Titel: | Die Fabrication der Palmölkerzen in Price's Belmont Works, Vauxhall. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. CV., S. 456 |
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CV.
Die Fabrication der Palmölkerzen in Price's Belmont Works,
Vauxhall.Aus dem: Amtl. Bericht über die Industrie-Ausstellung zu London.
Ueber die Fabrication der Palmölkerzen.
In diesem großen Etablissement werden vorzugsweise fette Körper geringerer Qualität
verarbeitet. Wir geben hier die Reihe von Operationen, welche das Palmöl bei seiner
Umwandelung in fette Säuren erfährt. Unter dem Namen Palmöl kommen verschiedenartige
Substanzen von butterartiger Consistenz im Handel vor. Die größte Menge des zur
Destillation benutzten stammt von der Westküste von Afrika, wo es aus der Frucht
verschiedener Palmarten ausgeschmolzen wird. Das Palmöl enthält neben dem Olein ein
neutrales Fett, welches dem Stearin und dem Margarin ähnelt und Palmitin genannt
wird. Letzteres liefert bei der Verseifung eine feste Fettsäure, die Palmitinsäure,
welche viel Aehnlichkeit mit der Margarinsäure hat. Die aus dem Palmöl gewonnenen
Kerzen sind daher eigentlich Palmitinsäurekerzen, allein die Industrie macht
natürlich keine so strengen Namens-Unterscheidungen.
Kaum ausgeschifft (die Belmont Works liegen dicht an der Themse) wird das Palmöl in
einen mächtigen, mit Blei ausgeschlagenen Behälter, der von 16 bis 20 Tonnen faßt,
entleert und mittelst eines Dampfstromes geschmolzen. Man läßt die flüssige Masse
eine Zeit lang stehen, wodurch sich viele mechanische Verunreinigungen in dem
Wasser, auf welchem sie schwimmt, absetzen, und pumpt sie alsdann in ein großes
Gefäß, in welchem sie von Neuem der Einwirkung des Dampfes preisgegeben wird. Der
Dampf streicht zuvor durch ein Röhrensystem, welches in einem Ofen zum Glühen
erhitzt wird, und erhebt die Temperatur der Palmölmasse schnell auf 170° C.
Nunmehr wird concentrirte Schwefelsäure zugesetzt, in dem Verhältniß von 6 Pfund zu
112 Pfund Palmöl, und aufs innigste mit dem Oele gemengt. Das so erhalteene Gemenge
wird vermittelst des überhitzten Dampfes noch weiter auf 176° C. gebracht,
wobei es sich beträchtlich schwärzt. Die Zersetzung ist jetzt vor sich gegangen, wie
man sogleich an einer Probe, die man erkalten läßt, erkennt. Die ausgeschiedene,
aber stark geschwärzte Fettsäure krystallisirt nämlich jetzt zu einer ziemlich
festen Masse. Das zersetzte Fett wird nunmehr von Neuem in große Waschgefäße
abgeführt, mit Beihülfe von Dampf mehrmals gewaschen, bis die Schwefelsäure entfernt
ist, und alsdann in einen Behälter emporgepumpt, welcher über den Destillirgefäßen
lagert. Letztere sind von Kupfer und halten 5 bis 6 Tonnen Fett. Man destillirt über
freiem Feuer, während ein Strom überhitzten Dampfes durch die flüssige Masse
streicht. Hierdurch wird das Destilliren außerordentlich erleichtert; die Temperatur
steigt in der Regel nicht über 290° C. oder 300° C.
