Titel: | Einige Bemerkungen über Salpeter-Erzeugung; von Reinhold v. Reichenbach. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. LXXV., S. 349 |
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LXXV.
Einige Bemerkungen über
Salpeter-Erzeugung; von Reinhold v. Reichenbach.
Aus dem Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt,
Jahrg. I. Nr. 2.
v. Reichenbach, über Salpeter-Erzeugung.
Der Salpeter ist bekanntlich ein Neutralsalz, das aus Salpetersäure und Kali
zusammengesetzt ist. Sein Vorkommen in der Natur ist im allgemeinen ebenso bekannt, wie
die Art und Weise seiner künstlichen Erzeugung; doch ist man erst in neuester Zeit
zu der bestimmten Ansicht gelangt, daß seine Entstehung auf einer Oxydation des
Ammoniaks zu Salpetersäure beruhe, welche wesentlich durch die Gegenwart von Alkali
oder Erdbasen befördert oder bedingt werde.
Das natürliche Vorkommen des Salpeters hängt, wie man weiß, zusammen mit der
Verwitterung kalihaltiger Gesteine, namentlich feldspathhaltiger Kalksteine, die
zugleich mehr oder weniger reich an organischen Ueberresten sind, und daher einen
gewissen Gehalt von stickstoffhaltiger Substanz besitzen. Diese
organisch-thierische Substanz ist es, die bei geeigneter Temperatur eine
chemische Entmischung erleidet, d.h. mehr oder weniger rasch in faule Gährung
übergeht, von welcher sodann kohlensaures Ammoniak dasjenige Product ist, welches
zumeist oder allein den Stickstoff mit sich fortführt. Dieses flüchtige Ammoniaksalz
entweicht unter gewöhnlichen Umständen allmählich in die äußere Luft; bei offenem
Zugang des Sauerstoffs der Atmosphäre in das Innere einer porösen Steinmasse aber
erfährt es eher noch eine theilweise Zersetzung und Oxydation zu salpetersaurem
Ammoniak, sowie zu salpetersaurem Kalk und salpetersaurem Kali.
Außerdem ist überall, wo zufällig thierische Substanzen in unmittelbarer Berührung
mit Kali, Kalk und Sand an freier ruhender Luft in Fäulniß übergehen, die reichliche
Bildung jener salpetersauren Salze beobachtet worden, und diese Beobachtung hat dann
auch den Weg gezeigt, den Salpeter willkürlich entstehen zu machen, also künstlich
zu erzeugen.
Es werden nämlich zu diesem Zwecke Gemenge von Dammerde, Kalk, Mergel, Holzasche,
Bauschutt u.s.w. mit thierischen Ueberresten aller Art in große Haufen
aufgeschichtet, ausgetrocknet, und von Zeit zu Zeit mit Lauge oder Jauche begossen,
um so im Innern der Masse jenen Fäulnißproceß herbeizuführen und zu unterhalten, der
zunächst Ammoniak zu liefern im Stande ist. Dabei hat man es weiter für eine
theilweise Umwandlung des Gemenges in Salpeter vorzüglich wichtig gefunden, daß
solche Haufen oder Wände nicht zu fest oder dicht gemacht werden, sondern eine
gewisse Lockerheit und große Oberfläche besitzen, um die äußere Luft möglichst
leicht ins Innere eindringen zu lassen.
Die Bekanntschaft mit diesen wenigen Grundregeln der künstlichen
Salpeter-Erzeugung wird hinreichen, um die Frage weiter erörtern zu können,
ob dieses Fabricationsverfahren allen Anforderungen der technischen Chemie
gegenwärtig noch entspreche oder ob dasselbe wohl bedeutender Verbesserungen fähig
seyn möchte.
Prüfen wir nun dieses Verfahren in seinen Einzelnheiten strenger, so möchten sich uns
zunächst etwa folgende Bemerkungen oder Ausstellungen daran aufdringen lassen.
1) Die Mischung der aufeinander einwirken sollenden Materialien geschieht
meistentheils zu unregelmäßig und unsicher, so daß man nicht leicht überzeugt seyn
kann, dabei auch das für den eigentlichen Zweck vortheilhafteste Verhältniß von
organischen und von den verschiedenen mineralischen Substanzen angewendet zu
haben.
