Titel: | Bericht einer von dem kais. franz. Generaldirector des Forst- und Jagdwesens ernannten Commission über Hrn. Millet's Verfahren zur Wiederbesetzung der schiff- und flößbaren Flüsse mit Fischen. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XXXVI., S. 150 |
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XXXVI.
Bericht einer von dem kais. franz.
Generaldirector des Forst- und Jagdwesens ernannten Commission über Hrn.
Millet's Verfahren zur
Wiederbesetzung der schiff- und flößbaren Flüsse mit Fischen.
Aus dem Cosmos, revue encyclopédique, 1853, 29ste
Liefer.
Ueber Millet's Verfahren zur Wiederbesetzung der schiff- und
flößbaren Flüsse mit Fischen.
Die zuerst im vorigen Jahrhundert und dann in diesen letzten Jahren angewendeten und
beschriebenen Mittel zur künstlichen Befruchtung sind absolut die nämlichen; sie
bestehen dann: 1) die Eier und die Milch der Fische zur Laichzeit mittelst eines auf
den Bauch ausgeübten Drucks durch den After auszutreiben und sie dabei auf einmal und in einigen Minuten aufzusammeln; 2) die
befruchteten Eier in Kisten oder Kästen zu legen, deren Boden mit Kieselsteinen oder
Kies belegt ist; 3) diese Vorrichtungen in den Strom einer Quelle oder eines Baches
mit klarem frischem Wasser zu setzen; 4) die Eier von Zeit zu Zeit mit dem Bart
einer Feder umzurühren oder zu reinigen.
Dieses Verfahren zur Befruchtung und Bebrütung wird in vielen Fällen erfolglos
seyn.
Das Studium der damit verbundenen Uebelstände führte den Forstinspector Millet auf eine gänzliche Abänderung des Verfahrens zur
künstlichen
Befruchtung, welches überdieß in seiner bisherigen Weise zur Bebrütung der Eier
jener Fischarten, die an der Oberfläche- des Wassers laichen, sich nicht
eignete.
Die künstliche Befruchtung läßt sich nur mit Eiern und Milch bewerkstelligen, welche
die vollkommene Reife erlangt haben. Bekanntlich legt aber der Vogel nicht in einer
einzigen Stunde, nicht einmal in einem Tag alle seine Eier, und so ist es auch beim
Fisch, welcher seinen Instincten überlassen, mehrere Male und nach verschiedenen
Zwischenzeiten auf den Platz zurückkehrt, wo er seine ersten Eier hingelegt hat.
Dieß ist eine sehr wichtige Beobachtung, denn wenn man die Eier durch eine einzige,
einige Minuten dauernde Operation sammelt, wie es alle Fischzüchter thun und
vorschreiben, selbst diejenigen welche der Anstalt zu Hüningen vorstehen, so erhält
man nur den kleinsten Theil der Eier als befruchtungsfähige; ebenso ist es mit der
Milch.
Das von Hrn. Millet befolgte
Verfahren ist ein wirklicher Fortschritt, denn nach dieser Methode, welche seit zwei
Jahren angewandt wird, sammelt man die Eier und die Milch in mehreren Tagen und
portionenweise, nach Maaßgabe ihrer Reise.
Dieß ist ein höchst wichtiger Punkt, die Grundlage aller Befruchtung.
Um gar nichts von den Eiern zu verlieren, welche die Weibchen bei voller Reife von
sich geben, kann man einen künstlichen Laicheplatz anwenden, der nur aus einem
Fischkasten oder einem Kasten mit doppeltem Boden besteht; der erste Boden ist ein
Gatter aus Stangen mit Zwischenräumen, der zweite ein bewegliches Haar- oder
Drahtsieb. Die Weibchen geben ihre Eier entweder durch organische Contraction oder
durch ihr Reiben an den Stangen von sich; diese Eier fallen auf das Sieb.
Beim Einbringen von Männchen in den Kasten werden die Eier oft natürlich befruchtet,
indem, wie Hr. Millet
bemerkte, die Gegenwart der Weibchen und der Geruch der Eier, das Männchen zum
Auslassen seiner Milch reizt.
Einen für die Praxis nicht minder wichtigen Fortschritt erreichte Hr. Millet durch Vereinfachung der
Bebrütungs-Vorrichtungen, wodurch man die Eier zum vollkommenen Auskriechen
bringt.
Auf den Boden eines Gefäßes von 30–35 Liter Inhalt schichtet man Lagen von
Kies, Sand und Kohle übereinander, so daß ein Kohlenfilter gebildet wird; man füllt
nun mit Wasser auf, welches, nachdem es durch das Filter gelaufen ist, durch einen
Hahn in eine tiefe Rinne abfließt, die es ihrer ganzen Länge nach durchläuft; an
deren Ende findet es einen Ausgang, durch den es in einen Recipienten gelangt oder nach außen
ablauft.
Die befruchteten Eier werden, je nach ihrer Art, einen oder mehrere Centimeter (einen
halben oder anderthalb Zoll) tief in das Wasser der Rinne eingesetzt und in der
Flüssigkeit auf Rahmen oder Sieben von Pferdehaar, Seide, Metallgeweben, Canevaß
etc. erhalten. Diese Vorrichtungen werden mittelst kleiner Stäbe gehalten, welche
auf dem Rand der Rinne gleiten, so daß die Eier immer leicht bewegt und die Siebe
herausgenommen werden können, um sie zu reinigen oder um die jungen Fische
fortzutragen.
