Titel: Notizen über die Leistungen der Locomotiven auf stark geneigten Gebirgs-Eisenbahnen; vom Eisenbahnbau-Inspector Funk in Hannover.
Fundstelle: Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LIX., S. 243
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LIX. Notizen über die Leistungen der Locomotiven auf stark geneigten Gebirgs-Eisenbahnen; vom Eisenbahnbau-Inspector Funk in Hannover. Aus dem Notizblatt des hannover'schen Architekten- und Ingenieur-Vereines, Bd. I S. 130. Funk über die Leistungen der Locomotiven auf Gebirgs-Eisenbahnen. Auf der im Bau begriffenen Südbahn von Hannover und Hildesheim nach Kassel sind auf der Bahnstrecke zwischen Göttingen und Münden längere Steigungen 1 : 64, 1 : 70, 1 : 80 und 1 : 100 erforderlich – Steigungen, welche für Locomotivbahnen bis dahin noch zu den seltener vorkommenden gehören. Um über die Leistungen der Locomotiven auf diesen Steigungen eine bestimmte Ansicht zu gewinnen, erscheint es interessant, das Resultat der Berechnung mit den wirklichen Leistungen der Locomotiven auf bereits im Betriebe sich befindenden ähnlich ansteigenden Bahnen zu vergleichen, und hat dem Verfasser dazu eine Reise nach den bayerischen und württembergischen Staatsbahnen Gelegenheit gegeben, woselbst zur Uebersteigung des Fichtelgebirges und der Rauhen-Alp Steigungen von 1 : 40 und resp. 1 : 45, jede auf nahe 3/4 Meilen Länge, zur Anwendung gebracht worden sind. Nach einer vorliegenden Berechnung des Maschinenmeisters Kirchweger wird eine Maschine von 16 Zoll Cylinder-Durchmesser, von 24 Zoll Hub, mit 4 1/2-füßigen und 6-gekuppelten Rädern, mit 80 Pfd. Dampfdruck pro Quadratzoll, von 25 Ton. Gewicht, mit einem Tender von 13 Ton. Gewicht – bei einer Geschwindigkeit von 20 bis 25 Minuten pro Meile einen Zug fortschaffen: 1) auf einer Steigung 1 : 100 von 235,4 Ton. Brutto = 67 Achsen à 3 1/2 Ton.Die Tonne = 2240 Pfund englisch. 2)      –             – 1 : 80   – 190,5         – = 54       –         – 3)      –             – 1 : 64   – 151,6         – = 43       –         – 4)      –             – 1 : 50   – 115,1         – = 33       –         – 5)      –             – 1 : 45   – 101,5         – = 29       –         – 6)      –             – 1 : 40   –   87,5         – = 25       –         – Die württembergische Staatsbahn zwischen Geißlingen und Ulm hat zur Uebersteigung der Rauhen-Alp auf der Nordseite des Gebirges eine Steigung 1 : 45 auf 3/4 Meilen Länge, auf der Südseite 1 : 70 auf 5/6 Meilen Länge. Auf dieser Strecke werden fast nur Maschinen der schwersten Art von 17 Zoll Cylinder-Durchmesser, von 24 Zoll Hub, mit 4 Fuß hohen 6-gekuppelten Rädern, von 34 Ton. Gewicht, mit 100 bis 110 Pfd. Dampfspannung pro Quadratzoll, Alles engl. Maaß – verwandt, und befördern diese Locomotiven im täglichen regelmäßigen Dienste:                 1) auf der Steigung 1 : 45 = 5 1/2 achträdrige Wagen = 110 Ton. = 31 Achsen à 3 1/2 Ton.,                 2) auf der Steigung 1 : 70 = 7 1/2 achträdrige Wagen = 150 Ton. = 43 Achsen à 3 1/2 Ton. Dieses sind die jetzt officiell vorgeschriebenen und im regelmäßigen Dienste vorkommenden Leistungen, während im Anfange der Eröffnung des Betriebes vorgeschrieben war:            1) bei der Steigung 1 : 45 = 5 achträdrige Wagen = 100 Ton. = 28 Achsen