2) Die Anwesenheit oder sogar das Vorherrschen der unorganischen Stoffe in den
Haufen, obwohl in Einem Betracht unvermeidlich und nothwendig, verhindert doch
anderseits wieder selbst den rascheren Fortgang der faulen Gährung, also damit
gerade jene Ammoniakbildung, die doch die Salpetersäure allein liefern kann; ein
Umstand, dem insbesondere die ganz außerordentliche Langsamkeit des gesammten
Processes der Salpeter-Erzeugung im Großen zuzuschreiben seyn dürfte.
3) Die gleichmäßige Unterhaltung der angemessensten Temperatur wird in der Regel
nicht genug beachtet, noch gehörig bewerkstelligt, wodurch in der kälteren
Jahreszeit gänzliche Stockung des ganzen Processes eintreten, folglich abermals die
Production an Salpeter bedeutend beeinträchtigt werden muß. Endlich:
4) Nachdem sich entschieden herausgestellt hat, daß nur die Gegenwart von Ammoniak
zur Salpetersäurebildung als wesentliche Bedingung erfordert wird, so mag es nicht
gerade nothwendig seyn, dasselbe durch einen unmittelbaren Fäulnißproceß zu
erzeugen, sondern es wird auch aus anderen Quellen gewonnen, und im reinen Zustande
unter den geeigneten Verhältnissen mit gleichem Erfolg zur Salpetererzeugung dienen
und verwendet werden können, wodurch offenbar die ganze Fabrication von zufälligen
Umständen und Oertlichkeiten weit unabhängiger gemacht würde.
Wenn man, wie es wohl bisher an den meisten Orten der Fall seyn mag, die
Salpetergewinnung nur etwa als landwirthschaftliches Nebengeschäft betreibt, wo an
Raum und Zeit wenig gelegen ist, da kann auch jenes gewöhnliche Verfahren genügen.
Anders ist es jedoch, wenn die Aufgabe gestellt würde, eine gewisse sehr große Menge
Salpeter jährlich zu erzeugen, oder wenn es sich darum handelte, den Staat gänzlich
unabhängig von aller auswärtigen Zufuhr dieses wichtigen Materials zu machen. Für
solche Fälle wird es rathsam seyn, alle Hülfsmittel und Kräfte aufs vollkommenste
für den Zweck der eigenen Production zu benutzen und zu erschöpfen, weßhalb wir denn
die oben angeführten vier Fragepunkte noch im Einzelnen näher besprechen müssen.
Was nun Erstens die Mischung der
wechselwirkenden Materialien betrifft, so ist wohl im Auge zu behalten, daß
man vor jedem anderen Salze salpetersaures Kali zu erzeugen beabsichtigt. Kali soll
daher in ansehnlicher Menge in der Mischung zugegen seyn, und fast in ebenso großer
als der Kalk. Der Kalk aber wird am besten im caustischen Zustande oder als Hydrat
angewendet werden, wobei seine basische Wirkung offenbar weit größer seyn muß, als
wenn er an Kohlensäure gebunden ist. Seine nützlichste Wirksamkeit wird in diesem
Falle gerade durch seine Fähigkeit bedingt seyn, die Kohlensäure des Kali sowohl als
des Ammoniaks aufzunehmen, wodurch deren eigene basische Wechselwirkung und
Sauerstoffanziehung wesentlich erleichtert und verstärkt werden dürfte.
Man könnte zwar auch zunächst nur salpetersauren Kalk erzeugen und diesen nachher
durch kohlensaures Kali zu Salpeter zerlegen; es ist jedoch schon a priori nicht wahrscheinlich, daß die chemische
Thätigkeit des Kali als der stärksten Basis, in diesem Falle durch jene des Kalks
vollständig vertreten, oder mit andern Worten, daß die Salpetersäurebildung durch
Kalk allein in demselben Maaße befördert werde, wie durch die gleichzeitige
Gegenwart von Kali und Kalk. Zur genaueren Ausmittelung dieses Verhältnisses
verdienen übrigens besondere Versuche angestellt zu werden, wenn es daran fehlen
sollte.
