Titel: Verfahren Lichtbilder auf jodirten, mit Chlorschwefel behandelten Silberplatten, ohne Quecksilber darzustellen; von Joseph Natterer jun. in Wien.
Fundstelle: Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XII., S. 25
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XII. Verfahren Lichtbilder auf jodirten, mit Chlorschwefel behandelten Silberplatten, ohne Quecksilber darzustellen; von Joseph Natterer jun. in Wien. Natterer's Verfahren Lichtbilder auf Silberplatten ohne Quecksilber darzustellen. Hr. Joseph Natterer hat im Verein mit seinem jüngeren Bruder verschiedene chemisch-optische Versuche angestellt und über deren Resultate einen Aufsatz der Versammlung der Naturforscher und Aerzte zu Mainz mitgetheilt, welcher in Böttger's polytechnischem Notizblatt, 1852 Nr. 3, veröffentlicht wurde. Wir entnehmen demselben, was hinsichtlich der praktischen Anwendung zunächst von Interesse seyn dürste. Der Verfasser sagt: „Bejodet man eine Silberplatte auf bekannte Weise, und legt sie dann auf ein 6 bis 8 Zoll hohes Gefäß, auf dessen Boden sich in einem Schälchen einige Tropfen Chlorschwefel befinden und setzt die Platte der Einwirkung seiner Dämpfe so lange aus, bis sich die dunkelgelbe Farbe ins Röthliche verändert hat, bringt sie sodann in den Brennpunkt der camera obscura und läßt sie dort je nach der Lichtstärke derselben einige Zeit (in der Petzval-Voigtländer'schen Porträtircamera nicht unter 10 Secunden und nicht über 2 Minuten), nimmt sie dann heraus und besieht sie in einem finstern Zimmer beim Kerzenlicht, so sieht man oft noch keine Spur eines Bildes; erwärmt man aber die Platte über einer Weingeistlampe auf der Kupferseite, oder läßt man sie einige Zeit im finstern Zimmer liegen, oder hält sie einige Secunden in schwaches zerstreutes Tageslicht, so erscheint ein positives Bild mit allen Nüancen und mit einer solchen Zartheit, die die Daguerre'schen noch übertrifft. Die beste dieser drei Arten, das Bild hervorzurufen, ist jedoch die zweite, wenn man die Platte im finstern Raume liegen läßt und sie von Zeit zu Zeit besteht. Durch Erwärmung oder durch schwache Einwirkung des Tageslichts erscheint das Bild oft zu rasch und verschwindet deßhalb oft schneller, bevor man es noch fixiren konnte. Das Bild ist auf der Platte noch nicht erschienen, wenn dieselbe nur 10, 20 oder 30 Secunden einem von der Sonne beleuchteten Gegenstande in der camera obscura ausgesetzt war, und muß also durch eine der drei eben genannten Methoden hervorgerufen werden. Läßt man aber die Platte durch 1, 2 oder 3 Minuten in der camera, so erscheint das Bild schon dort vollkommen. In der Petzval-Voigtländer'schen camera obscura, welche eine Oeffnung von 18 Linien und eine Brennweite von circa 5 1/2 Zoll hat, darf die Platte einem von der Sonne beleuchteten Gegenstand nicht unter 10 Secunden und nicht über 2 Minuten ausgesetzt werden, denn im ersteren Falle würde noch keine Einwirkung stattgefunden haben, während in letzterem das Bild schon seiner Zerstörung zueilt. Ist die Platte nur 10 Secunden in der camera gewesen, so muß sie oft 15 bis 20 Minuten im Finstern liegen bleiben, bis das Bild vollkommen erschienen ist. Es versteht sich, daß wenn die Lichteinwirkung in der camera etwas länger als 10 Secunden gedauert hat, dann das Bild auch schneller im Finstern zum Vorschein kommt. Die Bilder sind weiß und schwarz und besitzen wie die Daguerre'schen alle die Zwischen-Nüancen, und es ist bezüglich des schönen Tones dieser Bilder und der Kraft ganz einerlei, ob man dieselben durch lange Lichteinwirkung in der camera schon vollkommen entstehen läßt, oder ob man sie durch früheres Herausnehmen aus derselben und mittelst einer der drei obengenannten Operationen hervorruft. Der Nutzen, welchen diese neue Art photographische Bilder zu erzeugen, für den Praktiker gewährt, ist leicht einzusehen, denn bei Daguerre's Bildern muß die Zeit der Einwirkung des Lichts in der camera auf eine Secunde getroffen werden, was bei wolkigen Tagen und veränderlicher Intensität des Lichtes sehr schwer ist, während bei meinen Bildern dieses nicht der Fall ist; die beiden Zeitextreme, 10 Secunden und 2 Minuten, zwischen welchen das Bild entsteht, sind so weit entfernt, daß an ein Mißlingen des Bildes gar nicht zu denken ist. Natürlich ändern sich diese Extreme an einem trüben Tage und sie würden dann beiläufig 30 Secunden und drei Minuten heißen. Zu bemerken ist noch, daß Bromschwefel viel empfindlichere Platten liefert; hier stellen sich die beiden Zeitextreme auf 5 Secunden und 1 Minute herab. Man wird also bei jeder Jahreszeit, mag der Gegenstand von der Sonne beleuchtet seyn oder nicht, mag der Himmel heiter seyn oder nicht, in 20 Secunden in der Petzval-Voigtländer'schen camera ein Bild erzeugen können, was bekanntlich bei Daguerre's Verfahren eine Unmöglichkeit ist. Das nun entweder in der camera vollkommen entstandene oder durch eine der drei genannten Operationen hervorgerufene Bild wird nun im Finstern mittelst einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron oder Cyankalium gewaschen und mit heißem destillirtem Wasser übergossen, und das Bild erleidet durch fernere Lichteinwirkung keine Veränderung mehr. Ich kann jedoch nicht verhehlen, daß so kräftig die Bilder auch vor dem Waschen sind, so verlieren sie einen bedeutenden Theil davon durch dasselbe; zwar das, was sie an Kraft verlieren, gewinnen sie oft an Schönheit; sie besitzen dann in ihren Schattentheilen einen der Sepia ähnlichen braunen Ton. Wäscht man das Bild in einer kalten Kochsalzlösung und berührt die Platte längere Zeit mit einer Zinkstange, so verschwindet oft das ganze Bild. Ich zweifle jedoch keinen Augenblick, diese neuen Photographien bis zu einer Vollkommenheit zu bringen, wahrscheinlich liegt der Fehler in den Flüssigkeiten, die ich zum Waschen versuchte. Bei meinen so vielen und mannichfaltigen Versuchen sah ich noch nie ein so überraschendes Phänomen als die Erscheinung eines Bildes auf einer Platte, die durch kurze Zeit in der camera partielle Lichtwirkungen erhalten, die aber noch nicht sichtbar sind und erst nach einigen Minuten im Dunkeln hervortreten; also die durch das Licht begonnene Zersetzung, wenn es ja eine ist, setzt sich im Finstern, wo die wirkende Ursache nicht mehr ist, fort.“