Titel: | Die stagnirende Elektricität in ihren elektromagnetischen Wirkungen; von Dr. Romershausen. |
Autor: | Romershausen |
Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XCVI., S. 416 |
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XCVI.
Die stagnirende
Elektricität in ihren elektromagnetischen Wirkungen; von Dr. Romershausen.
Fortsetzung des Aufsatzes über strömende Elektricität im polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Romershausen, über die stagnirende Elektricität in ihren
elektromagnetischen Wirkungen.
Wenn auch in neuerer Zeit mehrere unserer ausgezeichnetsten Naturforscher in den
Erscheinungen der sogenannten Vertheilung und Bindung der Elektricität mehr
Licht verbreitet haben, so stehen wir doch, hinsichtlich des eigentlichen Grundes und Hergangs
derselben, immer noch auf dem alten Standpunkte eines Franklin, Cavallo u. s. w. — denn ob wir gleich wissen, daß die Elektricität ihre Isolatoren
nicht zu durchdringen und also auch auf jenseits
außer ihrem Bereiche befindliche Körper unmittelbar nicht
einzuwirken vermag — so hören wir doch immer noch die wunderliche
Erklärung: die Elektricität scheint hindurch, sie beschäftigt den außer ihrem
Wirkungskreis befindlichen Körper! Oder man statuirt, wie der große, an Erfindung
neuer Kräfte und Medien reiche Experimentator Faraday,
ein vermittelndes Di-electricum — wohl auch, wie Knochenhauer, die elektrische Spannung eines
problematischen Aethers u. s. w.
Unter diesen Umständen möchte nun auch wohl der unvollkommnere Versuch einer
einfachen und naturgemäßen Erklärung dieser immer noch verschleierten, aber für die
gesammte Elektricitätslehre hochwichtigen Fundamentalerscheinungen nicht ganz ohne
Interesse seyn.
Es ist jeden Falles auffällig, daß man bei der nachgerade so vertrauten Bekanntschaft
mit dem Elektromagnetismus und der Magnetoelektricität, und bei der Ueberzeugung daß beide allen Substanzen inhärirenden Agentien,
überall in Verbindung und gegenseitig reagirend und inducirend auftreten
— diese Erfahrung nicht auch auf die Wirkungsweise der stagnirenden Elektricität angewendet hat — da sie, ohne Beihülfe
neu ersonnener Kräfte und Medien, sämmtliche Erscheinungen auf das einfachste und
consequenteste nachweist.
Indem ich nun zu der nähern Erörterung dieses Gegenstandes übergehe, beziehe ich mich
hinsichtlich meiner factisch nachgewiesenen Ansicht über das Wesen und die Bewegungs- und Richtungs-verhältnisse dieser Agentien auf obige Abhandlung Abschn. I, II und III, und lege der
folgenden Darstellung die allbekannten, einfachsten Vorrichtungen und Experimente
zum Grunde.
Um den Hergang möglichst sichtbar darzustellen, bezeichne ich auch hier die polarisirten Elemente beider Agentien durch kleine Pfeile
Textabbildung Bd. 124, S. 417 , deren ungleichnamige Pole sich anziehen, während die gleichnamigen sich
gegenseitig abstoßen. Für die magnetischen Elemente setze ich M und für die elektrischen E.
1) Als sicherer Erfahrungssatz steht fest, daß einer jeden
materiellen Substanz, nach Verhältniß ihrer specifischen Capacität, M und E inhäriren.
Im ruhigen Naturzustande Stehen beide in dynamischem Gleichgewicht und zeigen keine Wirkung nach außen
hin, sie sind latent.
2) Dieser latente Zustand der Agentien wird sogleich
gestört, wenn eines derselben überwiegend auftritt. Es
zeigen sich sofort die Erscheinungen der dynamischen
Reaction, das aufregende Agens ertheilt dem aufgeregten seine Polarität und
Bewegungsrichtung und die gegenseitige Spannung strebt zur Herstellung des
dynamischen Gleichgewichts.
3) Die Aufregung der E erfolgt demnach, wenn der Träger
derselben einer übermächtigen magnetischen Einwirkung ausgesetzt wird — wie
auch, wenn er über seine specifische Capacität hinaus elektrisch überladen —
oder wenn ihm ein Theil der ihm naturgemäß zugehörigen E
entzogen wird. Alsdann zeigt sich, bei vorhandener Leitung,
strömende Elektricität zur Herstellung des dynamischen Gleichgewichts vom +
zum - hin. Bei mangelnder Leitung hingegen im isolirten
Zustand des Trägers, stagnirende, entweder positiv
(ausströmend) oder negativ (einströmend) gespannte Elektricität, deren Wirkungen nach außen hin, zunächst unserer
Untersuchung hier vorliegt.
