Titel: | Ueber die Darstellung der concentrirten Essigsäure und des Essigäthers für technische Zwecke; von Karl Christl. |
Autor: | Karl Christl |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. LXXXIV., S. 376 |
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LXXXIV.
Ueber die Darstellung der concentrirten
Essigsäure und des Essigäthers für technische Zwecke; von Karl Christl.
Christl, über die Darstellung der concentrirten Essigsäure
etc.
Diejenigen essigsauren Salze, welche im Handel in größern Quantitäten bezogen werden
können und sich zur Darstellung des concentrirten Essigs eignen, sind: das
essigsaure Natron, der holzessigsaure Kalk (Rothsalz) und das essigsaure Bleioxyd
(Bleizucker).
Die Darstellung der Essigsäure aus essigsaurem Natron, wenn dieses zuerst geschmolzen
wird, um es vom Krystallwasser zu befreien, bietet, wenn man etwas mehr
Schwefelsäure zur Zerlegung anwendet, als dem Atomgewichte entspricht, keine
Schwierigkeit dar; im entgegengesetzten Falle gewinnt man nicht alle Säure und
dieselbe wird gegen Ende der Destillation wegen zu starker Erhitzung etwas
brandig.
Die Zerlegung des essigsauren Kalks und Bleioxyds durch Schwefelsäure ist eine
unbequeme und mit Verlust an Essigsäure verbundene Arbeit; beide Salze müssen erst
mit Schwefelsäure gut gemischt und digerirt werden; wegen der
aufgequollenen-Beschaffenheit des Gypses und der Unlöslichkeit des
schwefelsauren Bleioxydes muß man eine lang andauernde und nicht zu starke Erhitzung
bei der Destillation anwenden, um ein Spritzen und Stoßen der Masse zu vermeiden und
dennoch enthält das
Destillat wegen zu starker Erhitzung der Seitenwände des Destillirgefäßes schweflige
Säure. Da ferner das Rothsalz (holzsaurer Kalk), wie es in Handel vorkömmt, stets
Brandharze und Brandöle enthält, so wird das Destillat durch dieselben mehr oder
weniger verunreinigt, gelb bis rothbraun gefärbt. Setzt man aber vor der
Destillation oxydirende Substanzen, Braunstein, mangansaures, chromsaures oder
chlorsaures Kali, selbst Salpetersäure zu, so erhält man die Säure farblos, und sie
kann, über Holzkohlenpulver filtrirt, in vielen Fällen verwendet werden.
Um obige Uebelstände zu umgehen, versuchte ich die Zerlegung des Rothsalzes durch
Salzsäure und habe damit vollkommen genügende Resultate erhalten. Uebergießt man
Rothsalz mit der erforderlichen Menge Salzsäure, so bildet sich eine Auflösung von
Chlorcalcium in Essigsäure, welche letztere bei der Destillation übergeht, worauf
als Rückstand nur eine concentrirte Lösung von Chlorcalcium bleibt. Das Destillat
gibt mit salpetersaurem Silber nur eine Trübung und enthält daher keine
bemerkenswerthe Menge Salzsäure, wenn letztere nicht im Ueberschuß angewendet
wurde.
Auf diese Versuche gestützt, unternahm ich eine Operation im größern Maaßstabe; ich
übergoß 100 Pfd. Rothsalz (welches 90 Procent neutralen essigsauren Kalk enthielt)
mit 120 Pfd. Salzsäure von 20° Baumé, und nachdem das Gemisch über Nacht
gestanden hatte, wurde es in einem kupfernen Apparat der Destillation unterworfen.
Im Anfange und zu Ende darf die Erhitzung nicht zu rasch geschehen, damit die
ziemlich consistente Flüssigkeit durch zu starke Erhitzung der Seitenwände des
Kessels nicht über den Helm steige. Die Destillation die ich mittlerweile oft und
mit bedeutenden Quantitäten wiederholte, geht rasch von statten und liefert 100 Pfd.
Säure von 8° Baumé, schwach gelblicher Farbe und brandigem Geruch. Wird
selbige mit obengenannten Oxydationsmitteln und dann mit Holzkohlenpulver behandelt,
hierauf rectificirt, so ist sie vollkommen farblos und gibt mit Bleiglätte
neutralisirt, farblose Krystalle von Bleizucker.
Destillirt man vom gewöhnlichen Holzessig 80 Procent ab, so geht anfangs ein durch
Holzgeist und Brandöl getrübtes Wasser über, später steigt das spec. Gewicht des
Destillats allmählich auf 1,02; setzt man dann dem Rückstand etwas calcinirtes
Glaubersalz und Kohlenpulver zu und destillirt zur Trockne ab, so erhält man eine
ziemlich starke Säure, die aber schon über Tag an der Luft sich bräunt. Durch Zusatz
obiger Oxydationsmittel und einer entsprechenden Menge Schwefelsäure, statt des Glaubersalzes und
Kohlenpulvers, kann sie farblos erhalten und zur Darstellung reiner essigsaurer
Salze verwendet werden. Um vollkommen reine Essigsäure zu machen, sättigt man die
Holzsäure mit kohlensaurem Natron, dampft zur Trockne ab und schmilzt das Salz in
eisernen Kesseln bis alles Brandige verkohlt ist; das hierdurch erhaltene schwach
grau gefärbte essigsaure Natron zerlegt man durch Destillation mit
Schwefelsäure.
Zerlegt man Bleizucker statt mit Schwefelsäure mit Salpetersäure, so umgeht man die
obenerwähnten Uebelstände gänzlich, und das Destillat ist frei von Salpetersäure.
(Um die Essigsäure auf einen Gehalt von Salpetersäure oder salpetriger Säure zu
prüfen, versetzt man reinen Eisenvitriol mit concentrirter Schwefelsäure und setzt
der Mischung von dem Destillat zu, wobei sich die Flüssigkeit nicht braunroth färben
darf; im entgegengesetzten Fall müßte man die Essigsäure mit Zusatz von Bleizucker
und etwas Braunstein rectificiren.) Es versteht sich übrigens von selbst, daß die zu
verwendende Salpetersäure durch Auskochen von Chlor und salpetriger Säure befreit
seyn muß.
100 Bleizucker und 53 Salpetersäure von 40° Baumé = 1,38 spec. Gewicht gaben
65 Essigsäure von 1,06 specifischem Gewicht und 80 krystallisirtes salpetersaures
Bleioxyd.
Eine Essigsäure von 1,04 specifischem Gewicht kann auch erhalten werden, wenn man den
Bleizucker in heißem Wasser löst, Salpetersäure zusetzt, und durch langsames
Erkalten den größten Theil des salpetersauren Bleioxyds herauskrystallisiren läßt,
dann erst die Mutterlauge der Destillation unterwirft.
Mischt man 120 käuflichen Spiritus von 35–36° Baumé mit 120 käuflicher
Salzsäure von 20° Baumé, setzt hierauf 100 Rothsalz zu, läßt 12–24
Stunden unter öfterm Rühren stehen und unterwirft das Ganze der Destillation, so
erhält man 100 rohen Aether, welcher mit einer Auflösung von 1/50 Bleizucker in
Wasser geschüttelt und der Rectification im Wasserbad unterworfen, 90 Essigäther von
0,88 specifischem Gewicht gibt. Als Destillationsrückstand verbleibt
Chlorcalcium.
Prag, den 3. Mai 1852.