Titel: | Ueber Mergelstreu; von Ch. Brame. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXX., S. 309 |
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LXX.
Ueber Mergelstreu; von Ch. Brame.
Aus den Comptes rendus, Juli 1853, Nr.
1.
Brame, über Mergelstreu.
Von dem Präfecten des Indre-Loire-Departements mit Untersuchungen
bezüglich der Gesundheitsverhältnisse auf dem Lande betraut, beschäftigte ich mich
während mehrerer Jahre mit dem Studium des Düngers und der Streu bei den
Landwirthen. Die hier mitzutheilenden Beobachtungen betreffen den praktischen Nutzen
der Anwendung von Mergel, Tuff- und Kalkstein als Streu in den
Viehställen.
Um die Menge des sich in die Luft entwickelnden kohlensauren Ammoniaks unmittelbar
und mit hinlänglicher Genauigkeit zu bestimmen, bediene ich mich einer Flasche,
welche Amianth enthält, der mit sehr schwach und nur in feuchter Luft rauchender
Salzsäure getränkt ist. Diese Flasche hat höchstens 80 bis 90 Kubikcentimeter
Inhalt, ist mit eingeschliffenem Stöpsel versehen und mit Kautschuk überbunden;
außerdem ist der Stöpsel noch mit einer dünnen Wachs- oder Talgschicht
überzogen. Diese kleine Vorrichtung ist leicht zu transportiren und unter allen
Umständen gut zu handhaben, wenn die Gegenwart von Ammoniak oder eines bei
gewöhnlicher Temperatur flüchtigen Ammoniaksalzes (des kohlensauren,
schwefelwasserstoffsauren etc.) ermittelt werden soll.
Folgende Resultate lieferten mir mehrere hundert Beobachtungen über die Streu und den
Dünger:
1) Die Streu von Mergel, so wie von zerstoßenem Tuff oder porösem Kalkstein, verliert
beständig eine beträchtliche Menge von Ammoniak, so daß in Ställen, wo man einen
dieser Körper ausschließlich anwendet, die Salzsäure des Amianths selbst mehrere
Meter über dem Boden reichlich weiße Dämpfe erzeugt. Wird diese hinreichend
imprägnirte Streu auf die Höfe gebracht, so verliert sie daselbst den größten Theil
des in ihren Poren erzeugten Ammoniaks, vorzüglich in den oberen Schichten, welcher
Verlust durch den Transport noch vermehrt wird. Nachdem ich mich hievon auf den
Feldern zu wiederholten Malen überzeugt hatte, stellte ich einen Versuch an, welcher
darüber keinen Zweifel übrig lassen kann; ich ließ nämlich aus den Ställen der
landwirthschaftlichen Schule zu Charmoise mit Harn getränkten Mergel nach Tours
versenden, wo derselbe bei seiner Ankunft nur mehr Spuren von Ammoniak enthielt,
während er im Stalle solches reichlich entwickelte.
2) Während der Anfertigung des gewöhnlichen Düngers entweicht eine beträchtliche
Menge Ammoniak. Der im Indre-Loire-Departement bereitete Dünger
verliert, wenn er auf dem abhängigen Erdreich der vielen, auf dem Hügelland
errichteten Pachthöfe ausgebreitet wird, den größten Theil seiner Jauche (des
flüssigen Düngers); man sucht diesem Uebelstande dadurch zu begegnen, daß man ihn
mit Mergel oder Tuff umgibt und damit zudeckt; wie nach vorstehenden Beobachtungen
vorauszusehen war, entwickelt sich aber das Ammoniak beständig aus ihm. Einige
Landwirthe wenden Ackererde an, um die Jauche zurückzuhalten.; allein dieses
Verfahren, welches an und für sich gut wäre, weil diese Erde ein kieselerdehaltiger
Thon ist, kann nur ausnahmsweise in solchen Gegenden den angewandt werden, wo, wie
im Indre-Loire-Departement, der Boim Allgemeinen kieselerdehaltiger
Thon ist und nothwendig Mergel benutzt werden muß, um ihn hinreichend locker zu
machen.