Das Gemenge von Fett und Wasserdämpfen, welches aus den Destillirgefäßen entweicht,
wird zunächst zum Abkühlen in ein verticales Röhrensystem geführt, denen ähnlich,
welche jetzt in Gaswerken üblich sind. Diese Röhren haben immer noch eine Temperatur
von 100°. Es verdichtet sich also neben sehr wenig Wasser nur der Oeldampf
zur farblos-durchsichtigen Flüssigkeit, welche aus am untern Theile des
Kühlapparates angebrachten Röhrenansätzen ausströmt und in den Auffangegefäßen
schnell zur weißen festen Krystallmasse erstarrt. Der unverdichtete Wasserdampf geht
in einen zweiten Kühler, wo er sich, durch einen Strom kalten Wassers abgekühlt,
nebst einer kleinen Menge mit übergerissener Fettsäure verdichtet. Letztere wird
nach dem Erstarren von dem Wasser abgehoben und mit dem übrigen
Destillationsproducte vereinigt. Geht bei der oben angegebenen Temperatur nichts
mehr über, so wird die rückständige Fettmasse aus den Kupferblasen in große eiserne
Cylinder übergefüllt und in diesen einer noch weit höheren Temperatur ausgesetzt,
während ein stärker überhitzter Dampf durchströmt. Durch die zweite Destillation
gewinnt man eine weitere, obgleich weniger reine Menge fester Fettsäure. Der Retortenrückstand
ist eine Art Pech, welches zu allen Zwecken, denen das gewöhnliche Pech dient,
verwendbar ist.
Ein großer Theil der Fettsäure wird, wie sie von dem Kühlapparate rinnt, ohne
Weiteres in Kerzen verwandelt. Diese sind natürlich weicher und schmelzbarer, als
die eigentlichen Stearinsäurekerzen, einmal weil sie noch eine große Menge mehr oder
weniger veränderter Oelsäure enthalten, und zweitens weil die Palmitinsäure einen
weit niedrigem Schmelzpunkt (60° C.) hat, als die Stearinsäure (70°
C.). Allein diese Kerzen, welche man in England composite
candles nennt, besitzen nichtsdestoweniger die Hauptvorzüge der
Stearinkerzen. Sie sind immer noch hart genug, ziemlich weiß, geruchlos, machen
keine Fettflecken und gestatten die Anwendung eines sich selbst putzenden
Dochtes.
Soll das Fettdestillat zu weißeren, härteren Kerzen verwendet werden, so geht
dasselbe direct zur Presse. In den Belmont Works sind zu dem Ende nicht weniger als
fünfzig hydraulische Pressen im Gange. Die Fettmasse wird mittelst einer sinnreichen
Maschine auf Pferdehaarmatten ausgebreitet, mit eisernen Platten geschichtet und in
der Kälte einem starken Drucke unterworfen. Die ablaufende Oelsäure, oder
Metoleinsäure, wird aufgefangen und größtentheils nach Deutschland exportirt, wo sie
in der Seifenfabrication Verwendung findet. Die Fettmasse durchläuft nunmehr
denselben Proceß noch einmal, um in ähnlicher Weise heiß gepreßt zu werden. Die bei
der zweiten Pressung erhaltenen Kuchen werden, nachdem man die beschmutzten Kanten
abgenommen, nochmals mittelst Dampf in schwach mit Schwefelsäure angesäuertem Wasser
umgeschmolzen und alsdann in Blöcke geformt.
Diese werden ohne Weiteres zu Kerzen benutzt, oder auch noch in vielfacher Weise mit
einem oder dem andern fetten Körper gemischt. Man wendet hierzu große Mengen
gepreßten Kokosnußöls an, dessen Stearin (ein Gemenge von Palmitin und Laurin) sich
ziemlich leicht von den flüssigen Glycerinverbindungen trennen läßt. Es entstehen so
weitere composite candles. Das Gießen der Kerzen
geschieht in den Belmont Works mittelst einer sehr merkwürdigen, von Morgan in Manchester erfundenen und von einem der
Ingenieure der Fabrik verbesserten Maschine.
Die in Rede stehende Fabrik destillirt jede Woche allein 130 Tonnen (2600 Ctr.)
Palmöl, und nebenbei werden noch andere Fette verarbeitet. Sie ist das colossalste
Werk, welches sich mit dieser Industrie befaßt. Die Compagnie, der es gehört, hat
nicht weniger als fünf verschiedene Fabriken, die sämmtlich in einander greifen, und
außerdem große Pflanzungen von Kokosnußpalmen in Ceylon. In allen diesen Fabriken,
in denen nahe gegen eine halbe Million Pfd. Strl. Capital steckt, arbeiten – trotz aller
Einrichtungen zur Ersparung von Menschenhänden – mehr als 800 Arbeiter, und
die Actionäre theilen einen jährlichen Reingewinn von 40,000 bis 50,000 Pfd.
Sterl.Man vergl. die Notiz über Wilson's Kerzenfabrication im polytechn. Journal Bd. CXXIV S. 156.