Titel: | Ueber den Unterschied zwischen den englischen und österreichischen eisernen Werkzeugen; von Hrn. Director Tunner zu Leoben in Steiermark. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXXIX., S. 350 |
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LXXIX.
Ueber den Unterschied zwischen den englischen und
österreichischen eisernen Werkzeugen; von Hrn. Director Tunner zu Leoben in
Steiermark.
Aus dessen Berg- und hüttenm. Jahrbuch Bd. III, S.
144.
Tunner, über den Unterschied zwischen den österreichischen und
englischen eiserne Werkzeugen.
In Oesterreich ist das steiermärkische, harte, stahlartige Eisen zur Anfertigung der
meisten ordinären Werkzeuge mit das gesuchteste, denn ein im Gebrauche der
beständigen Abnutzung unterworfenes Werkzeug muß bei übrigens gleichen Eigenschaften
um so länger dauern, je härter es ist. Aus diesem Grunde sind in Steiermark und an
dessen Gränze herum die meisten Zeugschmieden gelegen, und wird zu diesem Ende das
harte steirische Eisen theilweise selbst im Auslande verwendet. Mehr oder weniger
wird dieses stahlartige Eisen, das sogenannte Zeugeisen, außerdem auch in einzelnen
Gegenden von Kärnthen, Tyrol, Italien und zum Theil selbst in Ungarn getroffen, weil
in allen diesen Districten Spatheisenstein-Roheisen verarbeitet wird, welches
bei passender Manipulation mehr als jedes andere Roheisen geneigt ist, dieses
stahlartige Stabeisen zu geben.
Etwas Aehnliches findet sich im belgischen, französischen und mehrerer anderer Länder
Eisenwesen; in diesen Ländern werden viele der ordinären Werkzeuge und Geräthe, wie
z.B. Hauen, Schaufeln, Pflüge, Radschuhe und dergl. gar nicht besonders verstählt,
sondern das ganze Werkzeug besteht aus derselben harten Eisenmasse; höchstens im
Falle einseitiger Abnutzung, wie bei Radschuhen, Radreifen, seltener bei den
übrigen, wird von der Frischluppe angefangen eine härtere und weichere Seite
unterschieden, damit im Gebrauche die erstere zunächst der Abnutzung ausgesetzt, und dadurch dem Ganzen
eine längere Dauer verschafft werden kann.
Andere Werkzeuge ordinärer Gattung, wie Aexte, Hacken, Krampen und dergl., ja selbst
Sensen, Sicheln, Strohmesser, werden an ihrer wirkenden Schneide oder Spitze derart
verstählt, daß die ganze Schneide oder Spitze gleichmäßig aus Stahl besteht.
Werkzeuge der ersten Art können der leichten Fabricationsmethode wegen allerdings
sehr billig angefertigt werden, umsomehr, als sie bei der Festigkeit und Steifheit
des harten Eisens gegenüber dem weichen, zugleich ziemlich leicht im Gewichte
gehalten werden dürfen und sollen. Bei Werkzeugen der zweiten Art, d. i. mit
besonderer Verstählung, hängt deren innere Güte lediglich von der Güte des
verwendeten Stahles ab. Glücklicherweise hat der steirische Stahl Härte und
Festigkeit in einem seltenen Grade verbunden, so daß die ganz aus Stahl bestehende
Schneide oder Spitze bei schon genügender Härte auch hinreichende Festigkeit
besitzt.
Einen ganz andern Weg schlägt der englische Zeugschmied ein, dem weder steirisches
stahlartiges Stabeisen, noch überhaupt ein festes Holzkohlen-Herdfrischeisen,
zu so billigen Preisen zu Gebote steht, wogegen er unter den weichen
Puddeleisensorten, wie in rohen und gegärbten Cementstahl- und
Gußstahl-Qualitäten, eine große Auswahl vor sich hat. Das schlechteste
billigste Puddeleisen kann der Zeugschmied für seine Artikel durchaus nicht
gebrauchen; es würde schon die Anfertigung der Werkzeuge in den meisten Fällen kaum
möglich machen, noch weniger beim Gebrauche die nöthige Haltbarkeit gewähren. Immer
also wird Stabeisen der bessern, oft der besten, und besonders gern von jener
Qualität verwendet, wie sie aus den Abfalleisen-Packeten erhalten wird.
