Titel: Ueber die Rottung des Flachses in erwärmtem Wasser und die Errichtung von Flachsbereitungs-Anstalten; von Karl Karmarsch.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXXII., S. 303
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LXXII. Ueber die Rottung des Flachses in erwärmtem Wasser und die Errichtung von Flachsbereitungs-Anstalten; von Karl Karmarsch. Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbe-Vereins, 64ste und 65ste Liefer. Karmarsch, über die Rottung des Flachses in erwärmtem Wasser. Es ist offenbar eine Forderung der Nothwendigkeit, daß in Deutschland eine gründliche Reform in der Zubereitung des Flachses stattfinde, wenn wir den gewaltigen Fortschritten der Engländer in der Leinenmanufactur mit Erfolg entgegentreten und nicht bald diesen Industriezweig unseren Händen entwunden sehen wollen. Um zu jener Reform zu gelangen, um der Spinnerei ein möglichst gut vorbereitetes, in großen Partien von ganz gleicher Beschaffenheit dargestelltes Material mit ökonomischem Vortheile zu liefern, ist es unerläßlich, nach dem Beispiele der Belgier, und neuerlich der Brüken, das Rotten und die darauf folgende Zurichtung des Flachses bis zu dem Punkte, wo er auf die Hechel gebracht werden kann, aus den Händen der Landwirthe zu nehmen und fabrikmäßig in nach großem Maaßstabe eingerichteten, rationell betriebenen Flachsbereitungs-Anstalten ausüben zu lassen. Die Beispiele des preußischen Staats und Oesterreichs sind da, um uns zur Nacheiferung zu erwecken. Zu Wien ist ganz kürzlich, zufolge eines Aufrufs der dortigen Landwirthschafts-Gesellschaft und des niederösterreichischen Gewerbevereins, eine große Aktiengesellschaft gestiftet, welche Flachsbereitungs-Anstalten in der ganzen Monarchie errichten wird. Das Capital derselben bildet sich aus Actien zu je 500 Gulden; allein eine Actie kann im gemeinschaftlichen Besitze mehrerer Theilnehmer seyn, und so ist das Unternehmen geeignet, die Sache nicht etwa nur einiger reichen Kapitalisten, sondern des ganzen Volks zu werden. Welche würdigere Aufgabe könnte im Fache der Industrie gesetzt seyn, als die: durch eine allgemeine Vereinigung von Kräften zu einem unzweifelhaft nutzbringenden Geschäfte gleichzeitig Geld vortheilhaft anzulegen und einen unserer wichtigsten Erwerbzweige von dem Untergange zu retten?! Die Erfindung des amerikanischen (Schenck'schen) Verfahrens, den Flachs in hölzernen Behältern mit warmem Wasser zu rottenPolytechn. Journal Bd. CXXIII S. 59 u. 156, und Bd. CXXIV S. 380., bietet die natürlichste Gelegenheit, mit erneutem Eifer zur Gründung von Flachsbereitungs-Anstalten zu mahnen; denn ihrer Natur nach eignet sich diese als sehr vortheilhaft bewährte Methode gerade, um in großem Maaßstabe ausgeführt zu werden. Sie kann und muß um so mehr den Weg dazu eröffnen, als nach neueren Erfahrungen die Ausübung sehr vereinfacht, namentlich der Nothwendigkeit eines zur Heizung des Rottewassers dienenden Dampfapparats überhoben werden kann. Interessante Beobachtungen hierüber verdankt man dem kaiserl. Rathe und Custos am kaiserl. technischen Cabinet, J. Reuter in Wien, welcher sich mit sehr gründlichen praktischen Untersuchungen über das Schenck'sche Verfahren der Flachsrotte beschäftigt und den kräftigsten Anstoß zu Gründung der oben erwähnten österreichischen