Titel: | Ueber die Röstung des Flachses in erwärmtem Wasser nach der Methode des Hrn. J. Reuter. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XIV., S. 63 |
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XIV.
Ueber die Röstung des Flachses in erwärmtem
Wasser nach der Methode des Hrn. J.
Reuter.
Ueber die Röstung des Flachses in erwärmtem Wasser.
Die von Hrn. J. Reuter in Wien angegebene Methode den
Flachs in eigenthümlich erwärmtem Wasser zu rösten, findet gegen alle Erwartung in
mehreren technischen Zeitschriften Eingang. Nachdem derselben schon 1852 in den
Mittheilungen der Gesellschaft zur Beförderung des Flachsbaues in Preußen
ausführliche Erwähnung geschah, ward sie nun auch von einer technischen Autorität in
den Mittheilungen des hannover'schen Gewerbevereins anempfohlen, von wo die
Beschreibung derselben in dieses JournalBd. CXXVIII S. 303. übergegangen ist. Ja es haben sogar Gutsbesitzer, durch die mündlichen
Versicherungen des Hrn. Reuter noch mehr aufgemuntert,
Versuche mit dieser Art zu rösten angestellt. Da es aber der Einführung eines neuen
Industriezweiges von solcher Wichtigkeit wie die Zubereitung der einheimischen
Gespinstpflanzen, nichts schädlicheres und der Sache nachtheiligeres geben kann, als
die Verbreitung falscher Theorien und darauf basirter Verfahrungsweisen, so muß es
Pflicht der Männer vom Fache seyn, das Irrige derselben vollständig und ohne
Rücksicht darzulegen, und vor solchen falschen Wegen eindringlich zu warnen, die nur
Geldversplitterung zur Folge haben, die Lust zu weiteren Errichtungen benehmen, und
die Einführung neuer gemeinnütziger Erfindungen hemmen oder gar unmöglich machen.
Hr. Reuter hält den geschlossenen Raum für das
Wesentliche des neuen Röstverfahrens, um mittelst desselben den Temperatur-
und Witterungs-Wechsel der freien Atmosphäre zu verhindern. Er hält die
indirecte Erwärmung des Röstwassers durch Vermittlung der Luft für vortheilhafter,
als die unmittelbare durch Dampf, und glaubt dadurch Dampfkessel, Dampfleitung, und die
Herstellung der Kufen für Dampfheizung gänzlich ersparen zu können.
Die Hauptfehler dieser vorgeschlagenen Verbesserung sind nun:
1) Die bedeutend größern Kosten der Beheizung. Um die Luft in einem geschlossenen
Raum zu erwärmen, so daß das Wasser eines in demselben befindlichen Gefäßes um mehr
oder weniger Grade über den außerhalb desselben bestehenden Temperaturgrad erhöht
wird, ist eine größere Wärmemenge erforderlich, als durch directe Berührung des zu
erwärmenden Wassers mit der Wärmequelle. Will die Köchin Suppe in einem Topf
erwärmen, so stellt sie den Topf nicht auf den Tisch oder Fußboden der Küche (den
geschlossenen Raum) bis die Suppe warm ist, sondern sie stellt ihn auf das Feuer
oder auf den Ofen, weil sie dadurch viel schneller, und mit weit weniger
Brennmaterial zum Ziele kommt.
Die erwärmte Luft nimmt stets den höchsten Platz im geschlossenen Raum ein, und nur
die untere kältere Luftschichte kommt mit der Oberfläche der Flüssigkeit in
Berührung, um einen Theil ihrer Wärme an dieselbe abzugeben – einen Theil,
weil die Luft ein schlechter Wärmeleiter ist. Ferner entweicht ein Theil der Wärme
durch Thüren und Fenster, während ein anderer von den Wänden absorbirt wird.
2) Da die erwärmte Luft nur die Oberfläche des Wassers berührt, so erwärmt sie auch
nur diese, und die untern Schichten der Flüssigkeit bleiben mehr oder weniger kalt.
Die warme Schichte schwimmt immer oben auf den kälteren unteren Schichten, und es
kann keine Circulation derselben stattfinden. Es findet also ein ungleiches Rösten
statt.
Daher sind bei der Schenck'schen Röstmethode die
Heizröhren unten am Boden der Kufe angebracht, damit die untere Wasserschichte
zuerst erwärmt wird, aufsteigt, und von der andern oberhalb liegenden kälteren
abgelöset wird, die nach stattgefundener Erwärmung ebenfalls aufsteigt, und damit
durch diesen Kreislauf der erwärmten aufsteigenden und erkalteten herabsinkenden
Schichten eine gleichförmige Temperatur durch die ganze Masse des Wassers
verbreitet, und ein gleichförmiges Rösten ermöglicht wird, was bei der bisherigen
Wasserröste nicht vollkommen erreicht werden konnte.
Und dieß ist der Hauptvorzug der Wasserröste in Bezug auf die Qualität des Products
vor allen früheren Röstmethoden, welchen Hr. Reuter, ganz
übersehen hat.
Das Reuter'sche Verfahren wurde in Pernstein und in
Rossinka bei Brünn in diesem Frühjahre, also bei kühler Witterung zur Ausführung
gebracht. Nachdem der Flachs 16 Tage in der Kufe gelegen hatte, und das geschlossene Zimmer, in
welchem die Kufe stand, mittelst eines Ofens durch diese ganze Zeit ununterbrochen
geheizt worden war, nahm man den Flachs heraus, und fand nach dem Trocknen und
Brechen, daß er noch nicht hinlänglich geröstet war.
In der Kufe waren beiläufig 7 Gebinde oder 2 Ctnr. Flachsstengel, und in dem Ofen
wurden während dieser Zeit etwa 2 Klafter Holz verbrannt! Hieraus ist ersichtlich,
wie viel mehr Brennmaterial und Zeit erfordert wird, wenn die äußere Temperatur
etwas niedriger steht, wie sie es im Frühjahre gewöhnlich ist, als bei wärmerer
Witterung, in welcher der Reuter'sche Versuch, der nur
fünf Tage gebraucht haben soll, stattgefunden haben mag.
Das Reuter'sche Verfahren ist also nicht anwendbar, weil
es zu zeitraubend ist, weil es zu kostspielig ist, und weil es nicht das
gleichförmige Product gibt, welches durch das irische Verfahren erzielt wird.
Kleineren Flachszurichtungsanstalten, oder Röstanstalten, welche das Brechen und
Schwingen sich nicht zur Aufgabe setzen, weiset Hr. Reuter als Local die Viehställe an, ohne zu bedenken, daß der Tag und
Nacht ununterbrochene faulige Gestank bei den Thieren Krankheiten hervorruft. Sollen
aber die Kufen bedeckt und mit einem Schlauch versehen werden, der die schädlichen
Gase ins Freie führt, so kann die Erwärmung durch die Stallluft noch weniger
erfolgen, als sie ohnedieß erfolgt.