Selbst diese besseren Stabeisensorten kosten in England der Wiener Centner nur 4 1/2
bis 5 1/2 Gulden C.-M., und sind von einer Zähigkeit und Gleichartigkeit,
ohne allen Roth- oder Kaltbruch, wie sie nur die besten österreichischen
Stabeisensorten zeigen, die kaum um den doppelten Preis zu haben sind.
Dieses weiche Materialeisen für sich allein könnte kein taugliches Werkzeug liefern;
es muß mit einem entsprechenden härtern Metalle, wenigstens insoweit vereiniget
werden, als damit im Gebrauche der erste Angriff der mit dem Werkzeuge zu
bearbeitenden Massen bewerkstelligt wird. Für alle ordinären Werkzeuge bildet der
ordinäre, ungegärbte Cementstahl dieses härtere Metall, welcher per Centner um 8 1/2 bis 10 1/2 Gulden, also auch um
einen Preis zu haben ist, wie in Oesterreich kaum die ordinärsten Sorten von
Rohstahl.
Der englische Zeugschmied verarbeitet demnach ein von dem österreichischen wesentlich
verschiedenes Material. Es erheischt dieses Material in der Verarbeitung zwar öfters
etwas mehr Zeit und Arbeit, dagegen ist das Material selbst billiger und der fertige
Artikel verläßlicher, besser, als der des steirischen oder österreichischen
Zeugschmieds. Letzteres ist entscheidend, und darum muß zugegeben werden, daß das
englische Verfahren im Allgemeinen das zweckmäßigere sey. Der Verfasser nährte in
dieser Angelegenheit selbst längere Zeit eine irrige Ansicht, in welcher ihn der
Besuch der Londoner Industrie-Ausstellung zuerst wankend machte, und bei
Gelegenheit, als in Steiermark, im Auftrage des k. k. Ministeriums für Landescultur,
nach englischen Mustern Drainage-Werkzeuge angefertigt wurden, wurde er
vollends von seiner frühern Ansicht abgebracht.
Es sind diese Drainage-Werkzeuge vorerst in Steiermark von einem der
geschickteren Zeugschmiede, nach der landesüblichen Methode, und nur in der äußern
Gestalt nach den englischen Mustern angefertigt worden. Bei deren Prüfung ergab sich
jedoch, daß ihnen die wesentliche Eigenschaft des Selbstschärfens der englischen
Originalien mangelte, d.h. die steierischen Werkzeuge, Spaten und Hauen, haben an
den, das Erdreich angreifenden Kanten bald ihre Scharfe verloren, während die
englischen sich im Ganzen zwar mehr abnutzten, dabei aber an den schneidenden Kanten
oder Rändern ihre Schärfe behielten, und dadurch sich als brauchbarer erwiesen. Die
Ursache hiervon liegt klar vor. Besteht nämlich das an den Rändern geschliffene und
schneidend angreifende Blatt ganz aus hartem Eisen oder Stahl, so muß sich
nothwendig die Schneide am meisten abnutzen, und trotz ihrer Härte bald stumpf
werden. Besteht das Blatt hingegen in seiner ganzen Ausdehnung an der untern Seite
aus weichem Eisen, an der obern aber aus einer dünnen Lage harten Stahles, so muß
sich im Gebrauche das weiche Eisen an der untern Seite des schneidigen Randes
verhältnißmäßig mehr als die obere harte Lage abschleifen, und dadurch beständig die
harte dünne Stahllage am Rande bloßlegen, somit die Schärfe behalten. Begreiflich
soll sich die Stärke der Stahlschneide nach der Festigkeit, nach der Art und Größe
des Widerstandes in dem zu bearbeitenden Erdreiche richten. In reiner Dammerde kann
die Stahlschneide sehr dünn seyn, ohne ein Ausbrechen derselben besorgen zu müssen;
im Sand oder Schotterlande hingegen muß die schneidende Kante stärker, dicker
gehalten werden. Durch die beliebig zu wählende Stärke der Stahlbelegung hat der
englische Zeugschmied es bei seiner Methode ganz in der Gewalt, das einmal erprobte
Verhältniß für ein gegebenes Erdreich immer genau einzuhalten; wogegen bei dem
harten Eisen und selbst dem ordinären Rohstahl, die an und für sich schon ein ziemlich ungleiches
Product sind, kein verläßlicher Maaßstab geboten ist, eine bestimmte Sorte stets
genau einzuhalten. Aus diesem Grunde können die nach der englischen Methode
gefertigten Werkzeuge als verläßlicher und besser gelten.