Aktiengesellschaft gegeben hat. Ich benutzte bei dem Folgenden, neben mündlichen Mittheilungen Reuters, eine von diesem verfaßte Druckschrift, welche unter dem Titel: „Vortrag für die am 5. Januar 1852 anberaumte General-Versammlung der Subscribenten zur Gründung von Lein- und Hanf-Zurichtungs-Anstalten“ erschienen, aber nicht in den Buchhandel gekommen ist. Das amerikanische Rotteverfahren, welches in Folge der Thätigkeit einer Gesellschaft unter dem Protectorate der Königin Victoria und des Prinzen Albert zuerst auf England übergegangen ist, und von da aus sich gegenwärtig auf dem Continente auszubreiten anfängt, so daß es namentlich in Preußen – abermals durch Thätigkeit einer Gesellschaft (die den Prinzen von Preußen zum Protector hat) – bereits feste Wurzel fassen konnte, stützt sich auf folgende zwei Momente: 1) das Rotten in hölzernen Behältern mit 26° R. warmem und bei dieser Temperatur während der ganzen Dauer des Processes zu erhaltendem Wasser; 2) es im abgeschlossenen, allen äußeren störenden atmosphärischen Einflüssen entzogenen Raume zu bewerkstelligen. Die Vortheile dieser Methode liegen auf der Hand: sie steht – um in Einem Satze Alles zusammenzufassen – in ihrem Resultate dem wenigstens gleich, was die Belgier durch ihre mit größter Sorgfalt ausgeführte Wasserrotte unter freiem Himmel nur in der günstigsten Jahreszeit (im hohen Sommer nämlich) erzielen. Die höhere Temperatur des zum Rotten angewendeten Wassers und die Beständigkeit dieses Temperaturgrades, sowie aller das Rottewasser umgebenden äußeren Verhältnisse sind es allein, welche den hohen Sommer zur günstigsten Zeit für den Rotteproceß im Freien erheben können; es leuchtet aber ein, daß eben diese Beständigkeit in beiden Beziehungen unter freiem Himmel, selbst in der Mitte des Sommers, nie so sicher eintritt und willkürlich festgehalten werden kann, wie im abgeschlossenen, den Witterungseinflüssen fernen Raume. Eine einzige Gewitternacht ist oft hinreichend, um bei der gewöhnlichen Wasserrotte eine Versäumung des rechten Zeitpunktes zu veranlassen. Das amerikanische Verfahren, in seiner Unabhängigkeit von der Witterung, kann zu allen Jahreszeiten, selbst des Winters, gleich gut und sicher verrichtet werden. Der Gang des Processes ist ein geregelter, sich immer gleich bleibender, und daher ohne Schwierigkeit zu leiten; die Dauer desselben eine so kurze, daß man sie kaum für möglich hielt (drei Tage, die Zeit zum Einsehen des Flachses vor und Herausnehmen desselben nach der Rotte mitgerechnet). In Amerika und England bewirkt man die Erwärmung des Rottewassers in den hölzernen Kufen mittelst Dampf, jedoch nicht durch unmittelbares Einströmen desselben in das Wasser, sondern durch Einlassen des Dampfes in metallene Röhren zwischen doppelten Böden der Kufe, von welchen der obere durchlöchert ist. Rotteversuche, nach dieser Weise angestellt, wurden in Wien mehreremal vorgenommen; die Resultate derselben liegen vor und sind als sehr gelungen zu erkennen. Auf das zweite Moment der amerikanischen Rotte haben indessen der Erfinder und die bisherigen Nachahmer derselben viel zu wenig geachtet; sie scheinen das Verfahren von Grund aus nur so aufgefaßt zu haben, als ob es dabei lediglich auf die vortheilhafte Wirkung einer höheren Wärme des Wassers ankäme, die