Was nun das in dem Salpeter erzeugenden Gemenge nothwendige Kali im allgemeinen
betrifft, so läßt sich mit einigem Grund behaupten, daß die Holzasche, durch welche
dasselbe in der Regel geliefert werden muß, sich mit Erfolg werde ersetzen lassen
durch gewisse kalireiche Felsarten im pulverisirten Zustande, wozu vorzüglich
Granit, Syenit, Trachyt, Porphyre, Basalt und andere zu rechnen sind. Werden nämlich
dergleichen Plutonische oder vulcanische Gesteine zu einer sandähnlichen Masse
gepocht und mit einer entsprechenden Menge Kalkhydrat vermengt, so wird ihr
Kaligehalt allmählich abgeschieden und ihre Kieselsäure von Kalk aufgenommen werden.
Das so frei gewordene Kali wird aber sofort zur Salpeterbildung wirksam seyn können,
sowie es Ammoniak vorfindet. Solches Gesteinpulver wird zugleich dadurch sich
nützlich erweisen, daß es den sonst nöthigen Zusatz von gemeinem Sande oder von
Dammerde entbehrlich macht, deren Beimischung zu Asche und Kalk eben keinen andern
Zweck hat, als die ganze Masse locker und porös zu erhalten und so das Innere der
Luft zugänglich zu machen. Es scheint daher für den fraglichen Gegenstand zeitgemäß
und nicht unwichtig, die genannten verschiedenen Felsarten in dieser Beziehung einer
Reihe genauer Versuche zu unterziehen, um so auf unmittelbarem Wege zugleich deren
Kaligehalt gewinnen zu
lernen. Bekanntlich ist der Salpeter, welcher in großer Menge in Ostindien natürlich
gefunden wird, unter allen Sorten bei weitem der reinste; er bildet sich bei der
langsamen Verwitterung kalkhaltiger Kalksteine.
Besondere Aufmerksamkeit und Untersuchung möchte ferner die Holzkohle verdienen, bezüglich ihrer Fähigkeit, die Salpeterbildung
einzuleiten. Es ist nämlich wahrscheinlich, daß durch ein Gemenge von Kali und Kohle
(sogenannte alkalisirte Kohle) bei Zutritt von
Ammoniakgas mit atmosphärischem Sauerstoff und bei geeigneter Temperatur die
Erzeugung der Salpetersäure mehr begünstigt und beschleunigt werde, als durch jede
andere Mischung, da die große Anziehungskraft der Kohle für Gase aller Art längst
bekannt ist. In jedem Fall wird grobes Kohlenpulver, z.B. Kohlenlösche, die Erde
oder den Sand, soweit sie bloß zur Lockerhaltung der Masse dienen, mit Vortheil
ersetzen können.
Uebrigens mag nebenbei bemerkt werden, daß sich aus den angeführten Felsarten das
Kali auch unmittelbar als Potasche gewinnen lassen würde, wenn dieses einmal bei
mangelnder Holzasche nöthig werden sollte. Man würde durch Einwirkung von
kohlensaurem Gase unter gehöriger Pressung unschwer dieses Ziel erreichen können,
wenn auch bisher noch nicht versucht worden ist dieses Verfahren im Großen
anzuwenden. Unsere Mineralwässer zeigen hinlänglich die Möglichkeit solcher
Zersetzungsweise der Gesteine. Es gilt endlich für die Mischung der Materialien hier
noch der allgemeine Grundsatz, daß je reiner die Bestandtheile sind, die in
chemische Wechselwirkung treten, um so reiner auch deren Product ausfallen müsse.
Kommen also Kali, Kalk und Ammoniak schon in sehr gereinigtem Zustande in
gegenseitige Berührung, so muß ein sehr reiner Salpeter unmittelbar erhalten werden.
Dieser Umstand ist wohl nicht ganz gleichgültig, namentlich in Betreff des
kohlensauren Kalis, welches sich seiner außerordentlichen Löslichkeit wegen weit
leichter von allem fremdartigen Salze befreien läßt, als dieß nachher mit dem
fertigen Salpeter der Fall ist, dessen chemisch reine Darstellung durch
Krystallisiren u.s.w. viel mehr Mühe macht. So wird an Arbeit beim Raffiniren
erspart, was an größerer Sorgfalt für die Reinheit der Materialien aufgewendet
worden.