4) Es sey Fig.
1, a, eine vermittelst eines gefirnißten
Glasgestelles G gut isolirte und elektrisch überladene
Metallkugel. Die E
derselben ist daher, wie die Pfeile zeigen, positiv
gerichtet. Da nämlich kein Körper ohne Zerstörung seiner Structur, ein seine
specifische Capacität bedeutend übersteigendes Elektricitätsquantum im Innern aufnehmen kann, so bildet die Ueberladung, wie der
punktirte Kreis angibt, eine die Kugel a peripherisch
umgebende elektrisch stagnirende Atmosphäre, deren E
positiv (strahlenförmig ausströmend) gerichtet sind.
Dabei wird M unter gleicher polarer Richtung aus dieser
elektrisch gespannten Umwallung verdrängt und in nahe liegenden, jedoch außerhalb
dieser elektrischen Wirkungssphäre befindlichen Körpern condensirt, wie dieses
bereits bei der strömenden Elektricität nachgewiesen ist.
5) Ist dagegen derselben isolirten Metallkugel
Fig. 2 ein
Theil der ihr naturgemäß zugehörigen E entzogen worden,
so ist die E derselben, wie die Pfeile zeigen, negativ (einströmend) gespannt. Die polare Ziehkraft
derselben ertheilt daher den M des Innern, des
umgebenden Raumes und nahe liegender Körper, dieselbe negative Richtung und
Polarität.
6) Berühren wir die isolirt positiv motivirte Kugel
Fig. 1 mit
einem Leiter, so entweicht augenblicklich die elektrische
Ueberladung —
erfolgt hingegen diese Berührung bei der negativ
motivirten Kugel
Fig. 2, so
nimmt diese sogleich die ihrer Capacität entsprechende und ihr entzogene elektrische
Ladung wieder auf — und in beiden Fällen kehrt der ruhige latente Zustand
zurück.
7) Hinsichtlich der hier dargestellten verschiedenen
Polarität, zeigen die Isolatoren eine
eigenthümliche constante Beschaffenheit, sie sind mit einer der magnetischen ähnlichen elektrischen
Coercitivkraft ausgerüstet, welche die ihrer Structur entsprechende
Polarität fixirt und festhält. Wir theilen sie daher in mehr oder minder positive und negative. Die
Stelle der positiven Isolatoren mag hier eine glatte Glaskugel und die der negativen eine Harzkugel vertreten.
8) Es sey Fig.
3, a, eine solche durch G isolirte, mit Wolle geriebene und dadurch elektrisch überladene Glaskugel. Die auf der Kugelfläche sich ansammelnde E ist, wie die Pfeile zeigen, positiv gerichtet. Dieses zeigt offenbar, daß im Innern eine elektrische Ueberladung isolirt eingeschlossen ist, deren
Elemente daher positiv (aus strömend) gerichtet sind und
diese polare Spannung also auch der auf der Oberfläche sich ansammelnden E, und mithin auch dem aufgeregten freien M mittheilen. Es ist an sich einleuchtend, daß unter
diesen Umständen, wie auch die Ansicht zeigt, das Reibzeug
b die entgegengesetzte, negative
Polarität erhalten muß.
9) Es sey sodann Fig.
4, a, eine eben so elektrisch motivirte Harztugel. Die auf der Kugelfläche sich ansammelnde
Elektricität wird negativ (einströmend) gerichtet. Diese
zeigt, daß im Innern ein elektrischer Mangel stattfindet,
welcher bei der isolirenden Eigenschaft des Harzes, von außen her nicht ersetzt
werden kann. Diese polare Spannung und Ziehkraft des Innern ertheilt also der auf der Oberfläche sich andrängenden E, mithin auch dem aufgeregten M dieselbe negative Polarität. Das die
Elektricität liefernde Reibzeug
b ist daher nothwendig, wie die Pfeile zeigen, positiv polarisirt.
