Titel: | Anwendung der Runkelrüben zur Weingeistfabrication, von Champonnois und Bavelier. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XXXIV., S. 147 |
Download: | XML |
XXXIV.
Anwendung der Runkelrüben zur
Weingeistfabrication, von Champonnois und Bavelier.
Aus Armengaud's Génie industriel, Mai 1853, S.
270.
Ueber Anwendung der Runkelrüben zur
Weingeistfabrication.
Bei den letzten Krisen der Rübenzucker-Industrie versuchten die Fabrikanten
(im nördlichen Frankreich) eine andere Verwendung der Runkelrüben und verfielen
natürlich auf die Weingeistbereitung, worin sie aber die Concurrenz mit den
Brennereien auf die Länge nicht bestehen konnten. Man wird sich über diese
erfolglosen Versuche nicht wundern; zwar kannte man alle Bedingungen welche erfüllt
werden müssen, damit die Gährung den gehörigen Verlauf hat und aller in den Rüben
enthaltene Zucker in Alkohol verwandelt wird, aber man beschäftigte sich nicht genug
mit dem ökonomischen Theil der Aufgabe und die Fabrikanten producirten daher nur mit Vortheil, wenn der
Alkohol in sehr hohem Preise stand.
So waren die Zuckerfabrikanten, welche ihr gewöhnliches Verfahren mittelst Zerreibens
und Auspressend der Rüben benutzten, wobei höchstens vier Fünftel des Safts gewonnen
werden, genöthigt allen Saft zum Einleiten der Gährung zu erwärmen, ungeachtet der
Anwendung von Schwefelsäure.
Andere befolgten das Macerationsverfahren; aber auch dabei mußte Brennmaterial
aufgewendet werden, um das Wasser für diese Operation zu erwärmen, und es gingen die
Rückstände (als Viehfutter) verloren; bei diesem wie bei dem vorhergehenden
Verfahren ließ sich überdieß die Schlempe nicht als Futter benutzen.
Andere Fabrikanten, welche sich dem richtigen Verfahren näherten, behandelten die
Runkelrüben ähnlich wie die Kartoffeln; sie kochten die Rüben mit Dampf,
verwandelten sie in Brei und ließen sie gähren, wobei sie nicht nur die ganze Masse
abkühlen oder mit kaltem Wasser verdünnen mußten, um dieselbe auf den für die
Gährung geeigneten Temperaturgrad zurückzubringen, sondern auch genöthigt waren eine
teigige Masse zu destilliren, und überdieß zu flüssige Rückstände erhielten, welche
nur an Ort und Stelle verbraucht werden konnten und sich nicht aufbewahren
ließen.
Die zu lösende Aufgabe war also vollständige Gewinnung des Safts, regelmäßiger
Verlauf der Gährung, Verwendbarkeit der Rübenrückstände als Viehfutter, Destillation
des reinen Safts, Alles mit den einfachsten Apparaten und geringsten Kosten.
Wir werden nun sehen, wie es den HHrn. Champonnois und Bavelier gelang, alle diese Bedingungen zu erfüllen.
Zum Ausziehen des Safts benutzen sie die Maceration mittelst eines nicht
kostspieligen und leicht zu dirigirenden Apparats; derselbe functionirt durch
abwechselndes Wenden der Rüben und ununterbrochene Filtration. Dadurch erzielt man
eine gänzliche Erschöpfung der Rübenschnitte, weil etwa eingetretene unregelmäßige
Anhäufungen derselben nicht verbleiben können, sondern die regelmäßige Durchdringung
und Filtration immer wieder hergestellt wird. Die Anordnung dieses Apparats
gestattet auch die Wärme des Safts bei seinem Austritt zu reguliren, so daß er die
für die Gährung geeignete Temperatur hat.
Damit die Gährung ganz regelmäßig verlaufen und aller Zucker in Alkohol verwandelt
werden muß, wurde diese Operation zu einer continuirlichen gemacht, so daß der aus
dem Macerationsapparat tretende Saft sich innig mit demjenigen vermischt welcher in voller
Gährung ist. Dadurch erspart man die Ueberwachung und Handarbeit welche bei dem
gewöhnlichen abwechselnden Beschicken der Gährkufen erforderlich sind, und es werden
auch die Unregelmäßigkeiten vermieden, welche durch eine Veränderung des vorräthigen
Safts veranlaßt werden könnten.
Wie wir oben gesehen haben, genügte es nicht, die Arbeit leicht, genau und ökonomisch
zu machen, sondern die Hauptaufgabe war, den Rückständen ihren größten Werth zu
erhalten, in einer Form wo sie sich verführen und leicht aufbewahren lassen.
So erhielt man bisher sowohl beim Zerreiben und Pressen der Rüben, als auch bei der
Maceration derselben, einerseits eine Quantität Rückstände, welche fast ebenso viel
wogen wie die angewandten Rüben, aber mit Wasser getränkt waren und nur einen Theil
der (als Viehfutter) nützlichen Substanzen enthielten; und andererseits aus der
Blase eine fast gleiche Quantität Schlempe, welche an Alkohol erschöpft war, aber
den andern Theil der nützlichen Bestandtheile an Salzen und stickstoffhaltigen
Substanzen enthielt. Diese zwei Producte wurden wegen ihres geringen relativen
Werths nicht angewandt und lohnten als Dünger kaum die Transportkosten um sie auf
dem Feld zu verbreiten. Man dachte wohl daran, die einen zu pressen und die andern
abzudampfen, um ihr Gewicht zu vermindern und ihren relativen Werth zu erhöhen, aber
die Kosten für diese Operationen überschritten den Werth der Producte.
Champonnois und Bavelier haben
diese Schwierigkeit besiegt, nicht nur ohne Kosten, sondern überdieß mit bedeutender
Ersparniß an Brennmaterial, indem sie die aus der Blase abgezogene kochende Schlempe
zur Maceration anwenden. Dabei verdrängt die Schlempe den Saft, indem sie dessen
Stelle in den Rübenschnitten einnimmt, welche ganz und mit allen nützlichen
(salzigen und stickstoffhaltigen) Substanzen imprägnirt zurückbleiben. Da bei der
Gährung und Destillation nur der Zuckerstoff verloren geht, welcher nicht als
Nahrungsstoff für das Vieh betrachtet werden kann, so kann man, um den Werth der
Rückstände als Viehfutter zu erhöhen, bei der Gährung noch mehlige Stoffe zusetzen
und die Rübenschnitte vor dem Verfüttern auch noch salzen.
Die Vortheile welche diese neue industrielle Anwendung der Runkelrüben der
Landwirthschaft gewährt, sind einleuchtend; man kann mittelst einfacher Apparate
nach einem sicheren Verfahren den Runkelrüben allen Zuckerstoff entziehen und
denselben in Form von Weingeist verkaufen, während man auf dem Gute behufs der
Viehmastung alle dazu nutzbaren Bestandtheile der Rüben zurückbehält. Dieses
Verfahren, welches auf den großen Gütern bald Eingang finden wird, entspricht auch
dem Gesetz der landwirtschaftlichen Oekonomie: „man verkaufe nur die Producte deren
Elemente von der Atmosphäre kommen, und erstatte dem Boden alle diejenigen
zurück welche er hergegeben hat.“