Titel: Bericht der Central-Commission für Dampfmaschinen zu Paris, über die Explosion eines Trocknen-Cylinders zu Lille.
Fundstelle: Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XXXII., S. 164
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XXXII. Bericht der Central-Commission für Dampfmaschinen zu Paris, über die Explosion eines Trocknen-Cylinders zu Lille. Aus den Annales des Mines, 1852, Bd. II S. 109. Ueber die Explosion eines Trocknen-Cylinders in einer Färberei zu Lille. Am 23. März 1852 wurden in einer Färberei zu Lille durch die Explosion eines Trocknen-Cylinders auf der Stelle zwei Arbeiter getödtet und ein dritter schwer verwundet. Auf die von dem Ereigniß gemachte Anzeige begab sich am folgenden Morgen der Bergingenieur Meugy an Ort und Stelle, um den Vorfall zu untersuchen und Bericht darüber zu erstatten. Die Explosion war fürchterlich und sie hätte, außer den erwähnten Getödteten und Verwundeten, noch mehr Unglück anrichten können, da die Stücke des zersprengten Trocknen-Cylinders durch ein Fenster des in der zweiten Etage gelegenen Fabrikraumes flogen und in einem Hofe niederfielen, wo sich zu jener Zeit glücklicherweise Niemand befand. Die Maschine wurde in zahlreiche Stücke zersprengt und die eiserne Welle von einem der Cylinder (Trommeln) in der Mitte zerbrochen. Der Apparat bestand im Wesentlichen aus dem schon erwähnten Trocknen-Cylinder, welcher 0,56 Meter im Durchmesser hatte, und aus zwei andern Cylindern von halb so großem Durchmesser, die unter dem ersten angebracht waren, während die Wellen aller drei Cylinder einander parallel lagen. Kleine Röhren, welche Verzweigungen einer vom Dampfkessel ausgehenden Hauptröhre sind, führen den Dampf in das eine Ende dieser Cylinder, welcher sich in denselben theilweise verdichtet, während der übrige Dampf durch eine am andern Ende angebrachte Röhre entweicht. Alle diese Röhren, sowohl diejenigen zum Einströmen, als auch die zum Ausströmen des Dampfes, sind mit Hähnen versehen, welche im Bereich der Arbeiter sind, und welche diese nach Belieben öffnen oder verschließen, je nachdem sie die Cylinder (Trommeln) mehr oder weniger heiß haben wollen, denn das Trocknen der Zeuge wird durch drei auf einander folgende Operationen bewirkt, und die Temperatur muß für jede folgende eine höhere seyn; nun ist zu beachten, daß die Arbeiter, sobald sie die Erhitzung der Cylinder nicht für hinreichend halten, sich nicht scheuen den Hahn, durch welchen die Dämpfe entweichen, zu verschließen, um die der Dampfspannung entsprechende Temperatur vollständig zu benützen. Dieß ist aber jedenfalls eine von den Ursachen der Explosion. Die Arbeit war bis zum dritten Durchgange des Zeuges zwischen den Trommeln oder Cylindern gediehen, also zu derjenigen Passage, welche die höchste Temperatur erfordert, und der untersuchende Bergingenieur fand auch den Hahn an dem Ausströmungsrohr geschlossen. Offenbar ist dieß eine sehr gefährliche Praxis; denn die eintretende Temperatur-Erhöhung kann die plötzliche Verdampfung eines Theiles des in den Cylindern angehäuften Wassers bewirken; durch den Verschluß des Hahns wird der Apparat aber immerhin ein mit dem Dampfkessel in unmittelbarer Verbindung stehender verschlossener Raum; man kann sogar annehmen, daß wegen der großen Entfernung zwischen den Trocknen-Cylindern und dem Dampfkessel, die Dampfspannung in jenen in der Regel um einen Bruchtheil einer Atmosphäre geringer seyn muß als in diesem, und wenn der Apparat in allen seinen Theilen nach den gesetzlichen Vorschriften construirt gewesen wäre, so hätte folglich der beklagenswerthe Unfall höchst wahrscheinlich nicht stattfinden können. Bei dem vorliegenden Apparat bestanden zahlreiche Unregelmäßigkeiten, und es trifft daher den Besitzer der Färberei eine große Verantwortlichkeit. Einer von den in der Färberei vorhandenen Kesseln dient speciell zum Erhitzen der Trocknen-Cylinder. Dieser Kessel war für 5 Atmosphären gestempelt, allein die Dämpfe erlangten nie eine höhere Spannung als 3 oder höchstens 3 1/4 Atmosphären. Wenige Minuten vor dem Unfalle war der Werkmeister bei dem Heizer, um ihm zu sagen, daß der Dampf für den Trocknenapparat nicht hinreiche; das offene Manometer zeigte in diesem Augenblick 2,8 Atmosphären, und der Heizer suchte nun sein Feuer besser anzuschüren. Nehmen wir daher an, daß die Dampfspannung in dem Kessel bis auf 3 1/4 Atmosphären gestiegen sey, welche Gränze