à 3 1/2 Ton.,            2) bei der Steigung 1 : 70 = 7 achträdrige Wagen = 140 Ton. = 40 Achsen à 3 1/2 Ton. Die Betriebsbeamten auf der bezeichneten Bahnstrecke haben dem Verfasser jedoch versichert, daß obige jetzt officiell vorgeschriebenen Leistungen nicht das Maximum seyen; bei günstigem Wetter beförderten die bezeichneten Maschinen:                 1) auf der Steigung 1 : 45 = 6 Stück achträdr. Wagen = 120 Ton. = 34 Achsen à 3 1/2 Ton.,                 2) auf der Steigung 1 : 70 = 8 Stück achträdr. Wagen = 160 Ton. = 46 Achsen à 3 1/2 Ton. Dabei verbrauchen die Maschinen auf dieser Strecke Geißlingen-Ulm pro Zug und Meile 160 bis 200 Pfd. Kohks. Geliefert werden den Locomotivführern pro Zug und Meile jetzt 200 Pfd., während im Anfange der Eröffnung des Betriebes pro Zug und Meile 240 Pfd. Kohks geliefert worden sind. Die Geschwindigkeit der Züge auf der 4 1/2 Meilen langen Bahnstrecke von Ulm nach Geißlingen, incl. Aufenthalt auf den drei Anhaltestellen Amstetten, Lonsee und Beimerstetten ist 18 bis 19 Minuten pro Meile. Dabei ist noch besonders hervorzuheben, daß seit Eröffnung des Betriebes im Sommer 1850 auf den stark geneigten Strecken noch nicht ein einzigesmal ein Zug stecken geblieben ist. Diese Leistungen der Maschinen auf der württembergischen Alp-Bahn stimmen demnach mit Berücksichtigung der Abweichungen in den Dimensionen der Maschinen mit dem Resultate der oben angeführten Berechnung nahe überein. –––––––––– Anders ist es auf der bayerischen Staatsbahn zwischen Hof und Lichtenfels; dort sind die Leistungen der Locomotiven nicht unerheblich größer als auf der württembergischen Bahn und als nach der obigen Rechnung, wie solches aus dem Nachfolgenden hervorgeht. Während auf der württembergischen Bahnstrecke zwischen Ulm und Geißlingen mit Steigungen 1 : 45 und 1 : 70 nur die schweren oben bezeichneten Locomotiven von 34 Ton. Gewicht angewandt werden, laufen auf der bayerischen Bahn über das Fichtelgebirge, wo zwischen Hof und Neuenmarkt Steigungen von 1 : 100 mit solchen von 1 : 95, 1 : 120, 1 : 130 u.s.w. wechseln, unter welchen zwischen Neuenmarkt und Marktschorgast aber auch eine Steigung 1 : 40 auf 3/4 Meilen Länge vorkommt, die leichteren Maschinen von 23 Ton. Gewicht auf längern Strecken durch und wird nur den zu großen Zügen auf der geneigten Ebene zwischen Neuenmarkt und Marktschorgast eine zweite schwere Maschine als Hülfsmaschine vorgehängt. Die leichteren Maschinen (A ) für die Personenzüge haben folgende Dimensionen: 15 Zoll Cylinder-Durchmesser, 4 1/2füßige 4-gekuppelte Triebräder, 24 Zoll Hub, 860 Quadratfuß Heizfläche, 23 Ton. Gewicht, mit einem Tender von 10 Ton. Gewicht. Die schweren Vorspann-Maschinen (B) haben 16 Zoll Cylinder-Durchmesser, 24 Zoll Hub, 3 1/2füßige 6-gekuppelte Räder, 26 Ton. Gewicht mit einem Tender von 10 Ton., mit 150 Siederohren und 860 Quadratfuß Heizfläche. Die leichteren Maschinen (A) mit 4-gekuppelten Rädern (welche in ihren Haupt-Dimensionen ganz den hannoverschen Maschinen Nr. 64 und 65 von Keßler gleich sind) gehen sowohl vor den Personenzügen, wie vor den Güterzügen zwischen Hof und Neuenmarkt die ganzen 7 1/4 Meilen durch und erhalten nur bei Güterzügen und schweren Personenzügen auf der geneigten Ebene 1 : 40 eine Vorspann-Maschine der