Titel: Gersheim's k. k. priv. Gewehrzünder ohne Metallhülle.
Fundstelle: Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XXVI., S. 89
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XXVI. Gersheim's k. k. priv. Gewehrzünder ohne Metallhülle. Aus dem Notizenblatt des österr. Ingenieur-Vereins, 1851, Nr. 10. Mit Abbildungen auf Tab. II. Gersheim's Gewehrzünder ohne Metallhülle. Diese neuen chemischen Percussionszünder bestehen aus einer ganz gleichförmigen, in allen Theilen gleich vollständig und sicher explodirenden Masse, welche für sich allein schon eine solche Festigkeit und Widerstandsfähigkeit hat, daß sie, um äußeren Einflüssen zu widerstehen, keiner Metallhülle bedarf. Obwohl diese neuen Zünder ohne Metallhülle im trockenen Zustande eine solche Härte und Festigkeit haben, kann doch die Masse, aus der dieselben bestehen, in weichem Zustande jede nur denkbare Form annehmen; und gerade diese Möglichkeit, das explodirende Präparat in was immer für einer Form darzustellen, zeichnet diese neue, nicht nur in Oesterreich, sondern auch bereits in Frankreich und England privilegirte Erfindung von Hermann Freihrn. v. Gersheim vor allen ähnlichen Fabricaten besonders vortheilhaft aus. Alle jene Schranken, welche bisher die bei einem jeden Percussions-Präparate nothwendig gewesene Hülle, mag sie aus Metall, Glas oder Papier bestanden haben, der Construction eines jeden Percussionsschlosses aufgezwungen hat, sind nun durch diese neue Erfindung vollkommen aufgehoben, und es ist der Verbesserung und Vervollkommnung eines jeden Percussions-Mechanismus ein neues, fast unbegränztes Feld eröffnet worden. Die gegenwärtige Form der bis nun in Verkauf gebrachten Gersheim'schen Percussionszünder ist in Fig. 22 dargestellt, und wurde gewählt, weil sie der verbreitetsten und beliebtesten Construction der Percussionsschlösser am besten zu entsprechen schien; es ist aber keineswegs die einzige Form, in welcher die sie anfertigende Fabrik Gersheim's Erfindung dem Publicum zugänglich machen wird, sondern sobald eine andere, abere sichere und einfache Construction von Percussionsschlössern geboten werden kann, welche eine andere Form der Zünder bedingt, wird die Fabrik nicht ermangeln, auch diese neue Form von Gewehrzündern zum Verkauf zu bringen. Die gegenwärtige Form dieser neuen chemischen Percussionszünder ist bei einem jeden Percussionsschlosse, für welches die bisherigen Kupferhütchen paßten, verwendbar, und bedingt keine andere Abänderung des Schlosses, als das Einschrauben eines neuen, anders gebohrten Pistons, dessen Form und Bohrung in Fig. 23 im Durchschnitt in natürlicher Größe dargestellt ist. Diese kleine Abänderung ist mit so wenig Umständen und Kosten verbunden, daß sie der allgemeinen Verbreitung dieser neuen Gewehrzünder gewiß nicht hindernd in den Weg treten wird. Es ist im Gegentheile die baldigste Annahme dieser Zünder von Seite der Schützen und Jagdliebhaber um so eher zu erwarten, weil die Verwendung dieser neuen Zünder viele sehr wichtige Vortheile vor den bisher gebrauchten Kupferhütchen herausstellt, und zwar: 1. Während bei Verwendung der Kupferhütchen die Metallhülle stets unverbrannt auf dem Piston oder im Hahn zurückbleiben muß, und nicht selten in einzelnen kleinen Theilchen so herumspritzt, daß dadurch nicht unbedeutende Verletzungen vorkommen, brennen diese neuen Gewehrzünder so vollkommen und rein weg, daß nicht