerstört oder aufgezehrt. Sobald ein Büschel von der Krankheit ergriffen ist, muß man ihn sogleich herausreißen, denn man hat bemerkt, daß die Krankheit sich von den Blättern bald auf die Stengel und von diesen in den Knollen fortpflanzt, auf welche Weise oft ein ganzes Feld von der Seuche weggerafft wird. Ein sicheres Mittel, ein Feld davor zu schützen oder auch nur ihrer Verbreitung Einhalt zu thun, wurde noch nicht gefunden. Wenn die Krankheit sich zu einer Zeit zeigt, wo die Reife der Knollen nicht mehr fern ist, muß man dieselben eiligst ausreißen; dieß ist das einzige Mittel, die Ausbreitung des Uebels zu verhindern; die kranken Knollen müssen alsdann sorgfältig ausgeschieden und besonders heimgebracht werden; denn man hat gefunden, daß das Uebel sich durch ihre Berührung mit den gesund gebliebenen fortpflanzt. Die Erfahrung hat bewiesen, daß die erkrankten Kartoffeln oft noch benutzt werden können. So geben sie, erst kürzlich befallen, noch Stärkmehl, obwohl sie davon nicht mehr so viel enthalten. Wenn die Krankheit sich nicht ihrer ganzen Substanz bemächtigt hat, können sie ohne Anstand mit gesunden Kartoffeln und anderm Futter gemengt, dem Vieh gegeben werden. Jedenfalls muß man sie aber möglichst schnell verwenden, und darf sie ja nicht in Silos bringen, wo sie bald ganz zu Grunde gehen würden. Man hat die schätzbare Beobachtung gemacht, daß die Frühsorten in der Regel nicht von der Krankheit befallen werden, denn diese können vor der Zeit, wo die Krankheit jährlich ausbricht, schon ausgerissen und eingeheimst werden. Bestätigt sich dieß, so wären diese Sorten fortan vielleicht ausschließlich anzubauen, wiewohl sie in der Regel minder ergiebig sind. Es wurden sehr viele Heil- und Hülfsmittel gegen diese schreckliche Krankheit vorgeschlagen. Die besten Aussichten auf Erfolg hat bisher dasjenige für sich, die Kartoffeln statt im Frühjahr, im Herbst zu pflanzen (legen). Hr. Leroy-Mabile in Boulogne-sur-Mer hat dieses Mittel zuerst angegeben. Viele Landwirthe haben es seitdem mit verschiedenem Erfolge versucht. Es versteht sich, daß durch dasselbe auch das Wachsthum beschleunigt wird und die Kartoffeln vor derjenigen Jahreszeit zur Reife gelangen, wo die Krankheit seit sieben Jahren allemal am stärksten hauset. Um die Kartoffeln gegen den Angriff des Frostes zu schützen, müssen sie 30–33 Centimeter (11 bis 12 Zoll) tief auf eine 5–6 Centimet. (2 Zoll) dicke Schicht eines sehr lockern, guten Erdreichs gelegt werden. Der Dünger wird alsdann auf die Knollen gelegt. Das Legen wird in der Hälfte Novembers vorgenommen. Die Erde darf nicht zu feucht seyn. Das Wachsthum der Pflanze in der Luft zeigt sich nicht früher als dasjenige der im Frühjahr gelegten Knollen. In beiden Fällen kommen die Stengel und Blätter erst im Mai über dem Boden zum Vorschein. Gegen Ende Juli findet aber ein ungeheurer Unterschied in der unterirdischen Vegetation der auf die zwei Arten gepflanzten Knollen statt. Während die im Frühjahr gelegten kaum haselnußgroße Knollen erzeugt haben, zeigen die im Herbst gelegten Knollen, welche zu dieser Zeit schon ihre ganze Entwickelung erreicht haben. Im Laufe des Augusts können sie geerntet werden. Zu dieser Zeit aber hat sich die Krankheit noch nicht merklich entwickelt; denn wenn sie ein Feld angreift, so beginnt sie ihre Verheerungen erst Ende Augusts und im Laufe des Septembers.Als neue Mittel gegen die Kartoffelkrankheit werden folgende beide als unfehlbar gerühmt:1) die Saatkartoffeln mit gebranntem Kalk und mit Thon (oder Bolus) ähnlich wie das Getreide einzubeizen, so daß das Kalk- und Thonpulver an den noch kellerfeuchten oder feuchtgemachten Kartoffeln hängen bleibt, worauf sie alsbald gesteckt werden;2) die Saatkartoffeln 3 bis 4 Wochen auf trockene luftige Böden zu bringen, damit sie welken, und sie erst im verwelkten Zustand in den Acker zu legen.Ersteres Mittel beruht darauf, daß dessen Erfinder bemerkt haben will, daß beim Auftreten der Kartoffelkrankheit Gegenden mit Mergelböden von derselben verschont geblieben seyen, daher er aus gebranntem Kalk und gestoßenem Bolus den Mergel nachzuahmen suchte.Das zweite Mittel beruht auf der von dessen Entdecker Kaufmann Sonntag in Magdeburg aufgestellten Theorie, daß die Kartoffeln überschüssigen Pflanzensaft enthalten und daher in ihrem eigenen Safte verfaulen müssen, daher man den Saatkartoffeln durch Welkenlassen Wasser entziehen soll.Ersteres Mittel wird um 4 Thaler preußisch versiegelt ausgeboten, letzteres gibt der Erfinder zum Wohle der Menschheit uneigennützig umsonst. (Riecke's Wochenblatt, 1852, Nr. 16.)