Der Zweite der oben berührten Punkte bezog sich auf die
unzweifelhafte Thatsache, daß der Fortschritt der faulen Gährung organischer Körper,
auf welcher bei der Salpeterbereitung die Ammoniakbildung in der Regel beruht, durch
die Gegenwart vieler mineralischer Stoffe im Innern der Massen stets mehr oder
weniger verlangsamt oder ganz aufgehoben werden müsse, indem nun andere
wechselseitige Verbindungen der Elemente entstehen, welche die weitere Zersetzung der
organischen Substanz theils verzögern, theils ganz verhindern. Hieraus ergibt sich
offenbar für die Beschleunigung des Processes der beabsichtigten Ammoniakerzeugung
die Zweckmäßigkeit oder Nothwendigkeit, die Masse der organischen Substanzen völlig
getrennt von den mineralischen Stoffen zu halten und
ihre Fäulniß neben ihnen, d.h. in ihrer möglich größten
Nähe, einzuleiten. Ferner folgt aus der flüchtigen Natur des dabei entwickelten
kohlensauren Ammoniaks, daß diese faule Gährung nicht an offener Luft, sondern in
einem abgeschlossenen Raume vor sich gehen soll, um dem
sonst unvermeidlich großen Verlust an sich bildendem Ammoniak zu begegnen.
In der That zeigt auch Beobachtung und Erfahrung, daß ganz besonders Höhlenräume der Salpeterbildung günstig sind. Da die
Atmosphäre stets mit Macht bestrebt ist ihr irgendwo gestörtes Gleichgewicht selbst
wieder herzustellen, so bedarf es eben keines lebhaften Luftwechsels, wie er häufig
für nöthig erachtet wird, um sich dennoch eines hinreichenden Zutritts von
Sauerstoff versichert halten zu können.
Aus dem Umstande, daß der allgemeine Fäulnißproceß der organischen Substanzen in der
gemengten Masse in lebhaftem Gange erhalten werden muß, wenn eine reichliche
Ammoniakbildung und somit rasche Salpetererzeugung stattfinden soll, folgt ferner
die Wichtigkeit des dritten der angeführten Hauptpunkte,
nämlich die der gleichmäßigen Erhaltung der gehörigen
Temperatur. Es ist wohl bekannt, daß nur in den heißen Ländern (Ostindien,
Chile u.s.w.) der natürliche Salpeter in sehr großer Menge angetroffen wird, da nur
hier die Bedingungen einer rascheren Verwitterung und Zersetzung der in den
Steinmassen vorhandenen organischen Reste hinlänglich erfüllt sind, während in der
Kälte alle chemische Wechselwirkung der Stoffe abnimmt und endlich ganz aufhört.
Eine künstliche Salpeterbildung wird daher mit dem sichersten und schnellsten
Erfolge nur bei einer bestimmten höheren Temperatur der umgebenden Luftschichten
stattfinden, deren genauere Ausmittelung gleichfalls ein wichtiger Gegenstand
besonderer Versuche seyn wird. Der so ausfindig gemachte vortheilhafteste
Temperaturgrad wird dann durch alle zu Gebote stehenden Mittel in den der
Salpeterfabrication gewidmeten Räumlichkeiten gleichmäßig zu erhalten seyn, um in
gegebener Zeit ein Maximum der Production zu bewirken. – Der chemische Proceß
als solcher geht überall fast augenblicklich vor sich, sobald die Bedingungen alle
vollständig eintreten, auf denen er eben beruht. Es ist klar, daß die ganz
unverhältnißmäßige Langsamkeit der Salpeterbildung in den sogenannten Plantagen
ihren Grund nur darin
haben kann, daß diese Bedingungen in ihrer Gesammtheit nur sehr mangelhaft erfüllt
sind; anders wäre der große Zeitaufwand, den die chemische Action für ihre
Vollendung dort in Anspruch nimmt, kaum zu begreifen.