Vornahme der Operation in umschlossenem Raume aber nur die nothwendige – an sich unwesentliche – Folge hiervon wäre: so wurde man auf die directe Erwärmung des Wassers geführt. Betrachtet man aber als die zu lösende Hauptaufgabe: „Abhaltung der in freier Atmosphäre unvermeidlichen Störungen und Hindernisse, welche durch Temperatur- und Witterungswechsel eintreten“, so stellt sich die Vornahme des Rottens in geschlossenem Raume als das eigentliche Wesentliche der Erfindung vorne an; erst in zweiter Linie wird dann zu ermitteln seyn, welchen Wärmegrad man als den geeignetsten zu wählen habe. Es ist solchergestalt das Rotten auf seine naturgemäßen einfachen Grundlagen zurückgeführt; directe Erwärmung des Wassers erscheint dann durchaus als unwesentlich und entbehrlich. Wenn man, statt das Wasser in den Rottekufen selbst zu erwärmen, nur den Raum. in welchem die Kufen sich befinden, mittelst gewöhnlicher Oefen oder anderer zweckmäßiger Beheizungsapparate erwärmt, und zwar stetig auf einen Temperaturgrad, wie er an schönen Sommertagen im Freien vorhanden ist, so geht die Rottung sehr gut von Statten, und Dampfkessel, Dampfröhren, Herrichtung der Kufen zur Dampfheizung werden erspart; die Anlage einer Flachszurichtungs-Anstalt steht hierdurch um Vieles vereinfacht da.Wollte man das nach diesen Grundsätzen modificirte Rottverfahren gemeinverständlich charakterisiren, so könnte man sagen, es bestehe in der althergebrachten Wasserrotte, die in künstlich erzeugter gleichmäßiger Sommertemperatur, geschützt vor Regen, Nachtkühle und überhaupt vor den Schwankungen der Witterung, so betrieben wird, daß man dabei den Flachs stets unter Augen hat. Freilich geht in dem Maaße, wie man die Temperatur niedriger als 26° R. erhält, die Operation langsamer von statten; allein der Verlauf ist sicherer zu beobachten, der Zeitpunkt ihrer Beendigung schärfer zu erfassen, das Resultat wenigstens eben so gut als das unter Anwendung einer höheren Temperatur erlangte. Zudem hat man in Irland selbst ganz neuerlich die Bemerkung gemacht, daß der Flachs besser ausfällt, wenn die Rotte nach Schenck'scher Art bei einer niedrigeren Temperatur als der ursprünglich vorgeschriebenen von 26° R. durchgeführt wird. Besonders für kleinere Flachszurichtungs-Anstalten und für solche, die etwa nur das Rotten, nicht auch das Brechen und Schwingen sich zur Aufgabe setzen, wird die angedeutete Vereinfachung von Wichtigkeit seyn, da man hiernach einfache Kufen, Tröge oder Wannen gebrauchen und als Local gelegentlich Vieh- oder Pferdeställe ohne allen Wärmapparat, deßgleichen bereits vorhandene, für andere Zwecke ohnehin warm gehaltene Räume benutzen kann. Dagegen wird die directe Erwärmung des Wassers durch Dampfröhren jedenfalls in solchen großen Anstalten beizubehalten seyn, welche zum Betriebe der Brech- und Schwingmaschinen ohnehin einer Dampfmaschine bedürfen, und den verlorenen Dampf von dieser ohne besondere Kosten zur Wasserwärmung anwenden können. Auch mit der nach vorstehenden Andeutungen modificirten amerikanischen Methode sind in Wien Versuche ausgeführt worden. Sie fanden in einem Gartenhause statt, welches mittelst eines eisernen Ofens auf 18 bis 20° R. erwärmt gehalten wurde und wobei eine gewöhnliche Badewanne als Röstkufe diente; das Wasser nahm eine