Titel: | Vortheilhafte Verwendung der russischen Krappwurzel aus Derbent in der Türkischrothfärberei; von Dr. W. H. v. Kurrer. |
Autor: | Dr. Wilhelm Heinrich Kurrer [GND] |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXV., S. 292 |
Download: | XML |
LXV.
Vortheilhafte Verwendung der russischen
Krappwurzel aus Derbent in der Türkischrothfärberei; von Dr. W. H. v. Kurrer.
v. Kurrer, über vortheilhafte Verwendung der russischen Krappwurzel
in der Türkischrothfärberei.
In den russischen Türkischrothgarn- und Stückfärbereien wird seit einigen
Jahren die Krappwurzel (Alizari) aus Derbent, welche unter dem Namen Marenas bekannt ist, statt des Avignoner Krapps
verwendet, und das Pud (35 Pfund preußisches Gewicht) in Moskau und Umgebung
ungemahlen mit 5 bis 6 Thalern (preußisch) bezahlt.
Ueber diesen farbstoffreichen Krapp schreibt mir mein Neffe Gustav von Olnhausen, welcher einer großen
Türkischrothfärberei und damit verbundenen Zeugdruckerei zu Sobolewa, Gouvernement
Moskau, in Rußland vorsteht, Folgendes: Einen großen Vortheil haben die russischen
Fabriken in der Anwendung des hiesigen Marenas statt französischen Krappes. Von den
Vortheilen desselben habe ich vergangenen Sommer mich immer mehr zu überzeugen
Gelegenheit gehabt. Die Reichhaltigkeit der Derbentkrappwurzel an rothfärbendem
Pigment (Alizarin) läßt sich leicht ermessen, da ich auf 10 Stücke 4/4 breite Waare
von durchschnittlich 45 Arschinen und 5 1/2 Pfund Gewicht per Stück, also für 55 Pfund Baumwollgewebe nicht mehr als 45 Pfund
Marenas zu einer vollständigen kräftigen Farbe nöthig habe, während für eine gleiche
Menge Waare, um eine eben so schöne und volle Farbe zu erhalten, 74 bis 75 Pfund
Avignoner Krapp der besten Qualität erforderlich sind, mithin über ein Dritttheil
mehr als von Marenas.
Aus dem Farbkessel kommt die Farbe mit Marenas viel heller und röther als die durch
Avignonkrapp dargestellte; sie widersteht aber dem Aviviren und Rosiren viel besser
als die mit französischer oder jeder andern Krappsorte dargestellten.
Im Handel kommen übrigens verschiedene Sorten Marenas vor, man muß daher beim
Einkaufe sehr vorsichtig seyn, da hauptsächlich nur die von Derbent von vorzüglicher
Güte ist, die schlechteren aus andern Orten aber nur wenig Farbstoff enthalten, und
deßhalb werthlos sind.
Die Derbentischen Krappwurzeln, welche ihrem Aussehen nach älter und dicker als
letztere sind, erhalten eine Art Vorbereitung, indem sie vor dem Verpacken einer Art
Gährung in Gruben ausgesetzt werden, wodurch sie wahrscheinlich mehr die Eigenschaft
des in Fässern gegohrenen Krapps annehmen, während die schlechteren Sorten aus jungen farbstoffarmen Wurzeln
bestehen dürften, welche überdieß keine Gährung bestanden haben.
Die russischen Marenas werden wohl auch bald ins Ausland verkauft werden, denn
bereits hat sich im Gouvernement Moskau eine Marenaskrappfabrik etablirt, an deren
Spitze ein bedeutendes Avignoner Haus steht; freilich würde eine solche Fabrik an
Ort und Stelle, wo die Nähe des schwarzen Meeres ein so leichtes
Communicationsmittel darbietet, vortheilhafter gelegen seyn. Wie weit es Rußland in
der Cultur und Zubereitung des Krapps gebracht hat, davon haben wir also einen
schlagenden Beweis.
Mit großem Vortheil wird in den russischen Türkischrothfärbereien, namentlich auch in
Sobolewa, nachdem man durch mein Werk, „Die
Druck- und Färbekunst in ihrem ganzen Umfange,“
Drei Bände, Wien 1850, Verlag von Carl Gerold. darauf aufmerksam gemacht worden ist, statt der theuren Galläpfel jetzt
durchgängig Fichtenrinden-Extract verwendet,
welches in der Rothfärberei zu Sobolewa selbst bereitet wird. Das Pud davon kommt
ungefähr auf 14 Rubel Banco zu stehen, während die Galläpfel über 40 Rubel Banco
kosten – ein Pfund Fichtenrinden-Extract in fester Form leistet
überdieß dasselbe, was zwei Pfund Galläpfel. Daß es jedoch für eigenen Gebrauch
nicht völlig zur Trockne gebracht wird, versteht sich von selbst. Uebrigens wurde
die Beobachtung gemacht, daß die mit Fichtenrinden-Extract statt mit
Galläpfeln behandelte Waare nach dem Aviviren und Rosiren in der Farbe immer etwas
trüber aussieht, und erst beim Auslegen auf die Wiese ihren vollkommenen Glanz
erhält.
In einigen russischen Garn- und Stückfärbereien werden auch statt der theuren
Galläpfel Granatäpfelschalen verwendet.
Auch nach dem neuen Verfahren zum Oelen der Waare nach Mercer und Greenwood,Polytechn. Journal Bd. CXXVI S.
371. sind in einigen Türkischrothfärbereien, namentlich zu Iwanowa, gute Erfolge
hervorgegangen, wodurch der bisherige complicirte Proceß um vieles vereinfacht,
billiger und schneller durchgeführt wird.
Wie sehr man in Rußland alles Neue mit Schnelligkeit ergreift, beweist unter anderm
auch das durch den Färber Nachtigall in Halle zuerst
bekannt gemachte Buchweizenstroh als Ersatzmittel für Quercitronrinde. Seit dem Jahr
1852 wird es zum Unifärben baumwollener Garne und Gewebe in vielen russischen Färbereien statt der
Quercitronrinde mit großem Vortheil verwendet. Da der Buchweizen durch ganz Rußland
des gemeinen Mannes tägliche Speise ist, so ist man um dieses schätzbare
Farbmaterial nie verlegen. Es wird bereits auch schon Potasche daraus fabricirt,
deren Güte der besten Kasan'schen Holzpotasche gleichkommt.
Wer die russische Industrie in allen ihren Zweigen seit einem Jahrzehent nicht wieder
gesehen hat, würde durch ihren seitherigen Aufschwung in Erstaunen gesetzt
werden.