Titel: | Ueber ein Verfahren das Abtrittwasser in feste Form zu bringen und in Dünger zu verwandeln; von Hrn. A. Mallet. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XC., S. 391 |
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XC.
Ueber ein Verfahren das Abtrittwasser in feste
Form zu bringen und in Dünger zu verwandeln; von Hrn. A. Mallet.
Aus dem Moniteur industriel, 1853, Nr.
1776.
Mallet, über ein Verfahren das Abtrittwasser in feste Form zu
bringen.
Nach Berzelius enthalten 1000 Theile Harn 933 Theile
Wasser und 67 Theile fester Substanzen, nämlich 30 Theile Harnstoff, die sich
mittelst der faulen Gährung in kohlensaures Ammoniak umwandeln können, und 37 Theile
extractiver und salziger Stoffe. Das Abtrittwasser hat diese Zusammensetzung aber
nicht, denn mit dem Harn und den festen Excrementen gelangt in die Abtrittgruben,
namentlich zu Paris, zugleich Wasser aus den Haushaltungen und Seifenwasser, so daß
in demselben statt 67, durchschnittlich nur 16 Theile fester Substanzen gefunden
werden, wenigstens nach den schon vor ziemlich langer Zeit von Chevallier, Labarraque und Parent-Duchâtelet
angestelltenangestellteu Versuchen.
In Paris wird beim Räumen der Abtrittgruben (nach den polizeilichen Verordnungen)
damit begonnen, das Abtrittwasser zu desinficiren. Die flüchtigen und schädlichen
Bestandtheile desselben sind das schwefelwasserstoffsaure und kohlensaure Ammoniak und ein
ganz eigenthümlicher Riechstoff, dessen chemische Natur man noch nicht kennt. Zum
Desinficiren bedient man sich, den polizeilichen Vorschriften zufolge, der
ZinklösungenWie im polytechn. Journal Bd. CXIX S.
319 berichtet wurde., nämlich des schwefelsauren Zinks und des salzsauren Zinks, diese von
35°, jene von 40° Baumé. Zwei Procent dieser Lösungen reichen
in der Regel zum Neutralisiren des schwefelwasserstoffsauren und des kohlensauren
Ammoniaks hin, und erzeugen kohlensaures Zinkoxyd und Schwefelzink, welche sich mit
den festen Stoffen absetzen, während der flüssige Inhalt, worin das Ammoniak als
fixes, nicht mehr flüchtiges Salz enthalten ist, sich abklärt.
Dieses mehr oder weniger abgeklärte Wasser wird durch Saugpumpen aufgeschöpft und
dann auf die Straße ausgegossen, damit es in die Gossen ablaufe, oder auch in
Räumungsfässer gepumpt, welche des Nachts in die Ableeranstalt (depôtoir) zu La Billette geführt werden, von wo
diese Flüssigkeit mittelst einer unterirdischen Leitung in die Bassins oder Teiche
von Bondy geschafft wird. Von der in diesen Bassins angelangten Flüssigkeit dient
ein Theil zur Fabrication von Ammoniaksalzen und ein anderer Theil wird, nachdem die
darin schwebenden festen Stoffe sich durch eine lange Ruhe meistens abgesetzt haben,
in eine durch die Ebene des Vertus geführte und unterhalb Paris sich in die Seine
ergießende Wasserleitung abgelassen.
Wenn man das Abtrittwasser in die Seine abziehen läßt, so ist alles, was es enthält,
verloren; wurde es vorher zur Fabrication von Ammoniaksalzen benutzt, so gewinnt man
nur das Ammoniak daraus, die salzigen und extractiven Bestandtheile gehen auch dann
verloren.
