Titel: | Ueber Aufbewahrung des Mehls; von Hrn. Husson. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XXI., S. 70 |
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XXI.
Ueber Aufbewahrung des Mehls; von Hrn. Husson.
Aus dem Moniteur industriel, 1852 Nr.
1653.
Husson, über Aufbewahrung des Mehls.
Der Mehlhandel ist wegen des leichten Verderbens, welchem das Mehl bei längerer
Aufbewahrung ausgesetzt ist, mit nicht geringer Gefahr verbunden.
Im Winter, vom October nämlich bis zum April, erleidet das Mehl keine Veränderung; mit dem Beginn des Frühlings aber und bis Ende Augusts
geht es leicht in Gährung über, nimmt einen üblen Geruch an und verliert sehr an
Werth.
Die Speculanten in Mehl sollten dieses wohl bedenken. Es scheint sogar, daß das Mehl
selbst bei ziemlich kalter Jahreszeit noch in Gährung gerathen kann, denn die
Zeitungen berichteten unlängst, daß ein Müller ungefähr 200 Säcke Mehl, welches er
aus Amerika hatte kommen lassen und das bei ihm ganz verdorben war, in den Fluß
werfen lassen mußte.
(Man scheint in der Schweiz, wo dieß vorkam, nicht zu wissen, daß aus verdorbenem
Mehl noch alle darin enthaltene Stärke gewonnen und dadurch ein Theil des erlittenen
Verlustes ersetzt werden kann.)
Da man aber durch Umstände genöthigt seyn kann, Mehl längere Zeit aufzubewahren, so
wollen wir an die Vorschriften erinnern, durch deren Befolgung das Verderben
desselben möglichst vermieden wird.
Das Magazin, in welches man im Frühjahr Mehlsäcke bringt, muß recht trocken seyn. Die
Säcke dürfen nicht über einander aufgeschichtet, sondern müssen in Reihen aufrecht
gestellt werden, und so, daß sie einander nicht berühren. Bei großer Hitze muß man
eine eiserne Sonde, z.B. einen Ladstock, in die Säcke stecken, um zu erfahren ob
sich ihr Inhalt nicht erhitzt. Wenn man bemerkt, daß das Mehl sich zusammenballt
oder sich zu erhitzen beginnt, so muß es sogleich ausgeleert und nach 24 Stunden
wieder in den Sack gebracht werden, oder man muß die Säcke auf den Fußboden werfen
und in verschiedenen Richtungen hin- und herrollen, mit großen Gewichten
beschwert, um die Theile zu zerdrücken, welche sich zusammenzuballen und zu gähren
beginnen.
Diese Maaßregeln sind höchst nothwendig, denn sobald die Gährung anfangt, bildet der
ganze Sack Mehl in einigen Tagen ein einziges Stück; man muß dann, um den Sack
auszuleeren, auf ihn klopfen und die herauskommenden Mehlklumpen zwischen Walzen
oder Mühlsteinen vermahlen um sie wieder zu zertheilen, was kostspielig ist und dem
Mehl seine anfängliche Güte nie wieder gibt; es behält dann einen alkalischen
Geschmack und kann nicht mehr für sich allein verwendet werden.
Es versteht sich, daß solches Mehl ungeachtet seiner Vermischung, seinen scharfen
Geschmack dem Brod mittheilen muß; das schlimmste ist aber, daß es seine
Nahrhaftigkeit verloren hat, weil sein Kleber zerstört worden ist. Das Stärkmehl
bleibt immer unversehrt; aus diesem Grunde kann man selbst gänzlich verdorbenes Mehl
noch zur Stärkmehlgewinnung verwenden.
Würde man das Mehl, statt in Säcke, in Fäßchen bringen, so würde das Verderben
desselben selten vorkommen. Den Sachverständigen ist nämlich wohl bekannt, daß an
feuchten Orten frei befindliches Mehl sich bald erhitzt und in kurzer Zeit um
12–15 Proc. an Gewicht zunimmt, worauf es schnell verdirbt.
Das Verfahren der Amerikaner, die Verpackung in Fäßchen, verdiente Nachahmung. Die
Regierung der Vereinigten Staaten hat Vorschriften zur Bestimmung der Güte des zur
Ausfuhr bestimmten Mehles gegeben und läßt die Fäßchen (nach der Besichtigung durch
Sachverständige) je nach der Qualität ihres Inhalts, mit einem besondern Stempel
versehen.
Heutzutage, wo das Mehl viel weiter versendet wird, als früher, wäre es im
allgemeinen Interesse, die Verpackung der nordamerikanischen Müller einzuführen.
Im allgemeinen Interesse, sagen wir, weil unsere Speculanten die durch das Verderben
des Mehls entstehenden Verluste nicht allein tragen; sie verkaufen das verdorbene
Mehl zu niedrigem Preise an Bäcker, welche sich durch solche vortheilhafte
Anerbietungen verlocken lassen, sich aber der Gefahr aussetzen, ihre Kunden zu
verlieren, oder sich schwer abzuwendende Anklagen zuzuziehen, vorzüglich wenn sie
statt eines geistigen, ein saures Ferment, d. h Sauerteig statt Bierhefe zur
Bereitung des Brodteigs benutzen.
Der Consument kauft seinerseits ein mehr oder weniger saures und des nahrhaftesten
Bestandtheils ermangelndes Brod, weil das verdorbene seines Klebers beraubte Mehl noch weniger nahrhaft ist als die gröbste Kleie.
Schließlich bemerke ich noch, daß man trotz der Vorsicht der Amerikaner, den Zutritt
von Feuchtigkeit zum verpackten Mehl zu verhüten, doch oft große Quantitäten Mehl,
welche sich wahrscheinlich in den feuchtesten Räumen der Schiffe befanden, ins Meer werfenwerfeu oder um Spottpreise verkaufen muß.