Was die Ausführung der englischen Methode betrifft, so hat diese durchaus keine
Schwierigkeiten. Die größere Güte des steierischen Cementstahles, in Vergleich mit
dem ordinären englischen, erleichtert die Fabrication und verbessert das Product.
Dabei braucht kaum bemerkt zu werden, daß die Stahlbelegung vor dem Ausbreiten des
Spaten-, Schaufel- oder Hauen-Blattes geschehen muß, und wenn
diese einmal vollzogen ist, das Ausbreiten zu einem beliebig dünnen Blatte durchaus
keinen Anstand hat.
In neuester Zeit werden in England Sensen und Sicheln auf ähnlichem Wege erzeugt, wie
in der Sheffielder Abtheilung der Londoner Industrie-Ausstellung von Joseph
Hutton zu Ridgeway bei Sheffield veranschaulicht
wurde. Sonst wurden diese Werkzeuge der besseren Art im Blatte aus reinem Gußstahl
mit aufgenietetem Rücken dargestellt. Hierbei ist es nöthig das Blatt in gleichem
Grade wie ein Sägeblatt zu tempern, anzulassen, damit es nicht zu spröde ausfällt.
Nach Hutton's privilegirter
Methode hingegen kömmt der Gußstahl zwischen zwei Eisenstangen zu liegen, wird unter
Hämmern geschweißt und sodann das Blatt ausgewalzt, welchem sofort durch
Wasserhärtung die ganze Härte gegeben werden darf.
Die beiden dünnen Eisenlagen werden an der Schneide der fertigen Sensen
abgeschliffen, worauf in der Mitte das äußerst dünne und äußerst harte Stahlblatt
zum Vorschein kommt. Dengeln lassen sich diese Sensen allerdings nicht, was aber
selbst bei den reinen Gußstahlblättern nicht geschieht. Uebrigens ist bekannt, daß
in Norddeutschland auch bei Anwendung des gegärbten Rohstahles zur Sensenfabrication
schon seit vielen Jahren in ähnlicher Weise verfahren wird, wie der Verfasser in dem
Artikel Sensen, in Prechtl's
technologischer Encyklopädie, Bd. XV, beschrieben hat.
So gewiß es ist, daß die Methode des englischen Zeugschmiedes in vielen Fällen besser
als die der steierischen Schmiede ist, wovon unter andern die erwähnten
Drainage-Werkzeuge ein schlagendes Beispiel liefern, so möchte in einigen
andern Fällen, namentlich insolange als in Steiermark das gute weiche Puddeleisen im
Preise sogar höher als das harte Zeugeisen steht, doch noch die steierische Methode
beizubehalten seyn, weil unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf diesem Wege etwas
billigere Werkzeuge
geliefert werden können, und die größere Güte der nach englischer Methode erzeugten
Gerüche nicht immer zur Geltung gelangt. Z.B. bei einer Kohlenschaufel, bei einer
bergmännischen Kratze und dergl. kommt die größere oder geringere Schärfe des Randes
kaum in Betracht, wenn nur die Gestalt, Größe, Gewicht und Festigkeit des ganzen
Blattes entsprechend sind. Ingleichen bei den Sensen und Sicheln scheint die
Eigenschaft der besprochenen steierischen, daß sie sich dengeln lassen, von großer
Wichtigkeit, weil sie dadurch eine viel längere Dauer erhalten müssen, eine sehr
dünne wirksame Kante erlangen und das ganze Werkzeug sehr leicht ausfällt. Alles
demnach an seinem Platze.