nur keine festen Theilchen herumspritzen können, sondern auch selbst nach vielen hundert Schüssen das Putzen des Pistons ganz überflüssig ist. 2. Ungeachtet diese neuen Zünder durch keine Metallhülle vor dem Zutritt der Feuchtigkeit und der Nässe geschützt sind, schwächt das Naßwerden dieser Zünder durchaus nicht ihre Explosionskraft; und sie explodiren vollkommen sicher, selbst wenn sie unmittelbar aus dem Wasser genommen werden, oder auch selbst wenn das ganze Percussionsschloß während des Losdrückens unter Wasser gehalten wird. Ueberhaupt ist weder kaltes noch heißes Wasser, noch Weingeist, noch eine schwache Säure im Stande, dieser Zünder-Masse ihre Härte und Festigkeit oder irgend eine ihrer empfehlenden Eigenschaften zu nehmen. 3. Diese neuen Zünder widerstehen auch mechanischen Kräften weit vollkommener, als alle bisher bekannten explodirbaren Präparate, die zur Füllung von Kupferhütchen oder ähnlichen Zwecken verwendet werden. Bloßes Reiben bringt die Masse nicht zum Explodiren; eben so wenig der Schlag eines eisernen Hammers, wenn die Unterlage nur weiches Holz ist. Dem ruhigen Druck, ohne Schlag, widersteht diese Masse so vollkommen, daß man diese Zünder selbst im trockenen Zustande im Maule des stärksten Schraubstockes zerquetschen kann; nur der feste frische Schlag eines Metalls gegen das andere macht diese Zünder so vollkommen und sicher explodirbar, daß das Abfeuern des Schusses viel schneller und sicherer ist, als bei Anwendung anderer Zünder oder Kupferhütchen. 4. Während bei andern Zündern oder bei den gewöhnlichen Kupferhütchen die Repulsionskraft die Zündkraft weit übertrifft, sind bei diesen neuen Zündern diese beiden Kräfte gleich hervorragend. Namentlich ist die Zündkraft der Gersheim'schen Gewehrzünder so groß, daß ein solcher Zünder das Pulver in senkrechter Entfernung von 44 Wiener Zoll zu entzünden im Stande ist. Diese große Zündkraft der neuen chemischen Percussionszünder zeigt auch beim Abschießen einer gewöhnlichen Ladung die vortheilhafteste Wirkung. Während nämlich durch ein Kupferhütchen beinahe nie die ganze, zu einer Ladung verwendete Pulvermenge entzündet, sondern bei einem jeden Schuß eine gewisse Menge des Pulvers unverbrannt aus dem Gewehrlauf gejagt wird, entzündet der Gersheim'sche Zünder die ganze Pulvermenge, und es ergibt sich daraus der wichtige Vortheil, daß sich die zu einer Ladung verwendete Pulvermenge vermindern läßt, ohne die Kraft des Schusses zu schwächen, oder, was dasselbe ist, die Kraft des Schusses wird bei derselben Ladung größer seyn als bisher. 5. Ebenso wie diese neuen Zünder der Feuchtigkeit und Nässe und den mechanischen Kräften besser widerstehen, als die bisher bekannte explodirende Masse der Kupferhütchen oder anderer Zünder, wirken sie selbst auf die Metalloberfläche der Schießwaffen viel weniger ein als die letzteren. Selbst nach langem, fortgesetztem Gebrauch dieser Zünder bemerkt man weder an dem Piston, noch an dem Hahn die mindeste Rostbildung, während die ungedeckten Kupferhütchen durch das ruhige, längere Aufsitzen auf dem Piston denselben rosten machen. 6. Endlich halten diese neuen Zünder auch einen viel höheren Temperaturgrad aus, als die bisher bekannten, so daß sie selbst beim schnellsten Abfeuern vieler aufeinander folgender Ladungen kein Entzünden durch die Hitze des umgebenden Metalls besorgen lassen.

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