10) Die Verschiedenheit der magnetischen und der elektrischen Reaction und Induction ist bereits in obigem Aufsatz factisch nachgewiesen) es wird
daher hier nur noch bemerkt, daß die stagnirende
Elektricität isolirt überladener Körper den in ihrem Bereich liegenden M verdrängt und ihn bei dem geringen materiellen Inhalt
des Raumes in den dichtern und aufnahmfähigern Körpern condensirt. Dieser die
Capacität dieser Körper überwiegende M regt nun nicht
allein die in ihnen ruhende E auf, sondern verdrängt
dieselbe auch seiner
Polarität entsprechend. Es erfolgen sämmtliche Erscheinungen eines temporären Magnetismus, polare Anziehung und Abstoßung frei beweglicher
Körper. Ein Beispiel wird diesen Hergang vollkommen erläutern.
11) Es sey Fig.
5, a, eine isolirte, positiv überladene Metalloder Glaskugel, der
punktirte Umkreis p ihre elektrische Atmosphäre und b ein an einem
isolirenden Faden frei beweglich aufgehangenes Hollundermark-Kügelchen. Letzteres befindet sich außer dem Bereiche
von p, es kann daher keine Elektricität von a zu b übergehen. Die positive Spannung der in a
befindlichen elektromagnetischen Elemente ertheilt der elektrischen Ueberladung p dieselbe positive
(ausströmende) Richtung. Der aus p verdrängte Magnetismus setzt diese polare Richtung fort und
condensirt sich in dem Kügelchen
b. Das Kügelchen erhält daher auf der a zugewendeten Seite, wie die Pfeilrichtung angibt, negative Polarität und die Ziehkraft der unterbrochenen
polaren Verbindung treibt daher das frei bewegliche Kügelchen b nach a hin, bis dasselbe in die elektrische
Atmosphäre von a eintritt und einen Theil der
elektrischen Ueberladung aufnimmt. Da b nun gleichartig elektrisch überladen ist und die
elektromagnetischen Elemente desselben ebenfalls positiv
polarisirt auftreten, so wird das Kügelchen sofort wieder bei der jetzt gleichnamigen Polrichtung abgestoßen, wie dieses Fig. 6
anschaulich macht.
Berühren wir jetzt b mit einem Leiter, so entweicht die elektrische Ueberladung, der frühere Zustand
kehrt zurück und das Kügelchen wird von a wieder
angezogen u. s. w.
Ist a eine elektrisch motivirte Harzkugel, deren polare Richtung also negativ
(einströmend) ist, so erfolgen ganz dieselben Erscheinungen durch die Ziehkraft der
entgegengesetzten negativen Polarität.
12) Hiernach werden nun auch die Erscheinungen der sogenannten vertheilten und gebundenen Elektricität eine
einfache und völlig consequente Erklärung finden.
Es sey Fig. 7,
a, dieselbe isolirte und
elektrisch positiv überladene Kugel und b ein außer dem Vereich ihrer
elektrischen Atmosphäre isolirt aufgestellter Metallcylinder.
Der von a aus in positiver Richtung verdrängte M dringt bei m in den
Cylinder ein, verdichtet sich in demselben und verdrängt die latente E von m nach n hin, wie dieses die Pfeile anschaulich machen. Das von
a
entferntere Ende
n + erscheint also elektrisch
überlaben, das
Ende m — dagegen elektrisch
leerer, also negativ polarisirt.
So lange diese von a
ausgehende Spannung andauert, strebt die bei n + verdichtete
E
nach außen hin zu entweichen, sie wirkt daher
verhältnißmäßig ähnlich wie a auf genäherte Körper und
durch Berührung mit einem
Leiter
b kann der hier auftretende elektrische Ueberschuß abgeleitet werden. Ist dieses geschehen und wird
jetzt die spannende Kugel
a beseitigt, so erscheint der noch isolirte Cylinder, wie Fig. 8 zeigt, durchgängig negativ polarisirt, d. h. er hat das Streben,
die ihm entzogene und seiner Capacität entsprechende elektrische Ladung wieder aufzunehmen. Berühren
wir ihn daher in diesem Zustande abermals mit einem Leiter, so nimmt er sofort die
ihm fehlende E wieder auf, das dynamische Gleichgewicht
ist wieder hergestellt und keine Wirkung nach außen hin mehr sichtbar.
13) Ist dagegen a, wie Fig. 9 darstellt, eine elektrisch motivirte Harzkugel, deren Atmosphäre also die
negative (einströmende) Richtung hat, so erfolgt die
ganze Erscheinung mit umgekehrter, negativer Polarität.
Die polare Ziehkraft von a comprimirt E am zunächst liegenden Ende
m + und das entferntere Ende
des Cylinders n — erscheint elektrisch leerer also negativ polarisirt. Die
bei m + angehäufte und gespannte E kann durch leitende Berührung des Cylinders abgeleitet werden, und alle andern Erscheinungen erfolgen wie sie bei Fig. 8
angegeben wurden.