Der Hahn wird in der Weise geöffnet, daß das tropfenweise herabfallende Wasser in der
Stunde 2 bis 3 Liter liefert; das Reservoir oder das Filter braucht daher nur jeden
Abend und jeden Morgen aufgefüllt zu werden. Die Rinne ist gewöhnlich 1 Meter lang,
1 bis 2 Decimeter breit und 5 bis 6 Decimeter tief; am Ende der Rinne bringt man
unten eine kleine Oeffnung an, um eine Röhre behufs der Reinigung anstecken zu
können.
Man kann dieser Vorrichtung eine bedeutende Ausdehnung geben, indem man mehrere
Rinnen aneinander stößt, oder eine unter der andern anbringt.
Auch kann der Apparat überall angebracht werden, unter einem Schoppen oder im Innern
eines Hauses; und man kann sich während der ganzen Bebrütungszeit immer desselben
Wassers bedienen, indem man den Recipienten ausleert und seinen Inhalt in das
Reservoir zurückgießt.
Ein solcher Apparat ist seit dem letzten Monat October auf dem Marmorgesims des
Kamins in einem Zimmer in Hrn. Millet's Wohnung (rue de Castiglione zu
Paris) in Thätigkeit; seine Herstellung kostete im Ganzen nur sechs Franken.
Mit diesen höchst geringen Kosten und einem Wasservorrath von 35 Liter für sechs
Wochen, brachte Millet in einigen Wochen eine bedeutende
Anzahl von Lachsen und Forellen (wenigstens 25,000 Stück) zum Auskriechen. Die
Commission konnte sich von der Einfachheit dieser Vorrichtung selbst überzeugen und
die Bebrütung und das Auskriechen in allen Stadien verfolgen.
Dieselbe Vorrichtung, welche bereits zwei Jahre in Gebrauch ist, wird auch dieses
Jahr ausreichen, um, nach Maaßgabe des Laichs der verschiedenen Fische, mindestens
100,000 Quappen, Hechte, Elsen, Barsche, Karpfen, Schleißen, Barben etc. zum
Auskriechen zu bringen.
Die Arbeit beschränkt sich die ganze Bebrütungszeit hindurch darauf, das Wasser im
Recipienten Abends und Morgens wieder in das Filter zurückzugießen, den Rahmen
täglich einmal zu schütteln und die wenigen Eier, welche weiß oder undurchsichtig
geworden sind, mittelst eines Zängchens zu entfernen; diese verschiedenen
Verrichtungen erfordern täglich kaum eine halbe Stunde Zeit.
Wenn man klares Wasser anwenden kann, so bedient man sich, namentlich für
Teichfische, eines bloßen Haar- oder Drahtsiebes mit beweglichem Deckel, man
legt die Eier auf den Boden selbst, ohne irgend eine Schicht von Kieselsteinen, Kies
oder Sand; mittelst einiger Steine erhält man die Siebe entweder zwischen zwei
Wässern oder auf der Oberfläche des Wassers; durch eine angebundene Schnur kann man
sie behufs der Besichtigung leicht an das Ufer ziehen.
Man kann sogar, namentlich bei Eiern von Fischarten welche in stehendem Wasser
laichen, die Bebrütung in Trögen vornehmen worin Wasserpflanzen wachsen; diese
Pflanzen verhindern, daß das Wasser, welches man nicht erneuert, verderbe, und sind
eine unerschöpfliche Sauerstoffquelle für die Entwickelung des Embryo.
Nach dem Auskriechen behält der junge Fisch ein Täschchen oder Bläschen unter dem
Bauch, welches ihn ziemlich lange Zeit ernährt; sobald dieses Täschchen
verschwindet, bedarf der Fisch anderer Nahrungsmittel. Die Fischzüchter Pflegen ihn
gewöhnlich in besondere Bassins zu bringen und ihn mehrere Monate zu füttern. Hr.
Millet sah aber sehr wohl
ein, daß die Erhaltung der Fischchen unter diesen Umständen sehr kostspielig wäre
und daß man am besten thue, sie sogleich nach dem Verschwinden des Säckchens in die
Teiche zu bringen; der junge Fisch, welcher sehr lebhaft und beweglich ist, weiß
allen Gefahren zu entschlüpfen, besser noch als wenn er schon größer wäre; er
gewöhnt sich überdieß in dem Wasser zu leben, worin er heranwachsen soll, und hat
also durch keine Veränderung des Wassers und der Nahrung, und durch keinen Transport
mehr zu leiden.
Das Millet'sche Verfahren läßt sich in den schiffbaren und
flößbaren Wässern anwenden, ohne den Schiffsdienst zu behindern; es ist schon seit
zwei Jahren in den Departements Aisne und Eure eingeführt und zwar amtlichen
Protokollen zufolge mit dem besten Erfolge.
Hiernach beantragt die Kommission: 1) unverzüglich Vorkehrungen zu treffen, um nach
dem Verfahren des Inspectors Millet die Hauptgewässer
wieder mit Fischen besetzen zu lassen; 2) Hrn Millet zu beauftragen, diesen Dienst zu
organisiren.