Titel: | Ueber die Krankheiten der Culturpflanzen; von Professor Payen. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XV., S. 65 |
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XV.
Ueber die Krankheiten der Culturpflanzen; von
Professor Payen.
Aus den Comptes rendus, April 1853, Nr
16.
Payen, über die Krankheiten der Culturpflanzen.
In einem kürzlich von mir erschienenen Werk über die Krankheiten der Kartoffel, der
Runkelrübe, des Getreides und des Weinstocks, habe ich die zahlreichen Mittheilungen
welche aus allen Theilen Frankreichs seit dem Jahre 1845 bis jetzt den
Centralgesellschaften für Landwirthschaft und Gartenbau in diesem Betreff zukamen,
sowie die Erörterungen, welche sie veranlaßt haben, zusammengestellt.
M. Montagne war so gütig, das ganze WerkchenEs führt den Titel: Des maladies de la pompe de terre,
des betteraves, des blés et des vignes, de 1845 à 1850, avec
l'indication des meilleures moyens employés pour les combattre:
par Mr. Payen. durchzusehen und auch Hr. Vilmorin lieh mir
seinen Beistand, wodurch ich mich versichert halten kann, daß mir hinsichtlich der
Kartoffelkrankheit nichts entging.
Die Kartoffelkrankheit. – Man wird anerkennen, daß
die Untersuchungen über diese, am weitesten verbreitete Krankheit, nicht umsonst
angestellt wurden; die gleich anfangs von der k. Centralgesellschaft gegebenen
Nachschlage trugen ihre Früchte, indem die empfohlenen Verfahrungsweisen für die
Zubereitung der Legkartoffeln, den Frühbau, die Ernte, die Behandlung der Knollen
und Anwendung der Rückstände, sowie die angenommene Wechselcultur bei uns die
Verluste welche in andern Ländern in beklagenswerthem Umfang eintraten, sehr
vermindert haben.
Um gewisse Analogien augenfälliger zu machen, gab ich die Hauptcharaktere mehrerer,
vollkommen bestimmten Schmarotzerpflanzen an, welche die Kartoffel und verschiedene
Culturgewächse befallen, ja selbst einige Nahrungsmittel die bisher von jeder Spur
von Fäulniß oder sonst einer Veränderung frei blieben.
Ich führe die Thatsachen an, auf welche sich die Ansicht gründet, daß diese Krankheit
ihre außerordentliche Entwickelung der feuchten und warmen Witterung verdankt,
welche ausnahmsweise seit dem Jahr 1845 herrschte. Bei aller Hoffnung, daß andere
meteorologische Verhältnisse, strengere Winter und minder feuchte Sommer, dieses
Gewächs wieder auf seinen Normalzustand zurückführen werden, dürfen wir doch kein
Mittel versäumen, den Verlust zu vermindern.
Krankheiten der Runkelrübe. – Von den zwei
Krankheiten welche die Runkelrübe befallen, hat die erste, welche sich im Jahr 1846
einstellte, viel Aehnlichkeit mit der Kartoffelkrankheit; doch richtet sie jedes
Jahr nur unbedeutenden Schaden an. Anders aber verhält es sich mit der zweiten
Krankheit, deren Charaktere ganz entgegengesetzte sind; die von ihr im Jahr 1850 in
Frankreich angerichteten Verheerungen veranlaßten in der
Rübenzucker-Production einen Ausfall, welchen man zu 20,000,000 Kilogr.
veranschlagen kann.
Die Wirkungen dieser Krankheit zeigen sich zunächst am untern Theil der Wurzelfasern,
von wo sich die Erkrankung in den Pfahl der Wurzel und deren Körper fortsetzt,
dessen Entwickelung bald aufhört.
Die braune Färbung, welche ihren Gang bezeichnet, erreicht, die Gefäßbündel
verfolgend, den Stengel und die Blätter; letztere sind mit Gas injicirt und bekommen blaß
marmorirte Flecken. Gleich anfangs vermuthete ich, daß die Hauptursache dieser
krankhaften Erscheinungen der Mangel an Luft ist, welche die Pflanzen in dem Boden,
in geringer Tiefe unter der baubaren Schicht, einathmen können.
Zahlreiche Beobachtungen bestätigen den nachtheiligen Einfluß dieser Ursache, und
positive Thatsachen beweisen den wohlthätigen Einfluß des entgegengesetzten Falles,
nämlich der Einführung atmosphärischer Luft in den trocken gelegten und ihr
zugänglicher gemachten Boden. Ueberdieß zeigt sich das befallene Erdreich sehr arm
an kohlensaurem Kalk. Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, daß tiefes Umarbeiten, das
Trockenlegen durch Thonröhren, die Anwendung kalkhaltiger Dünger zur Verbesserung
des Bodens, die Wahl der besten Zuckervarietäten, eine Bewirthschaftung welche die
Düngung von der Aussaat der Runkelrübe entfernt, in ihrer Vereinigung die besten
Mittel zur Bekämpfung der Krankheit sind.