14) Werden mehrere solcher Metallcylinder in gehöriger
Entfernung an einander gereihet, so setzen sich in beiden Fällen sämmtliche
Erscheinungen in denselben fort, so weit nämlich die ursprünglich motivirende
Spannung der Kugel
a sich erstreckt.
15) Zu anschaulicher Darstellung aller dieser polar differenten Erscheinungen dient
folgender von Rieß angegebener sehr instructiver Apparat.
Fig. 10, a, b, ein vermittelst eines gut isolirenden Gestelles
G senkrecht aufgestellter Metallcylinder, trägt an leitenden Fäden die
Hollundermark-Kügelchen
c und d. Im ruhigen
Gleichgewichtszustande der latenten Agentien liegen diese Kügelchen unbewegt an dem
Cylinder an.
Stellen wir nun unterhalb eine isolirte und elektrisch positiv überladene Metall- oder Glaskugel
K in solcher Entfernung von b auf, daß nicht die geringste Elektricität von K zu b übergehen kann, so werden beide Kügelchen, wie Fig. 10 zeigt,
abgestoßen, und zwar
(wie wir uns durch Annäherung einer geriebenen Glas- oder Siegellackstange
überzeugen können) c mit positiver und d mit negativer Elektricität, denn es tritt jetzt die unter 12) dargestellte Verdrängung der elektromagnetischen
Elemente von b
nach
a
hin ein und die mit dem Cylinder leitend verbundenen Kügelchen werden
mit der beiden Enden entsprechenden gleichartigen
E geladen, also abgestoßen, wie dieses die Pfeile
sichtbar machen.
Fig. 11 zeigt
das umgekehrte polare Verhältniß, da hier K, ein negativ motivirter
Körper (z. B. eine geriebene Harzkugel), auf den Cylinder einwirkt. Das obere
Kügelchen wird daher mit negativer und das untere mit positiver
E abgestoßen, indem die Spannung und Ziehkraft von K die elektromagnetischen Elemente im untern Theil des Cylinders anhäuft, wie dieses unter 13) Fig. 9 näher erörtert
ist.
Entfernen wir in beiden Fällen, ohne den Cylinder leitend zu berühren, den
motivirenden Körper
K, so fallen beide Kügelchen
sogleich an den Cylinder zurück — der dynamische Gleichgewichtszustand ist
wieder hergestellt und keine Wirkung nach außen sichtbar — ein Beweis, daß
nicht die geringste E von K
in den Cylinder übergegangen ist.
Berühren wir aber den Cylinder ableitend, während er sich
noch in dem Zustand der polaren
Spannung befindet, wie ihn die Fig. 10 darstellt, so entweicht ein Theil der in a
und c
angehäuften Elektricität, das Kügelchen
c fällt augenblicklich an den Cylinder zurück und das untere Kügelchen
d wird dagegen doppelt so weit abgestoßen, weil jetzt die Spannung von K aus
um so mächtiger auftritt.
Entfernen wir nach Beseitigung der Ableitung nun auch den motivirenden Körper
K, so setzt sich der Rückstand der noch im Cylinder
befindlichen E ins Gleichgewicht — und da
derselbe einen Theil der seiner Capacität entsprechenden E durch Ableitung verloren hat, so divergiren jetzt, wie Fig. 12 zeigt, beide Kügelchen
c und d mit negativer Elektricität und zeigen an, daß sich der Cylinder nun durchgängig in
einem naturwidrigen negativelektrischen Zustand befindet.
Dieser negative Zustand wird aber sogleich beseitigt, wenn wir den Cylinder jetzt nochmals leitend
berühren — denn er nimmt augenblicklich die ihm entzogene, seiner
naturgemäßen Capacität entsprechende Elektricität wieder auf, das dynamische
Gleichgewicht ohne Wirkung nach außen hin ist hergestellt und beide Kügelchen legen sich ruhig an den Cylinder an.
Wiederholen wir diese Versuche mit einem negativ motivirenden
Körper
K, Fig. 11, so bleiben bei
umgekehrter Polarität sämmtliche Erscheinungen
dieselben.
16) Um uns vollkommen zu versichern, daß bei allen diesen Versuchen nicht der
geringste Theil der elektrischen Ueberladung von K zu
dem Cylinder übergegangen ist, können wir zwischen beiden auch noch einen guten
Isolator einschalten. — Die Erscheinungen werden dadurch nicht verändert und
beweisen, daß nur die aufgeregten und verdrängten magnetischen Elemente, denen allein der Durchgang
durch die Isolatoren gestattet ist, die dargestellten
elektromagnetischen Wirkungen veranlassen.