Temperatur von 17 bis 19° R. an, und die Rotte war am fünften Tage mit bestem Erfolge vollendet.Die Erwärmung des Rottewassers erfolgt zu einem ansehnlichen Theile durch den Gährungsproceß selbst; die von außen hinzugebrachte Wärme dient als Nachhülfe und zur gleichmäßigen Unterhaltung der nöthigen Temperatur in den Rottekufen; dieß muß man wohl im Auge haben, um den Aufwand an Heizmaterial richtig zu beurtheilen und das schnelle Warmwerden des Wassers zu begreifen. – Der Verf. ist durch die Güte des Hrn. Reuter in den Besitz kleiner Proben des von ihm – sowohl nach unveränderter, als nach modificirter Schenck'scher Methode – gerotteten Flachses gekommen. Beide sind in gleich vorzüglichem Maaße gelungen. Das Holz der Stengel ist so vollkommen spröde und von dem Baste gelöst, daß bei einfachem Streichen auf der Kante einer Stuhllehne die Schabe schnell und vollständig in großen Stücken abfällt, ohne Fasern mitzunehmen, der Bast selbst alsdann bei ganz mäßigem Reiben zwischen den Fingern nur noch Staub gibt und eine unversehrte starke Faser hinterläßt, welche so fein zertheilt erscheint, wie sie gewöhnlich erst nach längerem Hecheln zu gewinnen ist. Der Verf. schließt daraus, daß das Brechen, Schwingen und Hecheln mit solchem Materials ungemein leicht, schnell und gut von Statten gehen wird. Alle sachkundigen Personen haben den von Hrn. Reuter mitgebrachten Flachs als ausgezeichnet gut gerottet erkannt. Die Stadien des Vorganges im Rottprocesse nach amerikanischer Methode sind von so auffallenden Erscheinungen und von so bestimmter – nur nach dem Temperaturgrade sich ändernder – Zeitdauer begleitet, daß man Anfang, Höhepunkt und Ende des Processes mit Sicherheit zu erkennen vermag, und sich um den Gang desselben – bis zu dem nach Ablauf der festen Dauerzeit sicher eintreffenden Schlusse – fast gar nicht zu bekümmern nöthig hat. Diese Stadien, welche nach Verschiedenheit der Temperatur rascher oder langsamer verlaufen und bei den Versuchen in Wien von Stunde zu Stunde, Tag und Nacht, beobachtet wurden, sind folgende: 1) Bräunliche Färbung des Wassers, welche nach und nach sich verstärkt, ohne jedoch ins Dunkelbraune überzugehen. 2) Trübung der braunen, durch mehrere Stunden klar gebliebenen Flüssigkeit und Entwickelung eines schwachen aromatischen Geruchs unter allmählicher Gasentwickelung und Schaumbildung. (Anfang des Processes.) 3) Verbreitung des Schaumes mit größeren Blasen auf der Oberfläche und deutlicheres Hervortreten des aromatischen Geruchs. 4) Bildung eines schleimigen Häutchens, welches die Schaumblasen verbindet. 5) Zunehmende Gasentwickelung unter förmlichem Glucken, wodurch das immer zäher werdende Häutchen an mehreren Stellen durchbrochen wird, so daß die aus Häutchen und Schaumblasen bestehende zusammenhängende Decke des Rottewassers in wellenförmige Bewegung geräth. Die Schaumblasen nehmen eine bräunliche Farbe an, und die geruchlose Gasart, welche das Häutchen durchbricht und große Blasen bildet, charakterisirt sich als Knallluft (entzündet sich bei Berührung mit einer Flamme unter puffendem Geräusch, selbst mit starkem Knall). 6) Allmähliches Abnehmen der Gasentwickelung und der Schaumblasen, stärkeres Hervortreten des – zwar etwas geänderten, jedoch immer noch nicht unangenehmen- Geruchs; dagegen stärkere Bildung des schleimigen, sich immer dunkler färbenden Häutchens, in welches die Schaumblasen überzugehen scheinen. 