schweren Art (B). Die gewöhnlichen Personenzüge von 20 bis 30 Achsen werden von den leichten Maschinen (A) ohne Vorspann-Maschine auch auf die geneigte Ebene 1 : 40 gefahren, und zwar mit einer Fahrzeit von 20 bis 23 Minuten pro Meile. Mit einer solchen Maschine (Euler) ist Verf. am 27. Juli die geneigte Ebene (1 : 40), selbst mit einem Personenzuge von 32 Achsen, von Neuenmarkt nach Marktschorgast, die Meile in 22 Minuten passirt, bei welcher Fahrt die Dampfspannung der Federwaagen zwischen 70 und 77 Pfd. pro Quadratzoll schwankte, während das Manometer allerdings etwa 100 Pfd. Dampfspannung zeigte. Von diesen 32 Achsen waren 9 Achsen unbeladen und können daher nur etwa zu 2/3 in Rechnung kommen; die übrigen 23 Achsen waren mäßig beladen, wie in gewöhnlichen Personenzügen, so daß man jenen Zug als einen mäßig beladenen Personenzug von 28 Achsen schätzen konnte. Ferner hat Verfasser zwei Güterzüge die geneigte Ebene hinaufgehen sehen, welche von zwei Maschinen, einer 4-gekuppelten (A) und einer 6-gekuppelten Last-Maschine (B) befördert wurden, und welche die geneigte Ebene aufwärts mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 27 Minuten pro Meile passirten. Der eine dieser Güterzüge hatte 26 Wagen = 66 Achsen, der zweite derselben 27 Wagen = 70 Achsen. – In diesen Güterzügen waren allerdings einige leere Wagen, wie solche in Güterzügen gewöhnlich vorkommen. Nach der dort bestehenden Vorschrift sollen die Güterzüge, welche die geneigte Ebene passiren, niemals stärker seyn als 27 Wagen, etwa höchstens 70–75 Achsen (auf der dortigen Bahn sind nur vierrädrige und sechsrädrige Wagen in Anwendung). Solche Züge der größten Art werden immer von einer leichten Maschine (A) und einer Schleppmaschine (B) befördert; die gleichzeitige Verwendung von zwei Schleppmaschinen kennt man gar nicht. In der Zeit des Schleswig'schen Krieges haben zwei Maschinen, eine A und eine B, mehreremale Militärzüge von 30 bis 34 Wagen die geneigte Ebene 1 : 40 hinaufbefördert, welches bei dem Verhältnisse der sechsrädrigen zu den vierrädrigen Wagen etwa 75 bis 80 Achsen gewesen seyn sollen. Die Lasten auf den Wagen der bayerischen Bahnen sind etwas geringer als auf den hannoverschen Bahnen, da der Räderstand der sechsrädrigen Wagen kleiner ist und die Personenwagen nur zu vier Coupés eingerichtet sind; man wird im Durchschnitt pro Achse 3 Ton. Brutto rechnen können, während auf den hannoverschen Bahnen durchschnittlich 3 1/2 Ton. pro Achse gerechnet werden. Die nach Obigem beobachteten und erkundeten Leistungen der Maschinen auf der geneigten Ebene (1 : 40) zwischen Neuenmarkt und Marktschorgast waren demnach: 1) Der Maschine A mit 4-gekuppelten 4 1/2füßigen Triebrädern und bei einer Geschwindigkeit von 22 Minuten pro Meile: 1. Zug vom 26. Juli 1851 = 28 Achsen à 3 Ton. = 24 Achsen à 3 1/2 Tonnen, 2. Maximum = 36      „      à 3   „ = 31 Achsen à 3 1/2 Tonnen. 2) Der Maschinen A und B, d.h. eine 4-gekuppelte und eine 6-gekuppelte Maschine bei einer Geschwindigkeit von 27 Minuten pro Meile: 1. Zug vom 26. Juli 1851 = 70 Achsen à 3 Ton. = 60 Achsen à 3 1/2 Ton. 2.   „           27.      „ = 66      „          „ = 56 Achsen à 3 1/2 Ton. 3. Vorgekommenes Maxim. = 80      „          „ = 68 Achsen à 3 1/2 Ton. Nimmt man nach dem Obigen die Leistung der kleineren Maschinen (A) zu 24 bis 31 Achsen an, so bleiben für die Leistung der schweren Maschine (B) allein 36 bis 37 Achsen (à 3 1/2 Ton.) und verhalten sich daher die Leistungen der Maschinen A und B sehr nahe wie 2 : 3, was auch schon an sich als etwa richtig erscheint. –––––––––– Aus dem Vorstehenden gehen demnach die folgenden Resultate hervor: 1) Während nach der Eingangs erwähnten Berechnung die Leistungen der dort bezeichneten 25 Ton. schweren Maschinen ermittelt sind: a. auf einer Steigung 1 : 40 zu 25 Achsen à 3 1/2 Ton. b.      „             „ 1 : 45 „  29      „      à 3 1/2    „ c.      „             „ 1 : 64 „  43      „      à 3 1/2    „ leisten die 34 Ton. schweren Maschinen auf den württembergischen Bahnen a. auf einer Steigung 1 : 45 = 34 Achsen à 3 1/2 Ton. b.      „             „ 1 : 70 = 46       „      à 3 1/2   „ und die 26 Ton. schweren Maschinen auf der bayerischen Bahn auf einer Steigung 1 : 40 = 36 bis 37 Achsen; und werden mit den leichteren 4-gekuppelten Maschinen (A) auf der bayerischen Bahnstrecke mit einer Steigung 1 : 40 regelmäßig 24 Achsen befördert. 2) Die schweren Maschinen auf der bayerischen Bahn ziehen demnach mit Rücksicht auf die dortige stärkere Steigung etwa 1/6 mehr als auf den württembergischen Bahnen, obgleich dieselben etwa 170 Cntr. weniger wiegen als diese. Die Leistungen der bayerischen Maschinen sind demnach nicht unerheblich größer als die der württembergischen Bahn 3) Nimmt man an, daß die Maschinen auf der hannoverschen Südbahn dasselbe leisten werden wie die Maffei'schen Maschinen auf der bayerischen Staatsbahn, so werden I. in der Richtung von Göttingen nach Münden mit den stärksten Ansteigungen 1 : 64 und 1 : 70 a. die kleinern Maschinen mit 4-gekuppelten Rädern unter günstigen Verhältnissen 40 bis 42 Achsen (à 3 1/2 Ton.); b. die schweren Maschinen mit 6-gekuppelten Rädern unter günstigen Verhältnissen 60 bis 62 Achsen; c. eine leichtere 4-gekuppelte und eine schwere 6-gekuppelte Maschine deßgleichen unter günstigen Verhältnissen = 100 bis 104 Achsen; II. in der Richtung von Münden nach Göttingen mit den stärksten Steigungen 1 : 80 und 1 : 100 werden a. die kleineren 4-gekuppelten Maschinen 50 bis 53 Achsen; b. die schwereren 6-gekuppelten Maschinen 75 bis 77 Achsen; c. eine leichtere und eine schwerere Maschine 125 bis 130 Achsen mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 Minuten pro Meile fortbewegen können. 4) Hieraus folgt demnach: a. daß für die gewöhnlichen Personenzüge auf der hannoverschen Südbahn zwischen Göttingen und Kassel in jeder Richtung Maschinen mit 4-gekuppelten Rädern ausreichen werden; b. daß auch viele gemischte Güter- und Personen-Züge bis zu 40 und resp. 50 Achsen mit solchen mittleren 4-gekuppelten Maschinen zu befördern seyn werden; c. daß man nur den Güterzügen sowie den besonders großen Personen- und gemischten Zügen von Göttingen und resp. Münden bis auf die Höhe bei Dransfeld eine Vorspann-Maschine wird vorhängen müssen; d. daß zu diesen Vorspann-Maschinen, namentlich von Münden aus, sehr häufig mittlere 4-gekuppelte Maschinen ausreichen werden; e. daß man die gewöhnlichen 4-gekuppelten Maschinen bei allen Zügen zweckmäßig von Göttingen bis Kassel und umgekehrt wird durchlaufen lassen können.