Die vortheilhafteste Verwendung dieses Abtrittwassers in landwirthschaftlicher
Beziehung, und die wichtigste – denn die übrigen Ammoniakquellen, die
Steinkohlen, Knochen, der Torf, Schiefer, werden bald zur Erzeugung aller
ammoniakalischen Producte hinreichen, deren die Industrie bedarf – bestünde
darin, es als solches auf dem Boden auszubreiten, wie dieß in mehreren Gegenden
geschieht, oder es, nachdem man das Ammoniak fixirt hat, in festen Zustand zu
versetzen, was bekanntlich durch Abdampfung oder durch Gradirhäuser bewerkstelligt
werden kann. Ein neues Verfahren hierzu wurde von Hrn. Sussex
Man s. polytechn. Journal Bd. CXXIII S.
476. vor einiger Zeit vorgeschlagen, welches wir hier kurz mittheilen wollen.
Wenn man die Lösung eines kieselsauren Salzes (Silicats), z.B. des kieselsauren
Natrons, mit einer Säure, z.B. Schwefelsäure, behandelt, so erfolgt bekanntlich eine
Zersetzung; es bildet sich schwefelsaures Natron, welches aufgelöst bleibt, und es
scheidet sich Kieselsäure (Kieselerde) ab, die in der salzigen Lösung eine Gallerte
bildet, in welche die Lösung nothwendig hineingezogen wird.
Nachdem also das Ammoniak im Abtrittwasser fixirt ist – und das ist nach
unserer Ansicht wesentliche und unerläßliche Bedingung – setzt Hr. v. Sussex eine hinreichende Menge
kieselsauren Natrons zu (welches möglichst wenig alkalisch ist, damit das freie
Alkali nicht eine beträchtliche Menge Ammoniak austreibt); alsdann gießt er irgend
eine Säure zu, um die Kieselsäure auszuscheiden und die ganze Flüssigkeit in
gallertartigen Zustand überzuführen.
Nachdem man die gallertartige Masse erhalten, läßt man sie trocknen; die gewonnene
trockene Substanz enthält alles Ammoniak in Form von Salzen, sowie alle
mineralischen und organischen Substanzen, welche sich im Abtrittwasser befinden,
ferner die abgeschiedene Kieselerde, nebst dem durch die Verbindung des Natrons aus
dem Silicate mit der zugesetzten Säure entstandenen Natronsalz.
Zur Ausführung dieses Verfahrens mußte vor Allem kieselsaures Natron wohlfeil
producirt werden. Die HHrn. Fouché-Lepelletier und v. Sussex scheinen diese Aufgabe dadurch gelöst zu haben, daß sie reines
Seesalz (Kochsalz) und Sand bei sehr hoher Temperatur in Flammöfen oder Retorten
behandeln; es entwickelt sich dabei Salzsäure, die natürlich aufgesammelt wird, und
kieselsaures Natron bleibt zurück. Nach ihrer Angabe kömmt ihnen dieses Salz nur auf
6–7 Franken per 100 Kilogr. zu stehen.
Wenn soll man nun diese Behandlung des Abtrittwassers vornehmen, um es zum Gerinnen
und in Gallertform zu bringen? Etwa in den Abtrittgruben? Wir glauben nicht; wohl
aber in den Bassins oder Behältern. Die erhaltene coagulirte Masse breite man in
sehr dünnen Schichten entweder auf einem wasserdichten, z.B. mit Erdharz überzogenen
Boden, oder auf dazu bestimmten Platten oder Trockenvorrichtungen aus, und sie wird
dann durch natürliche Verdunstung an der Luft trocknen, was man auch künstlich
mittelst Wärme bewerkstelligen könnte. Hr. v. Sussex soll sich zur Erreichung dieses Zwecks
eines Apparats, Autoclav genannt, bedienen, worin das
Coagulum Luftströmungen ausgesetzt wird, welche die Verdunstung des Wassers
beschleunigen.
Das Mitgetheilte genügt, um die Wichtigkeit der Aufgabe und den Werth ihrer
vorliegenden Lösung würdigen zu können, was hauptsächlich unser Zweck war.