Die Art und Weise des Verstählens bei jenen Werkzeugen, welche an ihrer Schneide in
Steiermark aus Stahl bestehen, bietet zwischen der englischen und steierischen
Methode ebenfalls einen charakteristischen Unterschied, der zum Schlusse dieser
Notiz kurz berührt werden soll. Die steierischen Zeugschmiede sehen darauf, daß die
Stahlbelegung meist in Gestalt eines Reiters, einer Klammer, d. i. von außen an den
Seiten das Eisen umfassend, aufgetragen werde. Hierbei kann man vollkommen überzeugt
seyn, daß die Schneide des neugefertigten oder wenigstens neuverstählten Werkzeuges,
in einer mehr oder weniger bedeutenden Erstreckung aus reinem Stahle, wie er zur
Verstählung angewendet wurde, bestehen muß. – Der englische Zeugschmied
dagegen befolgt nahe den umgekehrten Weg, indem er die keilförmig vorgerichtete
Stahlmasse zwischen zwei Seitenlappen von Eisen gibt, natürlich solchergestalt daß
der Stahlkeil in der Mitte etwas vorspringt. Hierbei kann man nicht minder überzeugt
seyn, daß die Mitte der neuverstählten Schneide rein aus dem verwandten Stahle
bestehen muß; zugleich wird dieses nach oft wiederholtem Schleifen oder Schärfen
noch der Fall seyn müssen, wenn bei der Verstählung nach steierischer Manier im
mittleren Theile kaum mehr ein Stahl zu treffen seyn könnte. Es erscheint demnach
die englische Methode als die zweckmäßigere, und zwar um so mehr, als nicht allein
die innige Schweißung zwischen Stahl und Eisen bei dieser Verstählung sicherer
erreicht, sondern auch das Schleifen oder Schärfen für den täglichen Gebrauch viel
leichter ausgeführt werden kann.
Um mit der empfehlenswerthen englischen Verstählungsmethode nicht bekannten
Zeugschmieden nur Ein Beispiel zu geben, soll hier mit wenigen Worten die
Anfertigung einer gewöhnlichen Asthacke beschrieben werden:
Zu dem Ende wird eine Schiene aus weichem Eisen, ungefähr von der Breite und etwas
mehr Dicke als die Seitenwangen des Auges, in der Mitte abgebogen und über einem Dorn das Auge beiläufig
geformt. Hierauf folgt die Schweißung unter dem Auge, wobei aber die Enden auf
etliche Zolle hinein frei bleiben. Dann wird das Auge fertig gemacht, dabei aber der
etwas conische Dorn abwechselnd von beiden Seiten eingetrieben, damit das Auge in
der Mitte etwas enger ausfällt als an den Mündungen, was wesentlich zum bessern
Festsitzen am Stiele beiträgt. Nun wird am Kopf oder Nacken der Hacke ein Blatt
ordinärer Stahl aufgetragen, und dann zwischen den beiden freien Enden der
Eisenschiene ein aus besserem Stahle geformter Keil von gleicher Breite mit der
Schiene eingetrieben und verschweißt. Schließlich wird das verschweißte Ende zur
gewünschten Form der Schneide ausgehämmert, geputzt, gehärtet und geschliffen.
– Es mag demnach die Gestalt der Hacke eine beliebige seyn, immer besteht die
ganze Schneide nur in der Mitte aus einer Stahllage, die auf beiden Seiten von
Eisenlagern gleichsam gehalten wird, welche letzteren beim Schleifen leicht
fortgenommen werden. Ein analoges Verfahren findet bei Erzeugung aller ähnlichen
Werkzeuge statt, und es muß nochmals wiederholt werden, daß dasselbe von Seite der
Zeugschmiede, zumal der österreichischen, alle Berücksichtigung, in vielen Fällen
volle Nachahmung verdient.