7) Eintritt eines scheinbaren Ruhezustandes. Geräuschlose Entwickelung eines neuen, blendend weißen, hefeartigen Schaumes, welcher hier und da das Häutchen durchbricht, und – wo dieß seiner Zähigkeit wegen nicht geschehen kann – dasselbe mehr oder weniger hebt, so daß die Oberfläche der Flüssigkeit ein hügelartiges Aussehen bekommt. Der Geruch beginnt unangenehm zu werden, was besonders dann wahrgenommen wird, wenn man das Häutchen zwischen den Fingern zerreibt, wobei es einen Gestank wie Menschenkoth offenbart. (Höhepunkt des Processes.) 8) Dunklere Färbung des Häutchens und allmähliches Verschwinden des weißen Schaumes. 9) Das Häutchen fängt an sich zu zertheilen, so daß die bräunliche trübe Flüssigkeit, wie sie früher sichtbar war, mehr und mehr wieder zum Vorschein kommt. Der Geruch beginnt auch säuerlich zu werden. 10) Endlich allmähliches Abnehmen der einzelnen, beinahe schwarz gefärbten Stücke des Häutchens, welches immer mehr an Zusammenhang verliert; in demselben Maaße stärkeres Hervortreten der bräunlichen trüben Flüssigkeit. (Ende des Processes.) Diese Erscheinungen, in drei Hauptabschnitte zusammengefaßt, stellen sich wie folgt dar: I. Färbung, Trübung und aromatischer Geruch der Flüssigkeit; II. Bildung des Häutchens und Schaumes zu einer Decke der Flüssigkeit, zugleich stärkeres Hervortreten des nach und nach unangenehm werdenden GeruchsDie Verbreitung des üblen Geruchs im Arbeitsraume kann gehindert werden, indem man die Rottekufen leicht bedeckt und aus dem Deckel einen Abzugsschlot ins Freie führt. Dieß ist bei Erwärmung des Rottewassers mittelst Dampf überflüssig, weil man in diesem Falle die Arbeit unter einem halb offenen Schuppen vornehmen kann; es wird auch beim Rotten in ganz verschlossenem Raume mit einer einzigen Kufe entbehrlich seyn, aber bei Aufstellung mehrerer Kufen in einem der wohlfeilen Heizung wegen nicht nur abgeschlossenen, sondern auch niedrigen und verhältnismäßig engen Gemache wohl als erforderlich sich darstellen.; III. Wiederverschwinden der Decke und Sichtbarwerden der ursprünglichen trüben, bräunlich gefärbten Flüssigkeit. Nach dem Eintreten der letzten Erscheinung läßt sich der Bast des Leinstengels, von der Wurzel bis zur Spitze, ohne zu reißen, mit den Fingern abziehen oder abstreifen, und der entblößte Stengel erscheint glatt, sehr licht gelblich gefärbt und durchscheinend, was als sicheres Merkmal einer gut zu Ende geführten Rotte anzunehmen ist. Der gerottete und dann an der Luft getrocknete Lein hat 18–20 Procent von seinem Gewichte (vor der Rotte lufttrocken gewogen) verloren. Der Umstand bei dem amerikanischen Rottverfahren, daß dasselbe in verhältnißmäßig geringer Menge von Wasser vor sich geht, so daß hierin die färbenden Theile concentrirt sind, könnte eine dunkle – unangenehme oder sogar nachtheilige – Färbung der Faser befürchten lassen. Dieser läßt sich jedoch auf sehr einfache und wirksame Weise entgegentreten. Es genügt, die gefärbte Flüssigkeit vor Eintritt der Trübung aus der Rottekufe abzulassen, und sie durch frisches reines Wasser so oft zu ersetzen, als es nach Maßgabe der wiederholt eintretenden Färbung der Flüssigkeit nöthig erscheint. Der Rotteproceß wird