Und endlich zum Vierten, nachdem wir die Gewißheit
gewonnen haben, daß es im wesentlichen nur um Ammoniakerzeugung sich handelt, um
sofort zur Salpeterbildung zu gelangen, so ist es augenscheinlich, daß wir auch
alles andere, auf was immer für Weise erhaltene Ammoniak ebensowohl zur
Salpeterfabrication werden verwenden und somit dieses Geschäft gänzlich unabhängig
von der Gegenwart jedes Fäulnißprocesses werden betreiben können. Kali und Ammoniak sind also
die beiden chemischen Potenzen, deren allein man sich im gehörigen Umfange zu
versichern haben wird, um der künstlichen Salpetererzeugung jede beliebige
Ausdehnung und Beschleunigung geben zu können. Was aber die zweckmäßigste Art und
Weise der innigen Berührung dieser Hauptfactoren und ihre Vermischung mit Kalk, Sand
oder Kohle anbelangt, sowie endlich die günstigste Temperatur und den besten
Feuchtigkeitsgrad, bei welchem die allgemeine Wechselwirkung und die Oxydation des
Ammoniaks am leichtesten und energischesten vor sich gehen wird, so kann darüber
wohl allein eine planmäßig durchgeführte Reihe von
Versuchen sicher entscheiden, welche anfänglich in kleinem Maaßstabe
unternommen, zunächst die Zahlenverhältnisse annähernd festzustellen hätte, mit
denen dann später im Großen operirt werden mag.
Es ist aber schon bemerkt worden, daß in den Plutonischen Massen der Erdoberfläche
ein reicher Vorrath von Kali abgelagert ist, den noch zu schöpfen die wohl nicht
unlösbare Aufgabe der technischen Chemie vorschreibt. Ammoniak wird zunächst durch
jeden Fäulnißproceß, aber schneller noch durch die trockene Destillation thierischer
Substanzen überhaupt gewonnen; nach neueren Erfahrungen kann auch die Verkohkung von
Steinkohlen, Braunkohlen, Torf u.s.w. eine bedeutende Menge Ammoniak liefern, wenn
deren Destillationsproducte aufgefangen und verdichtet werden. Wo demnach für den
Bedarf von Hüttenwerken u.s.w. große Massen von Kohks erzeugt werden müssen, dort
mag es auch rathsam werden, auf den Gewinn dieses werthvollen Nebenproductes künftig
noch größeres Gewicht zu legen.
Sollten, was gerade nicht wahrscheinlich, alle diese genannten Quellen von Ammoniak
zu irgend einer Periode nicht ausreichen, so kann man sich dasselbe auch noch auf
einem andern ungewöhnlichen Wege, bloß mittelst des atmosphärischen Stickstoffs und
ohne alle Beihülfe organischer Substanzen mit wenig Schwierigkeit verschaffen.
Ammoniakgas bildet sich nämlich in ziemlicher Menge, wenn Stickgas nebst Wasserdampf
über ein glühendes Gemenge von Kohle und Potasche (kohlensaures Kali) langsam
hingeleitet wird. Diese Entstehungsweise des Ammoniaks könnte also unter Umständen
für die Salpetererzeugung von einiger Bedeutung werden. Indessen bedarf das
Verhältniß des erforderlichen Brennmaterialaufwandes zur erzielten
Ammoniakproduction hiebei noch einer weiteren Prüfung und genauem Bestimmung, um
sich von der praktischen Anwendbarkeit dieses Verfahrens überzeugen zu können.
Im Vorangehenden sind nun die vornehmsten Bedingungen aufgesucht und bezeichnet
worden, welche zu erfüllen wären, um die bisher übliche Methode der künstlichen
Salpeterbildung auf die möglich höchste Stufe der Vervollkommnung zu bringen und die
Fabrication desselben von fremder Zufuhr an Rohstoffen des Auslandes unabhängig zu
machen. Nur der Vollständigkeit wegen mögen bei dieser Gelegenheit noch zwei andere
Wege kurz angedeutet werden, auf welchen gleichfalls Salpetersäure oder Salze
derselben sich erzeugen lassen, wenn dieselben auch vorläufig mehr bloß ein
theoretisches Interesse darbieten und es noch weiterer Forschungen bedarf, um zu
entscheiden, ob dasselbe mit der Zeit ein praktisches werden könne.
Wird Ammoniakgas, mit Sauerstoff gemengt, über glühenden Platinschwamm geleitet, so
entsteht (nach Kuhlmann) eine beträchtliche Menge
salpetersauren Ammoniaks, welches sich leicht in salpetersaures Kali umwandeln läßt.
In welchem Verhältniß diese Erzeugung aber zum Verbrauch an Brennstoff, zur Masse,
Form und Beschaffenheit des Platinschwamms und zur Dauer seiner Wirksamkeit stehe,
darüber fehlen zur Zeit noch specielle Angaben. Allein erst nach Untersuchung und
genauer Feststellung dieser verschiedenen Punkte wird es möglich seyn, ein sicheres
Urtheil zu gewinnen über die Ausführbarkeit dieser Methode im Großen, welche an
Einfachheit der Wirkung allerdings jede bekannte und gebräuchliche weit übertreffen
würde.