sie nicht leicht übersteigt, so konnte sie in den Trocknen-Cylindern nicht mehr als 2 1/2 bis 3 Atmosphären betragen. Wenn man nun nach der vorschriftsmäßigen Formel die Dicke der kupfernen Cylinder berechnet, welche nur einen Gesammtdruck von 2 Atmosphären auszuhalten haben, so findet man, daß diese Dicke wenigstens 4 Millimeter betragen muß. Nun hatte aber der gesprungene Cylinder nur eine Dicke von 1 1/2 höchstens 2 Millimetern. Wie kommt es nun, daß solche Cylinder geduldet wurden? Die Antwort darauf ist, daß diese Apparate gar nicht untersucht wurden, und, weil sie in der zweiten Etage angebracht sind, der Controle des Ingenieurs gänzlich entgingen. Die Einrede des Besitzers, daß seine Apparate bereits seit zwölf Jahren im Betriebe waren und daß niemals ein Unfall dabei vorkam, besagt gar nichts, sondern beweist nur, daß die Trocknen-Operation stets bei hinreichend niedriger Temperatur vorgenommen wurde, und daß der Dampf in den Cylindern immer nur eine geringe Spannung hatte. Der Besitzer mußte aber das Gesetz vom 30sten Januar 1845 kennen, wonach die Trocknen-Cylinder der Beaufsichtigung der Beamten unterworfen sind. Es lassen sich daher aus dem vorliegenden Bericht nur nachstehende Folgerungen machen: 1) daß die Ingenieure wiederholt angewiesen werden sollten, alle Dampfapparate mit der größten Sorgfalt zu untersuchen; 2) daß die Strafgesetze ergänzt werden müssen, um die Besitzer und Wärter der Dampfapparate zur Verantwortung und Bestrafung ziehen zu können, wenn sie die gesetzlichen Vorschriften und die Anordnungen der Ingenieure nicht befolgt haben. Zusatz. Wir fügen ein Umlaufschreiben des französischen Ministers der öffentlichen Arbeiten an die Präfecten und die Bergingenieure vom 19. Juli 1852 bei, welches sich auf den vorliegenden Gegenstand bezieht und das wir dem Génie industriel, October 1852, entnehmen: „Meine Herren! In einem Umlaufschreiben vom 6. Januar 1852 wurden Sie von der Regierung in Kenntniß gesetzt, daß die verschiedenen, in den Gewerben angewendeten Dampf-Recipienten, hauptsächlich aber die Trocknen-Cylinder, eben sogut wie die Dampfkessel, und mit nur wenigen Ausnahmen, welche in dem Umlaufschreiben näher aufgeführt sind, einem Probedruck unterworfen werden müssen, welcher dreimal so stark als der höchste Druck ist, den diese Recipienten oder Cylinder im Innern auszuhalten haben. Die Trocknen-Cylinder müssen überdieß, wie bereits in dem Umlaufschreiben vom 30. Januar 1845 bemerkt wurde, und in Uebereinstimmung mit den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes vom 22. Mai 1843 stets mit Sicherheitsventilen versehen werden, wenn die Ausströmungsröhren Hähne haben, durch welche das Ausströmen des Dampfes unterbrochen werden kann. Nun sind aber in der Praxis einige Zweifel über die Anordnung und den Durchmesser dieser Sicherheitsventile entstanden. Um diese Zweifel zu heben, hat es die Central-Commission für Dampfmaschinen für zweckmäßig erachtet, die bei diesen zwei Punkten zu beachtenden Regeln in einer besondern Instruction anzugeben. Was den ersten Punkt, den Platz der Ventile betrifft, so sollen sie nicht auf den Röhren angebracht werden, welche den Dampf herbeiführen, weil sie dort ihren Zweck nicht vollständig erfüllen könnten, sondern auf einem Zwischenbehälter von wenigstens 25 Liter Inhalt, welcher zu diesem Zweck vor den Zweigröhren eingeschaltet ist, die den Dampf nach den Cylindern leiten. Den Durchmesser betreffend, welchen man den Ventilen zu geben hat, so ist die Commission der Meinung, daß derselbe, damit der Druck in den Trocknen-Cylinder nicht über die normale Gränze steigen kann, nothwendig so berechnet werden muß, daß der in die Cylinder einströmende Dampf gehörig durch die Oeffnung des Ventils ausströmen kann. Es muß daher dieselbe Regel befolgt werden, wie bei Bestimmung des Durchmessers der Sicherheitsventile auf den Kesseln, und man hat die Formel: Textabbildung Bd. 127, S. 167 in welcher s die Heizfläche des Dampfkessels repräsentirt, n den absoluten Druck in Atmosphären, welchen der Dampf in den Cylindern nicht übersteigen darf, und d den Durchmesser, welchen man dem Ventil zu geben hat. Die Central-Commission bemerkt dabei, daß jedoch in gewissen Fällen Ausnahmen von dieser Regel stattfinden können, z.B. wenn die Einrichtung des ganzen Apparats der Art ist, daß der in dem Kessel entwickelte Dampf nur theilweise in die Trocknen-Cylinder strömen kann.“