In den Schäfereien wo die Stallfütterung eingeführt ist, läßt man manchmal die Streu
fünf bis sechs Monate und darüber sich anhäufen. In diesem Fall entwickelt sich in
der Luft der Schafställe beständig und reichlich Ammoniak, selbst wenn man
Strohstreu anwendet, und die Thiere werden in Folge dieses Umstandes von mehreren
Krankheiten befallen.
Ich habe gefunden, daß das beste Mittel um dem Ammoniak-Verlust beim
gewöhnlichen Stalldünger vorzubeugen, dieses ist, ihn mit einer wenige Zoll hohen
Schicht frischen Strohs zu bedecken; auf diese Weise läßt
sich die Ammoniak-Entwickelung ganz unterdrücken. Indem man unaufhörlich auf
den Mist das Stroh auflegt, welches erst anfängt sich zu zersetzen, kann man noch
den größten Theil des Ammoniaks zurückhalten. Dieses Verfahren, welches ich vielen
Landwirthen anempfohlen habe, gelang, indem man es mit Hülfe der erwähnten Flasche
mit gesäuertem Amianth controlirte. Auch bei der Streu gelingt dieses Verfahren
gerade so wie beim Miste. Das (neue) Stroh wirkt hauptsächlich als poröser Körper,
durch Adhäsion, und indem es der Luft den Zutritt erschwert.
Das Strampeln der Thiere mit den Füßen ist, weil der Mist dadurch festgetreten wird,
von bester Wirkung. Auf dem Pachthof zu Gally, bei Versailles, beobachtete ich in
den Ständen (boxes) nur eine sehr schwache oder fast
unmerkliche Ammoniak-Entwickelung.
Zwischengelagertes Wasser oder Harn sind nicht wirksam: der sehr nasse Dünger in der
Gegend von Lille verliert, wie ich mich vor einigen Jahren zu überzeugen Gelegenheit
hatte, bedeutend Ammoniak.
3) Wenn man den Mergel als Streu anwenden zu müssen glaubt, gewisser Bodenarten
wegen, welchen solche Düngung zusagt, oder um die Transportkosten zu ersparen, so
ist folgendes Verfahren zu empfehlen: man läßt Schichten von Mergel und von
gewöhnlicher Streu abwechseln, wodurch die Ammoniak-Entwickelung, wenn nicht
ganz unterdrückt, doch sehr vermindert wird.
4) Ich habe gefunden, daß der Mergel nicht nur das in seinen Poren bereits
verdichtete kohlensaure Ammoniak verliert, sondern daß er überdieß die Eigenschaft
hat, die Zersetzung des Harns, und die Verwandlung des Harnstoffs in kohlensaures
Ammoniak sehr zu beschleunigen; der Harn, welcher von Mergel aufgesogen ist, geht
daher sehr schnell in Gährung über, was den Ammoniak-Verlust bedeutend
steigert. Ueberdieß wird das sich bildende salpetersaure Ammoniak durch den
kohlensauren Kalk zersetzt etc.
5) Was ich vom Mergel sagte, gilt auch für den Tuff und Kalkstein.
Man sieht also, daß man den Mergel nur ausnahmsweise als
Streu anwenden darf. Allerdings scheint es durch Erfahrung erwiesen, daß gewisse
Bodenarten sich vortheilhaft mit Mergel düngen lassen, welcher mit den mehr oder
weniger zersetzten Bestandtheilen des Harns getränkt ist, ungeachtet des dabei
stattfindenden Ammoniak-Verlustes. Ich habe, wie auch Hr. Moll, Gelegenheit gehabt solche
Thatsachen zu constatiren; mit solchem Mergel verhalt es sich dann wie mit dem stark
gefaulten Mist, welcher unter gewissen Umständen so nützlich ist. Im Allgemeinen
aber ist die Anwendung des Mergels, sowohl in ökonomischer Hinsicht, als bezüglich
der Gesundheit des Viehs, zu beschränken, und in den meisten Fällen wende man
denselben nur mit abwechselnden, mehr oder minder dicken Schichten von
Getreidestroh, Stechginsterstengeln und andern Pflanzenüberresten an. – Die
Anwendung von Thon (anstatt Mergel) ist ohne Zweifel sehr gut, läßt sich aber nicht
benutzen, wenn der Dünger für einen Boden bestimmt ist, worin der Thon schon
vorherrscht und welcher daher eher gelockert werden muß.