durch diesen Wasserwechsel nicht gestört, sondern nur um so viel verzögert, als das frisch eingefüllte Wasser Zeit gebraucht, um den Wärmegrad anzunehmen, den das abgelassene Wasser gehabt hat. Nach beendeter Rotte aber schaffe man vor Allem die auf der Oberfläche herumschwimmenden Reste des dunkeln Häutchens und der Schaumblasen sorgfältig weg, damit sie sich nicht an die Stengel hängen; letztere müssen zum Schluß mit reinem Wasser gut abgespült werden. Schon dieses Auswaschen allein (ohne vorausgegangenen Wasserwechsel in der Kufe) macht den Lein bedeutend hell von Farbe. Wahrscheinlich könnte man das Abspülen des gerotteten Leins durch starkes Auspressen genügend ersetzen. Ueber die quantitativen Verhältnisse der Ausbeute ist Folgendes zu bemerken: Die Landwirthe in Oesterreich rechnen 30–50 Wiener Centner Strohflachs, d.h. lufttrockne und geriffelte rohe Leinstengel, von 1 niederösterreichischen Joch Land (was 1640–2730 köln. Pfund vom hannov. Morgen gleich ist.)Hiermit stimmen anderwärts gemachte Erfahrungen, wonach von 1 hannov. Morgen bei guter Ernte 2000–2500, bei schwacher Mittelernte 1400–1500 köln. Pfund gewonnen werden. In Irland hat man von 1 dortigen Acre 2 1/2 – 3 Tonnen (so viel als vom hannov. Morgen 2170–2600 köln. Pfund); der Verfasser findet einer Partie von 14000 Centner oder 700 Tonnen erwähnt, welche im Jahr 1850 der Ertrag von 262 Acres waren (2320 köln. Pfund von 1 hannoverischen Morgen). Der Centner getrockneten Leins wird mit 2–3 Gulden Conv.-Münze (1 Thlr. 3 gGr. bis 1 Thlr. 16 gGr. für 1 hannov. Centner) bezahlt und zuweilen noch etwas höher, so daß der Verkauf des Flachses von 1 Joch 75–100 Gulden (von 1 Morgen 23–30 Thlr.) abwirft.In Irland wird für den auf dem Halme – einige Wochen vor der Ernte – gekauften Leinertrag eines irischen Acre 6–10 Pfd. Sterling und mehr bezahlt, z.B. 1850 von 8 bis 15, im Durchschnitte 12 Pfd. Sterling. Nimmt man 10 Pfd. als Durchschnitt, so beträgt dieß 4 Pfd. Sterl. oder 27 Thlr. vom hannov. Morgen. In Preußen setzt man den Werth eines Centners rein geschwungenen Flachses auf das Zwölf- bis Fünfzehnfache vom Werthe eines Centners Rohflachs, wobei also für ersteren – nach vorstehendem Maaßstabe – 1 hannov. Centner = 17–20 Thlr. anzunehmen wäre, oder 1 Pfd. = 4 gGr. 1 Pf. bis 4 gGr. 10 Pf., was mit hannoverischen Verhältnissen gut stimmt, da hier guter gehechelter Flachs 25–30 Thlr. werth ist. Nach der uralten, bisher in Oesterreich geübten Methode gewinnt man aus 100 Pfd. roher trockner (von Samenkapseln befreiter) Leinstengel 8, höchstens und sehr selten 10 Pfd. geschwungenen Flachses. Bei Anwendung der amerikanischen Rotte hingegen gewinnt man in Irland 14–15, in Preußen 16–17, in Oesterreich – nach Versuchen in Mähren mit Hunderten von Centnern – sogar 18–26 Procent. Jedenfalls beweisen diese Zahlen einen entschiedenen Vortheil bei Benutzung des neuen Verfahrens. Nimmt man 16 2/3 Proc. (1/6) als Durchschnittsresultat an, und setzt den hannov. Centner rein geschwungenen Flachses nur zu 18 Thlr., die hierzu erforderlichen 6 Cntr. Rohflachs zu 10 Thlr. in Rechnung, so bleiben 8 Thlr. für die Kosten der Zubereitung und den dabei zu machenden Gewinn. Beim Hecheln gibt der nach amerikanischer Art gerottete dann gebrochene und fertig geschwungene Flachs mehr reine Faser, weniger Werg und Abfall, als der nach alter Weise zubereitete. Hrn. Reuter sind darüber folgende Erfahrungen aus Oesterreich mitgetheilt worden:            Ertrag.  