Doch muß ich bemerken, daß interessante Beobachtungen, ohne gerade obigen Sätzen zu
widersprechen, auf die Vermuthung führten, daß der Verringerung der Alkalisalze im
Erdreiche, welche demselben bei jeder Ernte entzogen werden, das Uebel zuzuschreiben
sey. Eine aufmerksame Untersuchung der Runkelrübe und der verschiedenen Bodenarten,
in welchen sie sich entwickelt, an den von der Krankheit heimgesuchten und den von
ihr freigebliebenen Orten vergleichend angestellt, hat jedoch einen ungünstigen
Einfluß des Mangels an Alkalien nicht herausgestellt; denn die besten Rüben zeigten
den geringsten Gehalt an Alkalisalzen und lieferten stets die größte Ausbeute an
Zucker.
Was die Ursache der Ansteckung des von der Krankheit befallenen Bodens anbelangt, so
kann solche der desoxydirenden Wirkung gährender organischen Substanzen auf die
schwefelsauren Salze zugeschrieben werden; dieselbe veranlaßt wenigstens nach Chevreul (polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 377) die Inficirung des Bodens
großer Städte, wogegen jener Chemiker empfahl, entweder die Infiltration der
organischen Materien zu verhindern, oder Ablaufgruben zu senken und Bäume zu
pflanzen, um stets sich erneuerndes lufthaltiges Wasser herbeizuschaffen, welches
diese organischen Substanzen durch seinen freien Sauerstoff zu zerstören vermag.
Die Analyse des Unterbodens der Felder, auf welchen die Runkelrübe sich nicht mehr
entwickelt, ergibt aber eine außerordentliche Armuth desselben an organischen
Substanzen. Die Ansteckung des Bodens scheint in den meisten Fällen durch die seit
7–8 Jahren herrschende Feuchtigkeit veranlaßt worden zu seyn; die Zusammenballung des
Erdreichs und das zwischengelagerte Wasser scheinen hauptsächlich die zur
Entwickelung der Wurzelfäserchen unerläßliche Luft vom Boden ausgeschlossen zu
haben.
Krankheit des Getreides. – Die Charaktere dieser
Krankheit habe ich hauptsächlich nach M. Montagne's
Beobachtungen angegeben.
Hiernach ist Ursache ein Schmarotzergewächs, dessen Entwickelung durch
außergewöhnliche Wärme- und Feuchtigkeitszustände hervorgerufen wird. Die
Landwirthe waren anfangs wegen dieser Krankheit besorgt, das Verschwinden des Uebels
sammt den Ursachen, welche es herbeigeführt hatten, sowie der geringe Einfluß
desselben auf den Ertrag der Ernte, zerstreuten jedoch bald alle Besorgnisse.
Ich lenke bei dieser Gelegenheit in meinem Buche die Aufmerksamkeit der Landwirthe
auch auf andere Krankheiten der Cerealien, deren Charaktere ich beschrieb, und
wogegen ich die Mittel nach der Special-Instruction angab, welche aus den
Berathungen des kaiserl. Centralvereins für Landwirthschaft hervorging.
Krankheit des Weinstocks. – Diese Krankheit zeigte
sich zuerst bei Weinstöcken in Treibhäusern, wo eine gezwungene Cultur die
Feuchtigkeit und Wärme der Luft über den gewöhnlichen Gränzen unterhält. Ihre
schnelle Fortpflanzung in unsern Weinbergen hat an manchen Orten großen Schaden
angerichtet. In den bisher verschont gebliebenen oder nur schwach befallenen
Gegenden traten ihre Verheerungen überall mit der außerordentlichen Entwickelung der
Oïdium Tuckeri benannten Pflanze zusammen,
und wo es gelang dieses Schmarotzergewächs bei Zeiten zum Verschwinden zu bringen,
hörten auch die Verheerungen auf.
Die hohe Wichtigkeit dieser neuen oder doch außergewöhnlich stark entwickelten
Krankheit bestimmte mich, ihre Geschichte, Charaktere und Wirkungen genau zu
beschreiben.
Ich empfehle, das Uebel sogleich bei seinem Auftreten zu bekämpfen, wozu der Schwefel und die Schwefelverbindungen die besten Mittel
sind. Die Anwendung derselben, welche in Treibhäusern und an Geländern leicht ist
und den besten Erfolg hat, bot in Weingärten größere Schwierigkeiten dar. Doch wurde
sie auch bei solchen schon öfter mit gutem Erfolg vorgenommen, was zur Fortsetzung
der Versuche, das Verfahren für die Anwendung im Großen zu vervollkommnen und zu
vereinfachen, aufmuntern dürfte.