17) Ein mit fixer Polarität ausgerüsteter Stahlmagnet kann diese Wirkungen nicht hervorbringen, da
er nicht — wie die stagnirende Elektricität, die
freien magnetischen Elemente verdrängt und durch Unterbrechung ihrer Verbindung
die polare Ziehkraft derselben in Thätigkeit setzt
— sondern im Gegentheil die freien magnetischen
Elemente collegirt und ihnen nur seine überwiegende polare Richtung
ertheilt. Er kann daher auch nur frei bewegliche, mit fixer
Polarität geladene Körper, wie die Magnetnadel, anziehend und abstoßend in
Bewegung setzen — in zureichender Nähe das mit freiem M reichlich geladene Eisen etc. in einen
temporären Magnet verwandeln — nicht aber magnetisch
arme Körper. Die frei beweglichen magnetischen Elemente derselben lenkt er
nur im Innern derselben aus der magnetischen
Meridianrichtung und veranlaßt, wenn die Träger frei beweglich sind, eine geringe
Drehung derselben.
18) Nach dieser Darstellung werden nun alle Erscheinungen der sogenannten elektrischen Vertheilung und Bindung, wie sie die Franklin'sche Tafel, der Elektrophor, die
Leidner Flasche, der Condensator etc zeigen, sich völlig einleuchtend und consequent aufklären
und keiner weitern Erläuterung bedürfen. Auch möchte wohl die in obigem Aufsatz
angedeutete Erklärung eines sogenannten Diamagnetismus in
Folgendem ihre Erledigung finden.
19) Da wir wissen, daß die Körper nach Verhältniß ihrer verschiedenen Capacität,
einestheils mehr latente Elektricität und anderntheils
mehr latenten Magnetismus enthalten, und daß diese Agentien von außen her aufgeregt, reagirend und
inducirend auf einander wirken, so scheinen sich hieraus die verschiedenen Bewegungsrichtungen eines zwischen den Polen eines kräftigen
Magnets
frei beweglich
aufgehängten Körpers vollständig nachweisen zu lassen.
Es seyen Fig.
13
S und N die Pole eines kräftigen Elektromagnets und K der zwischen denselben
frei beweglich aufgehängte Körper, dessen latenter freier Magnetismus überwiegend ist. Der in das Innere von
K eindringende mächtige Magnetstrom S N regt beide Agentien auf
— richtet die vorwaltend magnetischen Elemente
seiner polaren Spannung entsprechend, während die verdrängte
geringere Elektricität auf die Außenfläche tritt; der Körper K wird daher durch die überwiegende Kraft des im Innern fix gespannten M
genöthigt, sich, wie eine Magnetnadel, mit seiner längsten
Dimension in die polare Richtung S N, also axial zwischen die Pole zu stellen.
Ist dagegen Fig.
14 in dem Körper K die latente Elektricität vorwaltend, so wird sie durch den
eindringenden Magnetstrom auf die Außenfläche verdrängt,
wo sie eine ringförmige Umwallung bildet, deren gespannte
Strahlen senkrecht auf dem Magnetstrom stehen und daher
genöthigt sind, sich parallel zu demselben zu stellen,
wobei die unmächtigern magnetischen Elemente dieser
Richtung folgen müssen. Der Körper
K erhält daher die äquatoriale Lage gegen S N. Denselben Hergang
zeigt schon der durch den magnetischen Erdström motivirte
einfache und frei beweglich aufgehängte Ring einer
elektrisch durchströmten Spirale.
Körper, bei welchen weder eins
der Agentien, noch irgend eine Dimension, oder eine eigenthümliche, eins dieser Agentien begünstigende
Structur, Krystallisation etc. vorwaltet, zeigen ein Schwanken, aber keine fixe Lage
gegen S N.
Hoffentlich werden diese wenigen und unvollkommenen Andeutungen zureichen, daß
jüngere und bessere Kräfte, namentlich jüngere in einer
ältern Theorie nicht festgewurzelte Physiker, diesen für
die gesammte Elektricitätslehre wichtigen Untersuchungen dasjenige Interesse
schenken, welches dieselben allein zu höherer Vollendung führen kann; sonst möchte
auch hier wohl Goethe's Ausspruch Anwendung finden: einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter
Irrthum!
Marburg, im Mai 1852.