Kernflachs.     Hede.    Abfall. a) der alten Bereitung 40–50 Proc.    41–45 Proc.    9–15 Proc. b) der neuen Bereitung       63 Proc.    43 Proc.    3 Proc. Ja man findet noch die Bemerkung, daß der nach amerikanischer Methode gerottete Lein schon durch das Brechen eine genugsam gereinigte Faser gibt, um für gröbere Gespinnste die Arbeit des Schwingens gänzlich entbehren zu können und auf das Brechen unmittelbar das Hecheln folgen zu lassen. Die Flachsbereitungs-Anstalten können und werden nur dann gedeihen, wenn der flachsproducirende Landwirth mit ihnen Hand in Hand geht. Dieser muß Alles anwenden, um den Ertrag seines Bodens an Flachs möglichst zu steigern und zugleich der Bereitungsanstalt vorzuarbeiten. Der Verfasser deutet schließlich einige Hauptpunkte an, welche in diesen Beziehungen gründlich zu beherzigen sind: 1) Der Acker muß 12–15 Zoll tief gepflügt werden, um dem Eindringen der Wurzeln nicht hinderlich zu seyn. 2) Es ist guter und gehörig gereinigter Leinsamen (frei von Unkrautgesäme) anzuwenden. 3) Das Jäten des Leins darf nicht versäumt werden. Unkraut, welches mit zwischen dem Leine bleibt, verursacht mühsames Aussortiren, und was davon nicht entfernt wird, führt leicht Ueberrottung oder wenigstens stellenweise Braunfärbung der Flachsfaser herbei. Auch findet gut von Untraut befreites Material verhältnißmäßig bessere Preise. 4) Man muß wenigstens zweimal ernten, das erstemal nämlich die nicht genügend reifen Stengel stehen lassen, und später ausziehen, wenn auch sie ihre Reife erlangt haben. 5) Der geerntete Lein ist beim Aufbinden sorgfältig nach seiner verschiedenen Länge zu sortiren. Je gleichartiger die in einer Partie vereinigten Stengel sind, desto gleichmäßiger rotten sie, desto höher wird die Flachsbereitungs-Anstalt das Material bezahlen können, weil sie selbst mit dem nachfolgenden (jedenfalls unerläßlichen) Sortiren weniger Arbeit hat. Die Gesellschaft zur Beförderung des Flachs – und Hanfbaues in Preußen berechnet in ihrem durch Druck veröffentlichten Berichte das Anlagecapital zur Gründung einer Zurichtungsanstalt von zweckmäßiger Ausdehnung auf 16,000 Thlr. und das Betriebscapital auf 15,000 Thlr. Sie zieht hierbei Aufführung von soliden Gebäuden, Anschaffung von Maschinen der neuesten Erfindung zum Brechen und Schwingen, einen Dampfkessel und eine Hochdruckdampfmaschine nebst den zur Leitung des Dampfes erforderlichen Röhren, deßgleichen alle übrigen Utensilien, sowie die Assecuranz in Rechnung. Sie nimmt ferner nur 12 1/2 Proc. geschwungenen Flachses und 1/2 Proc. Hede als Resultat von dem nach amerikanischer Methode mit Dampf gerotteten Leine an, und folgert in detaillirter Nachweisung, daß die Anlage sich in zwei oder drei Jahren regelmäßigen Betriebs bezahlt machen würde. Auf Grundlage ähnlicher, fast mit noch größerer Vorsicht geführter Berechnungen, hat auch der für die Angelegenheit in Oesterreich zusammengetretene Ausschuß das Anlagecapital einer Zurichtungsanstalt für jährlich 12,000 Wiener Centner Rohflachs (den Ertrag von 400 bis 500 Joch Land) mit 30,000 Gulden und das Betriebscapital mit 24,000 Gulden C.-M. angesetzt.