Eine dem Platinschwamm ganz ähnliche Einwirkung auf Ammoniakgas bei Gegenwart von
Sauerstoff hat glühendes Eisenoxyd gezeigt, welches daher seiner weit leichteren
Herbeischaffung wegen noch mehr Beachtung verdienen müßte, als jener. Inwieweit aber
dessen Wirksamkeit für Salpetersäurebildung eine anhaltende ist, oder ob es dabei
theilweise Reduction erleidet u.s.f., dieses und anderes Verhalten des Eisenoxyds in
vorliegendem Falle mag gleichfalls weiterer Untersuchung bedürfen.
Es ist endlich eine ziemlich alte, von dem berühmten englischen Physiker Cavendish zuerst beobachtete und festgestellte Thatsache,
daß beim Durchschlagen sehr zahlreicher elektrischer Funken durch ein Gemenge von
Stickstoff- und Sauerstoffgas, sowie es die atmosphärische Luft darstellt,
immer eine geringe Menge von Salpetersäure oder salpetersaurem Ammoniak gebildet
werde. Ist auch Wasserstoff in dem Gasgemenge zugegen, so wird diese
Salpetersäurebildung bedeutend erleichtert und vermehrt, und man erinnert sich
dabei, daß bei Verbrennung von Wasserstoffgas in gewöhnlicher Luft ebenfalls immer
Spuren von Salpetersäure in dem gebildeten Wasser erscheinen. Diese Begünstigung der
Verbindung von Sauerstoff und Stickstoff durch Anwesenheit von Wasserstoff hat ihren
Grund vornehmlich in dem sehr bedeutenden Hydratwassergehalt der reinen
concentrirten Salpetersäure, welcher 14 Proc. ihres Gewichts beträgt und ohne den
sie, wie man weiß, im freien Zustande nicht bestehen, also auch nicht entstehen
kann. Soll demnach dieses Verfahren praktische Bedeutung versprechen dürfen, so muß
bei dießfälligen Versuchen vor allem darauf Bedacht genommen werden, daß der
Mischung von Stickstoff und Sauerstoff entweder Wasserstoffgas oder fertig
gebildetes Wasser in irgend einer Form in gehöriger Menge gleichzeitig dargeboten
werde.
Auch ein Kohlenwasserstoffgas würde dazu Wohl dienen können, da es ebenfalls mit
Sauerstoff Wasser liefert; noch einfacher aber scheint die Bedingung der Mitwirkung
von Wasser dadurch erfüllt werden zu können, daß ein sehr feiner dichter Regen
innerhalb des Gasgemenges gebildet würde, zwischen welchem der elektrische
Funkenstrom hindurch ginge. Hätte das Wasser dieses Regens etwa Kali in Auflösung,
so würde auf diesem Wege unmittelbar Salpeterlösung erhalten werden. – Die
vortheilhafteste Temperatur von Wasser und Luft, sowie die beste Wirkungsweise der
Funken selbst, je nach ihrer Zahl, Größe und Gestalt bleiben aber für jetzt durch
eigens aufzustellende Versuche noch auszumitteln. Erst wenn der Kraftaufwand zum
Betrieb einer Elektrisirmaschine oder die Kosten irgend einer andern
Elektricitätsquelle sich werden vergleichen lassen mit der Menge des in einem
gegebenen Zeitraum auf diese Weise gebildeten Salpeters, wird es erlaubt seyn, eine
bestimmte Ansicht auszusprechen, ob diesem bisher wenig beachteten Phänomene eine
wirklich praktische Nachahmung im großen Maaßstabe zur Gewinnung von Salpetersäure
in Zukunft bevorstehe. Ganz unmöglich oder unwahrscheinlich ist dieß keineswegs,
wenn man bedenkt, daß schon die schwache und auf weite Strecken zerstreute
Elektricität der Gewitter hinreicht, dem Regenwasser nachweisbare Spuren von freier
oder gebundener Salpetersäure mitzutheilen. Auch hier möchte es bloß darauf ankommen,
die Umstände und Bedingungen alle zu erforschen und
herbeizuführen, unter welchen eine bestimmte chemische Action jederzeit unfehlbar
eintreten muß.